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Nr. 236. Pulsnitzer Tageblatt. — Montag, den 8. Oktober 1928. Seite 2. Seitliche und WM Angelegenheiten Pulsnitz. (Kraftpost.) Von morgen Dienstag, 9. Oktober an wird die Kraftpostlinie Radeberg—Pulsnitz bis nach Kamenz durchgeführt werden. Für eine einfache Fahrt zwischen Pulsnitz und Kamenz beträgt der Fahrpreis 0 90 RM, für die Rückfahrkarte 1.70 RM. Der Fahrpreis zwischen Radeberg und Pulsnitz wird auf 1.—RM ermäßigt, und für diese Strecke eine Rückfahrkarte zum Preise von 1.70 RM ausgegeben. Fahrplan erscheint in der nächsten Ausgabe der Zeitung. — (Polsterklasse.) Die Eisenbahn führt in ihren Zügen nur noch 2 Klassen, nun werden sich viele Reisende, insbesondere die bisherigen Reisenden 3. K'asse, fragen, welche Klasse sie künftig benutzen wollen. Es sei daher ganz kurz auf einige Vorteile hingewiesen, die die Polst-rklasse bietet. Hervorzuheben ist vor allem die Bequemlichkeit des Reisens, da in der Polsterklasse für jeden Sitzplatz mehr Raum zur Verfügung steht. Die bequeme Polsterung bietet aber auch besseren Schutz in der kalten Jahreszeit. Hierzu kommen noch andere, hauptsächlich in der persönlichen Einstellung be gründete Annehmlichkeiten. Der regelmäßig fahrende Reisende wird sich jedenfalls diese Vorteile sehr bald zunutze machen, dies umsomehr aber, als der Preis, den er für diese bequeme und angenehme Beförderung zahlen soll, künftig nur ganz wenig höher ist als der Preis, den er jetzt für die Benutzung der 3. Klasse bezahlt hat. — (Das Recht auf einen Sitzplatz in der Eisenbahn.) Die Pressestelle der Reichsbahndirektion Dresden teilt mit: Es ist in den letzten Tagen des öfteren in der Tagespresse auf die mehrfachen Vorteile hingewiesen worden, die die neue Eisenbahn-Verkehrs-Ordnung für die Eisenbahnreisenden mit sich bringt. Hierbei ist mitunter, und zwar ohne nähere Bezugnahme auf die Bestimmung der neuen Eisenbahn-Verkehrs-Ordnung, die Ansicht vertreten worden, daß jeder Reisende ein Recht auf einen Sitzplatz habe und bei Üeberfüllung seiner Klasse unbedingt einen Sitz platz in einer höheren Klasse für sich in Anspruch nehmen könne. Es dürfte zur Vermeidung etwaiger Mißverständnisse angebracht sein, den Wortlaut der betreffenden neuen Bestim mung der Eisenbahn-Verkehrs-Ordnung bekanntzugeben, die folgendermaßen lautet: „Findet ein Reisender der II. oder III. Wagenklasse in der seinem Fahrausweis entsprechenden Klasse keinen Sitzplatz, so ist ihm tunlichst in der nächst höheren Klasse ein solcher anzuweisen, falls dort noch Sitz plätze frei sind. Der Reisende wird in der höheren Klasse, in der ihm ein Platz angewiesen wurde, ohne Zahlung des Preisunterschiedes solange befördert, bis ihm in der seinem Fahrausweis entsprechenden Klasse ein Platz angewiesen werden kann. Erhält er auch in der nächst höheren Klaffe keinen Sitzplatz, so kann er entweder gegen Erstattung des Preisunterschiedes in einer niedrigen Klasse fahren oder die Fahrt gegen Erstattung von Fahrpreis- und Gepäcksracht für die nicht durchfahrene Strecke aufgeben. Eine weitere Entschädigung steht ihm nicht zu." (Hindenburg - Goldstücke.) Die staatliche Münze Berlin prägt zu Ehren des Reichspräsidenten anläßlich seines 81. Geburtstags erstmalig eine Anzahl Hindenburg-Goldstücke in der Größe der früheren Zwanzigmark- und Zehnmarkstücke aus. Diese erstklassigen hochglanzpolierten Jubiläumsgold stücke sind zum offiziellen Preise von 25 RM bezw 15 RM durch die Ausgabestelle der Hindenburg Goldstücke München, Reitmorstraße 26 - Postscheck 16 309 — portofrei zu be ziehen und gelangen nach Voreinsendung des Betrages bezw. gegen Nachnahme zum Versand. Königsbrück. (Musikdirektor Radochla ge - storben.) Der bekannte Militärmusikdirektor Emil Ra dochla vom 12. Jnf.-Regt., ein Sohn unserer Stadt, ist in Quedlinburg i. H. gestorben. Noch vor einigen Wochen hat er seine auf künstlerischer Höhe stehende Militärkapelle auf dem Königsbrücker Marktplätze dirigiert. Bischofswerda. (Derer st eFreitagswochen- markt) hat mit einem guten Auftakt seinen Anfang genom men. Der Besuch war außerordentlich stark und stellte den Marktverkehr am Montag weit in den Schatten. Anläßlich des ersten Fceitagsmarktes konzertierte die Stadtkapelle. Die Bauernversammlung im Sonnensaale war trotz des schönen Wetters und der noch im Gange befindlichen Kartoffelernte gut besucht. Bautze«. (Fehlbetrag im Stadthaushalt.) Der den Stadtverordneten vorgelegte Jahresrechnungsabschluß der Stadt für 1927/28 ergibt einen um über 200 000 M geringeren Fehlbetrag als veranschlagt worden war. Am Schlüße des abgelaufenen Rechnungsjahres ergab sich ein Gesamtbetrag von 1 187 897 M, von dem über die Hälfte aus dem vorhergehenden Jahre übernommen worden war. Er ist vorläufig aus Anleihen gedeckt worden. Dresden. (Fe st genommener Einbrecher.) In einer Wohnung auf der Quohrener Straße in Bühlau wurden in letzter Zeit Diebstähle ausgeführt. Es gelang jetzt, den Täter zu ermitteln und festzunehmen. Es handelt sich um einen im gleichen Hause wohnenden 26 Jahre alten Arbeiter Max Beyrich. Er gab zu, achtmal in die Woh nung eingedrungen zu sein. Dem Burschen konnten noch zehn weitere Einbrüche nachgewiesen werden, die er im vorigen Jahre in Weißig verübte. In diesen Fällen suchte er Bauerngüter, Gastwirtschaften und eine Fleischerei auf. Er zertrümmerte die Fensterscheibe, stieg ein und stahl ins besondere Lebensmittel, Getränke und Kleidungsstücke. Ein Teil des Diebesgutes konnte wieder herbeigeschafft werden. Ter in vollem Umfang geständige Täter wurde der Staatsanwaltschaft zugeführt. Pirna. (Schwere Körperverletzung.) Im Stadtteil Cobitz schlug ein Schlossermeister seinen sechzehn- ährigen Lehrling wegen eines Versehens mit einer Li anne auf den Kopf. Der Lehrling brach bewußtlos zu- 'ammen, trug eine schwere Gehirnerschütterung davon und var auch rechtseitig gelähmt. Er liegt in bedenklichem Zustande im Krankenhaus. Pirna. (VondenPuffernzerquetscht.) Am Mittwoch nachmittag geriet der 24jährige Hilfsrangierer Richard Schmidt auf dem Rangierbahnhofe zwischen Pirna und Heidenau zwischen die Puffer zweier Wagen und wurde so schwer verletzt, daß er am Donnerstag im Kran kenhaus starb. Lockwitz. (Durch Gas vergiftet.) Vor einem Grundstück auf der Schlaßstraße brach nachts das Rohr einer Gaszuführungsleitung. Das Gas drang durch das offenstehende Fenster in das Schlafzimmer des zwanzig jährigen Dehnel. Morgens fanden ihn seine Eltern tot im Bett liegen. Lauchhammer. (Explosion.) Am Freitag flog mit gewaltigem Krach das Dach der Brikettfabrik der Mitteldeutschen Stahlwerke (Lauchhammerwerke) infolge einer Kohtt, staubexplosion in die Lust. Die Explosion wurde wahrscheinlich durch Funkenbildung verursacht. Sechs Mann der Belegschaft erlitten Verletzungen, die je doch nur bei einem ernsterer Art sein.sollen. Die Explosion hatte einen großen Brand zur Folge, der die Brikettfabrik fast völlig zerstörte. Plauen. (Folgenschwere Schwarzfahrt.) Am Mittwoch abend hatte ein hiesiger Kraftwagenführer, dem das Auto eines Zahnarztes zur Instandhaltung über geben worden war, dieses ohne Wissen des Besitzers zu einer Ausfahrt mit Familienangehörigen benutzt. Bei der Rückkehr geriet der Wagen infolge Reifendefekts ins Schleudern, fuhr auf der Reichenbacher Straße an einen Baum und dann auf einen Schutthaufen. Dabei wurden zwei Personen herausgeschleudert. Ein zwanzigjähriger Schlosser namens Berger erlitt einen schweren Schädel bruch, der nach einer Stunde seinen Tod zur Folge hatte, ein iunges Mädchen trug schwere innere Verletzungen davon. Fest- und Begrützungsabend des D.H.V. Ortsgruppe Pulsnitz Aus Anlaß des 8. ordentlichen Kreistages des Kreises Bautzen im Deutschnationalen Handlungsgehilfen-Verband, der diesmal in unserer kleinen Handelsstadt abgehalten wurde, hatte die hiesige Ortsgruppe zu einem Fest- und Begrüßungs abend im „Schützenhaus" eingeladen, dem ein volles Gelin gen beschieden war. Nicht nur aus den Kreisen der Ver bandskollegen von hier und der ganzen Oberlausitz, nein auch aus der hiesigen Einwohnerschaft war so rege Teilnahme, daß der in den Verbandsfarben geschmückte Saal bald voll besetzt war. Und alle Erschienenen hatten ihre Freude an dem Verlaufe des Abends. Seinem Zwecke gemäß brachte er Begrüßungen, aber alle Ansprachen: der Vorspruch durch Herrn Oswald, die eigentliche Begrüßung durch Herrn Stadt verordnetenvizevorsteher Daniczek, der Gruß der Stadt durch Herrn Bürgermeister Kannegießer hatten den Vorzug der Kürze und der Frische, und die Festansprache des Herrn Kreisvorsteher Barthel, der vom Versailler Schmachfrieden ausgehend allen Handlungsgehilfen als völkische Pflicht ans Herz legte, in den alten Kaufmannstugenden von Treu und Glauben in sozialer Verantwortlichkeit mitzuarbeiten an dem Wiederaufbau unseres Vaterlandes, wirkte durch ihre tem peramentvolle Wiedergabe. Ein Festabend aber wurde cs durch die musikalischen Gaben und lieblichen Tanzdarbietun gen. Was uns da geboten wurde, war keine Enttäuschung, sondern reine Freude. Zuerst an den Leistungen des Dresd ner Rundfunkorchesters, allen Funkfreunden schon längst als eine der besten deutschen Rundfunkkapellen bekannt, das als solches nun leider aufhört. In oft zu beseeltem Tempo führte es unter Herrn Kapellmeister Agunte's Leitung mit feiner Empfindung seine gute Programmauswahl vor. Be sonders die Fantasie aus „Praviato" bot Gelegenheit, die wertvollen solistischen Kräfte der Kapelle zu zeigen. Obenan steht unser Pulsnitzer Konzertmeister Georg Wondruschka. Mit natürlicher Begabung und Einfühlung spielte er den „Zigeunertanz" und fand damit großen Beifall. Den Musikfreund aber erfreute er noch mehr durch die lockere und frohe Wie dergabe des Mozart'schen Violinkonzertes. Gern hätten wir auch ein Werk mit Orchesterbegleitung gehört. Mit der „Träumerei" als erzwungene Zulage brachte sein zartes Spiel den vollen Saal zu atemloser Stille. Wurde so durch Reden und Musik das Ohr gesättigt, so sei zuletzt noch ge dacht der Darbietungen fürs Auge: der kleinen Annelies Agunte. In diesem zierlichen Mädchen steckt soviel ryihmi- sches Gefühl und Gelenkigkeit, daß es wert war, diese An lage auszubilden Alles freute sich über den graziösen Zehen schritt im Menuett und die Wirbel und Sprünge im Unga rischen Tanz, am kindlichsten aber wirkte ihre eigene Freude über die „süße" Pulsnitzer Gabe. — Dann versuchten die Pulsnitzer Damen es ihr gleich zu machen im anschließenden Festball, und sollte es nicht überall gleich lieblich ausgesehen haben, dann war gewiß nur das dichte Gedränge auf der Tanzfläche daran schuld! k. Eine lebende Fackel. Als um Mitternacht ein Dresdener Polizeibeamter auf seinem Fahrrad durch Schönfeld fuhr, hörte er in einem an der Straße gelegenen Grundstück verdächtiges Geräusch. Er hielt sofort an und bemerkte im Waschhaus des Schuppengebäudes flackerndes Licht. In der Annahme, es könnte ein Brand ausgebrochen oder ein Verbrecher eingedrungen sein, schwang er sich über das Hoftor. Gleich darauf kam aus dem Waschhaus eine Frau herausgestürzt, deren Kleider in Hellen Flammen standen. Kurz ent schlossen warf der Beamte die Brennende auf den nassen Erdboden und riß ihre die Kleider vom Leibe. Ein schnell herbeigerufener Arzt leistete die erste Hilfe. Mit schweren Brandwunden bedeckt brachte man die bedauernswerte Frau nach der Heil- und Pflegeanstalt. Dort ist sie ge storben. Wie festgestellt ist, handelt es sich um eine 59 Jahre alte Witwe, die im gleichen Grundstück wohnte. Sie litt seit längerer Zeit an einer schweren Nervenkrankheit. Offenbar hatte sich die Kranke in einem Anfall geistiger Umnaüflung im Waschhaus mit Feuer zu schaffen gemacht, wobei ihr-' Kleider Feuer fingen. Sächsischer Lan-iag. Am 6. November. Der Sächsische Landtag wird erstmalig nach den Ferien am Dienstag, den 6. November, wieder zufammentreten. Die Tagesordnung für diese Sitzung ist aber noch nicht festgesetzt worden. — Das Befinden des Landtagspräsi- denten Schwarz ist andauernd ungünstig, so daß vorläufig kaum damit zu rechnen sein dürfte, daß Präsident Schwarz seine Präsidententätigkeit wieder aufnehmen kann. Saatenstand im Freistaat Sachsen. Anfang Oktober 1928. Im Monat September hielt die Schönwetterlage der vor hergehenden Monate weiter an, bis im letzten Drittel des Monats ein Wetterumschlag vorwiegend bedeckten Himmel und Niederschläge brachte. Hackfrüchte und Futterpflanzen waren noch mehrere Wochen den schädlichen Folgen der Dürre ausgesetzt. So ergibt der Stand der Kartoffeln und Rüben ein überwiegend ungünstiges Bild. Nur vereinzelt in Lagen, die von Natur aus feucht sind oder bisweilen durch strichweifen Gewitterregen durchfeuchtet wurden, zeigen sie einen einigermaßen befriedigenden Stand. Im weitaus größten Teile des Landes, vor allem auf den Sandböden, haben sie sich gegenüber dem Vormonat noch ver schlechtert. Vielfach sind sie vorzeitig gereift, sind Kraut und Blätter bereits abgestorben und die klein gebliebenen Knollen und Wurzeln stark gewelkt. Da die Kartoffelknollen ihr Wachs tum schon abgeschlossen hatten, bewirkten die gegen Ende Sep tember gefallenen Niederschläge meist kein weiteres Wachstum, sondern die Bildung neuer Knollen, die bis zur Ernte ihre Reife nicht mehr erlangen können. Mit einer wesentlich unter dem Mittel liegenden Hackfrnchternte muh daher in Sachsen gerechnet werden. Der schon in den letzten Monaten auftretende Futtermangel hat sich weiter verstärkt. Der Klee blieb meist zu kurz, als dast er geschnitten werden konnte, so daß er im günstig sten Falle eine knappe Weide ergab. Der junge Stoppelklee ist lückig und vielfach ganz vertrocknet, so daß auch für das nächste Fahr ungünstige Fütterverhältnisse zu erwarte« sind. Das bei dem herrschenden Futtermanggel in großem Umfange gesäte Herbstfutter zeigt infolge der Dürre schlechten Ausgang und un genügende Entwicklung. Häufig mußten Rübenblätter. Kar- offelkraut, Teichschilf und andere Ersatzfuttermittel zur Durch faltung der Rinderbestände herangezogen werden. Auch die Danerweiden bieten dem Vieh nur ein unzureichendes Futter. In den höchsten Lagen des Erzgebirges ist der Rest der Hafer- ernte eingebracht worden. Die Herbstbestellung geht im gmtten ?ande nur langsam vorwärts, da die Böden, die bindig sind wer nicht sofort nach Aberntung gelockert wurden, ferner die Kleefelder sehr verhärtet sind und der Bearbeitung großen Widerstand entgegensetzen. Die Kartoffelernte hat begonnen. An Schädlingen treten Mäuse in starkem Umfange auf. In Gemeinschaft mit Engerlingen und Erdraupen schädigen sie Kartoffeln und Rüben. Das nicht vertrocknete Kartoffelkraut leidet unter Vlattrollkrankheit. An manchen Stellen macht sich die Rübenfliege wieder bemerkbar. An Gemüsepflanzen und Kohlrüben üben Raupen und Erdflöhe Wetter ihre zerstörende Tätigkeit aus. Für das Land sind vom Statistischen Landesamt folgende Durchschnittsnoten herechnet worden (dabei bezeichnet 1 einen sehr guten, 2 einen guten, 3 einen mittleren, 4 einen geringen und 5 einen sehr geringen Stand): Kartoffeln 3,1 (2,4), Runkel rüben 3,3 (2,6), Zuckerrüben 3,2 (2,6), Klee 3,7 (2,6), Luzerne 3L (2,4), Runkelrüben 3.3 (2.6). Zuckerrüben 3,2 (2,6), Klee 3,7 (2,6), Luzerne 3,5 (2,4), Be-(Ent-)wäfferungswiesen 3,3 (2,5), andere Wiesen 3,9 (2,5). Die cingeklammerten Zahlen beziehen sich auf Anfang Oktober 1927. Grundfragen der Sozialpolitik Uetzer dieses Thema sprach Regierungspräsident z.D. Brau weiler in einem Vortragsabend, den der Landesausschuß Sächsischer Arbeitgeberverbände veranstaltet hatte. Durch Kriegs- und Nachkriegszeit Hütten sich tiefgreifende Umschich tungen in den Grundlagen von Volk und Wirtschaft voll zogen; hierdurch sei das ewige Problem der sozialen Frage in mancher Beziehung in neue Beleuchtung getreten. Aller dings seien wir von einer Annäherung der Auffassungen der Arbeitgeber und Arbeitnehmer noch sehr entfernt. Mehrleistungen sm die große Masse des Volkes könnten auf die Dauer aus Mehcerträgen der Wirtschaft bestritten werden, denn eine andersgeartete Verteilung des Sozialprodukts allein könne den einzelnen keine ins Gewicht fallende Verbesserung bringen. In der verschiedenen Auffassung über die Probleme und ihre zweckmäßigste Lösung liege dec Gegensatz zwischen Unterneh mern und Arbeiterschaft in der Hauptsache begründet. Für unsere Zeit typisch sei der Zug zur organisatorischen Zusam menfassung der Kräfte: hier die Bildung von Kartellen, Trusts usw., von feiten der Gewerkschaften der Kollektivge danke als Mittel zur Erreichung ihrer Ziele. Aus diesem Gedanken heraus sei der Tarifvertrag das herrschende In strument geworden, das die verschiedenartigsten Lebensbe dingungen usw. unberücksichtigt lasse. Der Redner setzte sich dann mit dem Problem der Äetriebsdemokratie und dem der Wirtschaftsdemokratie eingehend auseinander, und wies nach, daß diese beiden Systeme jegliche wirtschaftliche Weiterent wicklung unmöglich machen würden. Zum Schluffe hab der Redner hervor, daß das letzte Ziel aller wirtschaftlichen und sozialpolitischen Weiterentwickluung die Hebung der materiellen und kulturellen Lage der breiten Massen unseres Volkes sein müsse. Bevölkerungsabnahme und Wirtschaftslage. Von der Tagung des Hauptausschusses des „Deutschen Industrie- und Handelstages". Berlin. Der Hauptausschuß des „Deutschen Industrie- und Handelstages" trat in diesen Tagen unter dem Vorsitz des Präsidenten Franz von Mendelssohn nach der sommerlichen Pause erstmals wieder zusammen. Ober-, bürgermeister Dr. Most, Erster Syndikus der Handelskammer Duisburg, gab in seinem Vortrag über das Bevölkerungs problem im Zusammenhang mit der Wirtschaft ein Bild von der tiefgreifenden Verschiebung, die sich im Bevölkerungs schwergewicht der ganzen Welt zuungunsten Europas, zu gunsten namentlich Amerikas und Asiens, und nicht minder, zugunsten der slawischen Bevölkerung vollzogen hat. Ihr läuft parallel die Verschiebung des europäischen und des deutschen Anteils an der Weltproduktion und am Welthandel. In Deutschland ist die Geburtenziffer seit 1876 von über