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Nr. 118, Pulsnitzer Tageblatt. — Dienstag, den 22. Mai l928. Seite 6. rechnen, daß die Kelloggschen. Hoffnungen auf einen un beschränkten Vertrag nicht mehr zu verwirklichen sind. Die Tatsache, daß von 6 Regierungen, denen die Vorschläge über- mittelt wurden, nur die deutsche dem Vertragsentwurf rest los -ugestimmt hat, wird als nicht sehr ermutigend bezeichnet. Halle! und lest das Msoitzer Tageblatt! 14. Deutsches Turnfest Köln 21.-Z0. Mi 1YL8 Au« Köln wird berichtet: Was man nicht für möglich ge halten hat, Ist »ingetreten. E« ist gelungen, mehr Unterkünfte schon jetzt zu schaffen, al« Meldungen «Ingegangen find, sodaß die 186000 Quartiere In Köln e» ermöglichen, jeden Turnsefttellnehmer billig und gut unterzubringen. Ende April war die Anmeldung für Turner - Sonderzüge zum 14. Deutschen Turnsest abgelausen. Die Zusammenstellung oller Anmeldungen hat ergeben, daß anläßlich de« 14. Deutschen Turnsest» die Deutsche Retchsbahngesrllschast allein sür die Bewäl tigung d» Fernverkehr« rund 200 Sonderzüge sür Hin- und Rück- sahrt zum 14. Deutschen Turnfest bereitstellen muß Es hat in Leipzig eine Fahrplanberatung stattgesunden, in der beschlossen wurde, alle gemeldeten Sonderzüge »erkehren zu lasten. Die Fahr» planzeitcn und die Einsteige-Bahnhöfe konnten noch nicht bestimmt werden. Zu diesen nur den Fernverkehr regelnden Sonderzügen tritt nun noch der sehr erhebliche Nahverkehr, sür besten Bewäl tigung dir Reichsbahadirektion Köln in weitgehender Weise die Einlegung von Derwaltungszügra und die Verstärkung der sahr- planmäßigen Züge durch Vor und Nachzüge vorgesehen hat. Für die sächsischen Turner kommen folgende Züge sür di« Hinfahrt in Frage: 2I./22. Juli Dresden-Chemnitz Frankfurt a. M., 21. Juli Glauchau - Rothenburg o. T., 22./2S. Juli Zittau- Rüdeiheim, 22 /23. Juli Dresden — Chemnitz — Frankfurt a. M., 22./23. Juli Bischofswerda-Frankfurt a M., 22./23. Juli Riesa- Leipzig—Köln, 23 /24. Juli Dresden Rüdesheim, 23. Juli Frei berg-Freyburg a U, 23 /24. Juli Olbernhau Rüdesheim, 23 /24 Juli Limbach Hof Bamberg Mainz. 23./24. Juli Schwarzen berg—Rüdesheim, 23-/24 Juli Wllstenbrond -Rüdesheim, 24/25. Juli Chemnitz—Rüdesheim, 24/25. Juli Klingenthal Rüdesheim, 24 25. Juli Buchholz-Rüdesheim. 24/25 Juli Döbeln Mainz, 24 /25. Juli Adorf Dera - Köln, 24 /25. Juli Zittau — Köln, 25./2S. Juli Flöha —Rüdesheim, 2K./27. Dresden — Köln Zur Rückfahrt nach Sachsen find folgende Züge vorgefehen : 30 31. Juli Köln-Riesa Dresden, 30/31. Köln Zittau, 30/3l. Köln-Leip, zig Chemnitz, 30 /31. Köln Buchholz, 30 /31. Köln Freiberg. Gport. Amsterdamer Hockey-Olympiade. Als weiteres Ergeb- ms ist der Sieg Indiens über Dänemark 8 :0 zu verzeichnen. Ferner siegte Belgien über die Schweiz 2:0. Radsport. In Breslau siegte im Großen Maienpreis über 50 Kilometer Thollembeek 45 :12F. In Aachen siegte Junghans gegen Damerow in zwei Läufen über 30 Kilometer. Michard und Paillard wurden französische Meister, und zwar Michard für die Flieger und Paillard für die Dauer fahrer. Tennis. Den Kämpfern um die internationalen Meister schaften von Frankreich, an denen auch Lilly Außem teil- mmmt, ging auf dem neuen Tennis st adion in Auteuil bei Paris ein Damen-Länderkampf England — Frankreich voraus, in dem die Vertreterinnen von der an deren Seit« des Kanals eine große Ueberlegenheit an den Tag legten. Sie verloren von den sechs Treffen des ersten Tages nur ein Doppelspiel, und zwar wurden Lycett-Nuthall von Lafaurie- Deve (Frankreich) 6:3, 6:4 geschlagen. Für England waren er folgreich: Nuthall 6:3, 6:3 über Vaufsard, Fry 6:1, 6:1 über Bordes, Bennett 6:4, 6:3 über Lafaurie, Watson 6:1, 6:1 über Deve und im Doppelspiel Colyer-Fry 6:6, 6:3 über Bor- des-Bourgeois. Bei dem am ersten Spieltag abgebrochenen Einzelspiel zwi schen v. Kehrling und Diemer-Kool um den Davispokal, das in dem holländischen Bad Nordwijk fortgesetzt wurde, siegte v. Kehrlina 7:5, 4:6, 6:1, 1:1. Dos Doppelspiel holten sich die Holländer Hoopmann-Timmer 1:6, 6:4, 6:2, 7:5 gegen v, Kehrling-v. Petery und führen nunmehr mit 2:1. Kunstleben in Dresden Erstaufführung im Dresdner Theater „die Komödie« Das Gastspiel der ebenso talentvollen wie beliebten Künst lerin Carola Toelle aus Berlin war der Anlaß zur Eistaus sührung der vieraktigen Lustspiels „Du wirst mich heiraten" von Loui» Verneuil. Die Handlung geht in einer französischen Her- zogssamilie vor sich, mit der ein Marquis mit seiner Tochter zu sammenlebt, die den ältesten Sohn der herzoglichen Ehepaares hei raten soll, wozu sich beide auch bereit finden lasten, obgleich das Töchterchen lieber den jüngeren Sohn des Herzogs zum Gatten möchte und der ältere eine Geliebte in Paris hat, an der er innig hängt und die ihn ausrichtig liebt. Aber es gibt eine Abelrtradition und einen Ahnenstolz So löst er dar Verhältnis und reist zu den Erimn. Aber seine Geliebte kommt ihm zuvor, indem sie einen Autounsall vor der herzoglichen Dilla vortäuscht und ohnmächtig in das Hau» des Herzog» getragen wird. Sie gibt sich sür eine orientalische Prinzessin aus und beginnt eine raffiniert ausgeklügelt« Intrige, dir mit ihrem Sieg endet. Da« Lustspiel ist von Verneuil sehr spannend und unterhaltend geschrieben, die Entwicklung der Intrige ist belustigend und an witzigen Einfällen ist kein Mangel. Carola Toello stattet die sct öne, graziöse und temperamentvoll« Parisrrin mit allen Reizen au», die dieser Künstlerin so reich zur Verfügung stehen. Mit sprühendem Temperament weiß sie all« Szenen zu beleben. Auch alle übrigen Darsteller zeigten sich von der besten Seite. —L- Börse und Handel Amtliche sächsische Notierungen vom 21. Mi 1928. Dresden. Der Wochenbeginn war im allgemeinen freund lich. Die Umsatztätigkeit war allerdings gering. Abstrich« gab es wenig. Höher notierten Reichsbankanteile um 8,25 Prozent, Polyphon um 14,5, Sächsische Bank um 8,5, Darmstädter Ban! um 6 Prozent. Ferner besserten sich Braubank um 5,5, Che- mische Heyden um 5,25, Schubert u. Salzer um 4 Prozent Wesentlich niedriger war Waldschlötzchen (8 Prozent), Anleihe ablösungsschuld gab 0,2 Prozent nach. Leipzig. Die feste Haltung hielt weiter an. Gefragt waren insbesondere Bank- und Schisfahrtswerte. Der Renienmarkt blieb still, die Umsätze waren allgemein gering. Chemnitz. Im allgemeinen war die Börse fest. Jntereff« bestand für Maschinen- und Bankwerte, die bis zu 9,25 Prozent gewinnen konnten. Frciverkehr war ruhig. Dresdener Produktenbörse. Eisenzeit: Montag und Freitag nachmittag 2—4.30 Uhr. 21. 5. 18. 5. 2l. 5. 18. 5. Wetzen Weiz.-KI 16,6-16.8,16,6-16,8 75 Kilo 263-268 263-268 Rogg.-Kl 17,6-18,647,6—18,6 Roggen Kaiseraus- 70 Kilo Sommer» 287—292 287—292 zugmehl Bäcker- 46,0—47,5 46,0-47,8 gerste. sächs. 295—310 295—310 mundmehl 40,0—41,5 40,0—41,5 Fultergste 235-270 235—270 Weizen- Hafer, tnl Raps, tr. 266—270 266—270 nachmehl Inland- 23,0—24,0 23,0—24,0 Laplala Cingu. Trocken- 242—244 280—290 242—241 weizenm Type 70 N Roggen- niebl O 1 Type 60 39,0-40,0 39,0-40,6 schnitzel 16,2—16,6 16,2—16,6 44,0—45,5 44,0—45,5 Zucker schnitzel 21,5—22,5 21,5-22,5 Roggen mehl I Kartoffel- Type 70 A 43,0—48,5 43,0—43,5 flocken 27,5-28,0 27,5-28,0 Roggen- Futtermehl 19.5—20,5 19,5—20,5 nachmehl 24.0—25,Oi 24,0—25,0 Die Preise verstehen sich bis einschl. Mais per 1000 Kilo- gramm, alle anderen Artikel per lOO Kilogramm in Reichs mark. Rotklee, Erbsen, Wicken. Peluschken, Lupinen und Mehl (Mehl tnkl. Sack frei Haus) in Mengen unter 5000 Kilogramm ab Lager Dresden, alles andere in Mindestmengen von 10 000 Kilogramm waggonfrei sächsischer Versandstationen. Leipziger Viehmarkt. Auftrieb: 756 Rinder, darunter 84 Ochsen, 286 Bullen, 329 Kühe, 87 Färsen; 764 Kälber, 649 Schake, 2837 Schweine. Verlauf: bei Rindern langsam. bei »mvern, Schafen und Schweinen mittel. Preise: Ochsen: a) 59—61, b) 55—58, c) 48—52, d) 42—47, e) 36-41; Bullen: a) 58-60, b) 52—57, c) 48—51, d) 42-47; Kühe: a) 53—55, b) 46—52, c) 38—45, d) 28—35; Färsen: a) 59—61, b) 45—58; Kälber: a) —, b) 78—82, c) 72—77, d) 66—71, e) 55—65; Schafe: a) 67—69, b) 63-66, c) 55—62, d) 45—54; Schweine: a) 56 bis 58, b) 59, c) 57—58, d) 56—57, e) 53—55; Sauen: 50—56. Chemnitzer Viehmarkt. Auftrieb: 713 Rinder, darunter 88 Ochsen, 229 Bullen, 377 Kühe, 14 Färsen, 5 Fresser, 896 Kälber, 134 Schafe, 3429 Schweine. Verlauf: bei Rindern und Schafen langsam, bei Kälbern und Schweinen mittel. Preise: Ochsen: a) 56-60, b) 50—53, c) 43—48; Bullen: a) 58, b) 52—56, c) 46-50; Kühe: a) 52—55, b) 45-50, c) 32—42, d) 22—30; Kälber: a) —, b) 85, c) 80—82, d) 72—76, e) 60—70: Schafe: a) 62—64, b) 52—55; Schweine: a) —, b) 61, c) 60-62, d) 58-62, e) 55—60; Sauen: 48—56. Berliner Börse vom Montag. Das Geschäft an der Effektenbörse war trotz Fehlen der Auf träge des Publikums verhältnismäßig sehr lebhaft. Interesse be stand in erster Linie für Spezialwerte. Amtliche Oevisen'Notierung» Bankdiskont: Berlin ? (Lombard 8), Amsterdam 414, Brüssel 4)4, Italien 6, Kopenhagen 6, London 4)4, Madrid 5. Oslo SA, Paris 3)4, Praa 5. Schweiz 3)4, Stockholm 3)4, Wien 6. Devisen lin Reichsmark^ 21. Mai 19. Mai Geld Briel Geld Brief M. M. M. M. 4,174 4,182 4,1740 4,1820 London .... 1 ^6 20,379 20,419 20,381 20,421 Amsterdam . 100 GW. 168,40 168,74 168,38 168,72 Kopenhagen . 100 Kron. 112,02 112,24 112,03 112,25 Stockholm , , 100 Kron. 111.99 l 12,21 111,99 112,21 Oslo 100 Kron. 111,84 112,06 111,83 112,05 Italien .,,, 100 Lire 21,99 22,03 21,985 22,025 Schweiz , , , 100 Frcs. 80,455 80,615 80,455 80,615 Paris . 100 Frcs. I6,43 16,47 16,43 16,47 Brüssel ..,.100 Belga 58,245 58,365 58,235 k>8,355 Prag , , , , , 100 Kron. 12,371 12,391 12,371 12,391 Wien . ., , . 100 Schill. 58,72 58,84 58,72 58,84 Spanien ... 100 Peset.- 69 88 70,02 69 89 70,03 Effektenmarkts Heimische Renten waren etwas fester. Auslän- mische Renten: Bosnier Investanleihe 1 Prozent niedriger, 46A Schiffahrtswerte gute behauptet. Dankwerte fest. Montanwerte uneinheitlich. Lhemiewerte schwankten. Llektroaktien gewannen. Bauwerte erneut höher. Amtliche Notierung der Mittagsbvrse ab Station. Mehl und Kleie brutto, einschl. Sack frei Berlin. IM tg 21. 5. 19 5. Mehl 70 °/, 21. 5. 19. 5. Weiz.' märk. Weizen 32.7-36.5 32.7-36.5 262.0-265.° 262.o-265.° Roggen 36.2-39.5 36.5 39.5 Mai 278.°-279° 278.°-278/ Weizenkleie 47.2-17.4 17.4-17.5 Juli Sept. Rogg. mrk.'s Mai Juli Sept. 287.°-287.° 271.' 287.° 271.° Roggenkleie Raps(IOOOKq) 18.8-19.0 18.8-19.0 Leinsaat (do.) — —— 285.0-287.0 297.°-296.° 275.° 251°-252.° 285.°-287.o 298.°-297.° 274 ° Erbsen, Viktoria Kl.Speifeerbfen Futtererbsen 48.0-60.Ü 35.0-38.0 25.0-27.0 48.0-60.0 35.0-38.0 25.0-27.0 254.°-251/ Peluschken Ackerbohnen 24.0-24.5 23.0-24.0 24.0-24.5 23.0-24.0 Gers«. 252 0-290/ Wicken 24.0-20.0 24.0-26.» Som. 252/-MZ Lupinen, blau 14.0 l'.o 14.0-D.0 Wink. ruhig ruhig „ gelb 15.0 16.0 15.0-16.0 Hafer Seradella 23.0-28.0 23.0 28.0 mark. 264 o-270 ° 264.0-270 Rapskuchen 18.8-19.0 18.80-19.0 Mai 276.° 276/ Leinkuchen 23.5-23.8 23.5 23.8 Juli 276.° — Trockenschnitzel 15.2 15 4 15.20-15.4 Sept. — — Soya-Extra- Schroi . MaiS 21.2-21.8- 21.2 21.8 Berlin 235 o-238. 234 ° LZ?." Kartoffelstöcken 25.4 26 0- 25 4 .6 0 's Hektolitergewicht 74,50 kg. 1 do. 69 Kg. Berliner Kartosfelcrzeuaerpreise (je Zentner waggon- frei märkischer Station. Amtlich ermitteln durch die Landwirt schaftskammer sür die Provinz Brandenburg und für Berlin, in Reichsmark): Weiße Kartoffeln 2,90—3,10, großfallende Kartoffeln über Notiz, rote Kartoffeln 3—3,20,.gelbfleischige Kartoffeln 3,40 bis 3,70, Fabrikkartoffeln 15—17 Pf. je Stärkeprozent. spätes Muck vnnesrv-nkcursscuvrr voncu oruxo nkirrrn.vrnvzv (41. Fortsetzung.) Nach Tisch bettete er sie auf das bequeme Sofa in seinem Studierzimmer. „Versuche ein wenig zu schlafen," bat er. Sie nickte und schloß gehorsam die Augen. Wenige Minu ten später schlief sie schon friedlich mit einem feinen Rot auf den Wangen. Karsten beugte sich über sie und betrachtete sie lange. „Ver gib mir, mein geliebtes Weibl" stammelte er leise. Dann setzte er sich an seinen Schreibtisch und schrieb an Hans Helbing. Seite um Seite füllte sich. Es war ein einziges reuiges Bekenntnis, daß er seiner vergessen hatte in den Tagen des Glückes, das ihn eingehüllt hatte, wie ein Rausch. Nur von dem, was er gestern Elisabeth gestanden hatte, schrieb er nichts. Er brachte es nicht fertig. Dieses Geständnis war nur von Angesicht zu Angesicht möglich Vielleicht fand er einmal den Mut hierzu. Heute noch nicht! „Wenn Du einen Menschen, wie mich, noch zum Freunde haben magst," schloß er sein Schreiben, „dann komm, Hans! Meine Frau braucht Ablenkung Ich bin so viel fort von zu Hause. Sie ist immer allein. Vielleicht kannst du Urlaub bekommen. Ich wäre dir so unendlich dankbar, wenn du dich ein wenig um Elisabeth annehmen würdest. — Sie ist nicht ganz wohl! — Du wirst mich verstehen! — Meine Kin- der werden einmal einen Vater haben, der so weißes Haar hat, wie ein Urahne." Elisabeth rieb sich lächelnd die Augen. „Ich habe herrlich geschlafen!" sagte sie. „Und so wunder- voll geträumt!" „Was denn, mein Lieb?" fragte er weich. „Es war ein Junge!" sprach sie errötend. „Und er hatte deine Augen und deinen Mund!" „Aber hoffentlich meine grauen Haare nicht!" unterbrach er sie lächelnd^ „Nein, die hatte er nicht! — Er hatte nämlich gar keine," fügte sie schalkhaft hinzu. Drei Tage später traf von Helbing Nachricht ein. Er würde Urlaub nehmen und ihn im Doktorhause verbringen, wenn er keinen Schatten in ihr Glück werfe. „Als ob er eine Ahnung hätte, wie schlecht ich von dir und ihm dachte," sagte Karsten, als er den Brief seiner Frau reichte. „Sprich nicht mehr davon!" bat sie. „Wenn man vergibt, muß man auch vergessen, sonst ist das Verzeihen wertlos!" Ende der Woche kam Helbing — etwas blaß, etwas über arbeitet, noch ein wenig ernster, als sonst, aber im Uebrigen der gleiche. Er widmete sich fast ausschließlich der jungen Frau, saß mit ihr im Garten, las ihr vor. Er führte sie auf die lauschigsten Plätzchen im Walde, auf die Bank in der Lichtung über dem Wehr. Es kam sogar des öfteren vor, daß sie noch gar nicht zu Hause waren, wenn Karsten von seinen Krankenbesuchen heimkam. Dann schalt der junge Ehemann. „Wollt Ihr rechtzeitig zu Tisch kommen, ihr Faulenzer? Ihr laßt euch kurieren von mir, wenn ihr krank seid und im Uebrigen kümmert ihr euch nicht um mich!" Helbing machte ein Armensündergesicht und versprach für den nächsten Tag pünktlichstes Erscheinen. Als sie <yn andern Vormittage wieder nach der Bank in der Lichtung gingen, sah Lona Petersen auf derselben. Die junge Frau sah, wie Helbings Fuß stockte. Lona wandte eben ihr Gesicht, da bemerkte sie auch deren Erröten und Erblassen. War zwischen den beiden einmal etwas gewesen? Sie mußte am Abend, wenn sie mit Rolf allein war, ihn darum fragen. Man begrüßte sich und saß zu dreien auf der Bank. Elisabeth nahm den Mittelplatz ein. Lona sprach fast kein Wort. Helbing war noch schweigsamer. Elisabeth mußte fast ganz allein für die Unterhaltung sorgen. Karsten hatte dem Freund das „Du" für seine Frau angeboten und Helbing hatte, Elisabeth aus die Stirne küssend, es freudig angenommen. „Wie spät ist es denn schon, Hans?" frug sie plötzlich fast erschrocken. »Wir müssen gehen!" sagte er, seine Uhr ziehend, „sonst bekommen wir von deinem Manne wieder Schelte, wenn er mit der Suppe auf uns warten muß!" „Wollen Sie sich uns nicht anschließen, Fräulein Peter sen?" fragte die junge Frau. Lona lehnte dankend ab. Sie wollte noch bleiben! Eli- sabeth drückte ihr herzlich die Hand. Helbing verneigte sich höflich. „Empfehlen Sie mich Ihrem Herrn Vater. Ich werde mir gestatten, ihm in den nächsten Tagen meine Auswartung zu machenl" Er zog den Arm der jungen Frau durch den seinen und führte sie sorgsam über den mit Tannennadeln dichtbedeckten Steig, der den Hohlweg hinunterführte. „So hat Karsten mich auch damals gestützt!" dachte Lona Petersen. Und nun führt Helbing sein Weib. Und sie? Hätte sie ihr Glück nicht selbst so grausam zerstört, dann könnte sie heute an seiner Seite gehen, an seinem Arm und würde so selig sein, wie Karstens junges Weib. Mit brennenden Augen sah sie dem Paare nach. Wie ernst Helbing war, und wie männlich schön. Die Schramme an den Schläfen machte ihm nicht den geringsten Eintragi — Und wenn er verstümmelt gewesen wäre, und als Bettler vor mir stünde! Ich würde ihn dennoch lieben! Immer! Nur ihn! Sonst keinen mehr!" dachte sie. Und wie damals an dem Abend, als Karsten sie allein lieh, kam wieder dieses Gefühl des Verlassenseins über sie. Gleich wie in jener Stunde, legte sie den Arm auf die Lehne der Bank und drückte weinend das Gesicht hinein. Am Abend, als der Doktor seiner Frau den Gutenachtkuß gab, zog sie sein Gesicht zu sich herunter. „Was liegt zwischen Hans und Lona Petersen?" fragte st« bittend. „Morgen erzähle ich dir alles, mein Kind!" sprach er liebevoll. „Ich möchte es so gerne wissen!" bat sie zaghaft. „Setze dich noch ein wenig zu mir und erzähle mir, wenn du nicht zu müde bistl" — Ich kann jetzt öfters so lange nicht schlafen." Er ließ sich auf ihrem Bettrand nieder und nahm ihre schmalen Hände in die seinen und begann: (Fortsetzung folgt.) j