Volltext Seite (XML)
Nr. 129. Pulsnitzer Tageblatt. — Dienstag, den 5. Juni 1928. Seite 6. Aus dem Gerichtssaal Betrugs- und Aktenbeseitigungsvrozetz in Leipzig. Das Schwurgericht Leipzig begann mit der Verhandlung eines sensationellen Betrugs- und Aktenbeseitigungsprozesses. Die Hauptangeklagten sind der Kaufmann Christian Meyer und der Rechtsanwalt Iohannes Münch. Meyer hat Nachkriegs- und Inflationsgeschäfte großen Stils getätigt, hat viel Geld verdient und hatte sich angewöhnt, auf großem Fuße zu leben. Als die Deflation kam, wurde der Gerichtsvollzieher ständiger Gast im Meyerschen Hause. Aber Meyer ver ständigte sich bald mit diesem Beamten, der Pfändungen dann unterließ und der dafür heute im Zuchthaus sitzt. Nach der ur Verhandlung stehenden Anklage hat Meyer aber auch einen Vrozeßbevollmächtigten, den Rechtsanwalt Münch, für ich zu gewinnen vermocht. Münch soll zugunsten Meyers Aktenstücke beseitigt, Zeugen zum Meineid zu verleiten ver sucht und auch verleitet haben. Neben den beiden Haupt angeklagten sitzen noch weitere fünf Personen unter ähnlicher Anklage auf der Anklagebank. Städtische Volksbücherei Die Ausleihe ist Montag von 7 8 Uhr, Donnerstags und Freitag« von 6-7 Uhr geöffnet Der Lesesaal ist täglich außer Sonntag von 6-9 Uhr geöffnet Auf folgende Aussätze der im Lesesaale ausliegenden Zetischrtflen sei hierdurch aufmerksam gemacht: I Die Musik, H st 9, Kurt Westphal: Die moderne Musik. Ernst Schliepe: Händels Opern und die Gegenwart. Ferdinand Psohl: Joseph Joachim und Richard Wagner. Zur Geschichte einer Freund schaft. Gerhard Granzow: Fwr.stan und usebius. Zur Psychologie Rob. Schumanns. Rodert Engel: Von deutscher Literatur über russische Musik. Musikerziehung: Zum Musikunterricht an Volksschulen. Kör perbewegung und Musik. Zur inneren Lage in Privat Musikunterricht. 2. Ter K nmwan: Karl Ebenem: D-r Maier als Eremit. Joseph Hosmiller: Die Wneknchc bei Steingaden Willy Seidel: ExonSmus ,n der deutschen Lileralur. Helvrtms: Blick auf die Schweiz. A. Schaeffer: Eine Erzählung Reginas. P. Appel: Gedichte. Ni kolai Leßlow: Mutter und Sohn. 3. Kosmos: Kirchberger: Die neue Weltzeit. Dodo Wild- Vang : Aus der Erdgeschichte der ostsriesijchen Nordseema,scheu. Dr. Demandt: Baumpieper und Wiesenpieper. Hermann Radestock: Da« Giößersehen. Krauß: Die Ausbreitung der Bisam>atle und ihre Schäden. Franc«: Der erste Wald auf Erden. 4. Der Kreis um das Kind: Gottfried Keller: Die Jugend jahre der grünen Heinrich, (auS dem seldstbiographischen Roman). Willy Aindl: Vom Handpupventheater. Borchert: Dr. Faust in der Volksschule. Erich Kloß: Bilder aus der Praxis der Milmersdorfer Gartenschule. Stadloberschularzt Dr. Fianzmiyer: Mit welchem Al ter sollen wir unsere Kinder einschulen? 5. V-lhagen und Kissings Monatshefte: Bernhard Gunther: Reif sein ist alles (Roman). Kapitän Kiicheiß: Auszeichnungen eine- Weltumseglers. Ernst Bollbehr: Deutsche Wasserstraßen und Binnen häfen. 6 Westermanns Monatshefte: Irmgard Spangenberg: Jo- rintental (Roman). 7. Die neue Rundschau : Guglielmo Ferrers: Die Einheit der Welt. Thomas Mann: Amphitryon. Schmidtbonn : Die ver wegenen Girlanden (Novelle). Andi« Maurois: B,njami» DiSraeli. Oskar Loerke: Gedichte Olt» Flake: Bekenntnis de« Romandichters. Saenger: Londoner Eindrücke. Europäische Rundschau. Kunstleben in Dresden Erstaufführung tm Dreröarr Theater »Die «»mödte" Dresden, 4. Juni. Das Gastspiel dcS Berliner Schauspieler- Ernst Deutsch in der Komödie war der Anlaß, -daS Schauspiel „Flucht" in einem Vorspiel und neun Episoden von John CalSworihy, deutsch von Leon Schalit, herauSzubrtngen Die erste Aufführung fand am Sonnabend vor ausverkauftem Hause statt. Galsworthy ist bei unt Mode geworden; ganz gleich was er bringt, wir nehmen es auf. Da« Spiel „Flucht" ist n cht« weiter als ein spannendes und von ernsten und belustigenden Ereignissen durchdrungenes UnterhallungSstück, dich terisch ist er schwach, inbezug auf gme Einfälle und geistreiche Bemer kungen ist es beachlenSwert. Ein früherer Hauptmann ist mit einem Polizisten wegen eines Mädchen» in Konflckl geraten, der in eine Boxerei überg ht, wobei der Beamte htnschlägt und mit dem Kopfe auf eine eiserne Umrahmung fällt, infolgedessen der Tod einriilt. Dec Haupt mann wird zu drei Jahren Grsängm« vumteilt, bricht jedoch nach dem ersten Jahre au« der i» einer Moor- und Heidegcgend gelegenen St as austalt auS und irrt herum, da e« ihm nicht gelingt, weiterzukommen. Er erlebt allerlei beim Zusammentreffen mit anderen Menschen, aber stets weiß er den Verfolgern ein Schnippchen zu schlagen, bi« er schließ ich unterliegt. Man ist versucht, das Stück al« eine Persiflage zu halten; denn die Polizeibehörde, auch in den Rundfunkmitieilungen die in den Zwischenakten erlönen, wird in einer Weise verhöhnt und der Lächerlichkeit preiSgegeben, daß man doch einigermaßen erstaunt ist. Ernst Deutsch hat keine große schauspielerische Aufgabe zu erfüllen, weder eine scharfe Charakter stik noch ein Bild von Seelenwandlung zu entrollen. Er spielt den Sträfling gut, aber jeder andere hätte e« ebenso gekonnt. Die Vorstellung war vom Regisseur Mords auf« sorgfältigste vorbireitet worden und wurde mit lautem Beifall auf- genommen Börse und Handel Amtliche sächsische Notierungen vom 4. Zuni 1928. Dresden. Bei freundlicher Grundstimmung zogen einige Spezialwcrte erheblich an. Kahla gewannen 17,75, Polyphon 11, Dresdener Albumin 16,5, Genußscheine 8, Vereinigte Photo 15,6, Genußscheine 10 Prozent. Dr. Kurtz, Berliner Kindl, Kommerzbank und Deutsche Jute lagen 5 Prozent höher. Niedriger bewertet wurden Deutsche Nähzwirn 3,5, Dünger handelsgesellschaft 3,25, Braubank und Triptis je 2,5 Prozent. Leipzig. Die Börse war befestigt, Polyphon lag 7 Prozent höher, Stöhr 6,5, Siemens Glas, Hugo Schneider je 4 und Nordwolle 3 Prozent. Chemnitz. Das Geschäft hielt ych in engen Grenzen, die meisten Werte lagen etwas höher. Thüringer Glas besserten sich um 6, Mimosa um 5, Escher und Bachmann u. Ladewig um 4 Prozent. Niedriger bewertet wurden Wanderer und Gebr. Unger. Leipziger Biehmarkt. Austrieb: 7S7 Rinder, darunter 82 Ochsen, 309 Bullen, 340 Kühe, 66 Färsen, 667 Kälber, 722 Schafe, 2806 Schweine. Verlauf: bei Rindern und Schweinen langsam, bei Kälbern gut, bei Schafen mittel. Preise: Ochsen: a) 60—63, b) 55—59, c) 48—54; Bullen: a) 58—60, b) 50—55, c) 45-49; Kühe: a) 51—54, bi 44—50, c) 34—43, d) 23—33; Färsen: a) 58—61, b) 45—57; Kälber: a) —, b) 85-90, c) 78 bis 84, d) 70—77, e) 60—69; Schafe: a) 67—69, b) 62—66, c) 52—61, d) 45—51; Schweine: a) 66—67, b) 69, c) 68—69, d) 68, e) 66—67, f) 65—66; Sauen: 62—66. Chemnitzer Viehmarkt. Auftrieb: 774 Rinder, darunter 74 Ochsen, 235 Bullen, 452 Kühe, 13 Färsen; 462 Kälber, 296 Schafe, 2805 Schweine. Verlauf: Bei Rindern, Schafen und Schweinen langsam, bei Kälbern mittel. Preise: Ochsen a) 57 bis 60, b) 52—56, c) 44—45, d) 36—40: Bullen a) 57, b) 52—55, c) 4S—50; Kühe a) 50—54, b) 45—48, c) 30-40, d) 18—28; Kälber a) —. b) 82—85, c) 78—80, d) 70—75, e) 60—65; Schafe a), 57—60, b) 50-55, c) 43—48; Schweine a) —, b) 67—70, c) 65—69, d) 63-67; Sauen 56-65. Dresdener Produktenbörse. Börsenzeit: Montag und Freitag nachmittag 2—4.30 Uhr. 4. 6. 1. 6 4. 6. l. 6. Weizen Weiz-Kl. 16,3—16,7 16,6—17,0 75 Kilo 262-267 262—267 Rogg.-Kl 17,6—18,6 17,6—18,6 Roggen Kaiseraus- 70 Kilo 284-289 284—289 zugmehl 45,5—47,0 46,0—47-5 Sommer- Bäcker- gerste. sächs. 295—310 296—310 mundmehl 89.5—41,040/)—41,5 Futtergste 235—270 235—270 Wetzen nachmehl 22,0—24,0 Haser, in! 263—268 263-268 23,0—24,0 Raps, tr. — — Inland- Laplata 244—246 244—246 weizenm Tvpe70N 39,0-40,0 39,0-40,0 Cinqu. Trocken- schnitzel 280—290 16,0—16,4 280—290 16,2—16,6 Roggen mehl 0 I Type 60 A 43,5—45,0 44,0—45,5 Zucker- Roggen- schnitzel 21,5—22,5 21,5—22,5 mehl I Kartoffel- Type 70 H 42,5—43,0 43,0—43,5 flocken 27,0—27,5 27,0-27,5 Roggen- Futtermehl 19,5—20,5 19,5—20,5 nachmehl 24.0—25,0 24,0—25,0 Die Preise verstehen sich bis einschl Mais per 1000 Kilo gramm, alle anderen Artikel per 100 Kilogramm in Reichs mark. Rotklee, Erbsen, Wicken, Peluschken, Lupinen und Mehl (Mehl inkl. Sack frei Haus) in Mengen unter 5000 Kilogramm ab Lager Dresden, alles andere in Mindestmcngen von 10 000 Kilogramm waggonsrei sächsischer Versandstationen. Berliner Börse vom Montag. Die Börse hatte weiter feste Tendenz. Kurz nach Feststellung der ersten Kurse trat eine kleine, die Grundstimmung allerdings kaum beeinflussende Abschwächung ein. Im weiteren Verlauf wurde die Tendenz aber wieder sehr fest. Amtliche Oevisen-Notieruna» Bankdiskont: Berlin 7 (Lombard 8), Amsterdam 42», Brüssel 4X. Italien S, Kopenhagen S. London 4)4. Madrid 8. Oslo SA, Paris 3)4, Praa S. Schweiz 8)4 Stockholm 3)4. Wien 6 Devisen Un ReichSmar!) 4 Juni 2 Juni Geld Brie« Gew Brie: M. LI M. M. Rew Porl ,, 1 t Loniwn . . «» 1 4,1745 4,1825 4ft73 4,181 20,388 20,428 20,378 20,418 Amsterdam . 100 Gld. 168,61 168,95 168,56 168.90 Kopenhagen , 100 Kron. 112,10 112,32 112.09 112,31 Stockholm , , 100 Kron. 112 04 112,26 111.98 112,20 Oslo . . ,,, 100 Kron. 111,86 II 2,08 111,81 11203 Italien . , , , 100 Lire 21,01 22,05 21.9'5 22M5 Schwei- ,,, 100 Fres. Dari» . , , , » 100 Are». 80,48 80,64 80,45 80,61 16,41 16.45 16,43 16,47 Brüssel >...100Belga 58,28 58,40 58.26 58.38 Prag . .... 100 Kron. Wien ..... 100 Schill. 12,375 12,395 12,367 12,387 58,755 58,87. 58,73 58,85 Spanien ,. . 100 Peseta 69,70 69 84 69.73 69,87 Effektenmarkt. Heimische Renten sehr fest. Ausländische Ren ten: Etwas schwächer die Bosnier-Eisenbahnanleihe mit 45. Schiffahrtsaktien besserten sich um 1—2 Prozent. Von Bankwerten hielt die Bewegung in Commerzbank an. M o n - tanwerte ziemlich ruhig. Kaliaktien: Salzdetfurth her auf bis 433 (plus 18 Prozent), dann 427. Aschersleben 237,75 bis 233 (231), Westeregeln 239—235. Chemiewerte: Farben industrie schwankten zwischen 291,75 und 289,25. Amtliche Notierung der Mitlagsbvme ab Station. Mehl und Kleie brutto, einschl. Sock frei Berlm. IM 3. 6 2 6. Mehl 79 °,„ 3 6 2 6 Welz.' mark. Weizen . 32.2 36.2 32.2 36 2 262. "-265.° 262°-265.° Roggen 36.2-39.0 36 2 39 0 Juli Sept. 2837-283.° 284.° Weizenkleie 16.7-17.0 16.7-17.0 271? 271.° Roggenkleie 18.5-18 6 18.5 18.7 Oktob. Rogg. mrk. 1 Juli Sept. Oktob. 271." 271.° Raps l 1000 kg) — Leinsaat (do.) — 278.°-280.° 273° t53.°-253.° 278.°-280.° 273.° 252° 252° Erbsen, Viktoria Kl-Speiseerbsen 50.0-60 35.0 4O.o 50.0-62.0 35.0 40.0 Futtererbsen Peluschken Ackerbohnen 24.5-26.0 24.0-24.5 230-24.0 24 5-26 I 24.0-24.5 23.0-24.0 Gerste Wicken :5.0-27.0 25 0-27.0 Som. 250 °-280.° 250. '-285 " Lupinen, blau 14.2 I .5 14.2 i5 5 Wint. schwach ruhig „ gelb 15.5 16.5 15.5 ll>5 Hafer Seradella 23.0-28.0 23.0 28.0 märk. 262 -I 68 " 262 °-268 Rapskuchen 18.8-19.0 18.80-19.0 Juli 269.° 269.° Leinkuchen 23.0 23.6 23.0 23.6 Sept. — 224.° Trockenschnitze! 15.2 15 4 15.20-15.4 Oktob. — Soya-Lxtra- MaiS Schro: 20 8-21 4 20 8 r1.4 Berlin 237.°-240." 237.° 240 " Kartoffelstöcken 26 0 26 6 26 0 6 6 's Hektolitergewicht 74.50 kg. 's do 89 Kg Preisnotierungen für Eier. Die Preise verstehen sich in Reichspfennig je Stück ab Waggon oder Lager Berlin nach Ber liner Usancen. ^.) Deutsch« Eier: 1. Trinkeier (vollfrische gestem pelte) Sonderklasse über 65 Gramm l2,50 Klasse X 60 Gramm 11, Klasse 8 53 Gramm 9,50, Klasse C 48 Gramm 8,50, frische Eier 60 Gramm 10,50, 53 Gramm 9, 48 Gramm 7,50, aussortierte kleine und Schmutzeier 6F0. k) Auslandseier: Dänen: 18er 12,25 bis 12,50, 17er 11,50, 15)4—16er 10,50, Litauer, große 9,25 bis 9,50, Russen, große 8, normale 7,25—7,50, abweichende 6,75—7, kleine, Mittel-,' Schmutzeier 6—6,75. Tendenz: Flau. Kartoffelerzeugerpreise (in Rm. je Zentner waggonsrei märkischer Station). Amtlich ermittelt durch die LanÄwirtschafts- kammer für die Provinz Brandenburg und für Berlin: Weiße Kartoffeln 3,20—3,60, großfallende Kartoffeln über Notiz, rote Kartoffeln 3,50—3,90, gelbsteischige Kartoffeln 4,70—5,10, Fabrik kartoffeln 16—18 Pf. je Stärkeprozent. Metallpreise in Berlin (für 100 Kilogramm in Mark): Elektrolytkupser wire bars 139,25, Original-Hüttenaluminium 98 bis 99 Prozent 190, do. in Walz, oder Drahtbarren 194, Rein nickel 350, Antimon-Regulus 93—98, Silber in Barren, ca. 900 fein, für 1 Kilogramm 83,50—84,50. Etz» edles Frauenleben. Noman von Carola Weih. Copyright by Greiner K Comp. Berlin W 30. Nachdruck verboten. 2. Fortsetzung. „Sie müssen nicht so erschrecken, es hat nichts zu sagen," sprach sie mit ihrer reinen, melodischen Stimme, und ein freundliches Lächeln, so hell wie Sonnenschein, lag auf ihren schönen Zügen, als sie die Bestürzung des unglücklichen Kellners sah. Wie gebannt hingen die Augen der jungen Männer auf ihrem Antlitze, das von seltenem Liebreiz und Adel war. Doch sie setzte sich wieder nieder und sagte zu Julko, wenn es noch Zeit dazu sei, könnte er ihr eine andere Tasse Tee bringen. ; „Wer ist die Dame?" fragte Geza nochmals. „Du hörst es ja, wir wissen es nicht," versetzte Graf Palsy. „Ich bin gerade so neugierig wie du, nachdem ich ihr Gesicht gesehen. Sie hat aber ein Benehmen, das besser als jede Schußwaffe alles Ueberlästige von sich entfernt zu halten weiß. Es hat niemand den Mut, sie anzusprechen." „Oh, ich habe ihn, diesen Mut," versetzte Geza spöt tisch und stand auf. „Lerne du mich die Frauen kennen. Wer weiß, wie ungeduldig sie darauf wartet, angesprochen zu werden." „Geza, tu's nicht!" mahnte Endre fast erschrocken. Doch Graf Cillagi zuckte nur mit den Schultern und ging, ohne sich beirren zu lassen, geradeswegs auf die Dame zu. Diese sah ruhig vor sich hin, als bemerke sie ihn nicht oder wolle ihn nicht bemerken, doch als er vor ihr stehen blieb, die Hand am Tschako, mußte sie notgedrungen ausblicken. Es lag etwas in dem ruhigen, klaren Blicke der großen, blauen Augen, das dem Rittmeister auf einen Augenblick alle Fassung raubte. „Was wünschen Sie, mein Herr?" fragte sie, als der Graf schweigend vor ihr stand. „Ich ... ich ... ich wollte mich nur erkundigen, wo hin Sie reifen, meine Gnädige." „Ich wüßte nicht, was Sie das interessieren könnte," versetzte sie mit eisiger Kälte. „Wie können Sie so etwas sagen! Wir fahren zu sammen, und so ist es natürlich, daß man Interesse aneinander nimmt, gerne bekannt werden möchte, sich gegenseitig die Zeit zu verkürzen." „Ich fühle dies Bedürfnis nicht, und so werden Sie entschuldigen, wenn ich auf Ihren Vorschlag verzichte." Damit wandte sie ihm kurz den Rücken zu und sah wie der hinaus. Geza hörte das leise Kichern der Kameraden, und das Blut stieg ihm heiß in die Schläfen. Was anfangs Leichtfertigkeit, kecker Mut gewesen, wurde jetzt — Zu dringlichkeit, Frechheit. So durfte er nicht abziehen, wenn er nicht das Gespötte der Kameraden bleiben wollte, und dann . . . sein eigenes heißes Blut, das beim leisesten Antriebe wild durch sein Herz jagte. Ehe sie sich dessen versah, saß er neben ihr und legte den Arm um ihre Taille. „Ach was, mein schönes Kind, Sie tun nur so spröde; Frauenzimmer, die allein reisen, sind an so manches gewöhnt, Frauen, die bei Nacht so ruhig mit Offizieren in einem Zimmer weilen, haben wohl nicht Ueberfluß an zarten, weiblichen Empfindungen." Die junge Fremde riß sich los und sprang auf, dunkle Glut lag auf ihrem Gesichte, dann wurde es schneebleich bis auf ihre Lippen. Die feinen Nasenflügel bebten, aber ihre Stimine war klar und fest, als sie, in der Mitte des Zimmers stehenbleibend und sich mehr an die anderen Offiziere, als an ihren Beleidiger wendend, sagte: „Es sind nur zwei Zimmer in diesem Hause ... In dem einen sitzen Bauern und Soldaten im wüsten Gelage. Ich wählte dieses, wähnend, unter gebildeten Männern, die den Rock des Königs tragen, unbehelligt zu sein. Sie wollen doch nicht, daß ich Schutz vor Ihnen bei jener berauschten Menge suchen soll?" Eine Totenstille herrschte nach diesen Worten in dem kleinen Zimmer. Gezas Gesicht war ebenso bleich, wie das der Fremden. Ohne ein Wort zu erwidern, ließ er sich von Palsy auf seinen Platz führen. „Mein Fräulein," nahm dann Endre das Wort, und sein offenes, freundliches Gesicht trug den Ausdruck pein lichster Verlegenheit, „auch ohne den Rock des Königs wissen wir als Edelleute, was wir den Damen gegenüber schuldig sind. Das Benehmen meines Freundes, das wir alle verdammen, kann ich nur dem heißen Getränke zu- schreiben und —" Das Signal zur Abfahrt, das in diesem Augenblicke draußen ertönte, schnitt seine weiteren Worte ab, und er war froh, daß die Störung kam, er wußte ni was er noch zu sagen gehabt, auch der Dame ersparte e tue Antwort. Schweigend nahmen die Offiziere ihre Mäntel um und verließen mit einer Verbeugung das Zimmer. Es wagte ihr keiner seine Dienste anzubieten. Sie wartete einige Sekun den, dann nahm sie Plaid und Reisetasche und ging auch hinaus. 2. Kapitel. Es war eine beschwerliche, säst siebenstündige in einem Kupee mit schlecht gepolsterten Sitzen, auf schach ten Fahrwegen, vom Winde nmbraust, der durch alle Ritzen und Fugen drang und an der schlecht gefügten Decke des Wagens rüttelte, als wolle er sie von den Köpfen der Reisenden abheben. Es wurde einige Male in Dörfern und kleinen Flecken halt gemaaft, um frische Pferde vorzuspannen, da stiegen auch die Offiziere aus und erquickten sich durch einen Schluck Warmes in der Schänke. Die junge Fremde hatte in einem Kupee allein Platz genommen. Daß sie jemand Dank dafür schuldete, ahnte sie nicht, Gras Palsy war es, der, wohl wissend, wie peinlich sür sie, überhaupt für alle, ein weiteres Zu sammenfahren sein würde, ihr im stillen diesen Dienst geleistet hatte. Es war Nacht, als man in Tarnova anlangte. Durch die Fenster des großen Stationsgebäudes fiel Helles Licht. Müde und vor Kälte bald erstarrt, verließen die N'ichu den die Knpees, auch die fremde Dame. (Fortsetzung folgt.)