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VulsuHerIa-eblatt Freitag, L». Oktober LSL8 Beilage M Ne. S4S 8«. Jahrgang Die Wittschastslage im Spiegel des > Arbeitsmarktes. Noch deutlicher als die Entwicklung der Arbeitslosigkeit gibt die Statistik der Kurzarbeit einen Einblick in die je- weiliae Lage und Beschäftigung der Industrie. In der zahlen- mäkiaen Entwicklung der Hauptunterstützungscmpfänger kommt im Herbst und Frühjahr das Abbröckeln und Wiederanschwel len der Beschäftigung der Außenbcrufc stark zum Vorschein, der Stand der Kurzarbeit wird besonders m diesen Übergangs zeiten zum eigentlichen Barometer für die Lage der Industrie. Während im Sommer häufig eine Abnahme der Zahl der Arbeitslosen einer Steigerung der Kurzarbeit gegenübcrstand, ergibt sich nun die gegenteilige Erscheinung. Die Kurz- belt hat innerhalb eines Monats stärker abgenommen als die Arbeitslosigkeit. Die Anzahl der unterstützten Kurzarbeiter ging von Ende August bis Eudc September von 48.16 mit 15177 Aussalltagen auf 3380 mit 10 077 Aussalltagen, also um ruud 30 Proz. zurück. Der Beschäftigungsgrad der In dustrie zeigte also Ende September ein günstigeres Bild als während der Sommermonate. In der ersten Oktoberhälste ist allerdings durch die rück läufige Bewegung der Metallindustrie eine beträchtliche Abschwächung cingetreten, Betriebsumstellungen und Still legungen haben einen starken Zustrom auf dem Arbeitsmarkt hervorgerufen. Die Widerstandskräfte der Wirtschaft liegen zurzeit noch in dem verhältnismäßig sehr günstigen Baumarkt einer seits und andererseits in der Saisoubelebung der Verbrauchs güterindustrien begründet. Die Belebung der Nachfrage in der vogtlandrschen Stickerei- und Spitze nindu st rie scheint von längerem Bestände zu sein, als es zunächst den Anschein hatte, da neben den Wirkungen des Weihnachts geschäftes auch konjunkturelle Einflüsse, wie die günstigere Mode für Spitzen, eine Rolle spielen, aber auch hier sind noch zu viel nachteilige Einwirkungen, u. a. die starke ausländische Konkurrenz, einer wirklichen Erholung der jahrelang danicder- licgendcn Industrie im Wege, und der Arbeitsmarkt hat durch die wiedereingestellten Sticker, Stickerinnen und anderen Fach kräfte erst eine geringe Entlastung erfahren. Das gestohlene Denkmal. Die Leipziger Stadtverordneten haben sich wiederholt mit der Frage der Entfernung verschiedener Denkmäler aus Leipzig zu befassen gehabt, nämlich des Siegesdenk mals auf dem Marktplatz, des Bismarck-Denkmals und des Kaiser-Wilhelm-Steines. Die Entfernung des König- Anton-Denkmals ist außer Debatte gestellt worden, da es inzwischen gestohlen worden ist. Der Rat der ^tadt Leipzig hat in der Sitzung der Stadtverordneten die Grunde angegeben, die ihn veranlaßten, dem Beschluß der Stadtverordnetenversammlung, die genannten Denk mäler zu entfernen, nicht zu entsprechen. Die Gründe sind in erster Linie rechtlicher Natur. Denn es sind Schenkungs- Verträge abgeschlossen worden, die dem Nat nicht gestatten, die Schenkungen in anderer Weise zu verwenden, als von den Gebern bestimmt wurde. Die Gründe sind aber auch kultureller, künstlerischer und historischer Art. Die Stadtverordneten haben von den Äußerungen des Rates Kenntnis genommen, haben durch Beschluß den Nat erneut aufgefordert, die Denkmäler zu beseitigen und haben ferner gefordert, daß aus den Repräsentations- räumen des Leipziger Rathauses die dort noch vorhan denen Bilder früherer sächsischer Könige ebenfalls entfernt würden. Rinderschau und -Versteigerung. Die nächste Schau und Versteigerung schwarzbunter Tief- lapdsrinder findet am 13. Dezember 1928 auf dem Vierde ausstellungsplatz in Dresden-Reick statt, wobei auch Zahlungs- crleichterungen gewährt werde». Diese sind in jedem Falle mit dem Verkäufer zu vcreiubaren. Anmeldungen der ver käuflichen Tiere haben bis spätestens 31. Oktober an die Ge schäftsstellen der zuständigen Abteilungen des Landesver bandes sächsischer Hcrdbuchgescllschaftcn zu erfolge«. Stahlwerk Pirna stittgelegt. Das Stahlwerk Pirna Gebr. Hunger ist in Schwierig keiten geraten und hat die Zahlungen eingestellt. Die Passiven werden auf 2—3 Millionen geschätzt.^ Nachdem bereits Verhandlungen mit Interessenten aus dem Rhein land stattgefunden haben, soll auch mit der sächsischen Re gierung darüber verhandelt werden, ob sich nicht eine Fort führung der Betriebe ermöglichen läßt. Von der zuletzt noch 400 Mann starken Belegschaft arbeiten nnr noch die Gußpntzer, daniit der fertiggestcllte Guß verkauft werden kann, nnd um die Lohnforderungen zu decken. Von Inflation, Magnetismus und Kohl. Die Behauptungen des „Betriebsanwalts" Winter. Der Prozeß gegen den sogenannten „Betriebs anwalt" Winter vor dem Leipziger Schöffengericht nimmt seinen Fortgang. Winter betätigt sich auch außer halb des Prozesses in Leipzig und hat u. a. 500 000 Flug blätter anfertigen lassen, in denen die Behauptung auf gestellt ist, daß die Neichsbank in Bessarabien deutsche Vor kriegsnoten aufkaufen lasse. Die Reichsbankhauptstelle Leipzig hat in der Öffentlichkeit erklären lassen, daß an diesen Behauptungen Winters kein wahres Wort sei. Sie seien ebenso unwahr wie die weitere Be hauptung Winters vor Gericht, Neichsbankpräsident Dr. Schacht habe zusammen mit einer Reihe anderer Personen an einer Verabredung teilgenommen, die die Herbei führung einer Inflation bezwecke. Es sei unrichtig, wenn Winter behaupte, daß irgendein deutsches Gericht eine solche Feststellung getroffen habe. Im übrigen gefällt sich Winter in breiten Auslassungen über seine Tüchtigkeit; er behauptet, er habe in Nordholz eine Musterlandwirtschaft, bei der er Riesenerntcn durch die Anwendung von Erdmagnetismus erziele. Auch habe der Hamburger Staat ihm den Auftrag gegeben, die Dünen von Kuxhaven durch den Anbau von Kohl zu befestigen. TS Lahre Einwohnerami. Das vor 75 Jahren am 1. November 1853 in D r e s - den errichtete Einwohneramt hat auch für die ganze säch sische Provinz dadurch Bedeutung erlangt, daß bereits vier Jahre später die meisten größeren sächsischen Städte gleichfalls solche Einwohnerämter nach Dresdener Vor bild ins Leben riefen. Wie in der sächsischen Hauptstadt, so war auch in Chemnitz, Plauen, Zwickau, Bautzen, Zittau, Freiberg, Döbeln, Meißen, Kamenz, Pulsnitz, Großenhain, und später in Wurzen, Riesa, Borna, Penig, Reichen bach, Auerbach, Schneeberg und Eibenstock das bisherige System der Einwohner- und Fremden anmeldung, namentlich infolge der politisch bewegten Jahre dieser Zeit, ungenügend geworden und bedurfte einer gründlichen Neugestaltung. Diese erfolgte in Dres den durch die neu organisierte königliche Polizeidircktion, die kurz vor ihrer am 1. November 1853 erfolgten über- siedlung in das ehemalige Koselische Palais hinter der Frauenkirche das bisherige die Einwohner- und Fremden meldung besorgende „Logisbureau" in ein Einwohner amt umwandelte. Dieses hatte zunächst die Aufgabe, ein mal sämtliche Einwohner Dresdens durch eine Neuauf nahme zu registrieren, weiter die An- und Abmeldung »icht nur zuziehender ständiger Einwohner, sondern auch aller Fremden, die sich länger als vierzehn Tage aufhiel ten, zu überwachen und endlich auch das Wandergewerbe schärfer als bisher zu beaufsichtigen. Es wurde eine Neu einteilung der bisherigen Meldebureaus dadurch vorge- I nommen, daß zu den bereits bestehenden zwei Bureaus für Paß- und Fremdenwesen noch eine weitere Abteilung als Wanderbureau für die durchreisenden Gewerbs gehilfen hinzukam. Auf diese Weise erlangte man bald eine klare und sür die damalige Zett ausreichende Über sicht über das gesamte Einwohner- und Fremdenwesen. Diese Maßnahme wurde noch dadurch erleichtert, daß in den einzelnen Polizeibezirkswachen besondere Einwohner meldestellen zur An- und Abmeldung von Wohnungen er richtet wurden, die man bis heute beibehalten hat. Oie neue Edelmistbereitung. Das bisher bestehende Patent zur Bereitung von Edel mist ist nach einer Meldung der Landwirtschaftskammer sür den Bezirk des Freistaates Sachsen durch die Landwirtschafts kammer abgelöst worden. Damit erlischt zugleich die Lizenz pflicht von 5 Mark für je ein Stück Großvieh für die Land wirte, die ihren Stalldünger nach dem Edelmistverfahren be handeln wollen. Sie haben in Zukunft nur eine einmalige Abfindung von 75 Pf. für ein Stück Großvieh an die Land wirtschaftskammer abzuführen, wofür sie kostenlos in das Ver fahren eingeführt werden. Außerdem wird die neue Edel mistbereitung von der Kammer überwacht werden. Auskunft erteilt jederzeit die Landwirtschaftskammer in Dres- u'. Ein blutiges Liebesdrama. In der Elisenstraße in Leipzig hat der Fleischermeister Starkloff im Laufe eines Wortwechsels seiner Geliebten die Kehle durchschnitten und sich dann selbst durch Offnen der Halsschlagader getötet. Der Kriminalkommissar über -as arrogante Wesen Hußmanns. Bei der zweiten Vernehmung sei der An« geklagte sehr erregt gewesen. Esten. Der dritte Verhandlungstag imMordvrozeh Hußmann brachte zunächst die Fortsetzung der Beweis aufnahme. Ais erster Zeuge schildert Kriminalkommissar K l t n g e l h o l l e r die von ihm angestellten Ermittlungen. Bei der Leiche angekommen, sei er von Dr. Lutter darauf hingewiescn worden, daß sich bei der Leiche eine" größere Blutlache befinde. Ursprünglich habe man Selbst mord angenommen, zumal Daube wegen eines Zerwürf. nisses mit der Pflcgeschwester Hußmanns solche Gedanken geäußert habe. Hußmann weist demgegenüber darauf hin, daß er sofort einen Selbstmord Daubes für ausgeschlossen gehalten habe. Der Zeuge erzählte dann weiter, wie er die Blutflecken an Hußmann erkannt und ihn danach gefragt habe. Hußniann habe schnelle Antworten gegeben. Der Zeuge schilderte weiter, wie er Hußmann die Schuhe mit den Mutsiecken ausgezogen habe. Hußmann sei dabei ruhia geblieben unh hab. gesagt, er werde nun schuldig O/e Ss/'/me/' kVac/rüM// - - kumilienroman von dy »srtln ?euckt»-an8«r, »sIIs «Saale) I In seinem Schlafzimmer angelangt, hörte er wenige Minuten später das leise Schließen einer anderen Tür. Die Baronin war also wieder in ihr Zimmer zurück- gekehrt. Würde sie es fertig bringen, nach dieser furchtbaren Schmach anch nnr noch einen Tag im Schloß am grauen Felsen zu bleiben? Es war ihr wohl zuzutranen. Schnell warf er wahllos einige Gegenstände in den kleinen, schon bereitstehenden Conpökofser, zog seinen Neiseanzug an und verließ eine Stunde später das Zimmer. Es war ein Uhr nachts, sein Zug ging erst vier Uhr morgens, aber er wollte lieber zu Fuß den zweistündige« Weg zum Bahuhos zurücklegen. Die kühle Nachtluft würde ihm gut tun und seine erregten Nerven beruhigen. > Seine Gedanken weilten bei Miriam Wahren, und er wußte, daß Eile not tat, sie von Jngsheim fortzubringen. Das Erlebnis dieser Nacht hatte ihn zur Erkenntnis gebracht, daß Eleonore von Huttenstedi weit gefährlicher war, als er vermutete. Miriam mußte so schnell wie möglich aus ihrer Nähe fort, die Frau war nach der soeben erlittenen Erniedri gung sicher zu allem fähig. So schritt Helmar vou Jngsheim kräftig aus, und als er den kleinen Bahnhof erreichte, graute schon der Morgen. * «- * Es war am Abend nach Graf Jngshcims Abreise. Miriam Wahren ging langsam ourch den Park, um sich von den Tagesmühen etwas zu erholen. Man hatte sie auch heute wieder nicht beachtet. Nach dem Abendbrot hatten sich die Damen sofort wieder ins Musikzimmer begeben; Miriam war entlassen. Immer tiefer ging sie in den Park hinein, um die Stimme der Baronin nicht mehr hören zu müssen, die wieder ein Lied nach dem anderen sang. Warum haßte diese Frau sie so furchtbar? Die Schamröte stieg ihr ins Gesicht, als sie an die Worte dachte, die Eleonore von Huttenstedi während der Abendtafel an sie gerichtet hatte. „Nun, Fräulein", hatte sie mit boshaft, süßlichem Lächeln gefragt, „haben Sie heute auch allein Rosen an der Parkmauer gepflückt, oder tun Sie dies nur, wenn Graf Jngsheim Ihnen dabei hilft?" Miriam fühlte deutlich, wie sie bei diesen Worten der Baronin blutrot geworden war, und wagte nicht, von ihrem Teller aufzusehen. Die höhnischen Blicke der Damen waren unerträglich. Großer Gott, hoffentlich blieb Helmar nicht so lange fern und erlöste sie bald aus dieser Schmach. Müde ließ sie sich auf einer Bank niedergleiten, und lehnte ihren Kopf an das harte Holz. Der Kamps und das Leid um ihre Liebe zu Helmar Jngsheim waren hart. War es denn möglich, daß sie zusammen je glücklich werden konnten? Und wenn der Geliebte doch erfahren würde, daß ihr Name durch den Bruder beschmutzt war, was dann? Schaudernd fuhr das junge Mädchen bei diesem Ge danken zusammen. Mit angstvollen Augen starrte sie vor sich hin. Plötzlich vernahm sie leise, schleichende SchrittL Ein unheimliches Gefühl überkam sie. Sie sprang auf und ging schnell quer über die flächen dem Schloß zu. Plötzlich stockte ihr Fuß. Rechts neben sich sah fie^tte Gestalt eines Mannes, der in gebückter Stellung vorsichtig auf das Schloß zuschlich. Miriam verbarg sich hinter einem Baum, um nicht ent deckt zu werden. Wer mochte es sein, und was hatte er hier zu so später Abendstunde zu suchen? Jetzt hatte er den Fuß der Terrasse erreicht und drückte sich fest an das Mauerwerk. Drinnen im Musikzimmer brannte Licht, die Fcnster- vorhänge waren nicht geschlossen, so daß der Beobachter alles gut überblicken konnte. Die Baronin sang noch immer. Schon wollte Miriam Lärm schlagen, als der Mann an der Terrasse plötzlich sür einen Augenblick den Kopf wandte, um nach dem Park zu lauschen. Dabei beschien das Mondlicht für einige Sekunden sein Gesicht. Miriam fuhr zusammen, und ein weher Aufschrei ent rang sich ihren Lippen. „HanS", ries sie entsetzt, „Hans, was tust du hier?" Das scharfe, geübte Ohr des Mannes hatte den unter drückten Schrei Miriams vernommen. „Verdammt I" murmelte er, und war gleich darauf in der Dunkelheit verschwunden. Miriam Wahren taumelte, und schloß für einen Moment die Augen. Als sie sie wieder öffnete, war die Stelle, wo sie soeben noch ihren Bruder zu erkennen ge glaubt hatte, leer.