Die Madonna Rafaels, mit dem Leibe, der in all seiner Schöne doch noch das uralte organische Prinzip der Zwei geschlechtlichkeit malt, mit dem Kinde, das die Mutter an deutet, — sie schwebt zugleich als eine freie Geisteszeugung wie in einer höheren, einer Überwelt. So ist auch die Liebe heraufgewandelt in der Geschichte der Menschheit wie eine immer mehr befreite Lichtgestalt, unter der das Tierische, die Schwere des Tierischen, sank und sank. Der Mensch ward Mensch. Ein oberes Stockwerk der Dinge baute sich in ihm selbst auf seiner Tierheit wie auf einer Granitquader auf, die fortan nur noch roher Baugrund war. Das ragt nun wie ein Tempel, dessen Marmorschnee in ein verklärtes Blau steigt. Es giebt keine echten Vergleichungsbilder dafür. Aus der Fülle der Naturformen, vom fernen, grünlich glimmenden Nebelflecke des Alls bis zur hartgelben Flechte des irdischen Granitgebirges, wächst unserem Wissen nur eine einzige Mensch heit. Ob auf irgend einem anderen, rot oder weiß herüber strahlenden Planeten ähnliches sich im Banne der gleichen Kräfte aufgebaut: die Kunde schweigt, — kaum daß die Ahnung zu wandern wagt. Wie eine endlose nackte Wüste zieht sich um unseren „Lebensplaneten" nach allen Seiten in die Sternen räume hinein unsere Unwissenheit und schafft uns jedenfalls eine praktische Einsamkeit, vor der jeder Vergleich versagt. Aber vor Augen steht, wie diese eine einzige, unvergleich bare Menschheit auf diesem ihrem Planeten die Begriffe ver wandelt hat. Auch den Begriff der Liebe. Er ist herausgewachsen aus sich selbst, über sich selbst. Im höchsten Sinne, wie diese Madonna ihn symbolisch ganz zu fassen sucht, steht er da in einer Größe, gegen die die Liebe des Tieres sich stellt, etwa wie das schlichte Lager aus Zweigen, das der rothaarige Orang Man sich im Baumdickicht Borneos bereitet, gegen den Parthenon des Phidias oder die