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Nr. 96. Pulsnitzer Tageblatt. — Dienstag, den 24. April 1928. Seite 6. Kamps um die Europameisterschaft im Welter gewicht zwischen dem Titelhalter Leo Darton, Belgien, und dem deutschen Meister Karl Sahm, Hamburg. Der Ausländer brachte 131,4, sein Gegner 132 Pfund auf die Wage. Das Urteil der Richter lautete Unentschieden, womit Darton im Besitze seines Titels bleibt. Einen schnellen Aus gang nahm die Begegnung zwischen dem Mittelgewichts- meister Heinz Domgörgen und dem Engländer Gipsy Daniels. Domgörgen versuchte in den Nahkampf zu kom men, erreichte hierbei aber nichts, sondern mutzte empfindliche Schläge hinnehmen. Mit der zweiten Runde schon war der Kampf beendigt. Domgörgen fiel, von Daniels schwer am Kinn getroffen, mit dem Gesicht zu Boden und wurde aus gezählt. Neue Auto-Höchstleistung. Dem amerikanischen Automobi listen Ray Keech gelang es, mit einem 36-Zylinder°Wagen in Dayton Beach (Florida) ein« neue Auto-Höchstleistung aufzu- stellen. Er erzielte eine Geschwindigkeit von 312 Kilometer in der Stunde, womit er die Höchstleistung des englischen Kapitäns Malcolm Campbell um annähernd drei Kilometer überbot. Gi» neuer England—Auftralienflutz Der Geschwade führer der englische Marineluiistreiikiäste Commandeur Manning ist am Montag vormittag ohne Bealeitunq vom Flugplatz Lympne in einem Eindecker zum F uqe nach Australien aufgestiegen. Er hofft Mitte Mai in Sidney einzutr ffen. Manning erklärte, daß er bereits vor Hi ck ers Start den Flug beschlossen hatte und nicht beabsichtige, Hincklers Höchstleistung zu brechen Sonne und Mond. 28. 4. Sonne A. 4.44, U. 7.13; Mond A. 8.20, U. 1.10 Börse und Handel Amtliche sächsische Aotierungen vom 2Z. April 1928 Dresden. Bei weiter äußerst schwachem Geschäft neigten die Kurse wieder zum Nachgeben. Den Abstrichen, die zum Teil recht erheblich waren, standen nur vereinzelte belanglose Gewinne gegenüber. Einbutzen erlitten vor allem Escher minus 8,75, Schubert u. Salzer-Aktien minus 7,25, Genuß scheine minus 7, Vereinigte Zünder minus 6,5, Dr. Kurz- Aktien minus 5,5, Stettiner Bergschlob minus 4,25, Darm städter Bank und Bautzener Bier je minus 3,5, Gebrüder Unger, Uhlmann und Polyphon je minus 3 Prozent. Hervor- tretcnde Gewinne erzielten nur Keramag plus 10, Reichs bank plus 5,25, Vereinigte Strohstoff plus 5, Max Kohl plus 3^, Vereinigte Photoaktien plus 2, Genutzscheine plus 6 Prozent. Leipzig. Die heutige Börse verlief wieder äußerst schwach und nahezu ohne jede Umsatztätigkeit. Die Kurse waren durchaus nachgebend und nur für wenige bevorzugte Werte bestand Nachfrage zu leicht gebesserten Kursen. Abstriche mußten sich vor allem gefallen lassen Pittler und Sacharin je minus 5, Norddeutsche Wolle und Polyphon je minus 4, Schubert u. Salzer-Aktien minus 3,25, Stöhr, Rauchwaren Walther und Haller Zucker je minus 3, Schönherr minus 2,5 Prozent. Reichsbankanteile konnten wieder 2,5 Prozent ge winnen, auch Mittweidaer Baumwollspinncr waren 2 Prozent höher gefragt. Chemnitz. Die hiesige Börse verkehrte auch am heutigen Tage wieder in durchweg schwacher Haltung. Auf allen Marktgebieten waren zum Teil ziemlich empfindliche Ein bußen zu verzeichnen. Schwach lagen vor allem Schubert u. Salzer-Aktien minus 12, Genutzscheine minus 9,75, Dttters- dorfer Filz minus 9, Braubank und Escher je minus 3, Uhl mann minus 3,5, Prestowerke minus 2,5, Commerz- und Privatbank sowie Karl Hamel und Radeberger Bier je minus 2 Prozent. Von den wenigen Kursgewinnen, die im all gemeinen kein besonderes Ausmaß erreichten und ohne Ein fluß auf die gesamte Stimmung blieben, sind Max Kohl mit plus 2,25 und Faradit mit plus 2 Prozent zu nennen. Leipziger Viehmarkt. Austrieb: 794 Rinder, darunter 92 Ochsen, 330 Bullen, 307 Kühe, 65 Färsen; 489 Kälber, 741 Schafe, 1851 Schweine. Verlauf: Bei Rindern und Schweinen langsam, bei Kälbern schlecht, bei Schafen gut. Preise: Ochsen a) 59—60, b) 52—58, c) 44—51, d) 35—43; Bullen a) 55-58, b) 50—54, c) 40—49; Kühe a) 49—53, b) 43-48, c) 36—42, d) 22—35; Färsen a) 59—60, b) 45—58; Kälber a) —, b) 68—70, c) 64—67, d) 56—63, ee) 35—55; Schafe a) 68—69, b) 64—67, c) 58—63, d) 44—57; Schweine a) 51—52, b) 53, c) 52—53, d) 50—51, e) 48—49; Sauen 45—52. Chemnitzer Viehmarkt. Auftrieb: 897 Rinder, darunter 100 Ochsen, 197 Bullen, 581 Kühe, 15 Färsen, 4 Fresser; 910 Kälber, 137 Schafe, 3453 Schweine. Verlaus: Bei Rindern und Schweinen langsam, bei Kälbern schlecht, bei Schafen mittel. Preise: Ochsen a) 53—56, b) 48—52, c) 42—45, d) 35 bis 40; Bullen a) 56, b) 50—53; Kühe a) 50—54, b) 44-^8, c) 34-^0, d) 25—30; Kälber a) —, b) 72—75, c) 65-70, d) 52 bis 62, e) 43—50; Schafe a) 62—65, b) 50—58; Schweine a) —, b) 50—53, c) 47—52, d) 45—48; Sauen 42—50. Dresdener Produktenbörse. Dörsenzett: Montag und Freitag nachmittag 2—4.30 Uhr. 23. 4. 20. 4. 23. 4. 20. 4. Wetzen Wetz.-Kl. 16,9—17.3 16,5—17,0 75 Kilo 271—276 266—271 Rogg.-Kl 17,5—18,5 17,0—18,0 Roggen Kaiseraus- 70 Kilo Sommer- 282—287 284—289 zugmehl Bäcker» 46,0—47,5 45,5—47,0 gerste, sächs. 295—310 295—310 mundmchl 40,0—41,5 39,5—41,0 Futtergste 230—270 230—270 Wetzen- nachmehl Jnland- weizenm. Type 70 N Hafer, inl Raps, tr. Mais Laplata 267-272 240—242 267—272 240—242 28,0—24,0 39,5—40,5 22,5—23^ 39,5—40,0 Cinqu. Trocken» fchnitzel 265—280 15,6—16,0 270—280 15,6—16,0 Roggen- mehl 01 Type 60 N 41,0—43,5 43,5—45/) Zucker- Roggen- schnitzel 21,5—22,5 21,5—22,5 mehl I Kartoffel- Type 70^ 42,5—43,0 42H—^,0 flocken 29,0—29,5 28,0—28,5 Roggen- Futtermehl 19,5—20,5 19,5—20,51 nachmehl 23,5—24,5 23,5—24^ Die Preise verstehen sich bis etnschl. Mats per 1000 Kilo gramm, alle anderen Artikel per 100 Kilogramm in Reichs mark. Rotklee, Erbsen, Wicken. Peluschken. Lupinen und Mehl (Mehl inkl. Sack frei Hauss in Mengen unter 5000 Kilogramm ab Lager Dresden, alles andere in Mtndestmengen von 10 000 Kilogramm waggonsrei sächsischer Versandstationen. Berliner Börse vom Montag. Das Geschäft ist weiter zusammengeschrumpft, selbst Papiere mit verhältnismäßig großem Markt, wie z. B. Phönix und Chade, konnten mangels Umsatz zum ersten Kurse nicht notiert werden. Die Beteiligung des Publikums und auch des Auslandes war außerordentlich gering. Nichtsdestoweniger war die Grund- stimmung etwas freundlicher. Amtliche Devisen'Notierung, Devisen tin Reichsmark 23 April 21. April Geld Briet Geld Briet 2t. M wt. New Dort « . II 4,1775 4^855 4^78 4,186 London .... I 4? 20,393 20,433 20,394 20,134 Amsterdam . 100 Gld. 168,36 168,70 168,39 168,73 Kopenhagen . 100 Kron. 112,06 112,28 112,05 112,27 Stockholm . . 100 Kron. 112,12 112,34 112,12 112,34 Oslo ..... 100 Kron. 111,72 111,94 111,47 111,96 Italien . , , . 100 Lire 22,03 22,07 22,025 22,065 Schweiz , .» 100 Frcs. 80,51 80,67 80,53 80,69 Paris . , , , « 100 Frcs. 16,445 16,485 16,44 16,48 Brüssel .... 100 Belga 58,32 58,44 58,32 58,44 Prag .. . ,. 100 Kron. Wien . . , « . 100 Schill. 12,378 12,398 12P79 12,399 58,78 58,90 58,785 58,905 Spanien ... 100 Peseta 70,05 70,19 70,03 70,17 Bankdiskont: Berlin 7 (Lombard 8), Amsterdam 4)4, Brüssel 4)4, Italien 6, Kopenhagen 5, London 4)4, Madrid 5, Oslo 5)4, Paris 3)4, Prag 5, Schweiz 3)4, Stockholm 3)4, Wien 6. Ostdevisen. Bukarest 26,14 G 26,26 B, Warschau 46,80 G 47 B. Riaa 80.705 G 81.045 B. Reval 111.85 G 112.35 B. Kowno 41,435 G" 41,615 B, Kattowitz 46,75 G 46,95 B, Posen 46,80 G 47 B. — Noten: Große Polen 46,55 G 46,95 B. 1 französischer Franc 0,16)4 Rm., 1 Belga 0F8 Rm., 1 Lira HS2 Rm., 1 Zloty 0,47 Rm. Effektenmarkt. Heimische Renten: Der Anleihe-Neubesitz schwächte sich ab aus 17,05—17,15. Ausländische Renten: Bosnier ge drückt, Eisenbahnanleih« 47,50, Investanleihe 45,50. Schiff fahrtsaktien: Hapag 151,75—152,75, Nordd. Lloyd 151 bis 15L, etwa 1 Prozent gebessert. Bankaktien: Reichsbank wei ter auf 216,50—217 gesteigert, dagegen B. E. W. 3,50 Prozent schwächer (161PO). Montanaktien: Interesse bestand für Harpener, herauf bis 171 (plus zirka 3 Prozent). Chemie werte: Farbenindustrio etwas Höher mit 265—267, schwächer dagegen Fahlberg List 136 (minus zirka 3). Elektroaktien: Chade bis auf 607 erholt (plus 5 Mark). Maschinensabri- ken: Berlin-Karlsruher Industrie gingen weiter auf 70,50 bis 71^50 zurück, Schubert L Salzer vorübergehend 5 Prozent schwä cher (3331. Kunstseideaktien: Glanzstoff unter Berücksich- trgung des Dividendenabschlages (16,2 Prozent) anfangs 4,50 Prigent höher (747), dann nochmals 5 Prozent fester (752). Bem- verg 544—548. Textilwerte: Stark angeboten Stöhr 21IF0 bis 212 (minus zirka 4 Prozent). Amtliche Notierung der Mittagsbörse ab Station. Mehl und Kleie brutto, etnschl. Sack tret Berlin. 1 Hektolitergewicht 74,50I<8. 1 do. 69 Kg. ,0» 23. 4. 21. 4. Mehl 70 23 4. 21. 4. mark. Weizen . . 33.75-37.2 33.25-36.7 2687-271.° 2627-265? Roggen. 38 00 40.0 37.7-39.7 Mai 283 -284. 275° 276.° Weizenkleie 18.00 18 0 Juli Sept. Rogg. 291.° 2857-286? Roggenkleie . 18.25 >8.0-18.25 274.° 2717-272? Raps (1000 lcg) Leinsaat (do.) 16.30-16.5 — Erbsen, Viktoria 51.0-61.:, 50.0 60.0 mrk.H Mai Juli 285. "-287? 296°.-295.° 2727-273/ 2847-287.° 2937-295? 2697-270.° KI.Speiseerbsen Futtererbsen . Peluschken 36.0-39.0 25.0-27.0 24.0-24.5 36.0-39.0 25.0-27.0 24.0-24 5 Sept. 2517-250/ 2497-2497 Äckerbohnen 23.0-24.0 23.0-24.0 Gerste 254"-S90.° Wicken 24.0-26.0 24.0-26.0 Som. 2547-290? Lupinen, blau 14.0-14.7k 14.-14.75 Wint. behauptet ruhig . gelb 15.0-15.80 15.0 15 8 Hafer mark. Seradella 24.0-28.0 24.0-28.0 2617-267° 2617-2677 Rapskuchen 19.40-19 6 10.4-19.6 Mai 271.° 2687-269.° Leinkuchen. 24 0 24.3 23.9 24.2 Zuli 271.° 272° Trockenschnitzel 15.6-16 0 15.6 16 0 Sept. 224.' 2247-225.° Loya-Extra- Mai» Schrot . 21.8 22.5 21.8-22.30 Berlin 239 "-243? 2397-243° Kartoffelflocken 27.0-27 5 27.0-27.50 Berliner Kartoffelerzeuaerpreise je Zentner waggon- frei märkischer Station. Amtlich ermittelt durch die Landwirt- schaftskammer für die Provinz Brandenburg und für Berlin. Weiße Kartoffeln 3,10—3,30, großfallende Kartoffeln über Notiz, rote Kartoffeln 3,10—3,30, gelbfleischige Kartoffeln 3,40—3,70 Al., Fabrikkartoffeln 16—18 Pf. je Stärkeprozent. Preisnotierungen für Eier. (Festgestellt von der amt lichen Berliner Eiernotierungskommiffion am 23. April.) Die Preis« verstehen sich in Pfennig je Stück ab Waggon oder Lager Berlin nach Berliner Usancen, /r) Deutsche Eier: Trinkeier, voll- frisch, gestempelt, über 65 Gramm 12, 60 Gramm 10,50, 53 Gramm 9,50, 48 Gramm 8, frische Eier 60 Gramm 10—10,25, 53 Gramm 9,25, 48 Gramm 8; aussortierte kleine und Schmutz- «ier 7—7,50. ö) Auslandseier: Dänen, Schweden, Estländer: 18er 12, 17er 11, 15)4—16er 10,50. Melallpreise in Berlin (für 100 Kilogramm in Mark): Elektrolytkupfer wire bars 134,75, Original-Hüttenaluminium 98 bis SS Prozent 210, do. in Walz.- oder Drahtbarren 214, Rein nickel 350, Antimon-Regulus 89—94, Silber in Barren, ca. Svo sein, für 1 Kilogramm 78,75—79,75. - Leichtes Anziehen der amtlichen Großhandelsrichtzahl vom 18. April 1928. Die auf den Stichtag des 18. April berech nete Großhandelsrichtzahl des Statistischen Reichsamtes ist mit 139,6 gegenüber der Vorwoche (139,0) um 0,4 Prozent gestiegen. Die Indexziffern für industrielle Rohstoffe und Hardwaren und für industrielle Fertigwaren haben sich leicht erhöht. -p- - vaursro-n'ecnrsscnvrr ouvcu veai-ce osuxo ueimkn,vcnoxv <6. Fortsetzung.) „Schelten Sie mich nicht, Behrens!" lachte sie. „Wenn Sie schon abserviert haben, nehme ich gerne mit einer Tasse Tee verlieb." Mit raschen Sprüngen eilte sie die breite Treppe hinauf nach dem Speisezimmer. „Kind, wo bleibst du so lange?" empfing sie Petersen. „Ich habe mich gesorgtl" „Warum mußt du dich auch sorgen, Väterchen? In Wylten kann man sich nicht verlaufen," beruhigte sie und küßte ihn auf beide Wangen. „Aber ertrinken kann man!" warf Petersen ein. „Wo denn, Vater?" Der Kommerzienrat lachte wider Willen. „Kleining, wenn du so albern fragst, muß ich dir die Antwort schuldig bleiben. — Ich möchte dich nur bitten, nachts niemals den Steg über die Wehr zu benützen. Es ist zu gefährlich. Ich dachte schon öfter daran, ihn wegreißen zu lassen, aber Arbeiter wegen, die drüber wollen, will ich's nicht gerne tun." Lona biß mit gesundem Appetit in eines der belegten Brote, die auf dem Tische standen. Ihre Augen lachten den Vater an: „Wenn ich einmal Selbstmordgedanken bekomme, brauche ich in einer mondlosen Nacht nur über den Steg zu gehen und einen Fehltritt zu tun," sagte sie scherzend. „Kein Mensch weiß, ob es Absicht oder Zufall war und ein ehr liches Begräbnis ist mir zweifelsohne sicher!" „Lona!" rief der Kommerzienrat verweisend. „Mit solchen Dingen spaßt man nicht! — Doziere das einmal Pfarrer Schmitt, dann wirst du hören, wie er darüber denkt." „Ich werde mich hüten, Vater!" Dann trat Behrens ein, um nachzuservieren. In der Nacht hatte es gewittert, aber am Morgen lag wieder der strahlendste Sonnenschein über dem Tal. Lona stand mit einem großen Paket unter dem Arm vor dem Tor und wartete auf Karsten. Acht dröhnende Schläge kommen von dem Spitzturm der Kirche. War er abgehallen zu kommen? „Guten Morgen, Fräulein Petersen," klang seine Stimme hinter ihr. Er kam durch den Park und lüstete in weitem Bogen den Hut. ,?Wo kommen Sie denn her?" fragte sie erstaunt, als er neben ihr stand. „Ich war bei Helbing und habe ihm rasch guten Morgen gesagt, sonst bekommen wir beide uns überhaupt nicht zu sehen, denn wenn er kommt, bin ich meist nicht da!" „Haben Sie so großes Verlangen, sich zu sehen?" frug sie, an seiner Seite schreitend. Er sah deutlich den feinen Zug von Spott, der um ihre Mundwinkel ging. „Gewiß!" versicherte er. „Gleich und gleich — Sie wissen schon gnädiges Fräulein, und dann — jeder ohne Weib und Kind, einer auf die Liebe des andern angewiesenl" „Warum heiraten Sie denn nicht?" unterbrach sie ihn. „Heiraten? — Gott, wer möchte uns beide? So unsym pathische Menschen, wie wir sind!" Sie stampfte zornig auf. „Sie sind häßlich, Herr Doktor!" „Das gebe ich zu," lachte er. „Etwas zu schlank, das Gesicht zu wenig Rundung, die Stirne zu eckig, der Mund zu klein, das Haar dürfte noch dunkler leuchten, Augen und Nase, die könnte man allenfalls lassen, wie sie sind. — Stimmt es so?" Sie hatte die Brauen zusammengezogen und ging wort los neben ihm. „Kommen Sie, Fräulein Petersen!" sagte er, „das Paket will ich Ihnen abnehmen. Was haben Sie denn Schönes da hineinverstaut?" Die Lippen zornig aufeinandergepreßt, ging sie, ohne auf seine Frage zu achten, neben ihm. „Wollen Sie lieber zurückgehen?" fragte Karsten. „Ich gebe die Sachen gewissenhaft ab und bringe Ihnen beim Vorübergehen den Dank dafürl" „Nein," sagte sie. „Wenn es Ihnen Vergnügen macht, mich zu quälen, will ich Ihnen die Freude nicht nehmen." Er hatte den Hut abgenommen und strich das Haar an den Schläfen zurück. Um seinen fast mädchenhaft kleinen Mund wetterte es, und aus den braunen Augen blitzte der Schalk. „Wenn Sie nett sind, Fräulein Petersen, sage ich Ihnen etwas Schönes!" „Keinen Unsinn?" fragte sie vorsichtig. „Nicht die Spur!" Er nahm das Paket in die rechte Hand, um die linke für einige Zeit zu entlasten. „Geben Sie mir Ihren Hut!" Iprach sie freundlich, denn sie wußte, daß er mit Vorliebe barhaupt ging. „Wirklich? — Möchten Sie den tragen?" „Jal" Sie sah das blitzartig über sein Gesicht huschende Lächeln. „Wie Helbing," dachte sie und trat unwillkürlich etwas weiter von ihm hinweg. „Können Sie überhaupt lachen, Herr Doktor?" „Ich? — Das will ich meinen, Fräulein Petersen. Erst gestern abend habe ich gelacht, wie schon lange nicht mehr, aber zu Hause, damit es niemand gehört hat." „Schade," sagte sie spottend. „Wenn Sie wüßten, warum, würden Sie wahrscheinlich wieder stampfen vor Zorn, denn das, was ich Ihnen vorhin sagen wollte, hängt mit meinem Lachen zusammen!" er widerte er gutgelaunt. Unterdes waren sie an den Hohlweg gekommen. Der fahrende Mann hatte, wahrscheinlich, um während des Gewitters nicht unter den Tannen zu sein, seinen Wagen an den Waldrand geschoben und zog. als er der Besucher an sichtig wurde, höflich grüßend den Hut. „Wie geht's dem Jungen?" frug Karsten. „Es geht besser, Herr Doktor, aber bitten möchte ich Sie doch, daß Sie nach ihm sehen. Meine Frau ist dann ruhiger. Vier Kinder sind uns schon gestorben. Alle haben sie so mit Fieber angefangen, da bekommt man es leicht mit der Angst zu tun!" Karsten stieg zum Wagen hinauf, dessen Türe offen stand. Die Mutter saß vor dem Kleinen am Bett. Bei seinem Eintritt erhob sie sich und sah ihn mit heißem Danke an. Der Doktor ergriff die Händchen, die ihm der Junge ent gegenstreckte und befühlte den Puls. „Vollständig fieberfrei!" lobte er und sah dabei die Mutter an, die mit feuchtglänzenden Augen neben ihm stand. „Wie alt waren Ihre anderen Kinder?" trug Karste« teilnehmend. "H „Sie wissen, Herr?" „Ihr Mann hat es mir gefagtl" erklärte er. „Es ist keines älter geworden als drei Jahre," berichtete sie. „Alle haben sie so mit Fieber angefangen." „Dieses Herumziehen paßt eben nicht für jedes Kind,^ warf der Doktor ein. „Auch für Sie ist es sehr ungünstig. Er sah dabei an ihrer schlanken Gestalt hinauf. Hunger und Sorge standen auf ihrem Gesichte geschrieben, denn es war blaß und abgehärmt. „Es läßt sich nicht ändern, Herr," kam es in müdem „Ihr Mann sollte sich um einen Poften umsehen, wo er ständig Arbeit hat," fuhr Karsten fort. . , ., I (Fortsetzung folgt.) z