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pulsmtzerFagetüatt Sonnabend, 12. Mai 1S28 2. BeNage zv Nr. 111 8V. Jahrgang Jur Belehrung und Kurzweil Zweig eines Kakaobaumes mit Früchten. auch die Männer im Felde gern nach Schokolade als Ersatz fllr den oft nicht herangekommenen Proviant gegriffen und sie als konzentriertes Nähr mittel schätzen gelernt. Ent hält doch gute Schokolade nicht weniger als ein Drittel Fett und von den für die Er nährung wichtigen Kohlen hydraten Zucker und außerdem Eiweiß. Schokolade gibt es bei uns seit der Eroberung Mexikos. Ferdinand Cortez, der Er oberer Mexikos, berichtet von einer Bohne mit Namen C a» als Münze benutzten oder zu heute als Kakao wohlbekannt ist. Die Heimat des Kakao- baumes, der das Rohprodukt für die Schokoladebearbeitung liefert, ist das tropische Amerika. Sie erstreckt sich etwa von Mexiko bis nach Panama. Heute werden besonders von Südamerika (Venezuela, Ecuador) und von der afrikanischen Goldküste Kakaobohnen nach Europa ausgeführt. Die eigent liche Frucht ähnelt einer Gurke; in ihr sind, von süßschmecken, dem Fruchtmus umgeben, 25 bis 40 mandelförmige Kakao samen enthalten. Diese werden nach der Neife heraus- genommen, auf dem Erdboden aufgeschichtet, mit Bananen blättern bedeckt und durch die Einwirkung von Luft und Sonne in einen Gärungsprozeß versetzt, durch den das Aroma der Kakaobohnen verfeinert wird. Erst nach diesem chemischen Vorgang gelangen die Kakaobohnen, in Säcken verpackt, zur Ausfuhr. eap, die die Eingeborenen einem bitterschmeckenden Getränk verarbeiteten, das uns Von -er Kakaobohne zur Schokolade. Auf der vom 5. Mai bis 12. August in der Reichshauptstadt stattsindendcn Ausstellung „Die Ernährung" wird in einer Sonderabteilung die Verarbeitung der Nahrungsrohstoffe praktisch vorgesührt. Wir sehen eine Getreide-, eine Oel- mühle, eine Bäckerei, eine Brot-, eine Schokoladen- fabrik in vollem Betrieb. Die nachstehenden Aus- sührungen zeigen uns den Werdegang des konzen trierten Nahrungsmittels Schokolade. Es gibt heute wohl kaum noch einen Menschen, der den Sch^olade nicht zu schätzen wüßte. 'Die haupt sächlichsten Freunde sind nicht mehr die Frauen und Kinder; während des Krieges haben Stahlwalzwerte der größten deutschen Schokoladenfabrik. Durch wiederholtes Walzen wird die Kornfeinheit der Schokolade erzielt. Interessant und hygienisch von besonderer Bedeutung ist bei der Schokoladenherstelluug, daß fast alle Arbeits vorgänge von Maschinen ausgeführt werden, daß also Menschenhände mit der Schokolade, wie wir sie in Tafeln zu 100 Gramm zu kaufen pflegen, kaum iir Berührung kommen. Maschinen besorgen das Reinigen der Kakaobohnen von an haftenden Schmutzteilen, sie besorgen das Sortieren nach der Größe, das Rösten und Brechen und befreien sie von den Schalen. In großen Mischmaschinen wird das Kerngut nun bei geringer Wärme vollständig zerkleinert, gemischt und mit Zutaten wie Zucker und Milch, versehen. Je nach der Mischung von Kakaobohnen verschiedenartiger Pflanzungen erzielt man die gewünschten Geschmacksarten. Walzen und sogenannte Längsreibemaschinen sorgen für eine vollständige Ver schmelzung der Schokoladenmasse, die dann, wieder durch eine Maschinen zur Vermischung der «akaomasse mit Zucker. sinnreich konstruierte Maschine in Tafelformen gegossen wird. Auf einem laugen Band laufen die fertigen Tafeln Schoko, lade durch einen Kühlschrank, den sie in der uns bekannten festen Form verlassen. Ein kleines maschinelles Wunder ist die Einwickel. Maschine. Das Umhüllen der Tafeln mit Staniol oder Wachs papier, das Einschlagen in die mit entsprechenden Aufdrucken versehenen Verpackungen und deren Verschließen, das alles besorgt die Einwickelmaschine, ohne daß Menschenhände mit der Schokolade oder dem Verpackungsmaterial vor dem Ver schließen in Berührung kommen. Zur Herstellung des nahrhaften Kakaopulvers wird das Kakaokerngut zunächst fein vermahlen. Da zirka 55 Prozent Fett darin enthalten sind, wird das Mahlprodukt in der Wärme flüssig. Ein derartig fetthaltiges Nahrungsmittel ist schlecht bekömmlich; es muß ihm daher noch ein Teil des Fettes durch Ab pressen entzogen werden. Die Preß kuchen werden dann fein zermah len und auf be- onderen Wind- ichtanlagen staub- ein gesichtet Das eine Kakaopulver wird dann auf Packmaschinen, die sogar die Tüten und den Außen karton selbst .. . machen, eingefüllt ^eUanpag o-r und verschlossen. Die Pralinen, dieser beliebte Artikel für Feinschmecker, enthalten einen Kern, der mit Schokolade überzogen ist. Die Bezeichnung Pralinen stammt von dem Koch Pralin des französischen Marschalls Du Plessis, der zuerst Mandeln mit Zucker überzog. Die Fondant- Pralinen enthalten Auszüge von Früchten oder fein zerschnittene Früchte selbst mit gerührtem Zucker. Die hoch wertigen Pralinen sind die sogenannten „Desserts-Pralinen. In diesen ist ein Kern, der aus besonders ausgesuchten, kandierten Früchten, Nüssen, Fettkrem, Marzipan usw. be steht. Gerade die Verschiedenartigkeit der Füllungen ist bei guten Pralinen bemerkenswert. Beliebt sind auch Likör- und Weinbrand-Füllungen. Ein neuer Gleitschutz für Autos. Ein neuer Gleitschutz für Automobile ist eine zwischen den Hinterrädern eingebaute Rolle, die beim Bremsen automatisch auf den Fahrdamm gedrückt wird und das Schleudern verhüten soll. Geheimnisvolle Echos. Ein merkwürdiges Echo kann man in den Luc ay höh len bei Washington hören. Dort gibt es kolossale Stalagmiten, große Säulen; wenn man an einzelne leise anschlügt, erklingen Töne, die dem Geläut großer, gut ab gestimmter Glocken gleichen. In Woodstock Park bei Oxford wiederholt das Echo ein Wort siebzehnmal bet Tage und zwanzigmal bei Nacht. Bekannt ist das großartige Echo des Ohres des Dionys in Syrakus auf Sizilien. Ein im Hintergründe der Höhle geflüstertes hauchzartes Wort tönt an einem Lauscherposten laut und klar; der König Dionys verwendete diese Höhle als Gefängnis für politische Ver brecher, denen er alle ängstlich gehüteten Geheimnisse im leisen Gespräch mit den Mitgefangenen entreißen konnte. Obgleich man weiß, daß das Echo auf keiner überirdischen Gewalt beruht, sondern dadurch entsteht, daß von gewissen Hindernissen der Schall reflektiert wird, haben sich viele ge heimnisvolle Geschichten und Sagen um diese Naturphäno mene gebildet. Türkische Weisheiten. Es gibt ein altes türkisches Sprichwort mit einer tiefen Wahrheit, das die alten, erfahrenen Männer ihre Heran wachsenden Söhne lehren: „Es sind vier Dinge, von denen ihr euch nie beirren lassen und ihnen nie trauen dürft: 1. eine Vertraulichkeit von Höherstehenden; 2. das Lächeln eines Feindes; 3. ein warmer Tag im Winter; 4. die Lieb- kosungen eines koketten Weibes." , „Unsere Bücher." Auch ein Schlafmittel. Der berühmte englische Romanschriftsteller Walter Scott hotte in seiner Familie einen alten Diener, der von den Werken seines Herrn nie anders sprach als von „unseren Büchern". „Wenn ich nicht schlafen kann," erzählte er einem Biographen seines verehrten Ge bieters, der bei ihm nach intimen Zügen des großen Schrift stellers forschte, „dann brauche ich nur eins von unseren Büchern in die Hand zu nehmen, und ehe ich die zweite Seite heruntergekssen habe, bin ich fest eingeschlafen. Wie einer das Wahrsagen lernte. Am Hofe von Ferrara war zur Regierungszeit des Herzogs von Ercole der Hofnarr Gonella wegen seiner witzigen Einfälle äußerst beliebt, bei manchen aber auch frei lich sehr gefürchtet. Als einer im Kreise der Hofleute und Offiziere die Rede auf einen vielbewunderten Wahrsager kam, meinte Gonella: „Ach, das Wahrsagen ist gar keine große Kunst. Ich erbiete mich, sie jeden zu lehren, der mir , zehn Zechinen dafür gibt." Alle Anwesenden lachten und stellten sich, als hielten sie dies Angebot sür blühende Narr- ! heit. Ein alter Oberst aber tat vor aller Augen, was mehr ! als einer vorhatte, später im geheimen zu tun: „Schön," rief er, „auf den Handel gehe ich ein." Dabei legte er die zehn Goldstücke auf den nächsten Tisch. „Also wartet einen Augen blick, Oberst, ich hol' Euch eine Pille, die müßt Ihr zerbeißen, und dann könnt Ihr ebenso gut wahrsagen wie der, den Ihr alle so bewundert", rief der Narr, sprang davon und kam ball) mit einer Pille wieder, die er sofort dem Obersten reichte. Während alle gespannt zuschauten, versuchte der Oberst lange Zeit vergeblich, die harte Pille zu zevbeißen endlich gelang es ihm. Kaum aber fühlte er deren Inhalt auf der Zunge, als er spuckend und prustend ausrief: „Zum Henker, das ist ja spanischer Pfeffer!" „Du hast wahrgesagt — es ist so, die 10 Zechinen gehören mir", rief der Narr. Die Kannibalen auch heule noch Menschenfresser. Aus Sidney wird folgende Geschichte berichtet. Dort kam ein Dampfer mit Missionaren aus dem Pepuasgebiet an. Die Insassen des Dampfers erzählten, daß seit Weih nachten zwischen zwei feindlichen Stämmen ein erbitterter Krieg geführt worden sei. Im ganzen wären bei den Sieges feiern bis jetzt 500 Eingeborene von den Kannibalen ver zehrt worden. Me Behörden bewahren über die Unruhen vollkommenes Stillschweigen, obwohl der erste Zusammenstoß schon am 8. Januar stattgefunden haben soll. Achtzig Neger sind bereits in Port Moresby bei Granville im Golf von Pepuas im Zusammenhang mit den Massenmorden ins Gefängnis gebracht worden. Die Abschlachtungen sollen eine Vergeltungsmaßnahme sür die Ermordung von neun Goros sein, die in Moriglio Spionage betrieben hatten. Die Tötung der Goros war das Zeichen zur Mobilmachung in Pepuas, und die Schlachtkanus aus sämtlichen Dörfern ver sammelten sich und hielten Parade ab. Bald brach dann der Eingeborenenkrieg aus. Die Sieger verzehrten traditions gemäß die Leichen der Gefallenen, und bei Bedarf wurde die Zahl der Festbraten noch aus den Reihen der Gefangenen erhöht. Me Kopfjäger wurden zum Teil von der Ein- geöorenenpolizei angeführt. Wem gehört dieses Land? Das alte Oesterreich-Ungarn hatte eine einzige Kolonie, die es dem Eifer seiner Nordpolforscher Peyer, Weyprecht und Wilzek verdankte: Das Franz-Iosephs-Land im nördli^n Eismeer, eine Inselgruppe jenseits des 80. Breitengrades. 1873 hißte die k. und k. Marine nördlich von Nowaja Semlja die österreichische Flagge und taufte die Inselgruppe noch dem regierenden Kaiser Franz-Iosephs-Land. Da tm Friedensvertrag von St. Germain nichts über Franz- Iosephs-Land bestimmt wurde, gehört es eigentlich noch den Oesterreichern, die sich aber nicht darum kümmern. Tatsäch lich ist es seit dem Weltkriege im Besitz der Russen, doch wurde diese Annektion niemals anerkannt. Lächerlich wird die Sache aber erst jetzt, wo Italien als „Rechtsnachfolger" der öster reichischen Flotte Anspruch auf Franz-Iosephs-Land erhebt.