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Nr. 301, Pulsnitzer Tageblatt. — Freitag, den 28. Dezember 1928 Seite 2 lungen sind die Lieder „Die Nacht" von Schubert für ge mischten Chor, sowie der Männerchor „Fliederbusch" von Bröhl zu bezeichnen. Besonders hervorzuheben sind noch die beiden Chöre mit Orchester-Begleitung „An der Weser" von Bressel und „An der schönen blauen Donau" von Joh. Strauß. Letztere ließen an Präzision und Tonfülle nichts zu wünschen übrig. Im Mittelpunkt des Abends stand das Schauspiel „Ein Weihnachtsträum" in 3 Akten von A. Pa nell. Dieses ernste und würdige Stück war dem Fest ganz besonders angepaßt und versetzte das Publikum in die rich tige Weihnachtsstimmung. Die Darsteller hatten sich vor züglich in ihre Rollen eingearbeitet und gaben dieselben sehr lebenswahr wieder. Einzelne Personen besonders her vorzuheben, erübrigt sich. — Damit schloß der wohlgelun gene Abend und die Besucher werden denselben lange in guter Erinnerung behalten. Den Sängern soll noch ganz besonders ans Herz gelegt werden, auf dem eingeschlagenen Wege rüstig weiter zu schreiten und die viele Mühe und Aufopferung ihres Dirigenten würdig anzuerkennen. Großnaundorf. (WeihnachtsfeierimDeut- schen Turnverein.) Am 2. Feiertag hatte der Turn verein (v. I.) zu Großnaundorf Freunde und Gönner der deutschen Turnsache zu einer wohlgelungenen Kinderauffüh rung eingeladen, die infolge der Reichhaltigkeit der Darbie tungen und freudevollen Mitwirkung der beteiligten Kinder lebhaften Beifall der zahlreich versammelten Anwesenden aus löste. Freiübungen aller Altersstufen beiderlei Geschlechter wechselten mit anmutig zur Schau gebrachten Volkstänzen und weiteren Geräteübungen ab, sodaß wohl jeder Besucher des Abends, wie auch der Lokalwirt, Herr Karl Lunze, ob des gefüllten Saales, auf seine Rechnung kam. Den Schluß der Abendveranstaltung bildete die Aufführung des Märchen spieles „Schneeweißchen und Rosenrot", welches durch seine echt kindertümliche Wiedergabe für alle, Kinder wie Jugend gruppenleiter einen vollen Erfolg brachte. So war dieser Abend, vollends als Knecht Ruprecht gar noch Gaben aus teilend erschien, für den Turnverein O. 1°. Großnaundorf ein wertvolles Propagandamittel. Ohorn. (Die Mütterberatung) in Ohorn findet am Mittwoch, den 2. Januar, nachmittags 2 Uhr im Rathaus statt. Arzt wird anwesend sein. Rammenau. (Räuberischer überfall.) Zwei junge Burschen durften auf ihre Bitte im Schlitten eines 57jährigen Wirtschaftsbesitzers aus Gödlau mitsahren. Auf der Staatsstraße zwischen Rammenau und Kindisch fielen die beiden Fahrgäste dem Wirtschaftsbesitzer in die Zügel, zogen ihn aus dem Schlitten und bedrohten ihn, während sie seine Kleidungsstücke nach Geld und Wert gegenständen untersuchten, mit dem Messer. Als sie weder Geld noch Wertsachen sanden, baten sie ihr Opfer, von einer Anzeige abzusehen. Dann entkamen sie unerkannt. Bautze«. (Aus dem fahrenden Zuge ge sprungen.) Gestern früh wurde zwischen den Gleisen am Schlachthof ein älterer Fleischergeselle schwerverletzt aufge funden. Er war mit dem Nachtzuge aus Dresden gekommen, hatte das Aussteigen verpaßt und war aus dem fahrenden Zuge gesprungen, wobei er an die Stellereidrähte anstieß und die Böschung hinabstürzte. Er wurde ins Stadtkran kenhaus eingeliefert. — (350 Jahre Bautzener Väcker - Zwangsinnung.) Am Sonnabend begeht die Bäcker- Zwangsinnung zu Bautzen die Feier ihres 350 jährigen Be stehens, bei der zugleich die Weihe der neuen Jnnungsfahne abgehalten werden soll. 1 Weißenberg (Lausitz). (Kampfmiteinem WiM. dieb.) An der preußischen Grenze au» Krischaer Revier wurde ein Wilddieb im Schlingenstellen ertappt. Ein Wild förster verfolgte ihn über die Grenze. Es entspann sich ein Ringkampf, m dessen Verlaus der Wilddieb, der Arbeiter Hummel, überwältigt werden konnte. Er wurde zunächst dem Landjäger übergeben und später in das Krankenhaus eingeliefert, da er in dem Kampfe mit dem Förster verletzt worden war. Neustadt. (Bürgermeister-Wahl.) ^J^H letzten Stadtverordnetensitzung fand die Wahl des neuen Bürgerme sterS statt. Es waren 16 Bewerbungsschreiben ein gegangen. 4 Bewerber kamen zur engeren Wahl. Es waren dies die Herren: Stadtrat Dr. Huth (Werdau), Stadtrat Hedrich (Reichenbach), Stadtrechtsrat Dr. Hitzge (Olbernhau), Stadtrat Müller (Schwarzenberg». Die Wahl fiel auf Dr. Hitzge mit 8 Stimmen. Bei Auszählung der Wahlzettel war einer ungültig. Dr. Hitzge ist 1897 zu Leipzig als Kaufmannssohn geboren. Er absolvierte das Lehrerseminar bis zur Abschlußprüfung, nahm am Weltkriege teil und wurde Offizier. Nach dem Kriege machte er »ein Abiturium und studierte Jura in Leipzig. Nach Ablegung seiner 2. Staats prüfung erhielt er Anstellung am Landgericht bei der Staats anwaltschaft Dresden als Gerichtsassesfor. Seit 31. Januar 1928 ist er als Stadtrechtsrat in Olbernhau tätig. Er ist verheiratet Dresden. (Der Feiertagsverkehr bei der Reichsbahn) Am Hauptbahnhof sind während der Weih- nachtsseiertage 129 Sonderzüge ongekommen und 114 abge fahren. Insbesondere war der Wintersportverkehr namentlich am zweiten Festtag wegen des plötzlichen Regenwetters ziem lich stark. Dresden. (Riesen st ollen umzug.) Eine alte Tradition soll durch den festlichen Umzug der Bäckerinuung „Lusatia" wieder ausgenommen werden, der am 30. d. M. sich mit einem Riesenstollen durch die Hauptstraßen der Stadt nach dem Kristallpalast bewegen wird. Alljährlich zu Weih nachten sandte nach alter Sitte die Dresdner Bäcker-Innung dem König von Sachsen einen etwa 1'/, Meter langen Christstollen ins Residenzschloß, bis der Weltkrieg diesem historischen Brauch ein Ende bereitete. Nun soll am Sonn tag nachmittag die alte Tradition in veränderter Form mit einem Riesenstollenumzug unter Vorantritt einer Musikkapelle wieder aufleben. Dresden. (Zum Ministerwechsel im Volks ministerium.) In einem Artikel über die innerpolitische Lage in Sachsen bemerken die „L.N N." anscheinend partei offiziös inspiriert u. a. zum Ministerwechsel im Volksministe rium: Schwierigkeiten ernster Art werden den Regierungs parteien aus dem Ministerwechsel im Volksministerium er wachsen. Der erste Sturm hat sich zwar gelegt, kann aber jeden Augenblick neu losbrechen. Wenn die Demokraten auch weiterhin die Kandidatur Hickmann ablebnen, wird schließlich der Deutschen Volkspartei nichts übrig bleiben als eine andere geeignete, aber weniger umstrittene Persönlichkeit, deren sic in ihren Reihen ohne weiteres zur Verfügung hat, vorzu- l schlagen. Keine Partei würde es verantworten können, um f einer Personenfrage willen, das sächsische Volk in die Unruhe ! einer Wahlbewegung zu treiben. Das Blatt meint weiter: ! Sobald man über die Klippen der Nachfolgeschaft Dr. Kaisers i hinweg sei, werde die schon längst reife und mehrfach ver- ! sprochene Zusammenlegung des Arbeits- und Wirtschasis- ministerium behandelt werden müssen. Dresden. (Polarbären und Sudanlöwen) bilden nunmehr neben den übrigen Attraktionen des „Pro gramms der Sensationen" im Circus Sarrasani den Haupt anziehungspunkt. Viel Freude kann man in allen Vorstel- ! lungen bei Groß und Klein feststellen, wenn die kleinen j Löwen im Publikum ihre Visite machen. Die Schleuder brettakrobaten fordern jedesmal zu frenetischem Beifall heraus, während Kanonenkönig Leinert zum Schluß der Vorstellung immer wieder durch seinen wagehalsigen Schuß aus der Kanone Momente unerhörtester Spannung schafft. Am 29. und 30. Dezember finden zwei Vorstellungen (3 und »/,8 Uhr) statt. Nachmittags Kinder auf allen Plätzen von 2 Mark aufwärts halbe Preise. Dresden. (Vie Auseinandersetzung zwischen Staat und Kirche) Am Sonnabend gab die Siaatskanzlet , bekannt, daß das Desamtmtniftertum den Verträgen über die vor läufige Ablösung der Staatsletftungen an die evangelisch lutherisch« und an die römisch-katholische Kirche sowie einem entsprechenden Gesetzentwürfe zugrstimmt habe, außerdem einer Vorlage über dir öffentlich rechtlichen Religionsgesellschaften. Zu diesen wichtigen Avmackungrn zwischen dem Staat und den beiden Kirchen erfährt der »Dresdner Anzeiger" von unterrichteter Seite folgende»: Bisher war im Haushaltplan 1928 ein Staatszuschuß an die evangelische Kirche in Höhe von insgesamt 1313910 M eingesetzt. Die drei Hauptposten waren 49400g M für den Behördenauswand des Laodeskonfistoriums, der bisherigen Konfistorialbchörde Bautzen und der Kirchentnspektion, 350000 M Beihilfe zum Besoldung»- bedarf der Geistlichen und 309 743 M Entschädigung an Geistliche und Kirchendiener für weggesallene Stolgebühren. Die anderen Posten waren nur kleinere Summen. Die katholische KirLe erhall nach dem letzten Staatshaushallplan einen Zuschuß von 57 590 M. Mit diesen Leistungen find aber die Zuschüsse des Staates au die beiden Kirchen noch nicht erschöpft, denn unter den Ruhegeldern, die im laufenden Rechnungsjahre einen Zuschuß von 51,75 Mil« lionen Mark ersordern, find rund 4 Millionen Mark Ruhegelder für Geistliche, Ktrcheobeamte usw. enthalten. Es ist nun vereinbart worden, daß die evangelische Kirch« nicht die Kapitalisierung der Renten verlangen kann, die ihr der Staat zu zahlen hat. Eine solche Kapitalisierung würde eine so hohe Suwme ergeben, daß sie der Staat unter den gegenwärtigen Verhältnissen nicht ausbrtngen könnte. Ausdrücklich ist aber abgemacht worden, daß die Kapita lisierung sreiwillig vom Staat vorgenommen werden könne. Die Zuschüsse des Slaates an die evangelische Kirche werden sich von rund 1,31 auf rund 2 Millionen Mark erhöhen, also um etwa 7Ü0 000 Mark. Außerdem ist eine Nachzahlung für die vergange nen Jahre, in denen die Kirche zu wenig erhallen hat, zu leisten. Ueber die Höhe dieser Nachzahlung soll noch weiter verhandelt werden; die Endsumme steht noch nicht genau fest. Chemnitz. (Dank an Dr. Stresemann.) Der Vorstand der Deutschen Volkspartei im 30. Wahlkreis (Sitz Chemnitz) richtete an Außenminister Dr. Stresemann ein Dankschreiben für die deutschen Worte, die der Minister in Lugano gesprochen hat. Klagen aus den Wintersportgebieten. Aus den Wintersportgebieten des Erzgebirges gehen folgende Klagen ein: Wenn jetzt im allgemeinen auch das Verbot des Ein- und Aussteigens, solange sich ein Zug in Bewegung befindet, beobachtet wird, so läßt an Wintersporttagen das Verhalten des reisenden Publi kums noch mancherlei zu wünschen übrig. Kaum hält der Zug in einer Station, so stürzen die Sportler aus den Wagen, um sich mit Schneebällen zu werfen und der gleichen zu belustigen. Die Rufe „Einsteigen" usw. werden geflissentlich überhört, im Augenblick der Abfahrt springen alle auf das Trittbrett und die Plattform. Be lehrungen werden im günstigsten Falle mit einem Lächeln abgetan. Ähnlich liegt es mit der Sorge um die Heizung. Die Schaffner bemühen sich, die Ofen warm zu halten, aber bei der Bergfahrt werden Türen und Fenster auf gerissen und offen gelassen. Auf der Rückfahrt dagegen wird über kalte Wagen geklagt, weil dann die Sportler ihre nassen Kleider und Strümpfe trocknen wollen. Tauweiier in den deutschen Mittelgebirgen. In ganz Südwestdeutschland hat es stark geregnet, so daß die Wintersportmöglichkeiten sehr beschränkt wurden. Im Taunus, im Odenwald und im Harz wie in Thüringen hat ebenfalls der Föhn Tauwetter gebracht, so daß sämtliche Sportveranstaltungen ausfallen mußten. Auch im Riesen gebirge hat das milde Wetter den Schnee in Regen ver wandelt. Tödliche Unglücksfälle beim Wintersport. Basel. Die Feiertage sind in der Schweiz recht ruhig verlaufen; nur beim Ski- und Schlittschnhfahren haben sich einige Unfälle ereignet. In der Nähe von Luzern fuhr ein Neunjähriger, als er auf der Straße Schlittschuh lief, an einer unübersichtlichen Ecke direkt in ein Auto hinein und wurde zu Tode gedrückt. In der Gegend von Couvct stürzte beim Ski fahren ein Fünfzehnjähriger so unglücklich, daß ihm der Ski- stock in die Brust drang und die Lunge durchstieß. Der junge Mann starb bald darauf. Auf der Straße nach Biel fuhren drei Mädchen mit ihren Schlittei» an einer gefährlichen Stelle in ein Auto hinein. Zwei mußten mit schweren Beinbrüchen ins Krankenhaus transportiert werden. 6l Münchener Opfer des Glatteises. München. Am ersten Weihnachtsfeiertag glich die baye rische Hauptstadt einem einzigen Eislaufplatz. Der in Süd bayern so häufige Wettersturz brachte Regen, so daß alle Straßen bald mit Glatteis überzogen waren. Straßenbahn und Autos konnten nur Schritt fahren, und der Automobil verkehr wurde schließlich ganz eingestellt. 61 Personen stürzten und mußten in ärztliche Behandlung gebracht werden. Auch in Wien wurden zahlreiche Personen Opfer des Glatteises. Auf Straßen mit Gefälle wurde der Verkehr fast unmöglich, da die Wagen zurückglitten und Gefahr liefen, gegen Häuser, Ecken und Bäume geschleudert zu werden. Die Rettungswagen mußten in 83 Fällen eingreifen. Es handelte sich meist um Knochenbrüche. Niesenüberschwemmung in Russisch-Zentralasien. Moskau. Die Ueberschwemmung des Flusses Syrdarja in Russisch-Zentralasien hatte schwere Folgen. In einem Umkreis von 55 Kilometern stehen die Umgegend und unzählige Dörfer unter Wasser. Die Zahl der Opfer steht noch nicht fest. Wie man aus Brüssel meldet, wütete an der belgischen Küste ein schwerer Sturm. Ein zwei Kilometer langer Scheldedamm gab den Fluten nach. 3000 Quadratkilometer stehen unter Wasser. Kapitale Jagdbeute. Zn der Troppiner Forst wurden kürzlich einige Wölfe ge schossen, die sich bei dem strengen Frost nach Ostpreußen hinemgewagt hatten. Der glückliche Schütze war der Förster Krentzderger aus Schillehne. Für die Sicherheit der Reisenden. Die deutsche Reichsbahn hat jetzt erstmalig in ganz Europa einen Oberbau-Meßwagen in >en Dienst gestellt, der mit )Ufe einer Reihe feinster Prä- zisionsinstrumente einen bis in alle Einzelheiten genauen Be richt über den baulichen Zu- stand der befahrenen Strecke gibt. Eins der Instrumente verzeichnet auf Bruchteile eines Millimeters genau alle Ab weichungen des Gleises von der normalen Spurweite; das zweite notiert alle Differenzen in der Höhenlage der beiden Schienen, das dritte den Ver lauf aller Gleisbögen und das vierte die Unebenheit an den Schienenstößen. Blick in den neuen Meßwagen der Reichs bahn, der eine wichtige Ein richtung zur Verhütung von