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Nr. 233. Pulsnitzer Tageblatt. — Donnerstag, den 4 Oktober 1928 Sette 6 Zum Schuh -es Gewerbes. Gutachten der Dresdener Handelskammer. Nestctage. In einem Bericht an den Deutschen Industrie- und Handelstag ersipfahl die Kammer eine scharfe und enge Be grenzung der sogen. Restetage, da der Sonderverkauf von Resten in Form der Restetage einen weit über das Be dürfnis hinausgehenden Umfang angenommen hat. Es komme nicht so sehr darauf an, den Begriff der Reste genau festzustellen, wichtiger sei die Beschränkung der Restever- kaufsveranstaltungen überhaupt, da im allgemeinen keine Notwendigkeit vorliegt, Reste beschleunigt abzustoßen. Eisenbahn und Kraftwagen. Die Reichsbahnverwaltung beabsichtigt die Einfüh rung von Frei-Haus-Lieferungen auch im Eisenbahnverkehr, um mit den Vorteilen des Kraftwagen verkehrs Schritt zu halten. In einem Gutachten an den Deutschen Industrie- und Handelstag äußerte sich die Kammer dahin, daß vom Standpunkt der Wirtschaft keine Notwendigkeit für eine solche Maßnahme der Reichsbahn zu erkennen sei. Die Neuerung verfolge in erster Reihe das Interesse der Reichsbahn, ohne wesentliche Vorteile für Industrie und Handel zu bringen. Auch der mit der Maßnahme verbundene weitgehende Eingriff in den Ge schäftsbereich der Spediteure sei bedenklich. Zweckmäßige Autobereifung. Nach dem Entwurf zur Verordnung über den Kraft fahrzeugverkehr vom 18. Juli d. I. foll für Elektro karren die Vollgummibereifung verboten werden. In einem Bericht an die übrigen sächsischen Handelskammern trat die Kammer dafür ein, daß dieses Verbot nicht in Kraft gesetzt wird, da es nach Lage der Ver hältnisse ungerechtfertigt erscheint. Das Verbot der Voll gummibereifung sei nur für Lastkraftwagen zu billigen, nicht aber für die kleinen Elektrokarren, die trotz der Vokgummibereifung nur ein geringes Fahrgeräusch verursachen und die außerdem die Straßen nur wenig ab nutzen. Oer Reichskanzler fordert Bericht über den neuen Besahungsskandal. Noch ein vierter Jugendlicher ins MilitSrgefängnis geworfen. Landau. Die Ermittlungen Uber die von der französi schen Besatzungsbehörde erfolgte Verhaftung von drei Jugend lichen, die in das französische Militärgefängnis in Landau eingeliefert worden sind, haben ergeben, daß es sich bei den Dechafteten um den 14 Jahre alten Schlosserlehrling Zau ner, den 16 Jahre alten Dachdeckerlehrling Littich und den 16 Jahre alten Dachdeckerlehrling Georg Schäfer, sämtlich aus Worms, handelt. Sie werden von der franzö sischen Besatzungsbehörde beschuldigt, in die Wohnung eines französischen Offiziers in Worms ei «gebrochen und einen Dienstrevolver ent wendet zu haben. An diesem Einbruch soll auch der 16 Jahre alte Dachdecker lehrling Trautmann aus Worms beteiligt gewesen sein. Da Trautmann sich durch einen Schuß aus einem Tesching verletzte, ist er erst später von einem französischen Gendarmen ebenfalls in das französische Untersuchungsgefängnis nach Landau eingeliefert worden, während die Einlieferung der drei anderen Jugendlichen bereits am 24. September er folgt ist. Die vier jungen Leute werden vom Noten Kreuz betreut. Von deutscher Seite ist ihnen eine Verteidigung beigegeben worden. Der Reichskanzler hat über ihre Behandlung einen eingehenden Bericht angefordert. Nicht genug mit diesen hohnsprechenden Verhaftungen wird jetzt auch bekannt, daß das Dienstmädchen Griem aus Kaiserslautern ebenfalls in das Landauer Gefängnis einge liefert worden ist. Das Mädchen wurde vor einiger Feit von Marokkanern und Anamiten schwer mißhandelt und von der französischen Besatzungsbebörde unter der Anschuldigung ver- haftet, den Vorfall erfunden zu haben, obwohl die franzö sische Besatzungsstelle selbst zugegeben hat, daß ein Roheits- delrkt der farbigen Franzosen vorliege. Die Vereinigten Staaten winken ab. Gegen eine Verquickung der Reparationen mit den alliierten Kriegsschulden. Washington. Auf eine Anfrage, die auf Poincares Rede in Chambery Bezug nahm, in der Poincare wieder die Reparationsfrage von der Entwicklung der alliierten Kriegs schuldenfrage abhängig machte, wurde von offizieller ameri kanischer Seite erklärt, Vorschläge, daß die amerikanischen Steuerzahler die deutschen Reparationen bezahlen sollten, seien wiederholt gemacht worden und würden offenbar auch weiterhin gemacht werden. Amerika lehne derartige Vor schläge ab und könne auch keinen Zusammenhang zwischen den Reparationen und den alliier ten Kriegsschulden sehen. Diese seien durch Ab kommen geregelt. Präsident Coolidge halte eine weitere Diskussion dieser Frage in der Presse für nutzlos und be- trackte das Kapitel der alliierten Schulden als abgeschlossen. Sonne und Mond. 4. 10. Sonne A. 6.07, U. 17.30; Mond A. 20.06, U. 12.41 Börse und Handel Amtliche sächsische Mierungen vom Z Oktober Dresden. Die Dresdener Börse verkehrte auch heute in uneinheitlicher Haltung. Höher gehandelt wurden Gutzstein, Döhlen und Karl Hameln. Andere Maschincuwerte verloren bis zu 3 Prozent. Großenhainer Webstuhl vermochten ihre anfänglichen Verluste von 614 Prozent später um 154 Prozent zu decken. Größere Steigerungen erfuhren Feistkorn, und zwar um 3, Polyphon um 10, Erzholz um 4, Veilsdorf um 554 und Marienburger Mosaik um 6 Prozent. Von Bankaktien waren Reichsbank und Bank für Bauten höher. Am Rcntenmarkt lagen einige Aufwertungspfandbriefe höher. Schubert n. Salzer, Lingner und Gebr. Unger verloren je 5 Prozent. Leipzig. Die Börse verkehrte wieder in uneinheitlicher Haltung. Im allgemeinen neigte sie zur Schwäche. Die An gebote fanden wieder größtenteils Aufnahme. Polyphon zogen weiter um 1 Prozent an, Anleihen verkehrten wieder still. Chemnitz. Die Börse neigte zur Schwäche. Von Maschinen- wcrten konnten einige ihre Aktien bis zu 3,5 Prozent steigern, während andere Einbußen bis zu 4 Prozent zu verzeichnen hatten. Textilaktien lagen ziemlich fest. Im Freiverkehr, der sich in ruhigen Bahnen behauptete, erfreuten sich Stump f- aktien einer höheren Bewertung. Chemnitzer Produktenbörse. Weizen, inländ., 218—224; Roggen, sächs., neu, 226—231; Sandroggen 231—236; Sommer gerste, neu 250—265; Wintergerste, neu 215—225; Hafer, neu 215—225; Mais, für Futterzwecke 218—223; Mais, Cinguantin, für Futterzwecke 245—255; Weizenmehl, 70proz. 37,—; Roggen mehl, 60proz. 35,75; Weizenkleie 15,25; Roggenkleie 15,75; Wiesenheu, drahtgepreßt 14,50; Wiesenheu, lose 13,50; Getreide stroh, drahtgepreßt 4,50. Tendenz: Ruhig. Bevliner Börse vom Mittwoch. Während die Vorbörse ziemlich schwache Tendenz hatte, er öffnete der offizielle Verkehr zwar überwiegend zu etwas niedri geren Kursen, aber für einige Spezialwerte ausgesprochen fest. Amtliche Devifen-Notierung Bankdiskont: <-riin 7 (Lombard 8), Amsterdam 454, Ä.'äCel 4. »44, Kopenhagen 5. London 454. Madrid 5. Demisn (In Reichsmark, 3. Oktober 2 Oktober Geld j Bne« Geld Brie! DL M Wt. M New Dort . . 1 r . 1 -e 4,1955 4,2035 4,1935 4,2015 20.342 L0,?82 20,331 20,371 Amsterdam . 100 Gld. 168 23 168 57 168,18 168 52 Kopenhagen , 100 Kron. 111 84 112 06 >11,83 11 .02 Stockholm . , 100 Kron. 112,21 112,43 112,13 112 35 Oslo , , . » 100 Kron. 111,79 112 61 111,74 > 11,96 Italien . , , , 100 Lire 21,93 21.97 21,915 21,955 Schweiz , . Paris . . ., . 100 Frcs. 81,76 80,92 80,71 80,87 . 100 Frcs. 16.465 16,445 16,395 16,435 Brüssel . , . . 100 Beiz« 58,2!-5 58.405 58,26 5 38 Prag 44», , 100 Kron. 12,435 12,455 12,427 12,447 Wien . . . . . 100 Schill 59,04 59,16 9.01 59,13 Spanien , . . 100 Pesel. 68,32 68,46 8.47 68,61 Men gx' 354, Prag 6, Schweiz 854, Stockholm 4 54. Effektenmarkt. Heimische Renten waren zum Teil etwas schwächer, sib.l " " d i sch e Renten fest. Schiffahrtswertc nicht einheitlich. Bankwerte fest. Montanaktien: Mans feld weiter schwach (117,37). Fest lagen Harpener. Elektro- aktlen überwiegend fest. Amtliche Notierung der Mittagsbörse ab Station. Mehl und Kleie brutto, einschl. Sack frei Berlin. IM ilg Wetz.' 3. 10. 2. 10 Mehl 7« °/o 3. 10. 2. 10. mark. 2O8.°-211.° 208.° 2Il.° Weizen 26.2-29.5 26.2-29.2 Sept. — — Roggen 27.2-29.7 27 2 29.7 Oktob. Dezbr. März 222.°-223.° 233? 234.° 240.° 221.°-222.° 231 °-231? 239? Weizenkleie Roggenkleie 14.5-14.6 14.7-15.0 14.5 14 6 14.7 15.0 Rogg. Weizenkleie- 16.2-16.5 mrk. °) 207.°-210.° 2067-209.° melasse 16.2-16.S Sept. — — Raps (1000 kg) 328-330 328-330 Oktob. 2207-221° 220 ° 220 ° Leinsaat (do.) — Dezbr. März 2287-228/ 236.°-236.° 228.° 227? 235,°-234.° Erbsen, Viktoria Kl. Speiseerbsen 41.0-49.0 41.0 49.0 Gerste 231.°-251.° Futtererbsen — — Brau 231.°-251.° Peluschken — — Futt.-, 200.o-211.° Ackerbohnen —— Jndust. 26O.°-211.o Wicken — — Wint. -- — Lupinen, blau — — Hafer » gelb — — märl. 194.0-205.° 194.0-205.° Seradella — — Sept. — — Rapskuchen 19.2-19.6 19.2 19.6 Oktob. —- — Leinkuchen 23.5-23.7 23.5-23.7 Dezbr. S15.°-216.° 213.° Trockenschnitzel 14.8-15 0 14.8-15.0 März 226.0-227. 224.° Loya-Extrakt.» 21.0-21.6 Mais Schrot 21.0-21.6 Berlin 213.°-215.° 212.0-214.° Kartoffelflocken 20.8-21.2 20.8-21.2 's Hektolitergewicht 74 M k«. 1 do. SS Ire. Magdeburger Zuckernotierungen. Gemahlener Melis bei prompter Lieferung innerhalb 10 Tagen 26, erste Hälfte Ok- jpber 26. Tendenz: Ruhig. , Kirche« - Nachrichten Pulsnitz Sonntag, den 7. Oktober, 18. nach Trinit.: Kollekte für den Evangel. Bund. — >/,9 Uhr Abendmahl. 9 Uhr Predigtgottesdienst, Matth. 11, 25-30), Pfarrer Schulze, Lieder Nr.: 317, 238,2, 335, Sprüche Nr.: 86, 93. 2 Uhr Taufen. 4 Uhr Uhr Jugendbund für E C. — Montag, den 8. Oktober: 1/46 Uhr Kirchgemeindevertretungs- Sitzung im Konfirmandenzimme:. 8 Uhr Vorbereitung für den Kinder gottesdienst, Mark. 7, 32—37. — Dienstag, den 9. Oktob r: >/,5 Uhr Großmütterchenvcrein. 8 Uhr Bibelstunde in landeskirchl. Gemeinschaft. — Mittwoch, den 10. Oktober: 8 Uhr Bibeikränzchen, Luk. 15, 25-33. Schulkommunionen: Dienstag, den 9. Oktober: >/,3 Uhr in Ober st eins Donnerstag, den 11. Oktober: °/,3 Uhr in Niedersteina Sonnabend, den 13. Oktober: °/,3 Uhr in Friedersdorf Hauskommunionen jedesmal vor der Schulkommunion. — An meldungen dazu bei den Ktrchgcmeindcvertretcrn. in O b c r st e t n a: Herren Böhme, Großmann, Prescher in Nieder st eina: Herren Haase, Kliemann, Kunath in Friedersdorf: Herren Liebach, Megel Ohorn Donnerstag, den 11. Oktober: 3 Uhr Altenvereinigung in der „Fuchsbelle". Lichtenberg Sonntag, den 7. Oktober, 18. nach Trinit.: Borm '/»9 Uhr Predigtgottesdienst, Sammlung. Borm 10 Uhr Kindergottesdienst im Konfirmandenzimmer. Nachm. 2 Uhr Taufgottcsdienst. — Mittwoch, den 10. Oktober: Abends 8 Uhr Frauenverein in Schreiers Gastwirtschaft. Großnaundorf Sonntag, den 7. Oktober, 18. nach Trinit.: Vorm. '/,9 Uhr Predigtgottesdienst. Nachm. 2 Uhr Trauung. — Mittwoch, den 10. Oktober: Jungmädchenfingabend. Reichenbach Sonntag, den 7. Oktober, 18. nach Trinit.: Vorm. 9 Uhr Predigtgottesdienst, Kollekte. Borm. '/,11 Uhr Unterredung mit den konfirmierten Jungfrauen der letzten drei Jahrgänge. GW - äes korrisri vor, 1. Lataiasictsn-Pünsil- - -- 73. Fortsetzung. Nachdruck verboten. „Das — das ist es eben," stieß Hartmann erregt hervor. „Ich esse sein Brot und rühre seit Wochen keine Hand da bei. Wenn das nicht wäre. Dieses zum Nichtstun verur teilt zu sein. Herr Abt, versetzen Sie sich doch in meine Lage. Ein Mann mit fechsunddreitzig Jahren und ohne Arbeit, ohne Aussicht, jemals wieder das zu leisten, was er geleistet hat! Als müßiger Brotesser sitze ich am Tische meines Schwiegervaters. Bei jedem Bissen, den ich zum Munde führe, denke ich immer nur an das eine: Ist Bett- lcrbrot, das ich esse! Und das soll immer so bleiben, ein ganzes Leben hindurch. Das ist nicht zu ertragen!" Der Abt konnte ein Lächeln nicht unterdrücken. „Sie haben sich da offenbar das reinste Schlaraffenleben ge träumt, das Sie nun führen werden! Wegen dem einen Fuß? Er ist ja gar nicht einmal weg! Nur ein klein biß chen steis. Lieber Baron, Sie haben immer noch ein voll ständig gesundes Bein und beide Hände! — Beide Hände! — Bedenken Sie doch. Mit diesen allein können Sie eine Familie ernähren. Wenn es hier keine Arbeit gibt, dann kommen Sie zu mir in die Abtei. Ich habe welche. Mehr als Sie bewältigen können für Jahre hinaus!" Auf Hartmanns Gesicht lag ein Zug von Schmerz und Glück zugleich. „Ja! — Wenn ich Arbeit bekäme! — Viel Arbeit, Herr Abt! Dann würde ich . . ." Er hielt plötzlich inne, denn Ruth kam mit ihrem Vater die Terrasse heraus. „Heute ist meinem Hause Heil widerfahren!" lachte Hechingen erfreut und streckte dem Jugendfreund die Hand entgegen. „Warum hast du mir deinen Besuch nicht ange- ründigt, Bertram?" „Wie eitel du bist!" schalt dieser. „Mein Besuch gilt deinem Schwiegersohn!" „Ein bißchen Abglanz fällt dabei trotzdem auch auf mich!" gab Hechingen schlagfertig zurück. „Wie du meinst!" lächelte der Abt gütig. „Ich habe den Herrn Baron übrigens eingeladen, nach der Abtei zu kom men. Ich hätte so ungeheuer viel Arbeit für ihn, und hier hat er wahrscheinlich nichts zu tun!" „Der Ansicht bist du?" lachte Hechingen. „Bertram, du irrst! Denn Arbeit — nicht wahr, mein Junge, um Arbeit zu suchen, brauchen wir wirklich nicht nach auswärts zu gehen. Die haben wir selbst übergenug. Heute kommt der leichte Wagen, den ich für dich bauen ließ, Heinz! Dr. Penzl hat erlaubt, daß du morgen mit mir über die Felder fährst, und oben auf deinen Schreibtisch habe ich dir einen ganzen Stoß Korrespondenz hingelegt." Hartmann lächelte bewegt, indem Herr von Hechingen fortfuhr: „Ich wollte dich zwar noch länger schonen, aber es ist manches dabei, das keinen Aufschub mehr verträgt. Nächste Woche möchte ich mit Trude und Eberhard nach Kreuths Trudel braucht Erholung. Der Schrecken ist ihr doch recht in die Glieder gefahren. Ich sorge mich, wenn dann alles ganz allein auf dir lastet, Heinz! Aber ich weiß, du schaffst es schon Nicht wahr, mein Junge?" „Ja, Vater, ich schaff' es schon." Hartmanns und des Abtes Blick trafen sich. Beim Abschied sagte Hartmann mit Betonung: „Ich danke Ihnen, Herr Abt!" Niemandem fiel es auf. Man nahm an, der Dank gelte lediglich für den abgestatteten Besuch. Ende des Monats reisten Hans und Eberhard von He chingen mit Trude nach Kreuth. Beim Abschied küßte die blonde Schwägerin ihren Retter noch einmal herzhaft auf den Mund und lachte schalkhaft. „Wenn du wüßtest, Heinzel!" „Was denn, du kleine Hexe?" „Daß ich einmal ganz unsinnig in dich verliebt war!" „Nicht möglich!" sagte er und versuchte ernst zu bleiben „Du glaubst es wohl nicht?" „Doch! — Doch! — Warum hast du mir'e denn nicht ge sagt oder geschrieben?" Sie sah ihn unsicher an. „Hättest du etwa —" fragte sie stolz, ohne auszusprechen, und maß ihn kühl- „Natürlich hätte ich — dich dann mit hinuntergenom men in den Hexenkesiel unter der Festung. Dann wäre es weniger langweilig gewesen!" „O du!" Sie warf beide Arme um seinen Sals. „Du hast es gewußt!" sagte sie halb belustigt, halb beschämt. „Was du mir nicht alles zutraust!" neckte er. „Woher käme mir die Kenntnis deiner geheimsten Gedanken?" „Heinzel! Du bist ein schlechter Mensch!" „Wirklich? Bin ich das? Bitte, sag's meiner Frau nicht!" Was soll ich denn nicht wissen?" fragte Ruths Stimme "Du darfst nicht ahnen, Ruth, daß Ich ein Hellseher bin!" Hartmann versuchte vergebens, ernst zu bleiben. „Ich kann die geheimsten Gedanken erraten, nicht wahr, Trude? Unt meine Frau ist Zeuge, daß ich auch wahrsage: Ein kleines blondes Mädchen liebte mich einst; und ich sagte voraus, daß es mich innerhalb drei Tagen vergißt. Und es ist wirk- lich so gekommen!" Wenige Tage später brachte ihr die Nachmittagspost einen Bries mit einem Ueberseestempel. Die Handschrift war ihr völlig unbekannt. Sie öffnete ihn ohne Hast. Einige Bogen fielen in einem Umschläge heraus, eng be schrieben. Von wem? Sie las die Unterschrift. Professor Herbert Kelling! Was hatte Kelling ihr zu sagen? Lisa wartete vergeblich aus ein Lebenszeichen von ihm, und ihr, der Frau eines andern, schrieb er. Je weiter sie las, desto tiefer färbten sich Ruths Wangen in dunklem Rot. Sie mußte sich setzen. Mit bebenden Fingern strich sie das Haar aus der Stirne. Nun durchflog sie die beigelegten Bogen. Es waren ihrer nur zwei. Ihre Hände suchten nach einem Halt. Ihr Gesicht wurde weiß bis in die Lippen. „Elender! — Hatte je ein Mensch schon solch ein Schur kenstück vollbracht?" Rechenschaft wollte sie von ihm fordern, und zwar so gleich. Nur Lisa Kelling nicht begegnen jetzt und ihrem Mann, ihn am letzten! Etwas wenig später glitt der Kraftwagen ohne Hupensignal aus dem Park. (Fortsetzung folgt.) '