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Nr. 128. Pulsnitzer Tageblatt. — Montag, den 4. Juni i928. Seite 6. neue Weltrekordzeit (bisher 41 Sek.) war das Ergebnis des ersten Laufes, der zweite klappte nicht. Einen zweiten Welt rekord gab es im Kugelstoßen der Damen von Frl. Lange- Charlottenburg mit 11,51 Meter. Den 100-Meter-Einzellauf der Männer gewann der junge Frankfurter Gerling in 10,8 Sek. vor Salz und Corts. Im 100-Meter-Lauf der Olympiakandidatinnen siegte Frl. Junker-Kassel sicher in 12,4 Sek. vor Haux-Frankfurt und Holtmann-Hamburg. In der 4mal-100-Meter-Staffel siegte eine kombinierte Mann- schäft in 50 Sek. gegen eine zweite Kombination. Beim Jubiläums-Sportfest in Hamburg bereits am Sonnabend lief die 4mal-100-Meter-Olympiastaffel zweimal die Zeit 41,2 Sek. gegen den Berliner S. C. und eine Hamburger Stadtmannschaft. Unter den weiteren Ergebnissen des Berliner Jubiläums- Sportfestes der Turngemeinde i. B. seien noch erwähnt: Der 400-Meter-Lauf für Olympiakandidaten, bei dem Engelhardt im 2. Lauf verhalten 50 Sek. lief, während Böcher den 1. in 51 Sek. gewonnen hatte; die neue D.T.-Destleistung von Wich mann im 1500-Meter-Lauf mit 4 :3,3, der neue D.T.-Rekord von Schaumburg über 5000 Meter mit 15 : 21,4, die sehr gute Diskusleistung von Hoffmeister 46,40 Meter, die den an erkannten D.T.-Rekord überbietend« Kugelstoß-Leistung Ling naus 14,20 Meter, der D.T.-Speerwurf-Rekord von Macke- Bockenem 60,13 Meter. Der Staffellauf Grünwald—München über etwa 17 Kilometer, der am Sonntag unter Beteiligung von über 250 Mannschaften mit rund 4800 Läufern zum Austrag kam, wurde von der Landespoltzei vor S. D. München 1860 ge wonnen. Ei« Skand«! i« Amsterdam Mit 4:1 wurde Deutschlands Olympia-Fußball-Mann schaft am Sonntag in Amsterdam vor rund 50 000 Zuschauern von Uruguay besiegt. Hätten die Südamerikaner auf Grund spielerischer Ueberlegenheit gewonnen, so brauchte man über diese Niederlage keine weiteren Worte verlieren. Der eigent liche Sieger in diesem Spiel aber war der ägyptische Schieds richter Joussuf Mohamed, der das rohe Spiel Uruguays völlig übersah, auf der anderen Seite aber jeden Fehler der Deutschen schwer bestrafte. Er war völlig antieuroväisck ein gestellt und scheute sich sogar nicht davor, Kalb und später Hofmann-Meerane wegen kleinlicher Vergehen hinauszustellen. Die Zuschauer, unter denen sich viele tausend Deutsche be fanden, begleiteten, als sie die Unfähigkeit des Schiedsrichters erkannt hatten, dessen Aktionen mit Mißfallenskundgebungen. Bis zur Pause schoß Petrone zwei Tore, dann Castro eins, worauf Hofmann-Merane einen Strafstoß zum einzigen Treffer Deutschlands verwandelte. Kurz darauf fiel dann durch Petrone das 4. Tor der Südamerikaner. Schiedsrichter und Südamerikaner: wurden beim Verlassen des Spielfeldes ausgepfiffen. Eine Trostrunde in Amsterdam soll nun doch stattfinden. Bis jetzt haben sich zur Teilnahme Belgien, Holland, Mexiko, Chile und Nordamerika gemeldet. Von Deutschland verlautet noch nichts. Um die Deutsche Wafserball-Meisterschaft siegte in der Vorrunde der Deutsche Meister Wasserfreunde-Hannover mit 6:0 (4:0) gegen Poseidon-Leipzig. Di« Weltmeisterschaft im Halbschwergewicht verteidigte in Newyork Tommy Loughran gegen Pete Latzo. Vor 15 000 Zuschauern konnte Loughran durch einen knappen Punktsieg seinen Titel behaupten. Der dritte Städtekampf Berlin —München der Amateurboxer wurde von der Reichshauptstadt mit S : 7 gewonnen. Italienischer Weltrekord im Dauerflug. Die italienischen Flieger Kapitän Farcarin und Major del Prete haben den bis herigen Weltrekord, den die Amerikaner Estinson und Haldman mit 53 Stunden 36 Minuten im März 1928 aufstellten, mit 58 Stunden 7 Minuten überholt. Bekanntlich lag der Welt rekord vor dem Sieg der Amerikaner in deutschen Händen; er war im August 1927 von den Junkersfliegern Edzard und Risztic« mit 52 Stunden 53 Minuten aufgestellt worden. Drei-Stävt«-Tenniska:»vi lu Hannover. Zwischen den Stäktemannschaften von Hamburg, Hannover und Bremen wurde der TennlSkampf cuSgefochten. Hamburg siegte zunächst ! gegen Bremen überlegen mit 13:8 Punkten, 27:20 Sätzen i und 233:198 Spielen. Auch Hannover gewann gegen Bremen j überlegen mit 14:7 Punkten, 30:18 Sätzen und 245: j 220 Spielen. Im Entscheidungsspiel blieb Hamburg knapp ! über Hannover mit 11:10 Punkten, 25:20 Sätzen und 210:211 Spielen siegreich. j Um den Tennis-Tavis-Cup. Die Schlußrunde der ameri kanischen Zone führte in Chicago Amerika und Japan zu sammen. Amerika gewann beide Einzelspiele. Tschechoslowakei gelangt kampslos in die Vorschlußrunde i der europäischen Zone, da Neuseeland, das am 8. Juni in Prag gegen die Tschechen spielen sollte, auf die Teilnahme verrichtet bat. Cilly Außem siegte im Breslauer Jubiläumsturnier gegen Frau Vandreh überlegen 6:0, 6:2. Frau Rau wurde ebenfalls 6:0, 6:1 geschlagen. Am zweiten Tage schlug ' Frl. Außem Frau Bormann 6:0, 6:1 und Frau Richter ' 6:0, 6:2. Das Schlußspie! bestreitet die Kölnerin gegen Frau i von Reznicek. «venerat Balck 1°. Der Vater des schwedischen Sport- k wosens, General Balck, der sich außerordentliche Verdienste - um die Entwicklung des Turn- und Sportwesens in Schweden j erworben hat, ist im Alter von 84 Jahren gestorben. Er wollte an den Olympischen Spielen in Amsterdam auch dieses Mal, wie j früher, teilnehmen. Börse und Handel Amtliche sächsische Aotlerungen vom 2. Juni 1928. Dresden. Im Gegensatz zu Berlin war am Wochenschluß die hiesige Börse recht unternehmungslustig gestimmt, nachdem sie anfänglich gleichfalls zur Zurückhaltung geneigt hatte. Von den Dividendenpapieren hatten wiederum keramische Werte und Papiersabrikaktien die Führung. Bei lebhafter Beteiligung des Privatkapitals betrugen auf beiden Gebieten die Kurs steigerungen im Durchschnitt 5 bis 6 Prozent, gingen aber zum j Teil noch wesentlich darüber hinaus. Die Kursentwicklung ' und das Geschäft aus dem Rentenmarkle hielt sich wieder in sehr engen Grenzen. Leipzig. Die Sonnabendbörse brachte eine erneute Be festigung. Aus allen Märkten traten Kursbesserungen ein. In erster Linie profitierten Spezialwerte, insbesondere Thüringer Gas. Höher lagen Stöhr und Konkordia-Spinner, Polyphon 20, j Sachsenwerk 2, Schlema-Holz 5, Thür. Wolle 5,75, Norddeutsche ! Wolle 4 Prozent. ! Chemnitz. Die Börse schloß in freundlicher Haltung. Am Maschine,mkttenmarkt wurden größere Geschäfte in Wanderer, ! Schönherr, Schubert u. Salzer, Hartmann und Germania ge- ' taugt. Interesse bestand für Sachsenwerk zu etwas gebesserten ! Kursen. j Leipziger Produktenbörse. Weizen, inl., 74,5 Kilogr. 254 - bis 262; Roggen, hiesiger, 70 Kilogr. 290—298; Sondroggen 71 Kilogr. 294-302; Sommergerste. inl-, 265—310: Winter- i Der neue Noman: Ein edles Frauenleben. Soviel Alltagsmenschen ein jeder in jeinein Umkreise auszuweisen hat, so sehr sreut er sich, kann er einmal die Bekanntschaft eines außergewöhnlichen Menschen - machen. Mit einer ganz ungewöhnlichen Frauen- gestalt führt unser neuer Roman „Ein edles Frincn- leben" Von Carola Weiß unsere Leser zusammen. In diesem Roman hat die Autorin im Rahmen einer fesseln den Handlung das Seelenbildnis eines in seinem Charakter ! einzigartig wirkenden Mädchens gezeichnet. Ueber schier i unüberwindliche Schwierigkeiten hinweg er- ! füllt sich das Schicksal unserer Heldin, die sich schließlich nach dem Entsagen und Leiden von Jahren mit dem ge liebten Mann vereint sieht. Sicher werden auch unsere Leser zum Schlüsse gemäß dem Titel des Romans zu der Ueberzeugung gelangen, daß sich hier vor ihren Augen das Schicksal eines wirklich edlen Frauen- ' j lebens entfaltet hat. gerate 250—270; Hafer 260—272; Mais, amerikanischer 250 bis 252; Mai, Cinquantin 270—2L0; Erbsen 350-460. Berliner Börse vom Sonnabend. Vorbörslich war die Stimmung sehr fest. Zu Beginn des offiziellen Verkehrs erfolgten jedoch verschiedentlich Abgaben in, Zusammenhang mit der Abschwächung an der Ncw-Porkcr Börse und Gerüchten, daß die Federal Reserve Bank os San Francisco ihren Diskont nochmals erhöht habe. Infolgedessen waren mehr fach Kursrückgänge zu verzeichnen. Amtliche Oevisen-NotiemrM Devisen 0» Reichsmark 2 Juni 1 Juni Geld Briet Geld Bries New Dori , , 1 M. 4^73 M. 4,181 M. 4,173 M. 4,181 London .... 1 20,378 20,418 20,378 20,218 Amsterdam . 100 Gid. 168,56 168,90 16049 168,83 Kopenhagen . 100 Kron. 112.09 112,31 112,09 112,31 Stockholm , , 100 Kron. 111 98 112,20 111 98 112,20 Oslo . , ,,» 100 Kron. 111,81 112.03 111,81 112,03 Italien . , , . 100 Lire 21,9-5 22.035 21985 22,025 Schweiz , , , 100 Frcs, 80,45 80,61 80,45 80,61 Paris , , , » 100 Frcs. 16,43 16,47 I6,43 - 16,47 Brüssel ,,,. 100 Belga 58,26 58,38 58,26 58,38 Prag 100 Kron. 12,367 12,387 12,367 12,387 Wien ..... 100 Schill. 58,73 58,85 58,73 58,85 Spanien ... 100 Peseü: 69,73 68,87 69,77 69,91 Bankdiskont: Berlin 7 (Lombard 8), Amsterdam 454. Brüssel 4)4, Italien 6, Kopenhagen 5, London 4)4, Madrid 5 Oslo 5)4 Poris 3)4 Vraa 5. Schweiz S14 Stockholm 8^ Wien a Ostdevisen: Bukarest 25,74 G 25,86 B, Warschau 46,70 G 46,90 B, Riga 80,68 G 81,02 B, Posen 46,725 G 48,925 B. — Noten: Große Polen 46,55 G 46,95 B, Letten 80,22 G 80,88 B, Esten 114,30 G 112,30 B, Lit. 41,38 G 41,72 B. Effektenmarkt. Heimische Renten: Neubesitz im Verlaufe auf 20,25 (plus 0,75 Proz.) gesteigert, bei angebiich amerikanischen Kaufen. Schiffahrtsaktien schwächer. Montanaktien schwächer. Kaliaktien: Salzdetfurth erreichten mit 415 einen neuen Höchstkurs (plus 17 Proz.). Farbenaktien sehr ruhiges Ge° Msäft. Elektroaktien gewannen. Bauwerke: Iulius Berger im Verlaufe 10 Proz. höher (428). Bei Wiking Zement (199) ist der Dividendenabschlag von 10,8 Proz. zu beachten. Amtliche Notrerung oer Mittagsdvrie av Station. Mehl und Kleie brutto, einschl. Sack frei Berlin. ') Hektoliterpswicht 74 50 IcZ. H do 69 ßg. IM ilg 2 6. 1. 6 Mehl 70 °/„ 2. 6 1 6 Weiz.» mark. Weizen 32.2-36.2 32.2 36.2 262.0-265? 262?-L65? Roggen 36 2-89 0 36.2-38.9 Juli Sept. 284.° 283?-L83? Weizenkleie 16.7-17.0 16.7-17.0 271? 270? Roggenkleie 18.5 18.7 18.5-18.7 Oktob. Rogg. mrk.H 271? 271.° Raps (1000 k:-) — — Leinsaat (do.) —— —- 278?-280? 2780-280? 272? Erbsen, Viktoria Kl.Spsiseerbse» 50.0-62.0 35.0 40.0 50.0-62.0 35.0 40.0 Juli 273? Futtercrbsen 24.5-2'6 24.5-26.0 Sept. Oktob. 252 ° 252? 252<> Peluschken Ackcrbohnen 24.0-24.5 23.0-24.0 24.0-24.5 23.0-24.0 Gerst« 2500-285? Wicken 25.0-27.0 25.0-27.0 Som. 250?-285? Lupinen, blau 14.2 I5 5 14.2-15.5 Wint. ruhig ruhig „ gelb 15.5 16 5 15.5 16.5 Hafer mark. Seradella 23.0 28.0 23.0-28.0 2620-268 ' 262 :68" Rapskuchen 18.80-19.0 18.8-19.0 Juli 269." 2700-268." Leinkuchen 23.0 23.6 23.0 23.6 Sept. 224? 222.° Trockenschnlhe- 15-20 15.4 IS.2-1S.4 Oktob. — — Sopa-Extra- Mais Schrot 20 8 21.4 20 8-21.4 Berlin 237?-240? 237.0-240 < Karwfselflocke^ BO 66 25.8-26.5 Amtlicher Berliner Schlachtviehmarkt. Auftrieb: 2284 Rinder, darunter 597 Ochsen, 674 Bullen, 1073 Kühe und Färsen, 2120 Kälber, 8578 Schafe, 11 904 Schweine (zum Schlachthof direkt seit letztem Viehmarkt 1202). Verlauf: Bei Rindern glatt, bei Schweinen ziemlich glatt. Preise: Ochsen: al) 60—63, a2) —, b1) 55—59, b2) —, c) 50—53, d) 44—47; Bullen: a) 55—57, b) 52—53, c) 48—50, d) 45—47; Kühe: a) 47—51, b) 35-44, c) 26—32, d) 20—22; Färsen: u) 57—59, b) 50—54, c) 43—46; Fresser: 38—48; Kälber: a) —, b) !,v-90, c) 70—78, d) 55—65; Schafe: a1) —, a2) 61—65, b1) 53—60, b2) 50—56, c) 45—52, d) 30—40; Schweine: a) 72, b) 71—72, c) 70—71, d) 68—69, e) 64—66; Sauen: 63—65. Sonne und Mond. 6. 6. Sonne A. 3.42, U. 20.15. Mond A. 23.16, II. 5.34. Ein edles Frauenlebeu. Roman von Carola Weitz. Copyright by Greiner L Lomp. Berlin W 30. Rachdruck Verbote». 1. Kapitel Es war in Ungarn in den Sechziger Jahren des vorigen Jahrhunderts. Damals sausten noch keine Auto mobile über die weiten Landstraßen, selbst Eisenbahnen gab es nur auf den Hauptstrecken. Man kannte kein Telephon und keinen Bubikopf. Und doch schlugen auch in jener Zeit die Menschenherzen leidenschaftlich zuein ander und die Liebe schuf genau so gut ihr Leid Wie heute und wie alle Zeit . . . Das war ein einsamer, öder Platz, die Station der Preßburger Ueberland-Pserdebahnlinie. Es war an einem kalten Dezemberabende, in wilden, kurzen Stößen blies der Wind von Norden, dann wirbelten die Flocken in regellosem Durcheinander um das kleine Wartehäuschen mit dem schneebedeckten Dache und den bleieingefaßten Scheiben, durch die Helles Licht flimmerte. Bor dem Häuschen hielt ein Fiaker, aus dem eine Dame stieg. Als sie die Schwelle überschreiten wollte, blieb ihr Fuß zögernd stehen. Gesang, Geschrei, ein wüstes Durcheinander tönte ihr entgegen. „Ach, es ist nichts, gnädiges Fräulein," sagte der Kutscher, der ihr die Angst vom Gesichte leien mochte, in schlechtem, gebrochenem Deutsch, „es sind Bauern und Soldaten, die auch mitsahren wollen." „Dann bleibe ich hier draußen," versetzte sie mit kurzem Entschlusse. „Das kann das Fräulein nicht, der Wind wirft das Fräulein um. Es sind zwei Zimmer darin, das Herren- stüble, das ist nur für die feinen Leute bestimmt. Ich will dem Fräulein den Weg weisen." Der gutmütige Kutscher ging voran und die Dame folgte schweigend, denn ein heftiger Windstoß war ihr ums Haupt gefahren und hatte ihr fast das kleine Reise hütchen vom Kopfe gerissen. Die Zimmer, von denen der Kutscher sprach, lagen in , kurzer Entfernung voneinander und die Türen von bei- ! den standen weit offen. Im ersten saßen Bauern und i Soldaten, trinkend, lärmend und zankend. Rauch, Qualm ! und Branntweingeruch erfüllten den Raum, nahe der Tür war ein Verschlag aus rohen Holzplatten und darinnen standen Wirt und Wirtin mit geröteten Gesichtern und unablässig den Zechenden Getränke verabreichend. Ein Schauder faßte die junge Dame, sie wandte sich rasch ab und dem andern Zimmer zu. Fünf oder sechs Offiziere faßen in lebhaftem Gespräch um einen Tisch. Es blieb ihr keine Wahl. Ein reiches Trinkgeld lohnte den Kutscher, dann betrat sie das Zimmer und setzte sich an das äußerste Ende, Plaid und Reisetasche vor sich hin auf ein kleines Tischchen legend. Ihr Eintritt störte natürlich die jungen Herren in ihrer Unterhaltung nicht, sie sahen nach ihr hin und flüsterten sich dann Bemerkungen zu. Zwar ob sie schön oder häßlich war, konnte einstweilen niemand wissen, ein grauer Schleier verhüllte ihre Züge. Daß sie jung war, zeigten die schlanken, geschmeidigen Formen, das An mutige ihrer Erscheinung. Der Kellner kam und fragte sie erst ungarisch, und da sie es nicht verstand, deutsch nach ihren Wünschen. Sie bestellte Tee. Da aber ihre Stimme klar und von seltenem Wohllaut war, so wandten sich wieder die Offi ziere nach ihr um und starrten sie an. Bis der kleine Kellner den Tee brachte, saß die fremde Dame schweigend dem kleinen bleieingefaßten Fenster und starrte in die Finsternis hinaus, die mit undurch dringlichen Schatten draußen auf Wald und Ebene lag. Da ertönte Säbelgerassel vor der Tür und noch ein Offi zier trat ein, von den andern mit lautem Zurufe begrüßt. Der Eintretende war ein großer, starker, breitschultri ger junger Mann mit einem imposanten Haupte, das mit kurzen, krausen Haaren bedeckt war, die Züge des un schönen Gesichts waren derb, fast roh in ihrer regellosen kräftigen Zeichnung. Hinter dichten Brauen blitzten die Augen feurig, fast verwegen. „Der Teufel hole ein solches Hundewetter!" sagte er mit lauter Stimme und schüttelte sich so ungestüm, daß der Schnee von seinem Reitermantel durch das ganze Zimmer flog. „Guten Abend, Endre, wie kommst dn hierher?" wandte er sich dann an einen jungen, schlanken Mann mit einem hübschen, freundlichen Gesicht, den er herzlicher als alle anderen begrüßte. „Ich bin aus Urlaub zu Hause, Geza," versetzte der Major, Graf Endre Palsy. „Und ich komme auf Urlaub," bemerkte Geza. „Und die andern Herren hier?" wandte er sich dann fragend an diese. „Wir waren zum Manöver in Preßburg." „Und sind alle verdammt, auf der verfluchten Pferde bahn nach Hause zu fahren," sagte Geza, der Neueinge tretene. „Da muß man sich vorher mit etwas stärken. Die Kameraden trinken Bier, ich will Warmes bestellen... He, Julko!" rief er mit einer Stimme, die wie leiser Donner durch die Stube rollte. „Einige Flaschen Grog und reine Gläser dazu, und alles in zehn Minuten aus den Tisch! Du kennst mich, ich gehöre nicht zn den Ge duldigen und nicht zu den Sanften." Daß er nicht zu den letzteren gehörte, zeigte die Be wegung, mit der er sich auf seinen Platz niederließ, dröh nend und breitspurig, und zwar so, daß er der fremden Dame den Rücken zuwendete, ohne ihr die geringste Be achtung zu schenken; er hatte sie offenbar nicht bemerkt. „Was macht meine Mutter, Endre? Du warst gewiß im Schlosse." „Deiner Mutter geht es, von ihrer Augenschwäche abgesehen, ganz gut," erwiderte Endre, „ich sprach sie erst gestern. Daß du erwartet wirst, Geza, davon wußte ich nichts, wenigstens sagte mir deine Mutter kein Wort davon." „Ich werde auch nicht erwartet, ich komme, wie ge wöhnlich, ganz unerwartet." „Dafür wird aber bei euch im Schlosse Cillagi eine ganz andere Person erwartet. Hat dir deine Mutter nichts davon geschrieben?" Geza sah den Major an. (Fortsetzung folgt)