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Nr. 93. Pulsnitzer Tageblatt. — Freitag, den 20. April 1928. Sette 6. Helt zu sein, sodaß R. in gleichmäßigen Abständen noch 4 Treffer buchen konnte, denen P. nur noch einen entgegensetzte. Pulsnitz M. S. 1 Jgd. : Radeberg Jgd. (Knaben) 6 : 7 P. spielte zu Beginn des Spieles nur mit 7 Mann, gab aber säst immer den Ton a», sodaß das Ergebnis eigentlich umgekehrt lauten müßte. Ergebnis vom 15. 4. 28: Pulsnitz M. S. 1 : „Jahn" Pirna 1 3 : 4 (3 : 0) Pulsnitz hatte mit diesem Gegner einen schlechten Griff getan; denn Pirna legte in diesem Spiel ei i Benehmen an den Tag, was man von einer Meistermannschaft nicht erwartet hätte. Diese L ute scheinen überhaupt noch keine Regelkenntnis zu besitzen; denn jede Ent scheidung des Unparteiischen wurde von Pirna mit einem Redefluß an gezweifelt, was man bis heute in Pulsnitz noch nicht erl bc hat. Zum Spiel selbst: PulSnitz hielt sich in diesem Spiel bester als erwartet; denn bis zur Pause lag PulSnitz mit 3 : 0 in Führung. Pirna konnte dem nicht« entgegensetzen; denn alles wurde von der Verteidigung ge- klärt oder wurde eine Beute des Torhüters. In der 2 Halbzeit schoß Pirna 4 Tore, 2 davon unter gütiger Mitwi kung des Pfeifers. Daß Pulsnitz zu keinem Tor mehr kam, lag in der Hauptsache daran, daß kurz nach Anpfiff ein Regen einsetzte, welcher den Platz fast unbespielbar machte. Der Pulsnitzer Sturm hat sich in diesem Schlamm (am vor deren Tor) nicht mehr so recht auf den Beinen halten können, sondern sehr oft am Boden gelegen, sodaß dabei manche Torgelegenheit verloren ging. Sonntag, den 22. 4. 28: PulSnitz M. S. 1. Jgd. : Großröhrsdorf 2. Jgd., nachm. 1 Uhr hier. Schwerathletik. Dem Ostpreußen Hirschfekd-Allenstein ge lang es im Training, die Kugel 45,39 Meter weit zu stoßen, er überbot also den deutschen Rekord von 44,72 Meter ganz be trächtlich. Hockey. Indiens Olympia-Hockenelf siegte in London gegen eine kombinierte Mannschaft der Londoner Universitäten 7:3. Kegeln. In Berlin wurden die Meisterschaften des Ver bandes Berliner Kegelklubs ausgetragen, und zwar auf Asphalt, für Senioren und Damen auf Bohle. Sieger wurde Kramer (Flotte Kugel) 3294 Holz. Senioren auf Bohle mit insgesamt 256 Kugeln: 4. Großmann 4767 Holz, Damen auf Bohle mit ins- gesamt 250 Kugeln: 4. Liebig (Mr können's auch) 4754 Holz. Sonne und Mond. 21. 4. Sonne A. 4.53, U. 7.06; Mond A. 5.44, U. 9.06 Marktpreis« i« Kamenz am 19. April 1928. Am heutigen Wochenmarkte wurden gezahlt pro Zentner: Weizen 43.00-13,50 Mk. Roggen 13,50-14,00 Mk. Gerste 14,50 bis 15,00 Mk. Hafer 12,50 bis 13,00 Mk. Heu 2,50 bis 3,00 Mk. Flegelstroh 2,50 bis 3,00 Mk. Futterstroh 2,00 Mk. Streustroh 1,50 Mk. K a r to ff eln 3,30-3,50 Mk. pro Zentner. Butter 1,80- 2,40 Mk. Eier 9-10 Pfg. dos Stück. Ferkel 16-20 Mk., Läufer Mk das Stück. Für ausgesuchte Ware Preis über Notiz. Gänse, kleine 2,00 3,50 Mk. Börse und Handel Amtliche sächsische Notierungen vom 19. April 1928 Dresden. Bei im allgemeinen größerer Zurückhaltung be stand an der Börse lediglich für einige bevorzugte Werte Inter esse, die z. T. auch nennenswerte Gewinne erzielten. Gesteigert waren vor allem die Weerte der Photopapierindustrie, Ver einigte Photoaktien plus 12, Genußscheine plus 9, Dresdener Albumin plus 6,25, Genußscheine plus 5,75, Reichsbank plus 7, nachbörslich weitere plus 7 Prozent. Deutsche Tonröhren plus 4F, Karl Hamel plus 3,5, Gebrüder Unger plus 3 Prozent. Einbußen erlitten Wanderer minus 4.25, Riebeckbrauerei minus 4, Bautzener und Rizzibräu sowie Elektra und Schubert u. Salzer Aktien je minus 3. die Genußscheine der letzteren minus 2,5, Plauener Gardinen und Kunstanstalt May je minus 3,5 Prozent. Leipzig. Die hiesige Börse verkehrte durchweg in ziemlich freundlicher Haltung, wenn sich auch die Umsatztätigkeit in engsten Grenzen hielt. Befestigt waren vor allem Pittler plus 12, Reichsbank plus 8,5, Gohliser Bier plus 5 und Thüringer Gas plus 4,5 Prozent. Dagegen waren schwächer notiert Mittweidaer Baumwollspinnerei minus 4, Nordwolle und Darmstädter je minus 3 Prozent. Der Freiverkehr verlief still »nd umsatzlos. Chemnitz. Die hiesige Börse verkehrte heute in unein heitlicher Haltung. Das Geschäft war sehr still. Die Kursschwankungen erreichten kein besonderes Ausmaß und hielten sich ziemlich die Wage. Von den Maschinenaktien ge wannen Schönherr 2 Prozent, auch David Richter und Schubert u. Salzer waren höher gesragt. Dagegen mutzten Wanderer, Gebrüder Unger u. a. «leicht nachgeben. Von den Diversen erfuhren Thüringer Gas eine Steigerung um 3,75 Prozent. Leipziger BiehmarN. Auftrieb: 162 Rinder, darunter 8 Ochsen, 47 Bullen, 90 Kühe, 17 Färsen; 1082 Kälber, 143 Schafe, 1887 Schweine. Verlaus: bei Rindern langsam, bei Kälbern und Schweinen schlecht, bei Schafen gut. Preise: Bullen a) —, b) 50—54, c) 40—49; Kühe a) 48—52, b) 42 bis 47, c) 35-41, d) 25—31; Färsen 45-58; Kälber a) —, b) 72 bis 75, c) 66—71, d) 60—65, e) 40—59; Schafe a) 65-67, b) 62 bis 64, c) 56—61; Schweine a) 48—50, b) 51, c) 49—51, d) 47 bis 48, e) 43-^6. Chemnitzer Getreidebörse. Weizen, inl., 7446 Kilo 270 bis 276, Roggen, inl., 70 Kilo 288—298, Sandroggen, 71 Kilo 302 bis 306, Sommergerste 295—310, Wintergerste 270—275, Hafer 268—278, Mais für Futterzwecke 245—250, Mais, Cinquantin, für Futterzwecke 270—280, Weizenmehl, 70 Prozent 44, Roggen- mehl, 60 Prozent 45,50, Weizenkleie 16,75, Roggenkleie 17, Wiesenheu, drahtgepreßt 8,50, Getteidestroh, drahtgepreßt 4,50. Berliner Börse vom Donnerstag. Während an der Vorbörss nahezu die bisher niedrigsten Kurse genannt wurden, setzte der offizielle Verkehr überwiegend fester ein. Publikumsorders lagen kaum vor. Das Ausland zeigte nur für ganz wenige Werte Interesse. Recht fest lagen wieder Transradio und Deutsche Atlanten auf die bekannten Zu sammenschlußgerüchte hin. Ferner hatten Farbenindustrie sehr lebhafte Umsätze. Amtliche Oevisen-Notierl.rg» Devisen 19. April 18. April Uv Reichsmark, Geld Briet Geld Briet M M. M. M New PoÄ .. I 4,1780 4,1860 4,1785 4,1865 London.... 1 20,401 20,441 20,406 20,435 Amsterdam . 100 Gib. 168,55 168,89 168,62 168,96 Kc nhagea . 100 Kron. 112,08 112,30 >12,11 112,33 Stockholm , . 100 Kron. 112,19 112,41 112,19 112,41 Oslo ..... 100 Kron. 111,82 112,04 111,82 112,04 Italien ...» 100 Lire 22,055 22,095 22,07 22,11 Schweiz ... 100 Frcs. 80,56 80,72 80,56 80,72 Paris .«... 100 Frcs. 16,45 t6,49 16,45 16,49 Brüssel .... 100 Belga 58,335 58,455 58,36 58,48 Prag , i » , . 100 Kron. 12,379 12,399 12,384 12,404 Dien ..... 100 Schill. 58,785 58,905 58,785 58,905 Spanien . . . 100 Pesel.: 70,03 70,17 70.18 70,32 Bankdiskont: Berlin 7 (Lombard 81. Amsterdam 314, Brüssel 4)4, Italien 614, Kopenhagen 6, London 414 Madrid 5, Oslo 5, Paris 314. Prag 5. Schweiz 314. Stockholm 314, Wien 6. 1 franz. Franc 0,1614 Rm., 1 Belga 0,58 Rm., 1 Lira 0,22 Rm., 1 Zloty 0,47 Rm. Effektenmarkt. Heimische Renten. Neubesitz war gut behauptet, 16,8 bis 16,9 Prozent. Ausländische Renten. Das Interesse für Serben hat nachgelassen. Talonrente stellte sich auf etwa 22,5, die 09er Anleihe auf 14 Prozent. Bosnier konnten anfangs Verluste wieder aufholen. Eisenbahnanleihe 47,5 Prozent, Invest, anleihe 45,5 Prozent. Mexikaner waren erneut etwas schwächer, so die 4proz. Anleihe 28,25 Prozent. Schiffahrtsaktien waren kaum verändert. Bankaktien. Reichsbank waren vor übergehend recht fest, 215, dann aber wieder auf 210 Prozent ab- geschwacht (208,5 Prozent). Montanaktien. Rheinische Braunkohlen stärker gebessert auf 287,5 Proze.nt. Rheinstahl im Zusamenhang mit der Farbenbewegung 2 Prozent höher, 158,5 Prozent. Kaliaktien waren anfangs etwas schwächer, im Verlauf jedoch befestigt. Salzdetfurth 289,5 bis 291 Prozent. Amtliche Notierung der Mittagsbörfe ab Stativ«. Mehl und Kleie brutto, etnschl. Sack frei Berlin. H Hektolitergewicht 74,50kg. 1 do. 60 lex. 1Mi? 19 4. 18. 4. Mehl 7» o/. 19 4. 18 4. Weiz? mark. Weizen . . 33.50-37.0 33.50-37.6 266?-269? 265.0-268? Roggen 38.0 40.0 37.75 39.7 Mai 279° 280? 287.°-278? Weizenkleie 18.0 17.75-17.8 Iult 291." 289? Roggenkleie . 18.0 17.75-17.8 Sept. 274.°-276.° 273? Raps (1000 kg) — —- Rogg. Leinsaal <do.) —— — Erbsen, Viktoria 50.0-60.0 49.0-60.0 mrk.°) Mai Juli Sept. 287/-290." 297.°-298.° 273.-273?° 251?-251? 286.0-289? 295°.-29S.° 270?-270? 249?-249° Kl-Speiseerbsen Futtererbsen . Peluschken. Ackerbohnen 36.0-39.0 25.0-27.0 24.0-25.5 23.0-24.0 36.0-38.0 25.0-27.0 24.0-24.5 23.0-24.9 Gerste Wicken . . . 24.0-26.0 24.0-26.0 Som. 254.O-L9O." 252.0-288? Lupinen, blau 14.-14.75 14.0-14.75 Wint. fest behauptet „ gelb 15.0 15 8 >5.0-15.80 Hafer märk. Seradella . . 24.0-28.0 24 0-28.0 262.°-268? 261.0-267" Rapskuchen 19.4-19.6 19.30-19.5 Alai 273? 271? Leinkuchen. 23.7-24.0 23.7-24.0 Juli 273? 272.°-272? Trockenschnitzel 15.5-16 0 15.2-15.6 Sept. 226? u. G. 226? Soya-Extra- MaiS Schroi . 21.8-22.10 21.7-22.0 Berlin 239.°-242° 239 0-242." Kartoffelflocken 27.2-27.75 27.1-276 Berliner Mitchpreise für die Woche vom 20. bis 26. April 1714 Pfennig. Berliner Butterpreise. Amtliche Notierung im Verkehr zwischen Erzeuger und Großhandel, Fracht und Gebinde gehen zu Käufers Lasten: 1. Qualität 181, 2. Qualität 160, abfallende Sorten 143 Rm. Tendenz: Ruhig. Preisnotierungen für Eier. (Festgesetzt von der amt lichen Berliner Eiernotierungskommission am 19. April.) Die Preise verstehen sich in Pf. je Stück ab Waggon oder Lager Berlin nach Berliner Usanceir. Deutsche Eier: Trinkeier vollfr. gest. über 65 Gramm 12, 60 Gramm 10,50, 53 Gramm 9,50, 48 Gramm 8; frische Eier über 60 Gramm 10—10,25, 53 Gramm 9,25, 48 Gramm 8: aussortierte kleine und Schmutzeier 7—7,50. V. Auslandseier: Dänen, Schweden, Estländer 18er 12, 17er 11, 1514—16er 10,25; Posener, Memelländer, Litauer 10; Russen, große 8,50, normale 8,25;; klein«, Mittel- und Schmutzeier 6,50 bis 7,50. Tendenz: Freundlicher. Berliner Kartoffelerzeugerpreise. Je Zentner waggon- frei märkischer Station. Amtlich ermittelt durch die Landwirt schaftskammer für die Provinz Brandenburg und für Berlin. Weiße und rote Kartoffeln 3—3,20 M., großfallende Kartoffeln über Notiz, gelbfleischige Kartoffeln 3,30-3,60, Fabrikkartoffeln 1514—1714 Pf. je Stärkeprozent. . , , Kirchen - Nachrichten Lichtenberg Sonnabend, den 21. April, rochm. 3 Uhr Beichte und Abend mahl. — Sonntag Misericordia» Domini, den 22. April : V»9 Uhr Predlgtgottesdtensl. Im Anschluß daran Anmeldung der Konfirmanden in der Sakristei. 11 Uhr Kmdergottrsdienst. 2 Uhr Tausgottesdienst Der Konfir-nandenunlerricht beginnt Mitwoch, den 25 April, nachm. '/,3 Uhr — Mittwoch, den 25. April, abend- 8 Uhr Franenvezein (Familienabend) im Obe en Gasthofe in Lichten b rg. Vortrag von Frau Anna F nk, Dresden Laubegast. — So«»« abend, den 28. April, nachm. 3 Uhr Beichte und AbendmatMeiec. - Heimgeaangen und bestattet; Ama ie Wilhelmine verw. Müller «eb Rosenkranz, Rentenempfängerin in Lichtenberg, 84 I., 3 M., 18 T alt, verstorben am 13, besinnet am 17. Ap-il. Großnaundorf Sonntag Wiserieordia» Domini, den 22 April: 9 Uhr Predigtgotn-dienst. */,>! Uhr Kludergomsdienst für die ältere Abtei lung. 2 Uhr Tausgoilesdicnst. Oberlichtenau Sonntag Misericordia» ErziehungSsonntag), den 22. April: */,9 Uhr Pr d guio ir-dleisst. Im Anjchluß daran Aufnahme der Kon. firmanden und Eröffnungsfeier. Reichenbach Sonntag Misericordia» Domini, den 22 April: */,9 Uhr Predigtgoitesdiknst, anichiießend Kmde gollesdienst. '/,2 Uhr Unterre dung mit den konfirmierten Jünglingen. MMSOMlW L sVütes Gluck vor. ^.5c« -occursscuorr ovncu venuxs 0LKXN «kl§lcn,vcko^v (1. Fortsetzung.) Petersen lachte, daß ihm die Tränen über die Wangen liefen.- „Lona, nun halt aber ein, sonst bringe ich dich nächstens, wenn Karsten kommt, um all deinen guten Rus. Adieu, Liebling, und laß Luft, Licht und Sonne herein, dann wirst du so alt wie Adam und brauchst in deinem Leben keinen Löffel Medizin zu schlucken!" — Und draußen war er! Von der Fabrik her dröhnten die Hämmer und surrten die Maschinen; auf der staubigen Dorfstraße lärmten ein paar Kinder in der Sonne. Verärgert schloß Lona die Fenster wieder und warf sich der Länge nach auf das Ruhe bett, Sudermann's Roman wieder zur Hand nehmend. Sie hatte ja soviel Zeit, soviel überflüssige Zeit. Das Haus wesen lief auch ohne ihr Dazutun seinen Gang. Sette, die Köchin, war schon fünfundzwanzig Jahre in der Familie und kam nur bei großen Diners und Einladungen, um zu fragen, wie das gnädige Fräulein die Speisefolge wünsche. Sonst ging alles am Schnürchen unter ihrem Regiment. Behrens, der alte Diener, hatte den Kommerzienrat Peter sen noch als wilden Jungen gekannt und galt mehr als Familienglied, denn als Dienstbote. Petersen reiste nie ohne ftine Begleitung. Er war mit in Amerika, England, in Rußland, in Aegypten gewesen und war immer gleich be scheiden und einfach geblieben. Sette und Behrens waren die Grundpfeiler des kommerzienrätlichen Haushaltes, seit die Mutter Lona's einem schweren Nierenleiden erlag. Da mals war Behrens in die Schweiz gereist um Lona heim- Aiholen, die dort in einer Pension untergebracht war, denn Petersen wich nicht vom Krankenbette seiner Frau. Lona, die damals sechzehnjährige, wollte es nicht glauben, daß ihre heißgeliebte, schöne Mutter dem Tode geweiht sei. Als dann eines Tages das Fürchterliche doch eintraf, klammerten sich Vater und Tochter aneinander im ersten, heißen Schmerz. Petersen hatte keinen anderen Trost als sein Kind, und Lona hinwiederum suchte im Vater Ersatz sür die Tote. Ein volles Jahr waren die beiden auf Reisen gegangen, Behrens immer mit, bis eines Tags der alte Diener sich den Mut nahm und bat: »Herr Kommerzienrat,' wir müssen heim. Das gnädige Fräulein kommt ganz herunter von dem Zigeunerleben, wie wir es führen. Immer wo anders! Jeden Tag! Heute in dem Bett, morgen in einem anderen! Nirgends ein Bleiben! Petersen hatte ihn stumm ange sehen und genickt: „Bist eine treue Seele, Behrens! Meinst es gut! — Meinst es gut! — Ich weiß schon. Das „Du" hatte er noch aus der Iugendzeil beibehalten. Am Abend hatte er ihm gewinkt. „Pack die Kosfer, Alter, morgen geht's heim." Behrens fand kein Wort, vergebens suchte er die Tränen zu verbergen, die ihm über die Wangen rollten: „Laß nur gut sein, Alter! Ich weiß schon!" sagte Petersen und wischte sich rasch mit dem Handrücken über die Augen. Und merkwürdig, so sehr Petersen gefürchtet hatte, in das seines Weibes beraubte Heim zu kommen, es ging, leichter, als er gedacht hatte. Lona ließ ihn die Lücke weniger empfinden. Manchmal kamen ihm wohl Bedenken. Sollte er ihr jemand zur Sette geben? Eine Hausdame, eine Gesellschafterin? Ader er verwarf den Gedanken immer wieder. Er wollte sein Kind allein für sich haben. Lona aber wurde eine verwöhnte Tochter, der kein Wunsch ver sagt blieb, der keine Stimme Einhalt tat und mahnte: „Das darfst du — und das darfst du nicht!" St. Wylten lag im Maiensvnnenschein. Wie ein eben aus dem Nest geschlüpfter Vogel duckte es sich in das Grün seiner Obstbaume, die in reichstem Blütenschmuck standen. Die sauber gehaltenen Höfe mit ihren braungestrichenen Holz- altanen lugten vorwitzig auf die Dorfstraße, die schnurgerade die Häuserzeile entlauft lief. Den Schluß bildete nach Westen hin die altersgraue Kirche mit ihrem Spitzlurm. Eine Türe führte von dem kleinen Gottesacker hinüber zum Pfarrhof mit seiner spiegelnden Fensterreihe im Erdgeschoß und den blendend weißen Leinenvorhängen, die ein leiser Wind blähte. Auf der anderen Seite der Straße, dem Pfarrhof fast gegenüber stand das Doktorhaus. Breit und behäbig. „Dr. Karsten" stand aus dem stets blanken Messingschild, das am Eingänge angebracht war. Als Karsten hier seine Praxis eröffnete, wollte er fast verzweifeln; er konnte trotz aller Bemühung keine passende Wohnung finden. Da hatte ihm Pfarrer Schmitt auf den Hof aufmerksam gemacht, der eben verkäuflich war. „Was mache ich mit einem Bauern haus?" hatte der junge Arzt geklagt. Aber er hatte es dann doch gekauft. Und nun nach sechs Jahren sah niemand mehr dem Hause seine frühere Bestimmung an. Die hölzer nen Nebengebäude waren gefallen; das gab dem sich daran- schließenden Obstgartem willkommene Vergrößerung. Mit seinem braungebeizten Balkenwerk und den sich daran tzrs» aufschlingenden Clematis und roten und weißen Crymjon- ramblern, machte es ganz den Eindruck eines feudalen Land- Hauses Das Innere glich einem Schatzkästchen. Die ganze Einrichtung paßte sich dem Stil des Hauses an. Karsten hatte keine Ausgabe gescheut, sich ein behagliches Heim zu schaffen. Die alte Lene, die ihm schon den Kinderbrei gekocht Halle, führte den Haushalt und bemutterte und um sorgte ihn, wie eine Henne ihre Kücken. Karstens und des Pfarrers Studierstube lagen beide der Straßenseite zu. Wenn Pfarrer Schmitt noch spät Abends Licht hatte, drohte ihm der Doktor am Morgen über den Zaun: „Gestern war's wieder elf Uhr! — Sie müssen früher zu Bett, Herr Pfarrer." „O, was hab' ich angefangen, daß ich mir solch' eine Nach- barschaft auf den Hals gehetzt hab'," klagte der Greis zer- knirscht „Ich muß mir Läden machen lassen oder mein Stu dierzimmer verlegen, sonst krieg' ich keine Ruh' mehr!" Dabei lachte er über das ganze Gesicht. „Das würde nichts nützen," warf Karsten em. „Der Herr Kooperator leistet mir gerne Spionagedienste." „Der Ludwigl? — Aber wart, mit dem werd' ich ein Wörtl reden," schalt Schmitt. „Herr Pfarrer, Sie müssen folgen!" mahnte der Doktor. Um zehn Uhr ins Bett, um sieben Uhr auf. Ihre Pfarr- kinder steinigen mich ja, wenn Sie einmal krank werden und ich wecke Sie nicht wieder von den Toten auf." „Das sollt's gerade auch noch können, die Toten auf- wecken, Herr Doktor! - Tun's mich halt net gar zu scharf kontrollieren, ich folg' schon!" bat er lachend. „Wie lang denn?" drohte Karsten. „Acht Tage, dann ist alles wieder vergessen!" Aber sein Mahnen trug doch Früchte und der Doktor lachte übers ganze Gesicht, wenn abends mit dem zehnten Glockenschlag das Licht im Studierzimmer Schmitts erlosch. Der Psarrherr war in den Sechzig, säst überschlank mit einem gütigen Augenpaar in dem feingeschnittenen Gesicht und schneeweißen Haar auf dem Haupte. Seine Gesundheit war immer etwas schwankend. Man mußte immerfort mahnen, daß er sich wenigstens einigermaßen schonte. Helbing war gleich nach seinem Besuche bei Petersen zum Doktorhaus gegangen. Karsten hatte eben seine Sprech- stunde beendet, als er den Freund durch den Garten kommen sah. Er verließ eilig das Zimmer und nahm die wenigen Stufen, die zum Garten führten, mit einem Sprung. „Hans, Hans, Menschenskind, hab' ich dich wieder ein mal!" rief er, glückfelig, wie ein beschenktes Kind. i -—-