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Nr. 189. Pulsnitzer Tageblatt. - Dienstag, den 14. August 1928 konnten das Mannschaftsgefüze nicht so zusammenhalten, wie am Vor- sonntag die komplette Elf spielte. Obwohl Röllig eisrig bei der Sache war, sch'en ihm der Halbrechts»Posten nie so recht zu behagen. Er dürfte sich aber bald nach der ihm auferlegten langen Zwangspause einrichten und eine gute Stütze der Mannschaft werden. Als Mittel läufer war Schöfer tätig. Er erreichte nicht im mindesten seine guten Tage, bevorzugte wieder das hohe Spiel, und brachte cs somit zu keiner mittelmäßigen Leistung. Auch baute er zuletzt stark ab, sodaß mitunter zwischen Sturm und Läuferreihe SO Meter Abstand war. Auch die übrigen Spieler schienen alle etwas befangen zu sein und cs brachten nur wenige die Nerven auf, die so ein Kampf verlangt. Daß dadurch der Sieg von Großröhrsdorf, die noch dazu verstärkt antrateu, sicher stehen mußte, unterlag keinem Zweifel, und doch hätten die Gäste die Segel streichen müßen, wenn die Hiesigen wenigstens die einfachsten Sachen ausgenützt hätten. Alles in allem, man war weniger befriedigt, wenn nicht gar enttäuscht. — Hoffen wir, daß uns der nächste Sonntag die Entschädigung hierfür bringt und Pulsnitz 1. aus dem Pokalspiel gegen Klcttwitz Liga in Wiednitz als Sieger hervorgcht. Dieses Spiel veranstaltet der Sportverein Hcye Hl als Werbetreffen. Sportfreunde 2. : 08 Bischofswerda 3. 7:1. Eine bange erste Halbzeit hatte die 2. Elf zu überstehen. Erst nach der Pause fanden sich die Hiesigen zusammen und besorgten gründlich, den Sieg so hoch wie möglich zu gestalten, so unsere Erwartung restlos erfüllend. Die 2. Mannschaft bewies dadurch, daß sie auf dem besten Wege ist, wieder za Meisterehren zr .ommen. leie. f . - - Radsport. Den Großen Preis von Berlin auf der Olym pia-Bahn über 80 Kilometer holte sich Thollembeek in 42:27. — Im Kölner Sechsstundenrennen wurden Rausch- Hürtgen Sieger. — Den Kleinen Derfassungspreis von Frank- furt a. M. über 50 Kilometer erkämpfte sich Böttgen. Im Großen Derfassungspreis siegte im ersten Lauf über 30 Kilo- Meter Christmann. Das Rennen mußte dann wegen Ge witterregen abgebrochen werden. ALPenfahrt. Don 85 gestarteten Bewerbern haben 77 das Ziel erreicht. Einer schied durch Unfall aus, 6 durch Maschinen- schaden und einer durch Zeitüberschreitung. Der erste Tag führte von Mailand nach Lugano, und zwar über den Simplon, die Furtastraße und den St. Gotthard. Die beste Fett des Tages er reichte mit 6 Stunden 5 Minuten Baragioia auf Alfa-Romeo. Als erster traf in Lugano der Hansa-Fahrer Horbe ein. Die Brennabor-Mannschaft legte die Strecke geschlossen zurück und kam auf 54 Stckm.-Durchschnitt statt der verlangten 49 Stkm. Matadoren-Jagdrennen. Das Hauptrennen auf der Hin- dernisbahn von Berlin-Karlshorst, das Matadoren-Iagd- rennen, gewann im Handgalopp die Stute „Mannestreuc" au? Lem Gestüt Mydlinghoven. „Toto": 37, PI. 17,25. Zweiter wurde „Sperrmal" und Dritter „Parflfal". Der Reiter Bis marck hielt „Mannestreue" stets auf gutem Platz im Docder- tveffen. Im letzten Bogen schoß „Maunestreue" an die Spitze, damit war das Rennen für Ne entschieden. Freiherr von Langen erhielt in Amsterdam aus „Draufgänger" in der Dressurprüfung die goldene Medaille für Deutschland. Wasser-Temperaturen am 13. Aug.: LO - 21 - 21 Grad Celsius Börse und Handes Amtliche sächsische Aotierungen vom 13. August. Dresden. Die hiesige Börse verkehrte am Wochenbeginn durchweg in uneinheitlicher und eher schwächerer Haltung, je doch hielten sich die Kursveränderungen in engen Grenzen. Nur vereinzelt waren Kurserhöhuugen zu verzeichnen. Nach geben mußten vor allem Schubert u. Salzer 6, Reichelbräu 5, Glasfabrik Brockwitz 4,75, Keramag 4, Reichsbank 3, Sächsische Waggon 2,5, Polyphon, Bergmann, Dittersdorfer Filz und Deutsche Jute je 2 Prozent. Dagegen waren Zwickauer Kammgarn 4 Prozent höher gefragt. Gebrüder Unger plus 3, Speicheret Riesa und Union Radebeul je plus 2,75, Mimosa plus 2 Prozent. Leipzig. Am Wochenbeginn neigten an der hiesigen Börse die Kurse auf fast allen Marktgebieten zum Nachgeben. Vor allem drückte das überwiegende Angebot empfindlich aus die Kurse; so büßten Polyphon 7, Norddeutsche Wolle und Halle Zucker je 3, Mansfeld A.-G. 2,5, Stöhr und Thüringer Gas, Reichsbank und Sächsische Bank ie 2 Prozent ein. Vereinzelte Kursheraufsetzungen gingen über 1—2 Prozent nicht hinaus. Chemnitz. Die hiesige Börse zeigte ein mattes und lust loses Aussehen, so daß sich eine einheitliche Tendenz nicht durchsetzen konnte. Verschiedentlich kam es zu Kursabbröcke lungen, die allerdings im allgemeinen nicht über wenige Pro- zent hinausgingcn. Nachgcbcn mußten unter anderen! Gebr. Unger 5,25, Liebermann 4, Sachsenwerk 3,5, Uhlmann 3,25, Schubert u. Salzer, Darmstädter Bank, Dresdner Bank und Pöge Stammaktien je 2 Prozent. Leicht befestigen konnten sich Adka, Faradit, Reinegger, Triptis und Max Kohl. Leipziger Vichmarkt. Auftrieb: 765 Rinder, darunter 103 Ochsen, 240 Bullen, 308 Kühe, 114 Färsen, 306 Kälber, 983 Schafe, 2084 Schweine. Verlauf: Bei Rindern, Kälbern und Schafen langsam, bei Schweinen mittel. Preise: Ochsen a) 60—63, b) 52—59, c) 45—51; Bullen a) 53—57, b) 48—52, c) 42—47, d) 35—41; Kühe a) 54—56, b) 50—53, c) 35—49 d) 25—34; Färsen a) 60-63, b) 40-49; Kälber a) —, b) 67—77, c) 60—66, d) 50—59, e) 40—49; Schafe a) 62—65, b) 62—66, c) 54—59, d) 48—53, e) 42—47; Schweine a) 75—76, b) 76—77, c) 77—78, d) 75-77, e) 73—74, f) 70—72; Sauen 68—73. Chemnitzer Viehmarlt. Auftrieb: 1037 Rinder, darunter 138 Ochsen, 248 Bullen, 623 Kühe, 21 Färsen 7 Fresser, 707 Kälber, 131 Schafe, 2721 Schweine. Verlauf: Bei Rindern, Kälbern und Schweinen langsam, bei Schafen mittel. Preise: Ochsen a)— b) 54-56, c) 48—52, d) 40—45; Butten a) 54-56, b) 50—52, c) 45—48; Kühe a) 50—53, b) 44—48, c) 32—40, d) 22—30; Kälber a) —, b) 66-72, c) 62—66, d) 56—60, e) 48 bis 54; Schafe a) —, b) 60, c) 53—58, d) 45—50; Schweine a) 74—77, b) 75—80, c) 75-78, d) 75—77; Sauen 62—70. Dresdener Produktenbörse. Börsenzeit: Montag und Freitag nachmittag 2—4.30 Uhr. 13. 8. 10. 8. 13. 8. 10. 8. Weizen 75 Kilo 235—240 235-24 l Weiz.-Kl. Rogg.-Kl. 15,9—16,8 18,0—18,5 15,9—16.3 18,0-18,8 Roggen 70 Kilo 235-238 236—241 Kaiseraus zugmehl 41,0—43,5 41,5—43,5 Sommer gerste, sächs. 275—285 Bäcker mundmehl 35,5—37,0 35,5—37,0 Futtergste. yafer, inl. 262—275 263-268 210—215 263-268 Weizen nachmehl 21,0-22,0 21,0—22,0 Raps, tr. Mais Laplata 325-330 238—240 325-330 ,245—247 Jnland- weizenm. Type 70^ 34,5—35,5 34,5—35,5 Cinqu. Trocken schnitzel 270 -295 227—295 Roggen mehl 01 Type 60 36,0-37,0 36,0—37,0 Zucker schnitzel Kartoffel- flocken Futtermehl 28,5—29,0 28,5—29,0 Roggen mehl I Type 70 Rogaen- nachmehl 34,0—35,0 22,5-23,5 34,0—35,0 22,5-23,5 Berliner Börse vorn Montag. Das Geschäft war geringer als in Len letzten Tagen. Die Stimmung war durchweg schwächer. Die Medioliquida tion drückte etwas. Am Geldmarkt war Tagesgeld weiter reichlich angeboten mit 4,50 bis 6,50 Prozent. Seite 6 IM kg 13 8. 10 8. Mehl 70 °/„ 13 8 10. 8. Wrkz.' Weizen . 28 2-32.0 28.5 32.0 märd 232'-235/ —— Roggen 31.0 132 31 0-33.7 Sept. 244.° 247.°-245.° Weizenkleie 15.515.7 15.5-15.7 Oktob. Dezbr 247.°-243.° 2467-245? 245 °-245.° 49.°-247? Roggenkleie Weizenkleie- 17.5-17.6 16.2-16.5 17.5-17.6 melasse . . 16.2-16.5 Nogg. Raps(1000l<8) 320-325 320-325 mrk. ^) 227?-230 -29.0-232.° Leinsaat (do.) — — Sept. 241.°-239.°s243?-242 - Erbsen, Viktoria 46.0-56.0 46.0 56.0 Oktob. 242.°-240.° 244.0-243." KUSpeiseerbsen 35.0-40.0 35.0-40.0 Dezbr. 241.°-240.' 246.°-244? Futtererbsen 25.0-21.0 25.0-27.0 z Peluschken 28.0-32.0 28.0-32.0 Gerste Ackerbohnen 26.0-28.0 26.0-28.0 Som. — —» Wicken . . 30.0-32.0 30.0-32.0 Mnt. 2O5.°-215' 205.o-215.° Lupinen, blau 15.0-16.0 15.0-16.0 Hafer märk. Sept. Oktob. Dezbr. 242.0-254° 220.° 244.-256 0 , gelb Geradella Rapskuchen 16.5-17.5 19.5-20.0 16.5-17.5 19.5-20.0 Leinkuchen 24.0-24.6 24.0 24.6 — 223.°-222.° Trockenschnitzst Soya-Extrakt.- 185-19.0 185-19.0 Mais Schrot . 21.5-22.6 21.5 22.6 Berlin 236.°-238.° 240.0-242° Kartoffelflocken 25 2 25.6 .5.4-25.9 Hektolttergewichi 74.50 Irz. 1 do. SS i-L Kartoffelerzeugerpreis-. 2e Zentner waggonfrei mär- lifcher Station. Amtlich ermittelt durch die Landwirtschajtskam» mer für die Proivnz Brandenburg und für Berlin. Weiße Kar toffeln 3,70—4, blaue Erstlinge 4—4,30, rote Kartoffeln 5—5,50 Mark. Großfallende über Notiz. Berliner Butterpreise. Amtliche Notierung im Verkehr zwischen Erzeuger und Großhandel, Fracht und Gebinde gehen zu Käufers Lasten: 1. Qualität 177, 2. Qualität 162, abfallende Sor ten 145 M. Tendenz: Fest. Preisnotieruwgen für Eier. (Festgestellt von der amt- lichen Berliner Eiernodierungskommispon am 13. August.) Die Preise verstehen sich in Pfennig je Stück ab Waggon oder Lager Berlin nach Berliner Usancen. Deutsche Eier: Trinkeier vollsr. gest. über 65 Gramm 15,50, 60 Gramm 14,50, 53 Gramm 42,50, 48 Gramm 10,50, frische Eier: 60 Gramm 18,50, 53 Gramm 11M, 48 Gramm 10, aussortierte kleine und Schmutzeier 8. 8) Auslandseier: Dänen: 18er 15,50, 17er 14,75, 15)4—10er 13,75, Posener: 68 Gramm 12,75, 60—62 Gramm 11, Russen: große 10,50, normale 9,75—10, abweichende 9, kleine, Mittel-, Schmutzeier 8. L) In- und ausländische Kühlhauseier: normal« 8,50—9, Chinesen und ähnliche 8—10. Witterung schwül. Ten- Leng sehr fest. . Amtliche DevisemNotteeung. Devis e n Nr. Reichsmark, 11 August 10. August Geld Briel Geld Brief M. it-t. New Pos ,. 1 t 4,1915 4,204k 4^94 4^02 London . . , , r 20,37 20,41 20,36 20,40 Amsterdam . 100 Gld. 168,31 168,65 168,23 168,57 Kopenhagen , 100 Kron. 112,01 112,23 111,96 112,18 Stockholm , , 100 Kron. 112,3« 112,58 112,29 112,51 1)2^9 « » G » s 100 ÄkOK, 111,97 112,19 111,94 112,16 Italien , ,,. 100 Lire 21,955 21,99? 21,935 21,975 Schwei, , ..IVOFrv». 80,77 80,93 80,74 80,90 Paris , , , , . 100 Frcs. 16,38 16,42 16,38 16,42 Brüssel ...,100 Belga 58,3« 58,48 58,345 58,456 Prag ,,, , , 100 Kron. 12,439 12,459 12,431 12,451 Wien 100 Schill. 59,195 59,315 59,175 59,295 Spanien ,.. IVO Peseta 70,03 70,17 69,88 70.02 Bankdiskont: Berlin 7 (Lombard 8), Amsterdam 4>i, Brüssel 4, Italien 5l4, Kopenhagen 5, London 414, Madrid 5, Oslo 514. Paris 814, Prag 5 Schweiz 314 Stockbolw 4. W'en NtL. Ostdevisen. Bukarest 25,56 G 25,68 B, Warschau 46,95 G 47,15 B, Posen 46,975 G 47^75 B, Riga 80,73 G 81,07 B, Groß« Polen 46,85 G 47,25 B. Effektenmarkt. Heimische Renten konnten sich nahezu behaupten. Ausländische waren überwiegend etwas fester. Verkehrs werte konnten sich behaupten. Schiffahrtswerte waren im allgemeinen wenig verändert. Bankaktien verloren. Montänaktien geringe Umsätze. Bankaktien bröckelten bis zu 2 Prozent ab. L hemiewerte: Farbenindustric waren sehr lebhaft. Elektroaktien: Größere Umsätze hatten hier nur Siemens. Autowerte etwas schwächer (137). Kunst seibeaktien waren schwach. Verschiedene Werte: Polyphon gingen bei geringsten Umsätzen um 11 Prozent aus 453 zurück. Amtliche Notierung der Mittagsbörse ab Station. ' Mehl und Kleie brutto einschl. Sack frei Berlin. WM ä« Off kzornsri von 1. Lctriisickao-fLosft. — 3. Fortsetzung. Nachdruck verboten. Jesse nickte. Er ließ es sich in die Arme legen und be trachtete es mit wachsender Aufmerksamkeit. Benedikt und Hans konnten ein Lächeln nicht unterdrücken. Nur Jesse war in Sorge, er könnte eifersüchtig auf die kleine Ruth werden und seine Heimat nicht mehr in Frauenstein suchen Eberhard deutete ihren Gesichtsausdruck ganz anders. „Gräme dich nicht, Mutter," sagte er in seiner ernsten Art. „Wenn sie wirklich keinen Mann bekommt, ich hei rate sie für alle Fälle." Jesse wandte sich ab, da sie ein Lächeln nicht unter drücken konnte. Auch Jungens von elf Jahren haben ihr Ehrgefühl und wollen in gewissen Dingen ernst genommen werden. Nur Benedikt und Hans prusteten rückhaltslos mit ihrem Lachen heraus. „Gerechter Gott, das gäbe so eine Mischung! Lauter schwarze Hechingen!" sagte Benedikt und wischte sich die Tränen aus den Augen. Diesmal wurde Eberhard das Gehen von Zuhause un endlich schwer. Nur mit Mühe konnte er bewogen werden, wieder zu den Benediktinern nach dem Heiligenberg z ück- zukehren Die kleine „Schwester" — jo nannte er Ruth — erfüllte seinen ganzen Gedankenkreis, die Liebe zu ihr wuchs mit jedem Ferienbejuch Auch als nach drei Jahren eine kleine Trude auf Frauenstein ihren Einzug hielt, änderte sich nichts in Eberhards Verhältnis zu Ruth Trude war rötlichblond, mit einem feinen, weissen Gesichtchen und einem Paar Mär chenaugen Echt Hechingersche Rasse! Aber Eberhard be achtete sie kaum Sein erster Gedanke des Morgens war Ruth, der letzte des Abends desgleichen. Das stille, stolze Kind hing mit rührender Liebe an dem grossen „Bruder"! Er brachte ihr die ersten Kenntnisse im Lesen und Schreiben bei. Aus seinem Schoss sitzend, die Aermchen fest um seinen Hals geschlungen, klagte sie ihm ihre Kindernöte, weinte sie ihre heissesten Tränen um Pup pen, deren Köpfe auf dem Marmorflies der Halle zer. schellt waren, um Zigarrenkistchen, die sie als Kinder, wagen herausgeputzt und die dann von der Verständnis- losen Erzieherin als „ganz unmöglich" verbrannt worden waren. Und für all diesen Jammer wußte Eberhard stets ein Heilpflästerchen zu finden, ein Mittelchen, das die Wun den rasch vernarben und die Aeuglein wieder strahlen liess. Als Jesse — Ruth zählte eben zehn Jahre — für immer die Augen schloss, klammerte sich Ruth noch mehr an den Bruder, der mit eifersüchtigen Augen ihr Wachsen und Werden verfolgte. Der grosse Krieg ries ihn ins Feld. Ruth war ver zweifelt. Wochenlang lag sie schwer krank. Er kam wohlbehalten wieder zurück. Mit einem seligen Aufschrei hatte sich ihm die Sechzehnjährige an die Brust geworfen. „Noch zwei Jahre!" hatte er gedacht, „dann ist sie mein!" Und nun ? — Vor einer Stunde hatte er sie gefragt, ob sie seine Frau werden wolle, und sie hatte ihm mit Nein geant wortet und ihm gesagt, daß sie ihm nichts anderes sein könnte als die Schwester, die sie ihm bisher gewesen. Ruth blickte von ihrer Stickerei auf, ihre Augen trafen seinen etwas nach vorne gebeugten Körper. Ein grenzen loses Erbarmen erfüllte sie. O Gott, warum war jener andere in ihr Leben ge treten? Der besaß nun alles! Ihre ganze Liebe! All ihr Sinnen und Denken, all ihr Wünschen und Hoffen kon zentrierte sich um ihn. Sie kam sich beschämend undankbar vor gegen den Bruder, der im Grunde genommen das erste Recht auf ihr Leben hatte. »Hassest du mich, Eberhard?" fragte sie leise. „Dich nicht! Aber den andern, der mir deine Liebe! gestohlen hat! Jawohl, gestohlen!" stiess er hervor. Sie wollte ihre Hände frei machen, aber er hielt sie wie mit Eisenklammern fest. „Wer ist es?" Sie zuckte zusammen, suchte sich frei zu machen und biß im Schmerz die Zähne aufeinander, so fest hielt er ihre Gelenke umspannt. Er sah ihr blasses Gesicht, aus dem die Augen so un heimlich groß an ihm vorbeiirrten. Eine dumpfe Angsts würgte ihn. War es ein Unwürdiger, dem sie sich ge- schenkt? War es ein Verführer, dessen lockender Stimme sie gefolgt war? War es — Er sprang auf, faßte sie an den Schultern und drückte ihr die Arme fest an den schlanken Körper. „Ruth! — Ist es ein Ehrloser?" Sie wurde weiß bis tief in die Lippen. Wie von plötz licher Schwäche befallen, taumelte sie nach rückwärts gegen den schmalen Wandpfeiler, der die Fenster trennte. „Ruth!" schrie er entsetzt. „So weit hättest du dich vergessen? Aber ich schwöre dir's, ich knalle ihn nieder wie einen Hund! Jetzt! Sofort! Sag mir, wer ist der Elende?" Er schüttelte sie roh, und als sie schwieg, drückte er er barmungslos ihren Körper an die schmale Wand. „Ansehen sollst du mich! Seinen Namen will ich wissen! Gib Antwort! O Gott, ich vergreise mich an dir!" Mit einem heiseren Laut ließ er sie frei. Sie strich mit zitternden Händen über die schmerzender Arme. An den Schultern spürte sie den Eindruck seiner Nägel. Ihr Blick traf den seinigen, und er mußte ihn senken. „Vergib mir, Ruth! Ich war nicht bei Sinnen!" Abwesend sah sie ihn an. „Ich wollte bei dir Hilfe suchen und Rat und Trost — so wie einstmals als Kind! Aber du hast mir den Mut dazu genommen, Eberhard!" Die Arme eng an den Körper gedrückt, als scheue sie jede weitere Berührung mit ihm, ging sie aus dem Zimmer. (Fortsetzung folgt >