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Donnerstag, 5. April 1S28 Beilage zu Ilr. 82 80. Jahrgang 50 Lahre Dresdener Carola-Haus. 1878 — 15. April — 1928. Das heutige Dresdener Stadtkrankenhaus „Carola- Haus" kann am '15. April auf ein 50jähriges Bestehen Aurückblicken. Das damalige Carola-Haus verdankt seine Begründung der Königin Carola von Sachsen, der Gattin des Königs Albert von Sachsen. Diese wollte dem von ihr (im Jahre 1867 gegründeten Sächsischen Albert-Verein ein eigenes Krankenhaus erbauen lassen, das im Kriege als Militärlazarett und im Frieden der besonderen Ausbildung von Krankenpflegerinnen, der sogenannten Albertinerinnen, dienen sollte. Es war in der nach dem Siebziger Kriege zunächst wirtschaftlich un sicheren Zeit nicht leicht, genügend reiche Mittel zur Durchführung dieses Planes der sächsischen Königin auf zubringen. Trotzdem war es am 14. Oktober 1876 bereits so weit, daß man den Grundstein zu dem Dresdener Carola-Haus legen und darauf dessen beide fertig- gewordenen Hauptgebäude am 15. April 1878 in Gegen wart der Protektorin des Albert-Vereins, der Königin, feierlich eh weihen konnte. Das vor einigen Jahren in städtischen Besitz nunmehr ä!ls Stadlkrankenhaus übergegangene einstige Carola-Haus erhebt sich in dem ausgedehnten Geviert zwischen der heutigen Gerok-, der damaligen Blasewitzer Straße, und dem Tatzberg einerseits, wie der Stephanien- und Arnoldstraße andererseits. Das Haupt- und Verwaltungsgebäude, hinter dem sich eine ausge dehnte Gartenanlage befand, umfaßte zunächst vier Pavillons, je in zwei Abteilungen zu 16 Betten, von denen bei der damaligen Einweihungsfeier zunächst nur ein Pavillon fertig war. Im Hintergründe des Areals und an seinen beiden Längsseiten wurden zwischen 1879 und 1890 noch drei weitere Krankenhäuser mit je zwei bis drei Stockwerken errichtet, zu deren Bau die Mittel durch die unermüdliche Tätigkeit der verschiedenen Albert- Zweigvereine in Sachsen wie auch durch Lotterieen dieser Organisation aufgebracht wurden. Im Mittelpunkt des Grundstücks lagen, auch schon am Einweihungstage be triebsfertig, Küche. Waschhaus, Maschinenhaus, Turn hallengebäuve, Ärztewohnungen und ein Laboratorium, das später noch durch ein Röntgeninstitut erweitert wurde. Im Jahre 1884 bewilligte die Stadt Dresden eine namhafte Geldsumme für den Bau eines Isolier- Hauses für Diphtheritis- und Scharlachkranke; 1903 wurde, im Garten isoliert gelegen, ein besonderes chirurgisches Operationsgebäude errichtet, das je einen großen Saal für aseptische und septische Operationen enthielt nebst besonderen Räumen für das Verbinden und entsprechende Badeanlagen. An der Stephanien- straße entstanden später weiter die Poliklinik für Fraucn- und Augenkrankheiten sowie eine eigene Hilfsstelle für plötzliche Erkrankungen und Unglücksfälle. Der im Laufe der Jahrzehnte rüstig vorwärts- , schreitende Ausbau der gesamten Carola-Haus-Anlagcn ließ, außer einem Pensionshaus für emeritierte Schwe stern, noch 1906 eine Fürsorgestätte für Lungenkranke er stehen, die die Königin Carola als bereits kränkelnde Witwe persönlich einweihen half. Bei dieser Gelegenheit < sah man die Stifterin dieses volkstümlichen Dresdener Krankenhauses zum letzten Male an der Stätte ihres ! langjährigen Wirkens, die nun schon seit einem halben j Jahrhundert im Dienste der Menschheit steht. E. H. Das Osierreiten von Offrih. Das übliche Osterreiten in Ostritz wird auch in diesem Jahre am ersten Osterfeiertage durchgeführt. Die Pro zession nimmt um 1 Uhr ihren Ausgang vom Pfarrhofe aus. An der Spitze bewegen sich vier Reiter mit Po saunen, dann folgt ein Reiter mit dem Kruzifix, dem sich die Kirchenfahnen anschließen. Die folgenden Pferde besitzer mit ihren Knechten tragen schwarzen Rock und Zylinder. Die Pferde sind zum Teil prächtig geschirrt, Mähnen und Schwanzhaare sind mit Blumen und Bän dern verziert. Nach einmaligem Umreiten des Markt platzes geht die Prozession zur Stadt hinaus über die Fluren von Blumberg, wo sich die Blumberger Retter anschließen, dann nach dem Kloster St. Marienthal. An den Wegkreuzen wird haltgemacht. Die vorausgefahrcne Geistlichkeit verliest ein Evangelium, worauf um Schutz für die Saaten und die Ernte gebetet wird. Auf dem Wege ertönen die Posaunen über die Felder hin. Der Klosterhof wird dreimal umritten, dann geht es nach Ostritz. Am Eingang zur Stadt schwenkt die Reiterschar zum Gebet nach der großen Kreuzigungsgruppe auf Dem Hutberge ab. Darauf erfolgt der Einzug in die Stadt, wo die Reiter alljährlich von einer vieltausendköpfigen Zuschauermenge erwartet werden. In der Pfarrkirche schließt sich eine feierliche Vesper mit Tedeum an. Auch in Grunau und Königshain finden derartige Prs- resiionen statt. Soziale Fragen. Ablehnung des S ftedsspruchs für das Baugewerbe. Der kürzlich ergangene Schiedsspruch für das Bau gewerbe, der ab 1. April eine Erhöhung von 6 Pfennig pro Stunde für alle baugewerblichen Arbeiter vorsieht, ist von beiden Teilen abgelehnt worden. Die Entscheidung liegt nun beim Haupttarifamt für das Baugewerbe, das in der nächsten Woche zuse.nnentritt und sich über die etwaige Verbindlich keitserklärung schlüssig werden wird. Verschärfung der Ausfuhrbestimmungen in Italien. Zur Hebung der Ausfuhr der landwirtschaftlichen Erzeugnisse sind die bisher bestehenden Vorschriften über die Ueber- wachung der Ausfuhr noch weiter verschärft worden. In den Häfen und Grenzstationen werden besondere Aufsichts- beamte darüber wachen, daß die auszuführenden Erzeugnisse hinsichlich der Güte und der Verpackung vollkommen den An- fvrderungen entsprechen. Steuerherabsetzung in den Bereinigten Staaten. Der Schatzsekretär machte der Kommission die Mitteilung, daß die vom Senat beschlossene Herabsetzung Ler Steuern im Be- trage von 290 Millionen Dollar nicht durchführbar sei. Man müsse sich mit einer Steuersenkung von 201 Millionen, viel leicht sogar 182 Millionen, begnügen. Albrecht Dürer. Zum 400. Todestage Kes Meisters am 6. April. In der altehrwürdigen Stadt Nürnberg wird nach Ostern ein eigenartiges Leben und Treiben herrschen: Zur Feier seine 400. Todestages ehrt Lie Stadt Nürnberg ihren größten Sohn mit festlichen Veranstaltungen aller Art. Man veranstaltet nicht nur eine imposante Ausstellung der Ge- mälde und graphischen Meisterwerke Dürers, wie wir sie in einer derartigen Vollständigkeit 'nicht wieder zu sehen be- kommen, sondern man wir- durch eine Reihe künstlerischer Veranstaltungen — durch Aufführungen Hans Sachs'scher Htücke und durch Prozessionen — versuchen, den Fremden, die man zu diesen Feierlichkeiten in der Stadt erwartet, ein lebendiges Bild Nürnbergs aus der DUrerschen Zeit zu geben. Zur Zeit, da am Himmel der italienischen Renaissance drei Sterne in wunderbarem Glanze erstrahlten, Leonardo da Vinci, Michelangelo und Raffael, ging auch am Kunst himmel nördlich -er Alpen ein Gestirn auf, das weit über die Jahrhunderte leuchtete und bisher- nicht wieder feines- Ein Bild aus den letzten Lebensjahren des Meisters. gleichen gefunden hat: Albrecht Dürer. Wenn auch gewisse verwandte Züge zwischen den Meistern der Renaissance, be sonders zwischen Leonardo La Vinci und Dürer bestehen, so Dürer doch in keiner Weise von einem dieser Italiener ?Mngig. Seine Kunst ist durchaus bodenständig: sie ist °urch und Lurch Leutsch. ,, Dürer wurde als zweites Kind des Nürnberger Dold- Ichwirds Albrecht Dürer am 21. Mai 1471 geboren. Es AUf selbstverständlich, daß er zunächst Las Handwerk seines Vaters erlernte. Da es in so einer Lehrstätte nicht ohne gründlichen Zeichenunterricht abging, mag der Sinn für die ferne Kleinarbeit, der sich in so vielen seiner Bilder, beson- o ist seinen graphischen Blättern, offenbart, aus dieser Lehrzeit stammen. Die Zeichnungen, die aus dieser Zeit stammen, darunter ein mit Hilfe des Spiegels angefertigtes Selbstporträt, verraten eine so außerordentlich starke Begabung, daß es nur natürlich erscheint, wenn der Vater lestdem sehnlichsten Wunsch seines Sohnes, ihn doch Maler Werden zu lassen, zustimmte. Er gab Len Jungen auf drei .lahre dem Meister Michael Woblaemutb in die Lebre. mutz der er sich auf die Wanderschaft begab, die ihn über Kolmar und Basel nach Oberttalien führte. Als er im Frühjahr Les Jahres 1494 mit einem reichen Schatz an Eindrücken und Erfahrungen ins Vaterhaus zu- rückkehrte, fand er bereits die Braut vor, die ihm der Vater inzwischen geworben hatte: Agnes Frey, die Tochter eines begüterten und der Kunst wohlgesinnten Nürnberger Kauf herrn. Wenige Jahre darauf eröffnete Dürer, wie es da mals üblich war, eine.eigene Werkstatt, in der nicht nur er selbst, sondern auch mehrere Gesellen an Len Bestellun gen arbeiteten. Me Kunst in Nürnberg war damals eben noch eine Art Handwerk. Da galt es nun, Altarwerke und Gedenktafeln nach Auftrag anzufertigen. Viele dieser Ge mälde weisen nicht allzu viel von Dürers Wesen auf, während sich in jenem Altarwerke, das er für die Familie Baumgartner malte, des Künstlers Gerst weit nachdrücklicher äußerte. Die Haupttafel hat hier die Geburt Ehristi zum Vorwürfe, die in eine romanische Ruine als Stall verlegt ist. Von da sieht man in eine trauliche deutsche Landschaft hinaus. Es fallen in diese Zeit auch eine Reihe bekannter Porträts, so die drei Bildnisse der Familie Tücher, das des Oswald Krell und das allbekannte Selbstporträt mit den Lhristuslocken. Im Jahre 1505 folgte Dürer einem Ruf irach Venedig: er sollte für die dort ansässigen deutschen Kaufleute ein Altarbild für ihre Bartholomäuskirche malen. Es ist dies das .Rosenkranz fest". Las jetzt im Prämonftratenser- kloster Strahow bei Prag hängt. Ein anderes sehr bekanntes Bild fällt noch in die venezianische Zeit, die schöne „Madonna mit dem Zeisig",auf das das Berliner Kaiser-Friedrich-Museum stolz ist. Ztach seiner Rückkehr vollendete er mehrere große Werke: das „Marienleben", die „große Passion" und eine neue Auflage der „Apokalypse", alles Reihen von Zeichnungen oder Holzschnitten. So großartig ihm aber auch der Holzschnitt geriet, so wandte sich doch der Meister jetzt wieder mehr Lem Kupferstich und später auch der Ra dierung zu. Die Oelmalerei trat bei dieser völligen Hin gabe des Künstlers an Liese Art der Kunstausübung fast ganz zurück. Er nahm nur Bestellungen für die Werkstatt an, und nur ausnahmsweise, wenn es besondere Rücksichten zu nehmen galt, griff er selbst zum Pinsel. So hatte ihn seine Vaterstadt 1509 durch seine Ernennung zum Ratsmit glied geehrt. Als sie ihn nun drei Jahre später darum an- ging, zwei Kaiserbilder für die Heiltumskammer, den Auf- bewahrungsort der Reichskleinodien, zu malen, konnte Dürer diesen Auftrag nicht gut ablehnen. Die dann entstandenen Mlder stellen KarldenGroßen und Kaiser Sigis mund in Lebensgröße dar und sind im Germanischen Museum in Nürnberg zu sehen. Unter den Kupferstichen, Lie aus jener Zeit stammen, sind besonders drei von jeher nicht nur das Entzücken der Künstler, sondern auch Gegenstand des Forschens und Grü belns gewesen. Das sind „Ritter Tod und Teufel", „Die Melancholie" und „Sankt Hieronymus im Gehäuse". Die „Melancholie" ist der nach dem Letzten ringende Menschengeist, der die Grenzen seiner Macht er kennt und nun verzweifelt dasitzt. Der Faustgedanke, typisch für die Renaissancezeit, spricht aus dieser Gestalt. In den andern beiden Blättern werden vielfach Darstellungen der Reformationsidee gesehen. Bei Dürers großer Vorliebe für die graphische Kunst spricht nicht nur ein künstlerisches, son dern auch ein geschäftliches Motiv mit. Die Stiche und Schnitte, die damals auf Lem Kunstmarkt sehr begehrt waren, brachten verhältnismäßig mehr ein als die Gemälde, und Dürer hatte nach dem Tode seines Vaters für eine große Familie zu sorgen. Die Sorge für seine Mutter und seine zahlreichen Geschwister — der Goldschmied Dürer hatte acht- zehn Kinder gehabt — fiel jetzt dem berühmten Sohn zu. Unter Len gekrönten Häuptern trat neben dem Kur fürsten Friedrich von Sachsen besonders Kaiser Maximilian zu Dürer in nähere Beziehungen. Der Kaiser suchte sein Streben nach Volkstümlichkeit dadurch zu befriedigen, daß er Dürer mit Ler Anfertigung einer Reihe von HÄzschnit- ten beauftragte, die den Kaiser und sein Geschlecht verherr lichen sollten. Außerdem betraute er Dürer auch mit der Ausschmückung seines Gebetbuches. Diese Randzeich nungen, mit denen Dürer die 45 Seiten des Buches schmückte, und die dem jeweiligen Gebetstoffe angepaßt sind, werden als kostbares Vermächtnis seines Geistes in der Albertina in Wien aufbewahrt. Auf dem Reichstage zu Augsburg saß ihm der Kaiser sogar selbst zu einer Kohlezeichnung. 1526 kam Dürer mit einem Doppelwerk heraus, den beiden Tafeln mit den Aposteln Iohannes, Petrus, Pau lus und Markus, Werke, die zu dem Erhabensten ge- hören, das je geschaffen wurde. Als letztes, und vielleicht als Hauptwerk, als künstlerisches Vermächtnis und als per sönliches Andenken verehrte er sie seiner Vaterstadt. Hier- mit schloß der Meister sein Werk ab. Am 6. April 1528 ^ng Dürer zur ewigen Ruhe ein, tief betrauert bis wett über Lie Grenzen der deutschen Lande hinaus. - 1 Arekoq, .