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Nr. 239. Pulsnitzer Tageblatt. — Donnerstag, den 11. Oktober 1928. Seite 3. Deutschlands, Friedrich List, wurde an seinem D^kmal m Leipzig durch Ansprachen und Kranznieder- Mittelpunkt der Tagung stand die an- Kundgebung. Reichsgeschäftsführer Muller sprach über das Thema „Die geistigen Grundlagen der kaufmanmwhen Rcisetätigkeit" und Dr. Friedländer- „praktische Verkaufskunst für Reisende und Zusätzliche Altere- und Hinterbliebenenversorgung für Reichsangestellte. Ab 1. November 19 2 8. Jin Reichsfinuuzministerium wurde mit den ovi oceichs- angestclltcntarifvcrtrag beteiligten Angcstelltenorgamsatwnen ein Abkommen über eine zusätzliche A terv- und Hinter- bliebenenversorauna der Recchsangestellten unterzeichnet. Nack öom Abkommens sollen den berufs- unwbia-'n ^^i'stcMcn oder deren Hinterbliebenen Zuschüsse ^er Hinterbliebenenrenten oemäbrt Ärdcn. Die Zusatzversorgung der Angestellten cr- wwt^im Rahmen der Angestelltenversicherung. Das A b - kÄnmen tritt mit dem 1. November 1928 in Kraft Es hat gegenüber den Werkspensionskassen und an deren Einrichtungen den Vorteil, daß die Freizügigkeit des er faßten Personenkreiscs in keiner Weise beeinträchtigt wird. Für den zusatzversicherten Angestellten werden entsprechend höhere Beträge an die Angestelltcnversicherung abgeführt. Die Nenteuberechnung wird nach den reichsgesetzlichen Be stimmungen vorgenvmmen. Die eingezahlten Beiträge bleiben damit dem zusatzversicherten Angestellten auch bei seinem Ausscheiden aus dem Reichsdienst in voS.r Hohe ge währleistet. Obwohl dieses Abkommen zunächst für die Reichs- und preußischen Stnatsangestelltcn Geltung haben wird, so ist doch anzunemen, daß diesem Beispiel die anderen Länder und Kommunen bald folgen werden. Noch immer keine Spur von den Darmstädter Attentätern. ' Wichtige Beobachtungen von Darmstädter Bürgern. Darmstadt. Der Polizei ist es noch immer nicht gelungen, Len geheimnisvollen Ueberfall im Darmstädter Neuen Palais aufzuklären. Ein Apotheker, dessen Laden sich gegenüber dem Palais befindet, hat sehr wertvolle Beobachtungen gemacht. Bei ihm waren am Freitag abend ortsfremde Leute er schienen, die einen fremden ausländischen Akzent sprachen. Sie waren in einem Automobil vorgefahren und fragten den Apotheker, auf das Palais weisend, wo der Eingang für Herrschaften sei, und wo sich Hofmarschall Graf Harden berg nach seiner Wohnung zu begeben pflege. Der Apotheker erklärte den Fremden, daß Graf Hardenberg sich augen blicklich nicht in Darmstadt befinde und erst nach einigen Tagen zurückkehren werde. Die Fremden entfernten sich dann. Die Polizei hat nun den Verdacht, daß die Betreffenden das Palais ständig beobachtet hätten, und die schon vorher beschlossene Tat dann nach der Rückkehr des Grafen aus geführt haben. Bei der Polizei hat sich auch ein Bäcker meister aus dem nördlichen Teil Darmstadts gemeldet, bei dem am Montag früh um 6 Uhr ein Mann eingekehrt war, der die beschriebenen Gamaschen getragen hatte. Er rief eine Darmstädter Telephonnummer an und erkundigte sich bei einem Freunde, ob er nach den Ereignissen der Nacht gut nach Hause gekommen sei. Der Anrufende schien sehr ver wirrt zu sein und machte die Telephonzentrale darauf auf- merksam, daß sie keinem Menschen verraten dürfe, wen er angerufen habe, da sie durch ihre Schweigepflicht gebunden sei. Die Polizei sucht jetzt festzustellen, wen dieser verdächtige Mann angerufen hat. 9 Lahre Lialienisch-Sü-ürot. Trauerkundgebung in Innsbruck. Innsbruck. Am Mittwoch jährte sich zum neunten Male der Tag, an dem Südtirol offiziell von de» Italienern an nektiert worden ist. Aus diesem Anlaß fand eine große Trauerkundgebung statt. Vom Landes- und Rathaus sowie von anderen öffentlichen Gebäuden Innsbrucks wehen Trauer fahnen. Von allen Kirchen Innsbrucks sowie von den Kirchen sämtlicher Gemeinden Nordtirols ertönte Trauergeläute. I« Innsbruck trat eine Dreiminutenpause im Verkehr ein. Im großen Stadtsaal fand unter massenhaftem Andrang eine Trauerkundgebung statt, in dev Nationalrat Prof. l)r. Kolb in ergreifenden Worten das Leid Südtirols schilderte und einen Appell an die gesittete Welt richtete. Zum Schluß wurde eine Entschließung angenommen, in der von der österreichischen Regierung verlangt wird, alle möglichen Wege zu beschreiten, um das Los Südtirols zu er leichtern. Es wird darauf verwiesen, daß Nordtirol nicht nur die Pflicht, sondern auch das Recht habe, die Minderheiten fragen an entspreche>rden Orten anzuschneiden. Die Bundes regierung möge die Südtiroler Sache durch entscheidende Interventionen bei den internationalen Stellen anhängig machen, bevor sich die Bevölkerung Südtirols gezwungen sehe, ohne Rücksicht auf die Einstellung der Regierung, selbst die ihr geeignet erscheinenden Wege zu beschreiten. Panik in -er DepuLierLenkammer. Mexiko von Erdstößen heimgesucht. London. In der Nacht zum Dienstag suchte Mexiko- Stadt ein Erdbeben heim. Das Beben dauerte etwa fünf Minuten. Als die Erdstöße einsetzten, stürzten Tausende von Personen in größter Panik aus den Häusern, Kinos und ! Hotels auf die Straßen. Zur Zeit des Erdbebens tagte die mexikanische Deputiertenkammer. Die Sitzung wurde sofort aufgehoben, und die Abgeordneten suchten sich durch schleunige Flucht zu retten. Das Erdbeben wurde in neun mexikanischen Städten verspürt. Bisher sind Verluste an Menschenleben nicht bekannt, dagegen soll der Material schaden besonders in der Stadt Oaxaca, deren südlicher Teil zerstört sein soll, sehr bedeutend sein. Aus dem Gerichissaak. Fünf Monate Gefängnis fä« eine« ««vorsichtigen Motorradfahrer Am 1. Pfingstfeiertag hatte der 19 Jahre alt: Zim mermann Kurt Karl Künzel in Rosenthal (Sächsische Schweiz) mit seinem Kraftrad eine 66 Jahre alte Witwe Süßmilch angesahren. Die Frau wurde zu Boden geschleudert und starb bald darauf infolge Gehirnblutung. Der unvorsichtige Motorradfahrer war vom Gemeinsamen Schöffengericht Dres den wegen fahrlässiger Tötung und Fahrens ohne Führer schein zu fünf Monaten Gefängnis verurteilt worden. Seine hiergegen eingelegte Berufung wurde jetzt von der 3. großen Strafkammer des Landgerichts Dresden kostenpflichtig verworfen. Die Untersuchung in der Kriegsanleiheschiebung. Reichskommissar Heinzmann in Paris. Berlin. In den letzten Tagen hat sich Kommissar vr. Heinzmann vom Reichskommissariat für Aufwertung des Kriegsanleihebesitzes mit dem Berliner Kriminalkom missar v. Rassow nach Paris begeben, um dort den in Haft befindlichen bisherigen Generaldirektor des „Delphi", Joseph Schneid, zu vernehmen. Bekanntlich hat der Untersuchungsrichter durch das Auswärtige Amt die Aus lieferung Schneids nach Deutschland beantragt, doch ist das Verfahren in Frankreich an sich schon sehr langwierig, und dazu kommt, daß die Rechtslage einigermaßen ungeklärt ist. Zenzls, der Jodlerin, schmerzliches Ende. Die Kreszenz ist im Zillertal geboren, vor 102 Semestern. Ein widriges Schicksal verschlug sie aus der Schweiz, wo sie geheiratet hatte, nach dem Kriege in die Gaue des Tegern- sees, wo sie, nach einer bayerischen Zeitung, alsIodlerin auftrat. Sie war ja in der Gegend nicht ganz unbekannt. Einen Bauunternehmer aus Holzkirchen zählte sie zu ihren Verwandten. Traurig saß sie eines Tages in einem Gast hause in Wiessee. Mitleidig trat ein Tegernseer auf sie zu: „Na, Zenzl, alte Preisjodlerin, laß' einmal ein paar Jodler hören!" „O mei, heue bringst mi nit dazu«. Ich hab' heut' etwas aus dem Herzen. Das Geld aus Amerika ist nicht eingetroffen." „No, Zenzl, deswegen brauchst nit traurig sein; wennst eins brauchst, i gib dir scho eins." Da strahlte das Gesicht der Zenzl, als ihr der Tegernseer 200 RM. auf Schuldschein gab, den sie mit ihrem Mädchennamen, dem Namen des Holzkirchener Bauunternehmers, unterzeichnete. Es kamen nun fidele Tage. Zenzl unternahm Ausflüge. Auf der Nsureuth ging ihr das Geld aus. Ein Zimmermädchen wußte die Preis jodlerin mit Berufung auf ihre Holzkirchener Verwandten zu bewegen, ihr nach und nach 130 NM. zu leihen. Aber bald hörte man die Zenzl am Tegernsee nicht mehr jodeln. Man traf sich wieder vor dem Landgericht München ll, das die Zenzl wegen Betrugs zu zwei Monaten 15 Tagen Ge fängnis verurteilte. Eine Münchener Faschingstragödie. Vor dem Schwur gericht München I begann die Verhandlung gegen den 20- jährigen Studierenden der Schauspielkunst Werner Hinz aus Lübeck wegen Totschlags, begangen an der Frau eines Münchener Rechtsanwalts in der Nacht vom 14. zum 15. Februar in einer Münchener Weinstube. Der Angeklagte hatte die Rechtsanwaltsgattin während eines KUnstlerfestes in Schwabing kennengelernt und ein Liebesverhältnis mit ihr begonnen. Nach einer mit der Frau verbrachten Nacht kaufte er sich einen Revolver und irrte am Tage planlos umher. Am Abend erschoß er di? Frau irr ejner München?r Weinstube, Nach dreiviertelstündiger Beratuttg fällt? dä? Gericht folgendes Urteil: Hinz ist schuldig eines Verbrechens des Totschlags und wird unter Zubilligung mildernder Um stände zu vier Jahren Gefängnis abzüglich sieben Monaten Untersuchungshaft verurteilt. Wegen Fluchtverdachts wurde Haftfortdauer angeordnet. Voraussichtliche Witterung LasdesWetterwart« Dresden (Nachdruck verboten) wechselnd bewölkt, vorübergehende Eindrübung und Niederschlage. Tcmveratur schwankend, im welendlieben nl»t niel ae» LLLLF.