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putsnHerIagebkM Dienstag, 4. Dezember 1928 Beilage za Nr. 282 8«. Jahrgang ! 100 Lahre Dresdener Stadtpost. Am 15. Dezember d. I. sind hundert Jahre verflossen, daß die Dresdener Stadtpost als ein heute noch bestehender postalischer Begriff ins Leben gerufen worden ist. Am 15. Dezember 1828 las man in den amtlichen Blättern die Bekanntmachung des damaligen „Königlich Sächsischen Oberpostamt" in Leipzig, daß der regierende König Anton von Sachsen die Herstellung einer verbesserten Brief bestellung in der Residenz Dresden nnd die Einrichtung einer damit m Perbindung stehenden Stadtpostanstalt ge nehmigt habe. Dem „korrespondierenden publico" von Dresden wurde damit bckanntgemacht, daß vom 1. Januar 1829 an täglich eine fünfmalige Bestellung der mit den Posten nach Dresden eingehenden Korrespondenzen sowohl in der Stadt als in den Vorstädten, der Neustadt, Friedrichstadt und dem neuen Anbau (Anlonstadt) statt finden würde und daß zur besonderen Bequemlichkeit für das Publikum an verschiedenen Punkten Dresdens 14 Briefsammlungen angebracht werden sollen. Namentlich diese 14 neuen, mit einem Posthorn bemalten und in post gelber Farbe gehaltenen neuen Stadtbriefkästcn fanden rasch allgemeinen Anklang. Die neue „Stadtpostanstalt", deren Briefträger einen orangefarbenen Dienstrock und dunkelblaue Käppis trugen, lag zunächst noch im da maligen Posthaus auf der Pirnaischen Gasse. Später wurde die Anstalt als „Königliche Stadtpostexpedition" dem Hofpostamt angegliedert und siedelte mit diesem in das 1830 neuerrichtete stattliche Postgebäude am Wils druffer Platz, dem heutigen Postplatz, über, das später noch um zwei Stock erhöht wurde und heute Telegraphen- und Fernsprechamt ist. Die alte „Dresdener Staatspost" entwickelte sich postalisch recht günstig, denn die Zahl ihrer Briefkästen hatte sich um 1850 bereits auf 31 vermehrt und betrug 1867 bereits 80 Briefkästen innerhalb des Dresdener Stadtpost bezirks. Nach Übergang der sächsischen Post zunächst an die „Norddeutsche Postunion" im Jahre 1868 und später (1872) an die DeutscheNcichspost veräuderte sich Wohl äußer lich das Bild und der Rahmen der ehemaligen Dresdener Stadtpost, jedoch blieb deren ursprüngliche Organisation mit ihren Einrichtungen und volkstümlich gewordenen Be griffen wie „Stadtpostamt", „Stadtpostbczirk", „Stadt postbriefkasten", „Stadtpostbestellung" und ähnliches bis auf den heutigen Tag erhalten. Der hohe Zins- und Steuerdruck. Die Handelskammer Dresden teilt über die Lage der Industrie des Handelskammerbezirks Dresden im dritten Vierteljahr 1928 u. a. mit: Auftragseingang und Be schäftigung sind in der Berichtszeit in einer großen Reihe von Industriezweigen zurückgegangen. Weit mehr als diese Konjunkturabschwächung ist für die Industrie die Entwicklung der Selb st ko st en Anlaß zur Sorge, deren Konto durch erfolgte und drohende Lohnerhöhungen bedenklich belastet wird. Die Preise konnten dieser Entwicklung nicht folgen und die vermehrte Ausfuhr ver schlechterte das Gesamtergebnis infolge der meist noch schlechteren Preise, die auf dem Auslandsmärkte zu er zielen waren. Der hohe Zins- und Steuerdruck, der un vermindert auf der Wirtschaft lastet, wird nach wie vor als hauptsächliches Hemmnis der jo nötigen eigenen Kapitalbtldung empfunden. Die Ertragsaussichten werden daher von sehr zahlreichen Firmen äußerst pessimistisch beurteilt. Eine fühlbare Verschlechterung des Zahlungs einganges gegenüber der vorhergehenden Berichtszeit ist aus den Berichten nicht zu entnehmen. Ablehnung des Schiedsspruches in der Textilindustrie. In einer von der Gauleitnng Sachsen des Deutschen Textilarbeitcrverbandcs nach Chemnitz einberufenen Kon ferenz, die von 130 Delegierten besucht war, wurde mit allen gegen zwei Stimmen folgende Entschließung an genommen: Die in Chemnitz tagenden Funktionäre der West sächsischen nnd der o st t h ü r i n g i s ch e n Textilindustrie lehnen den Schiedsspruch vom 27. No vember d. I. ab, da derselbe nur in ganz unzureichender Weise die gegenwärtigen niedrigen Löhne berücksichtigt. Ein Reichwehrsoldat in die Elbe geworfen. In Dresden wurde ein Neichswehrobergefreiter, der von einer Gebnrtstagsfeier kam nnd seine Kaserne aufsuchen wollte, auf der Carola-Brücke von etwa zehn anscheinend betrunkenen Bauhandwerkcrn, die nach Art der Hamburger Zimmerleute gekleidet waren, angefallen. Die Burschen, die sich in langer Reihe untergefaßt halten, umringten den Soldaten, ehe er ausweichcn konnte. Man packte ihn an der Brust und beleidigte ihn. Dann warf man ihn ans die Straße und bedrohte ihn mit einem Messer. Schließlich wurde er von den Übeltätern gefaßt, fortgeschleift und über das Brückengeländer in die Elbe geworfen. Unter Aufbietung seiner ganzen Kräfte ge lang es ihn«, schwimmend das Ufer zu erreichen. Unter dessen waren die Täter geflüchtet. Schwere Schadenfeuer. In Pirna brach in einem Kesselhaus des Eisen werkes im Stadtteil Copitz Feuer aus, durch das der Dachstuhl des Kesselhauses vernichtet wurde. Der Schaden ist bedeutend und cs ist nicht ausgeschlossen, daß der Be trieb vorläufig stillgelegt werden muß. — In Haus dorf, Bezirk Kreischa, brannten infolge Kurzschluffes eine Schenne und ein angebauter Geräteschuppen des Gutsbesitzers Bellmann nieder. MM MsWrMge gibt es aus ber Well? Die Mechanisierung des Verkehrs hat in den letzten Jahren einen ungeahnten Aufschwung genommen. In Deutschland überschritt im Laufe dieses Sommers die Zahl der vorhandenen Krastverkehrsmittel (Personenkraftwagen, Lastkraftwagen, Großkrafträder und Zugmaschinen) die Mil lionengrenze. Die Zunahme während des letzten Jahres al lein belief sich aüf über 250 000 Fahrzeuge. Die Steigerung war am stärksten bei den Großkrafträdern, deren Bestand rund um 47«/o anstieg. Die Zugmaschinen stiegen um 37«/»; weiter schließen sich an: Personenkraftwagen mit einer 3l°/»igen und Lastkraftwagen mit einer 21°/g igen Steigerung. Das Tempo der Entwicklung wird am besten gekenn zeichnet durch einen Vergleich mit der Vorkriegszeit. Vor Ausbruch des Weltkrieges — am 1. Januar 1914 — belief sich der Bestand an Kraftfahrzeugen in Deutschland auf rund 93000 und erhöhte sich auch in der Nachkriegszeit nur un wesentlich auf 120000 im Jahre 1921. Erst in der jüng sten Zeit — innerhalb der letzten vier Jahre — setzte der enorme Aufschwung ein, der dazu führte, daß sich der Bestand an Personenkraftwagen gegenüber dem Jahre 1924 versieben- fachte, während die Lastkraftwagen eine Vetdreizehnfachung zu verzeichnen hatten. Innerhalb Europas wird Deutschland hinsichtlich des Kraftfahrzeugbestandes gegenwärtig noch von Frankreich und Großbritannien übertroffen, die im Jahre 1927 bereits einen Gesamtbestand von 891000 bezw. 1023 700 Kraftfahrzeu gen (Personenkraftwagen einschließlich Obmnibusse und Last kraftwagen) aufzuweisen hatten, während in Deutschland am 1. Juli 19^7 insgesamt 368 800 gezählt wurden (267 800 Personenkraftwagen einschließlich Omnibusse und 101000 Lastkraftwagen). Den Rekord halten die Vereinigten Staaten von Ame rika mit einem Bestand von 23 Millionen Kraftfahrzeugen, das sind rund 74«/, des Kroftwagenbestandes der Welt, der sich nach den neuesten Statistiken im Juli 1928 auf rund 31 Millionen belief Im Gegensatz zu Amerika, wo jeder fünfte bis sechste Amerikaner im Besitz eines Autos ist, sind die Kraftwagen noch wenig verbreitet in Abessinien, Liberia, Afghanistan und China, wo auf ungefähr 20 000 Einwohner ein Wagen ent fällt, während in Rußland bereits jeder 6700 sie Einwohner ein Auto besitzt. , Met mdlest das MMer Tageblatt! Oie Noi -er Landwirischast. , Deutscher Reichstag. 2 4. Sitzung, Montag, den 3. Dezember. Nachdem Präsident Löbe die Reichstagssitzung um 3 Uhr er öffnet hatte, betrat der Minister für Ernährung und Landwirt schaft, Dietrich, den Plenarsaal und begab sich auf seinen Platz. Auf der Tagesordnung stehen die vielen Interpellationen und Anträge aller Parteien, die sich mit der Notlage der Land wirtschaft beschäftigen. Der Bericht des Volkswirtschaftlichen Ausschußes, der einen Antrag der Wirtschaftspakte, auf Aenderung der Gefriersleisch- verteilung abgelehnt hat, wurde mit der Beratung verbunden. Man hatte allgemein angenommen, daß der Reichsernährungs minister sofort das Wort nehmen werde. Das war aber nicht der Fall. Vielmehr begründete zunächst vr. Hermes die Zentrums interpellation über die Notlage der Landwirtschaft. Er hob her vor, daß mehr als die Hälfte aller Betriebe Berlustwirtschaften seien. Der im Schieleschen Notprogramm begangene Weg zur Ab satzförderung dürfe nicht wieder verlassen werden. Die Notlage der Landwirtschaft sei allgemein anerkannt. In der Landwirtschaft herrsche eine verzweifelte Stimmung. Die Schwierigkeiten lägen hauptsächlich auf dem Gebiet des Verkaufspreises. vr. Hermes hob hervor: „Der deutsche Marit ist gegen dis Lebensmittel- einfiihrung nicht genügend geschlitzt. Die Einsuhr von Fleisch und Fleischwaren hat sich vervierfacht, von Milch- und Milchprodukten verzehnfacht, von Butter verdoppelt, von Käse verdreifacht, von Gemüse, Qbst usw. verdoppelt." Schwer drücken, so fuhr Hermes fort, den Landwirt die hohen Zinsen und Steuern. Das Zentrum wolle mit seiner Interpellation nicht sagen, daß die Landwirtschaft alle Hilfe allein vom Staat erwarten solle. Sie müsse auch Selbsthilfe üben. Neben dem Ausbau des Genossenschaftswesens müsse eine Ver besserung der landwirtschaftlichen Erzeugungsmethoden erfolgen. Auch das landwirtschaftliche Schulwesen sei zu heben. Der deutschnationale Abgeordnete Dach mann wies dar- krunllienroinkm von Liissbetddle^ j— j I b? UarUn Noll« <8«al«) ' s76 „Tot, Hans ist tot", sagte Miriam Wahren tonlos vor sich hin, dann aber weinte sie leise, und Frau Paulsen ließ sie ruhig gewähren. „Sie sind also frei von allem Makel, liebe Miriam", lmterbrach Frau Paulsen endlich das Schweigen, „darf ich mm Helmar Jngsheim schreiben, daß er kommen soll?" Miriam antwortete nicht, aber ein verklärtes Lächeln huschte über ihr tränenfeuchtes Gesichtchen. „Nun erzählen Sie mir die Geschichte, wie Sie hierher nach Davos als Schwester gekommen sind, liebes Kind", bat die alte Dame sanft. Miriam Wahren beichtete die Geschichte ihrer Verzweif lung und ihrer Rettung durch Professor Wallner. „Wie gütig ist doch der liebe Gott", sagte Frau Paulsen erschüttert, als Miriam ihre Leidensgeschichte beendet hatte. „Gehen Sie nun schlafen, Kind, auch ich bin müde. Ich wollte Ihnen auch noch sagen, daß ich noch ein paar Tage in Davos bleiben will." Miriam Wahren beugte sich schnell nieder, und drückte einen innigen, dankbaren Kutz auf die Hände ihrer gütigen Freundin; dann wanderten sie beide langsam dem Hause zu. Miriam konnte in dieser Nacht nicht schlafen. Ihr Herz klopfte^um Zerspringen. Sie dachte an Helmar, an den Geliebten, und daran, daß mun doch vielleicht noch alles, alles gut werden könnte. Ob er kommen würde, um sie zu holen? Frau Paulsen wollte ihm schon morgen schreiben. Aengstlich zählte sie die Tage, und rechnete aus, wann er eintreffen könne. Endlich schlummerte sie doch, von Müdigkeit über mannt, ein. * * >!.. Ein neuer Tag brach an. Munter und froh lief Schwester Sonnenschein von einem Kranken zum anderen, und half, wo es fehlte. In ihren Augen lag heute ein seltsames, glückliches Leuchten. „Heute trifft auch mein Assistent ein, Schwester Son nenschein", sagte Doktor Wallner, dessen Blick erstaunt auf der Schwester ruhte. Miriam hörte es kaum; was ging ihr der neue Arzt an? Frau Paulsen hatte sie nur wenig sprechen können, da die Kranken sie nicht einen Augenblick zur Ruhe kommen ließen. Jetzt zur Mittagsstunde, wo alle schliefen, konnte Mi riam Wahren endlich ein Stündchen für sich sein. Sie eilte leichtfüßig immer tiefer in den Park hinein, und suchte sich ein besonders schönes, verstecktes Plätzchen aus, wo sie allein war. Bald versank sie in tiefes, seliges Träumen. So hörte sie nicht, wie sich Schritte auf dem breiten Kiesweg näherten. Eine hohe, elegante Männergestalt trat jetzt leise hinter sie. Der Fremde sah mit unsicherem Blick, in dem sich Er staunen, Schreck und freudiges Erkennen zugleich spiegel ten, auf die ganz in sich Versunkene. „Miriam!" klang es dann unsicher in fassungsloser Glückseligkeit, „Miriam!" Aus ihren Träumen jäh emporfahrend, hob das junge Mädchen lauschend den Kopf. Wie ein Ton aus fernen Welten schlug die Stimme an ihr Ohr. „Meine süße Miriam", erklang es jetzt dicht hinter ihr. Zu Tode erschrocken, keiner Bewegung fähig, saß Miriam Wahren, und wagte nicht, sich umzusehen. Da legten sich zwei feste Männerarme um ihre zarte Gestatt, und zogen sie in überströmendem Glück empor. „Mein armes, süßes Lieb", flüsterte die vertraute, liebe Stimme, „endlich, endlich habe ich dich gefunden." Mit großen» verständnislosen Augen starrte Miriam Wahren in des Geliebten Gesicht; dann aber wankte sie, und zitternd flüsterte sie: „Helmar!" Helmar hielt die Wiedergefundene fest in seinen Armen, und küßte ihr immer und immer wieder die Tränen fort, die jetzt unaufhaltsam aus ihren Augen brachen. „Ich halte dich, ich habe dich, mein Lieb, mein alles auf der Welt. Sag', wie ist es möglich, daß ich dich hier wieder finde?" Miriam Wahren vermochte nicht zu antworten. Fassungslos schlug sie beide Hände vor das Gesicht, und wildes Schluchzen erschütterte ihren ganzen Körper. Helmar bettete ihr Köpfchen fest an seine Brust, und flüsterte ihr tausend süße Liebesworte zu. „Mein armer, armer Liebling, was mußt du gelitten haben", sagte er leise, und strich ihr tröstend über das schöne Haar. „Sprich, so sprich doch ein einziges Wort, noch fasse ich es ja selbst kaum, daß ich dich wieder in meinen Armen halte. Sage ein Wort, Miriam, sag'» daß es kein Traum, daß es Wahrheit ist." „Helmar, mein Helmar", stammelte Miriam Wahren jetzt, unter Tränen lächelnd. „So ist es wahr, so ist es wirklich wahr, ich habe dich endlich wieder? Miriam, kleines Mädel, kaum vermag ich es zu fassen", rief der jnnge Mann mit jubelnder Stimme.