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Nr. 273. Pulsnitzer Tageblatt. — Freitag, den 23. November 1928. Seite 3. anstallet und der alte Invalide schließlich aufgefordert, seine sämtlichen Ersparnisse, überhaupt alles Bargeld, her beizuschaffen, das er im Hause habe. Er brachte einen Beutel herzu, der 24 Fünfmarkstücke enthielt, und über reichte auch einen Zwanzigmarkschein. Die ältere Person legte das gesamte Bargeld in Höhe von 140 Mark in einen Schrank, der nicht unter drei Tagen geöffnet werden sollte. Nach ihrem Weggange sollte aber doch das scheinbar ver- zauberte Geld betrachtet werden5 es war aber nicht mehr im Schranke. Die Zigeunerinnen waren mit der auf so leichte Weise erlangten Beute längst wieder aus Meißen verschwunden. Oer Saalburger Mörder verhaftet? Von der Halleschen Kriminalpolizei wurde im städti schen Obdachlosenasyl der mutmaßliche Mörder des Forst meisterehepaares Grimm in Saalburg sestgenommen. Es handelt sich um den 24jährigen Sebastian Wimmer, aus Wiesen bei Laufsen am Neckar gebürtig. Er bestreitet, die Tat begangen zu haben. Er habe nach Arbeit im Forst hause fragen wollen. Unterwegs sei ihm jedoch ein junges Mädchen begegnet, das ihm mitteilte, daß die Stelle als Kutscher schon besetzt sei. Er sei daraufhin nach Halle weitergewandert. Die Untersuchung wird durch einen Kriminalrat der thüringischen Landeskriminal polizei fortgesetzt. Oie Landwirtschaft und die verkaufsfreien Sonntage. Die Festsetzung der verkaufsfreien Sonntage ist ge rade für die ländlichen Verbraucherkreisc oft von beson- derer Bedeutung. Aus diesem Grunde hat der preußische Handelsminister bestimmt, daß vor dem Erlaß von Richt linien über die Freigabe von Sonntagen neben den Arbeitgeberverbänden auf der Arbeitgeberseite außer den Industrie- und Handelskammern und den örtlichen Einzel handelsverbänden künftig auch die zuständigen Landwirt schaftskammern gehört werden sollen. Gewaltiger Ausbau der amerikanischen Handelsflotte Londo«, 22. November. Der Vorsitzende des ame rikanischen Schiffahrtsamtes, O'Connor, ver.rit: nach Berichten aus New Dort in einer Erklärung'die Ueberzeugung, daß innerhalb der nächsten fünf Jahre 35 neue Schiffe, zumeist die Typs der schnellen Passagier- und Kachtdampfer, gebaut werden würden. Die amerikanische Schiffahrt werde hier durch auf eine vollständig neue Grundlage gestellt werden. Die amerikanischen Importeure und Exporteure müßten dazu gebracht werden, die Bevorzugung der ausländischen Schiff fahrt zugunsten der Einheimischen aufzugeben, um auf diese Weise der amerikanischen Schiffahrt den führenden Platz zu sichern. Aus aller Well. Das gewissenlose Treiben -er Freiburger Bankierstochter. Breslau. Ueber das verbrecherische Treiben der Frei burger Bankierstochter Marianne Waldmann wird aus Freiburg noch gemeldet, daß die Verhaftete noch in den letzten Tagen vor dem Konkurs, als sie bereits mit Sicherheit wußte, daß der Ruin nicht mehr auf zuhalten war, größere Geldeinlagen angenommen hat. So zahlte ein Freiburger Gewerbetreibender, der einige Tausend Mark Flüchtlingsentschädigung erhalten hatte, diese jetzt verlorene Summe im Bankhaus Waldmann ein. Gleichfalls geschädigt wurde ein wohltätiger Verein, dessen Kassiererin' die zu einer Weihnachtsbescherung zugunsten j armer Leute gesammelten 200 Mark dem verkrachten Bank- f Haus anvertraut hatte. Eine Reihe von kleinen Geschäfts leuten, die früher ihre Guthaben bei der Handels- und ! Gewerbebank hatten, zogen diese bei Bekanntwerden der ' seinerzeit gemeldeten Verfehlungen des Rendanten Oehl- mannn zurück und legten sie bei Waldmann ein. Auch sie sind restlos um die Spargroschen gebracht. Bei der Verhaftung von Fräulein Waldmann wurden in ihrer Handtasche außer einem Betrage von 240 Mark ein Spiel deutscher Karten und ein Spiel Wahrsage- karten vorgefunden. Bei ihrer Vernehmung gab Marianne Waldmann an, daß nach ihrer Ansicht der Kon kurs nicht nötig gewesen wäre. Sie glaubt, daß sie das Bankhaus aus der „momentanen" Verlegenheit wieder hätte hcrausbringen können. Inzwischen ist aber bereits festgestellt worden, daß die Hinweise auf die amerikanische Verwandtschaft nur Bluff waren und auch die großen Posten guter Wertpapiere, über die sie persönlich verfügen wollte, nur in ihrer Phantasie bestanden haben. Das Be tragen der Waldmann gibt immerhin Anlaß zu der Ver- mutung, daß sie geistig nicht als normal an gesehen werden dürfe. Diese Vermutung findet ihre Be stätigung durch die ziel- und planlose Verschwendungssucht. Schweres Autounglück bei Beelitz. Am Bußtag nachmittag verunglückte bei Beelitz auf der Leipziger Chaussee ein Auto, das von Leipzig in Richtung Potsdam fuhr. Der Wagen wurde von einem anderen Auto beim Ueberholen gestreift, prallte gegen einen Baum und wurde zertrümmert. Drei über 50 Jahre alte Schwestern, alles Ehefrauen, und der Chauffeur wurden schwer verletzt. Die Limusine, die den Unfall verursacht hatte, ist unerkannt davongefahven. Sie wurde von einer Dame gesteuert und überholte das Leipziger Auto mit überaus großer Ge schwindigkeit, etwa 80 Stundenkilometer. Es handelt sich um eine grüne Limusine mit dem Erkennungszeichen LV und als erste Ziffer eine vier. Der Wagen, nach dem die Kriminal polizei fahndet, muß an der rechten Seite zum mindesten Schrammen, wenn nicht stärkere Beschädigungen aufweisen. Ein 8 Meter langes Rhinozeros. Prähistorische Funde in der Wüste Gobi. Der amerikanische Forscher Roy Chapman Andrews, der in der mongolischen Wildnis nach Ueberresten prähisto rischen Lebens sucht, erzählte bei seiner Ankunft in London über den bisherigen Erfolg der Expedition folgendes: Unter der Ausbeute befinden sich vier Dinosaurier-Eier, die bei einem Ort namens Ehrlen gefunden wurden. Ferner wurde in der Wüste Gobi das Skelett eines gewaltigen, bis her unbekannten Säugetiers gefunden, das wahrscheinlich vor 8 bis 9 Millionen Jahren gelebt hat. Es muß so groß gewesen sein wie ein Omnibus, 8 Meter lang, in den Schultern 5 Meter hoch, Gewicht wahr scheinlich mehr als 10 Tonnen. Das Ungetüm gehörte ver mutlich der Familie der Rhinozerosse an; es besaß jedoch einen langen Hals und fraß wahrscheinlich die Blätter von den Kronen der Bäume. Andrews glaubt, daß diese Tiere aussterben mußten, weil sie schließlich zu schwer wurden und sich nicht mehr genügend Futter be sorgen konnten. An mehreren Stellen wurden menschliche Sied lungen gesungen. Die Funde sind derartig reichhaltig, daß man mit Bestimmtheit sagen kann, daß die Wiege der Menschheit zur Steinzeit von Millionen von Menschen bewohnt worden ist. Sie verfügten Uber eine fabelhafte Technik der Steinbearbeitung, und ihre Pfeil köpfe sind mit beispielloser Geschicklichkeit hergestellt. Rätselhafter Leichenfund bei PeterShagen. Mord oder Selbstmord im Zuge. Berlin. Am Dienstag früh wurde neben der Eisen bahnstrecke Berlin — Strausberg in der Nähe von Pctershagen zwischen den Wärterhäuschen 15 und 16 die ver stümmelte Leiche eines Mannes aufgefunden. Der Unglückliche scheint von dem Personeuzug 2390, der morgens von Schneidemühl in Berlin eintrifft, überfahren worden zu sein. Da man in den Kleidern des Verunglückten eine Fahrkarte dritterKlasse Küstrin—Berlin gefunden hat, nimmt die Polizei an, daß der Unbekannte entweder aus dem Zuge gefallen ist oder hinausqeworfen wurde. -> i In der Tasche hatte der Tote nur 3,50 Mark; sein gut erhaltenes Portefeuille war vollkommen leer, und auch Papiere, die über seine Persönlichkeit hätten Aufschluß geben können, waren nicht vorhanden. Die Leiche wurde in das Schauhaus nach Pctershagen gebracht. Noch rätselhafter wird die Angelegenheit dadurch, daß neben der Leiche ein dicker verknoteter Strick gefunden wurde, der unter Umständen dazu gedient hat, den Mann zu fesseln. Es ist aber auch nicht ausgeschlossen, daß es sich um einen Selbstmord handelt. Paratyphus oder Fleischvergiftung? Nach einem Kirmes- fest bei dem Landwirt Mosdorf in Wölpern bei Eilen burg erkrankten sechs Personen, von denen eine, ein Dienstmädchen, starb und fünf krank darniederliegen. Während von einer Seite gesagt wird, daß es sich bei der Verstorbenen um Lungenentzündung und bei den Er krankten um Paratyphus handelt, wird von anderer Seite behauptet, es liege eine Fleischvergiftung vor. Die Be hörden haben die Untersuchung eingeleitet. Beim Spielen mit einer Pistole getötet. Der 12jährige Sohn des Büdners Pritschow aus Elsholz bei Beelitz (Brandenburg) holte in einem unbewachten Augenblick die geladene Pistole seines Vaters vom Boden. Mit ihm zu sammen spielte das 314jührige Kind des Büdners Trenkwitz. Als die Kleine in den Lauf der Pistole sah, muß sie dem Abzug zu nahe gekommen sein, denn plötzlich löstte sich ein Schuß, und die Kugel drang dem kleinen Mädchen in die Augen. Es ist bald darauf im Krankenhaus gestorben. Der Bilderrundfunk ist da. Am Dienstag dieser Woche wurde über Deutschlands größ ten Rundfunksender Königs wusterhausen das erste draht lose Bild — eine Photographie des Reichspräsidenten von Hindenburg — gefunkt. Das gefunkte Bild erscheint auf der Walze des Empfangsapparates, den unser Bild darstellt. Durch Aufheben des Wagens und Lösung der Sperre wird das Bild freigegeben und kann von der Walze ausgenommen werden. Immer »och Deutsche für di« französische Fremden- Legion. In den Monaten Juli, August und September wur-, den auf dem Wege durch die Pfalz 70 Zugänger zur fran- zösischen Fremdenlegion aufgegriffen. Im gleichen Zeitraum, kehrten allein durch die Pfalz 59 Deutsche in meist herunter-^ gekommenem, krankem Zustande und gänzlich mittellos aus der Fremdenlegion nach Deutschland zurück, wo sie zum größten Teil der öffentlichen Fürsorge zur Last fallen. Baronin Klinkowstroem in Rom eingetrosfen. Die schwe- bische Reiterin Baronin Klinkowstroem ist am Mittwoch auf ihrem Schimmel „Castor" in Rom eingetroffen und hat «imit ihren am 5. September in Stockholm begonnenen Riff beendet. In den Straßen Roms wurde sie von der Be völkerung freudig begrüßt. General Booth auf der Besserung. Im Befinden des, Leiters der Heilsarmee, General Booth, ist eine beträchtliche Besserung eingetreten. Der General ist noch nicht aus aller! Gefahr, aber das kritische Stadium ist nach Ansicht der, Aerzte endgültig überwunden. 40 Schüler durch Kohlenoxydgas vergiftet. In Be l p (Schweiz) wurden 40 Schüler bei einer Filmvorführung iw der Turnhalle durch Kohlenoxydgas, das durch Sturm aus dem Ofen in die Halle geblasen wurde, schwer vergiftet. Mehrere Schüler wurden bewußtlos, alle konnten nach so- strrt angestellten Wiederbelebungsversuchen gerettet werden. Aus dem GenchtsfaaL Oer letzt« Akt des MordprozeffeS Böhme. Durch den 4. Zivilsenat des Reichsgerichts ist der; Mordprozeß gegen den Sanitätsrat Dr. Böhme, Groß röhrsdorf endgültig liquidiert worden. Böhme war be schuldigt, seine dritte Ehefrau Anna, geb. Landrock, auf einem Pirschgang ermordet zu haben. Er ist aber am 13. Oktober 1926 durch das Schwurgericht Dresden von der Anklage des Mordes freigesprochen worden. Der Bru der der Verstorbenen, Kaufmann Johannes Landrock in Dresden-Neustadt, batte dann gegen den Sanitätsrat Böhme einen Prozeß angestrengt und hatte vom Gericht gefordert, daß der Sanitätsrat als erbunwürdig erklärt werden müsse. Dieses Verlangen wurde vom Landgericht Dresden und vom Oberlandesgericht Dresden abgewiesen nnd der 4. Zivilsenat des Reichsgerichts hat die von Land rock gegen diese letzte Entscheidung eingelegte Revision ebenfalls zurückgewiesen. f Hochverratsprozeß gegen die deutsche Jugend ) in der Tschechoslowakei. Prag. Beim Kreisgericht in Böhmisch-Leipach wird in den nächsten Tagen ein Hochverratsprozeß gegen die Teilnehmer an den sogenannten su- detendeutschen Sommerlagern beginnen, die in den Jahren 1925 und 1926 im Deutschen Reiche statt gefunden haben. Diese Sommerlager, die eine Anzahl junger Leute in'der Mark und auf der Insel Rügen in den Ferien monaten vereinigten, sind von einem tschechischen Spitzel als staatsgefährliche Unternehmungen bezeichnet worden, worauf die tschechische Staatsanwaltschaft im Mai 1926 eine Reihe junger Leute verhaftete. Wenige Wochen nach den Verhaftungen mußte die Staatsanwaltschaft die Hast wiederum aufheben. Allgemein: wurde angenommen, daß die ganze Angelegenheit erledigt sei, da offenkundig von irgendeiner Hochverratsaffäve gar keine Rede sein konnte, desto aufsehenerregender ist die Nach richt, daß der Prozeß nach dem Gesetz zum Schutze der Re publik gegen Herbert Bühler und Genossen, wie es m der Anklageschrift heißt, für den 26., 27. und 28. Novembm: beim Kreisgericht zu Böhmisch-Leipach angefeßt worden ist. Schon die Tatsache, daß die Verhandlungen auf nicht weniger als drei Tage angesetzt worden sind, beweist, daß man der Oefsentlichkert das Schauspiel eines großen Prozesses gebest will. Oas Schlachten durch Landwirte, Gastwirte usw. Nach einer Bekanntmachung des Wirtschaftsministe- riums wird vom Fleischergewerbe lebhaft darüber Klaae geführt, daß besonders in den ländlichen Geaenden das S?^n und Verpfänden durch LandLirt^ aber durch Gastwirte, Grunwaren-, Gemischtwaren und dergleichen Handler immer mehr überhand nehmen Die Erörterungen haben ergeben, daß in der Tat in vielen Landestellen diese Schlachtungen erheblich zugenommen haben. Das Wirtschaftsministerium weist deshalb darauf hin, daß gewerbsmäßige Schlachtungen nur in Schläch. lereren stattfinden dürfen, die nach der Gewerbeordnung genehmigt sind. Auch den nichtgewerblichen Schlachtun gen und Verpfundungen haben die Polizeibehörden zum Schutze der Allgemeinheit gegen Mißstände ihre Aufmerk samkeit zuzuwenden. Vereinfachte Abfertigung von Wintersportgeräten. Die Deutsche Reichsbahn wird die im vergangenen Winter in Bayern versuchsweise eingcführte vereinfachte Abfertigung von Wintersportgeräten auf Fahrradkarten im kommenden Winter noch in einigen anderen Bezirken Deutschlands er proben, und zwar in Schlesien: von Breslau nach dem Glatzer, Isar- und Riesengebirge, in Sachsen: nach dem Erzgebirge auf den Strecken Chemnitz—Oberwiesenthal, Chemnitz—Aue—Schwarzenberg—Iohann-Georgenstadt und Chemnitz—Pockau—Lengefeld»—Neuhausen—Deutschneudorf, in Mitteldeutschland: von Kottbus und Forst nach Fittau (Oybin); nach dem Harz von Bitterfeld, Dessau, Eilen burg, Eisleben, Halle, Merseburg, Roßlau und Zerbst, Aschersleben, Bad Harzburg, Bernburg, Braunschweig, Magdeburg, Staßfurt-Leopoldshall und Wolfenbüttel-Reichs bahn; nach Oberhof von Weißenfels, Naumburg, Apolda, Weimar, Jena, Erfurt, Arnstadt, Suhl, Zella-Mehlis und Meiningen. In Baden: von Mannheim und Heidelberg nach Achern, Baden-Baden, Bühl, Offenburg, Baiersbronn und Freudenstadt; von Karlsruhe nach Achern, Baden-Baden, Bühl, Baiersbronn, Freudenstadt, Freiburg und Triberg. In Württemberg werden gleichfalls etwa 10 Stationen in den Versuch einbezogen weäwn. — Das vereinfachte Ab fertigungsverfahren ist auf 1Ä> Kilometer Entfernung be schränkt.