Volltext Seite (XML)
Nr. 46. Pulsnitzer Tageblatt. — Donnerstag, den 23. Februar 1828. Seite 6. Amtlich« Oevtsen'Rotienmg» Amsterdam »1t, Ba»kdt»toat: Berit» 7 (Lombard 8), trieb: Sauen: 5V—53. 2,30—2M. Bemerkung: Letzter Tag für Anmeldung zur Wählerliste' 29. Februar —:— Frage: Aus England werden große Ueberschwem- mungen der Temse gemeldet. Was bedeutet der Name dieses Flusses? —:— Frage: Häufig kann man die Redensart hören „Bei Philippi sehen wir uns wieder." Worauf geht dieser Ausdruck zurück? Antwort: Die von dem griechisch Historiker Plutarch im Kapitel 96 seines „Cäsar" erwähne .uld später von Shake speare im gleichnamigen Drama aufgenommene Redensart „Bei Philippi sehen wir uns wieder" geht auf eine schon im Altertum verbreitete Legende zurück, nach der Julius Cäsar seinem Mörder Brutus vor der für diesen unglücklich verlau fenen Schlacht bei Philippi im Traum erschien, und ihm diese Wort« als Warnung zurief. Antwort: Zu Zeiten der Römer wurde die Temse Tameses od. Tamises genannt. Das Wort stammt aus dem keltisch, und heißt nach einer Lesart: breites Wasser u. nach einer anderen: dunkles Wasser. Die Oxforter Studenten nennen den Fluß iikriasns die 5Uis H Hektolitergewicht 74,80 leg. do. 60 Sonne und Mond. L4. 2. Sonne A. 7.03 U. 17.25 Mond A. 8.3S U. 21.84 Chemnitzer Produktenbörse. Preise: Weizen, inl., 74,5 Kg. 249—254, Roggen, neuer, 70 Kg. 254—264, Sandroggen, 71 Kg. 268—272, Sommergerste 280—2S5, Wintergerste 265—270, Hafer, neu 225—235, Mais für Futterzwecke 225—230, Mais, Cinquantin für Futterzwecke 225—235, Mais für Futterzwecke L3S—245, Weizenmehl, 70 Prozent 41—50, Roggenmehl, 60 Prozent 41, Weizentteie 15—34 Roggentleie 16, Wiesenheu, drahtgepreßt SM, Getreidestroh, drahtgepreßt 4,50.Tendenz: fest. Kirchen - Nachrichten Freitag, den 24. Februar: 5 Uhr Kilchgemeindevertrctunqs-- sitzung im Konfiimandenzimmer. 8 Uhr Vesper in der Stadlkirche: Erna Handke (Orgel), Hellmut Paul (Bariton), Werke von Bach Schubert, Reger. '/JO Uhr Vorbereitung für den Kinvergottesdienst — Sonntag, den 26. Februar, Jnvocavit: >/,9 Uhr (Abendmahl. 9 Uhr PrcdigtgottcSdienst (Hebr. 4,14-16), Pfarrer Rü- drger, Lieder Nr.: 73, 93, 84, Sprüche Nr.: 33, 30. Udr In- gendbund für E C. 5 Uhr Passionsgottredienst (Luk. 23, 34) — an schließend AblndmohlLfeicr, Pfarrer Schulze. - Dienstag, den 28. Februar: 5 Uhr Großmütterchenvercin. 8 Uhr Frauenverein PuISnitz ,m Konfiimandenzimmer. — Mittwoch, den 29. Februar, Bußtag: Abends 8 Uhr Predigtgottesdienst (Joh. 6,67-69) an. schließend Abcndmahlsfeler, Pfairer Schulze, - Kollekte sür innere Mission. — 8 Uhr Jungmännerverein, beteiligt sich am Bußtags- gottesdienst. — Vom 27.-2S. Februar: Abends 8 Uhr in lande«, knchl. Gemeinschaft Bibelstnnden durch Jnsp. Brück, Chemnitz. Ohorn , Freitag, den 24. Februar: Fungfrauenverein beteiligt sich an der Vesper, Treffen '/.8 Uhr bei Schwester Hildegard. — Sonn, tag, den 26. Februar: 2 Uhr Taufen und Kindergottesdienst — Mürz: Uhr Altenvereinigung „Oberdorf" fräuenvereü^ Kammer. — Freitag, den 2. März: 8 Uhr Jung. laubSfrage. Die Werbung für da- Deutsche Turnfest setzt in den Vereinen jetzt erst mit aller Kraft ein. Man darf auf die Meldung von zwei Drittel aller sächsischen Turnvereine mit ziemlicher Gewißheit rechnen, sodaß noch über 100 Vereine ihre Meldung abgeben werden. Aus dieser Berechnung heraus werden wahrscheinlich 25 000 — 28 000 Sachsenturner in Köln die weiß grünen Farben des Sachsenlandes ver treten. Nach Fertigstellung der genauen Meldeliste werden sofort die endgültigen Zahlen bekanntgegeben. Professtooalboxkämpfe i« Dresden. Am 1. März finden bekanntlich hier im städtischen Ausstellungspaiast Profesfionalboxkämpfe statt. Da« Programm steht nun endgültig fest. In der Hauptnummer begegnen sich über 15 Runden mit 4 Unzenhandschuhen und harten Bandagen der deutsche Fliegengewichts meister Harry Stein und sein Herausforderer Erich Kohler. Von besonderem Interesse in Dresden ist das Treffen zwischen dem deutschen Exmittelg wichtsmeister Adolf Wiegert und dem einheimischen Lokalmatador Paul Richter, der gut 10 Pfund Gewicht an seinen Gegner abgeben muß. Distanz 10 Run den und 5 Unzenhandschuhe. In dem Hamborner Walter Taumel sehen wir ferner einen vielversprechenden Schwergewichtler gegen Ruder- stein, Bonn und al- 4. Paar Fischer, Köln und Heinisch, Mühlhausen. De» Eurohametfte» vom B. S. C. 3:5 geschlagen. Di« Schweden versuchten bei dem Eishockeykampf im Berliner Sportpalast mit Gewalt den Ausgleich zu erzwingen, doch waren st, rettungslos geschlagen, als es Berlin gelang, durch Jaenecke «in 5. Tor zu erzielen. Beim Stande 5:3 blieb es dann bis zum Schluß de« Spiele». Breslauer Sechstage. Stand des Rennens am Mittwoch: 1. Girardengo-Rieger 549, 2. van Kempen-Knappe 478, 3. Suter- Richli 225, 4. Ehmer-Kroschel 221, 5. Binda-Tieß 155, 6. Wambst- Lacquehay 85. Eine Runde zurück: 7. Grimm-Junge 106, 8. Dewolf-Stockelnyck SO, S. Hürtgen-Rausch 52. Börse und Handel. Amtliche sächsische Notierungen vom 22. Februar 1928 Dresden. Da die Berliner Börse starke Abschwächungen zeigte, reagierte auch die Dresdener Börse ausgesprochen flau. Die Umsätze waren wie an den Vortagen gering. Kursver luste hatten: Vereinigte Strohstoff 6, Jnduftriewerk Plauen 5,5, Darmstädter Bank 4,75, Kunstanstalt May und Zwickauer Kammgarn 4 Prozent. Verluste von 3—3,5 Prozent hatten Bergmann, Dresdener Bank, Krause u Baumann und Poly phon. 2,25—2,75 Prozent niedriger notierte man Chemische Heyden, Commerzbank, Braubank, Schubert u. Salzer, Glas fabrik Brockwitz, Felsenkeller und Erste Kulmbacher Brauerei. Abstriche von 2 Prozent verzeichneten Radeberger Brauerei und Reichelbräu, Deutsche Jute, Wanderer sowie Seidel und Raumann. Das Gros der Aktien lag 1—1,5 Prozent unter dem Vortagsniveau. Es waren auch einzelne Erhöhungen zu verzeichnen. Erwähnt seien Paaschen 5, Escher 3,5, Vereinigte Zünder 2,75, Plauener Spitzen 2,5 Prozent. 1—2 Prozent höher notierte man fernerhin Aktienfärberei Münchsberg, Düngerhandel, Rockstroh, Großenhainer Webstuhl und Wald- schlößchen. Leipzig. Die Kursbewegung war uneinheitlich, die meisten Werte büßten mehrere Prozent ein. Am stärksten ge drückt waren Bankwerte. Hier verloren Darmstädter Bank 4, ^Berliner Handelsgesellschaft 3, mehrere andere Banken 2 Proz. Ferner notierte man Stöhr 3,25 Prozent niedriger, desgleichen Polyphon. Abstriche verzeichneten außerdem Norddeutscher Lloyd 3, Norddeutsche Wolle 2,25, Papierfabrik Chromo 2, Leipziger Baumwollspinnerei 2 Prozent. Zahlreiche andere Werte gingen um 1—1,5 Prozent zurück. Chemnitz. An der hiesigen Börse herrschte Geschäftsstille. Di« Kurse gaben etwas nach, Gewinne waren vereinzelt. Im Freiverkehr belebte sich das Geschäft etwas. Verluste erlitten vor allem: David Richter 3F, Chemnitzer Aktienspinnerei s Prozent. 1 franz. Franc 0,16^ Rm., 1 Belga OM Rm., 1 Lira VM Rm., 1 Zloty 0,47 Rm. Effektenmarkt. Heimische Renten durchweg schwächer. Ausläu- dische Renten eher schwächer bei kleinem Geschäft. Ver kehrswerte: Verkehrswesen ca. 3 Prozent schwächer. Canada V5,12. Schiffahrtsaktie»: Hapag und Lloyd schwankend und schwächer. Bankwerte verloren 2—3 Prozent. Mon tanwerte verloren 1—3 Prozent. I. G. Farbenindu st rie büßten 3M Prozent ein. Elektropapiere besonders ge druckt. Maschinen- und Metallwerte: Hartmann ge sucht 26P7. Glanz st offwert« durchweg fester. Papier- und gell stoffwerte: Aschaffenburger 4 Prozent rückläufig, Waldhof vorübergehend stärker angeboten, zum Schluß etwa» erholt. Bier-Spritaktien still. Amtliche Notierung der Mittagsbörse ab Station. Mehl und Kleie brutto, einschl. Sack frei Berlin. Berliner Börse Vs« Mittwoch. Mit Ausnahme der Glanzstoffpapier« lag di« gesamte Börse ausgesprochen schwach. Die Rückgänge aus den übrigen Märkten führt» man auf den Konflikt i» der Metallindustrie zurück, wenn- gleich die drohende Aussperrung zunächst vermieden worden ist. Wild- und Geflügelpreise. Wild- und Wild- geflügel: per >4 Kilogramm Damwild 0,70—0,75, Rotwild 0,65—0,70, Frischlinge 0,68—0,75, Kaninchen, wilde, große, Stück ' — — Geschlachtetes Geflügel: Hühner, hiesige Suppen-, la per 14 Kilogramm 1—1,10, do. Ila OM—0,90, Hähne, alte 0,70-0,80, Poulets 1» 1M—1,28. do. Hs 0,80—1, Tauben, junge, per Stück 1,20—1M, do. alte 0,78—OM, Gänse, gemästet, 1s, per >4 Kilogramm 0,90—1, do. II» 0,78—OM, Enten, gemästet, Is 1,15—1,28, do. IIs 0,88—1, Puten, Hähne, junge 1—1,05, do. Hennen 1,10—1,15. Die Preise sind di« amt lichen Berliner Markthallenpreise einschließlich Fracht, Spesen und Provision. Unsere drei Fragen Was der Zeitungsleser wissen muß! —:— Frage: Vor kurzem wurde fast ganz Europa von einer außerordentlichen Kältewelle heimgejucht. Welches sind die niedrigsten Temperaturen, welche auf unserer Erde ge messen wurden? Antwort: Die niedrigste bisher beobachtete Temperatur wurde in der Stadt Werchojanss im nordöstl. Sibirien mit 69,8 Grad Celsius unter Null festgestellt. In Grönland, Sibi- rien und dem nördl. Kanada sind Temperaturen von 40 bi» S5 Grad unt«r Null keine Seltenheit. So wurden im vergan genen Dezember aus Jakutsk in Sibirien minus 52 und aus dem beträchtlich südlicher gelegenen Winnipeg in Nordamerika sogar minus 55 Grad C. gemeldet. Im ilahre 1893 zeigte da» Thermometer in der schwedischen Provinz Nörrland minus 60 Grad. Dasselbe Jahr brachte auch für Mitte «ropa die niedrigsten Temperaturen. In Maggrebowa (Maf ien) wur den z. B. minus 36,5 Grad C. beobachtet. Amtlicher Berliner Schlachtviehmarkt. Rinder 1277, darunter Ochsen 218, Bullen 387, Kühe und Färsen 702, Kälber 2838, Schafe 3763, Schweine 16 617, zum Schlachthof direkt seit letztem Viehmarkt 2803, Auslandsschweine 887. Ver lauf: bei Rindern, Kälbern und Schafen ziemlich glatt, bei Schweinen ruhig. Preise: Ochsen: a1) 60—61, a2) —, l>1) 53 bis 57, b2) —, c) 47—50, d) 38—46; Bullen: a) 55—56, b) 51—53, c) 48-50, d) 44—46, Kühe: a) 44—45, b) 33—41, c) 25—29, d) 20 bi» 22; Färsen: a) 55—58, b) 48-56, c) 40—45; Fresser: 37—48; Kälber: a) —, b) 75—81, c) 65—70, d) 45-55; Schafe: a1) —, a2) 62—66, b1) 54—60, b2) 53—57, e) 46—62, d) 30—88; Schweine: a) 58, b) 57, c) 54—56, d) 52—54, e) 48—60, f) —; Brüssel 414, Italien 7, Kopenhagen 6, London 414, Madrid ü, Oslo 5. Pari» 814. Prag 6, Schweiz >14, Stockholm >14, Wien S. Devisen Reichsmark, 22. Februar 21. Februar GeW Brief Geld Brief Hi. wt. M Slew Port ., 1 r 4,1846 4,1925 4,1846 4^925 London.... 1 L 20,408 20,448 20,409 20,449 Amsterdam . 100 GW. 168,36 168,70 168,36 168,70 Kopenhagen . 100 Kron. 112,12 112,84 112,09 112,31 Stockholm , , 100 Kron. 112,32 112,54 112,29 112,51 Oslo 100 Kron. 111,40 111,62 111,38 111,60 Italien .... 100 Lire 22,18 22,22 22,17 22,22 Schwei» ,,. 100 Frc». 80,52 80,68 80,51 80,67 Pari» . , , . , 100 Frc». 16,455 16,495 16,45 16,49 Brüssel .... 100 Belga 58,26 58,38 58,22 58,34 Prag ..... 100 Kron. 12,401 12,421 12,401 12,421 Wien 100 Schill. 58,96 6SM 58,93 59,05 Spanien . . . 100 Peset. 70,98 71,12 70,99 71,13 IM t, 2 2. 2. 21. 2 Mehl 70 22. 2. 21. 2. Weiz? Weizen 29.75-34.2 29.75-34.2 mark. 23IV234.° 231?-234? Roggen 31.0-34.25 31.0-34.25 März Mai 262.°-262.° 261.°-263? Weizenkleie 15.50 15.80 273. "-272.° 272.°-273? Roggenkleie 16.30-15.4 15.30 Juli 276.°-275? 275.0-276.° Raps (1000 kg) —— —- Rogg. mrk.^ März Mai Juli Leinsaat (do.) — — 236?-L39? 202?-262? 268? 267.° 235.".239.° 262.° 263.° 268?-269.° 258?-258? Erbsen, Viktoria Kl.Speiseerbsen Futtererbsen . Peluschken. . Ackerbohnen 47.0-56.0 34.0-36.0 25.0-27.0 20.0-20.5 20.5-21.5 47.0-55.0 34.0-36.0 26.0-27.0 20.0-20.5 20.5-21.5 Gerst« Wicken . . 21.0-23.0 21.0-23.0 Som. 221 ."-275.° 221.0-275." Lupinen, blau I4.-14.7S 14.0-14.76 Wint. behauptet — - gelb 16.2516. 15.2-16.0 Hafer Eeradella. . 20.0-23.0 20.0-23.0 miirk. 211.°-222.° 211.0-L22 " Rapskuchen 19.5-19.6 19.55-19.6 März 232.°-231.' 232. "-232? Leinkuchen. . 22.4-22.6 22.2-22.4 Mai 244.°-244.° 244.° Trockenschnitzel 12.6-12 7 12.8-12.9 Juli — 246? Soya-Extra- Mats Schrot 21.4-21.9 21.2-21L Berlin 222. "-224° 221?-223? Kartoffelflocken 23.3-23.7 23.3-28.7 Mag auch die Liebe weinen ... Roman von Fr. Lehne. 87. Fortsetzung. (Nachdruck verboten.) „Erich, er war ja euer Baier! Das habe ich — leider — nie vergessen können! Und als das Schreck liche über ihn hereinbrach, da dachte ich, er hätte in dir und Lore Ersatz für seine beiden ihm so jäh da hingerafften Kinder gesunden. Doch du wolltest ja nichts davon wissen! Um dich, mein Erich, würde ich ibm alles vergeben; wenn er dir den Weg zu bei- nem Glück ebnete — — ich könnte ihn sogar darum bitten." Er sprang auf.. Das hatte er doch nicht erwartet. „Mutter, ist das dein Ernst?" Sie nickte. „Und wenn ich dich nun beim Wort Halle — um Juttas willen?" „Ich würde selbst gehen, für die zu bitten, falls du es wünschest! — Und Jutta soll für ihre Liebe zu dir belohnt werden. Tein Vater muß dir — schon ihretwegen — eine dir zukommende Stellung einräu men! Du bist dem lieben Mädchen schuldig zu tun, was in deinen Kräften steht, damit ihr Opfer überflüs- sig wird." „Mutter, ich danke dir für dieses Wort. Doch sprich noch nicht zu ihr davon, ehe nicht Klarheit zwischen uns und den Allwördens ist!" Er faßte die beiden Hände seiner Mutter und sah lies und forschend in ihre Augen. „Mutter, und wenn ich dir nun sage, daß unser Vater uns sucht, daß er deiner in Sehnsucht gedenkt Sie verbarg das Gesicht in ihren Händen und wandle sich ab. Ach, das wußte sie ja schon! Und dann legte Erich den Brief, den ihm Rüdiger gegeben, vor sie hin. „Mutter, lies das hier," sagte er weich. In stiller Nacht las Frau Maria nochmals da- Bekeuulnis ihres Gatten, las von seiner Sehnsucht und seiner nie versiegten Liebe. Und die Eisrinde ihres Herzens begann zu schmelzen — sie legte das Gesicht auf den Tisch und weinte bitterlich. Erich ging hinaus. Das mußte die Mutter mit sich allein abmachen . . . Er stand draußen und blickte hinauf nach dem klei nen Giebelfenster, das ein schwaches Licht zu ihm herabsandte. Und das schwache Licht wurde ihm zu einer großen strahlenden Sonne, vor der er geblendet die Augen schließen mußie. Sehnsüchtig streckte er die Arme aus. „Jutta, mein Lieb, mein Alles," flüsterte er. Lange stand er so; als er wieder hineinging, fand er die Mutter noch in der gleichen Stellung, wie er sie verlassen, doch die Tränen, die sie jetzt weinte, wa ren erlösende Tränen. Er legte seine Hand auf ihr weißes Haupt und beugte sich zu ihr nieder. „Mutter! Hat er vergebens gesühnt? Darf unser Vater zu uns kommen?" fragte er. Unter Tränen lächelnd, sah sie ihn an. „Ja, Erich, er soll kommen, um dich glücklich zu machen." „Darum, Mutter? Nur darum?" „Nein, auch um mich und um seiner selbst willen! Er soll in seinen letzten Jahren nicht mehr einsam sein!" entgegnete sie leise, und mit einem schüchternen Lächeln: „Ich wußte es ja schon, Erich — den Bries habe ich schon gelesen." Da küßte er sie auf die Stirn. Und ging wieder hinaus. Für sein übervolles Herz war es drinnen zu eng, und er wanderte durch den geliebten Forst, bis die Morgendämmerung begann, bis es im Osten rcstg erglühte und strahlend die Sonne ausging. Dann ging er froh heim. — — Und kaum eine Stunde später hielt ein geschlossener Wagen vor der Försterei. Mit verweintem Gesicht stieg die alte Ernestine aus, die einst bei Jutta Kinderfrau gewesen und aus Anhänglichkeit geblieben war. „Wo ist — wo ist?" Ihre Lippen versagten. „Sie wollen zu Fräulein Jutta? Ich werde Tie hinausbegleiten; Sie schlaft noch,- .... Frau Berger öffnete die Tür zu dem Giebelzim- merchen. Lore lag angekleider auf dem kleinen Sofa. Die Morgensonne beleuchtete die beiden jugendschönen Schläferinnen, die durch das leise Geräusch erwachten. Jutta schreckte auf und sah sich verwundert um. Sie mußte sich erst besinnen, wo sie sich befand — das war doch nicht ihr hübsches Mädchenstübchen mit den weißlackierten Möbeln und den bunten Cretonnevor- hängen. Nun kam ihr auch die Erinnerung an das Vorgefallene. Heute sollte doch ihr Hochzeitstag sein! „Ernestine!" ries sie und streckte die Arme aus. „Mein Mäuschen! Mein Täubchen!" schluchzte die A"e„Du sollst mich wohl holen?" Trübe schüttelte sie den Kops. „Nein, mein Täubchen! Aber fortbringen soll ich dich — zur Frau Pastor Lohfing nach Breckewitz. Und dort sollst du bleiben, bis —" „Nein, ich lasse mich nicht von Erich trennen," ries sie aufgeregt. „Das wollen sie auch gar nicht mehr! Du kannst ihn ruhig heiraten, hat der Herr Oberförster gesagt; ibm sei alles gleich, wo wir doch einmal in der Leute Mund sind! — Aber hier bleiben kannst du doch nicht, das mußr du einsehen." „Ernestine hat wohl recht, Jutta," meinte Lore, „um deiner selbst willen darfst du nicht hier bleiben! Ich begleite dich." „Und Mama?" fragte Jutta fast unhörbar. „Ach, mein Herzchen!" jammerte die Alte, „die Mama ist krank von der Aufregung — und der Herr Vater, der redet gar nichts mehr. Einmal hat er gesagt, eine Kugel, das wäre das Beste. Jeder geht ihm aus dem Wege! In der Nacht habe ich mit den Mädchen den Tisch wieder abgedeckt, und wir haben den Saal hergerichtet, wie er war, haben die Kränze und den Blumenschmuck wieder entfernt . . . Juttachen, was hast du denn auch getan! Der Jammer zu Hause! Und denke an die Hochzeitsgäste." (F. f>