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MtsntherZa-ebla Sonnabend, 4. Februar 1S28 Das Verfahren vor dem Arbeitsgericht Dresden, 1. Februar Uebcr das Verfahren vor den Ar beitsgerichten herrscht, wie immer wieder vorkommende Fälle zeigen, noch große Unklarheit. Die Arbeitsgerichte find als selbständige Denchte!m allgemeinen für den Bezirk eines Amtsgerichts einge richtet, wobei aber nicht ausgeschlossen ist, daß im Ausnahmesalle auch mehrere Amlsgerichtsbezirke zusammengesaßt werden. Besetzt werden fie von einem ordentlichen Richter als Vorsitzendem und je einem Beisitzer aus Arbeitgeber und Drbeilnehmerkreisen. Für we Streitigkeiten der Angestellten und Arbeiter bestehen getrennte Kammern. Das Beifitzeramt ist ein Ehrenamt, doch erhalten die Beisitzer für Verdienftaussall, Fahrkosten usw eine angemessene Vergütung. Sie werden je zur Hälfte aus den Kreisen der Ar beitgeber und Arbeitnehmer entnommen und können Männer und Frauen sein, die das 25. Lebensjahr vollendet haben und deutsche Reichsangehörige find. Ablchnen dürsen fie die Berufung, die immer aus 3 Jahre ersolgt, nur unter bestimmten Bedingungen. Bei unentschuldigtem Fehlen oder verspätetem Erscheinen können die Beisitzer mit Ordnungsstrafen belegt werden. Als Prozeßvertreter beim Arbeitsgericht find zugelassen Mit glieder und Angestellte wirtschaftlicher Vereinigungen von Arbeit gebern und Arbeitnehmern, die zur Vertretung befugt find, dagegen nicht Rechtsanwälte oder Personen, die das Verhandeln vor Ge richt geschäftsmäßig betreiben. Vor dem Reichsarbeitsgericht da gegen besteht Anwaltszwang; die Vertretung kann j der bei einem deutschen Gericht zugelassene Rechtsanwalt übernehmen. Bei den Versahren vor den Arbeitsgerichten ist zwischen dem Urteilroersahcen sirr bürgerliche Rechtsstreitigkeiten und dem Beschluß- versahren sür Streitigkeiten aus Grund des Betriebsrätegcsetze» zu unterscheiden Für das erstere gelten im allgemeinen die Vor schriften der ZPO. Die Klagen find schriftlich beim Arbeitsgericht oder protokollarisch bei der Geschäftsstelle vorzubringen. Die be klagte Partei muß, wofern fie am Sitz des Arbeitsgerichtes wohnt, Klage und Ladung spätestens 2 Tage vor dem Termin in Händen haben. Jedoch können an ordentlichen Gerichtstagen auch ohne Ladung beide Parteien vor dem Arbeitsgericht zum Verhandeln erscheinen Der Richter kann jederzeit das persönliche Erscheinen der Parteien anordnen. Die Zustellung von Urteilen ersolgt von Amts wegen. Bei der Verhandlung selbst hat der Vorfitzende zu versuchen, eine gütliche Einigung der Parteien herbeizusühren; miß ltngt dieser Versuch, oder erscheint ein« oder beide Parteien zu dieser Güteverhandlung nicht, so schließt sich die weitere Verhand lung- sogleich an, resp wird bei Nichterscheinen beider Parteien Termin anberaumt. Einspruch gegen ein Versäumnisurteil kann innerhalb von 3 Tagen nach Zustellung schriftlich oder zu Protokoll ersolgen Im allgemeinen find Urteile, gegen die Einspruch oder Berufung zulässig ist, vorläufig vollstreckbar, doch kann diese Voll streckbarkeit, falls der Beklagte dadurch zu stark geschädigt wurde, im Urteil ausschließen. Das Beschlußverfahrrn wird auf schriftlichen Antrag beim Arbeitsgericht oder protokollarischen bei der Geschäftsstelle hin ein geleitet. Arbeitgeber, Arbeitnehmer und Betriedsvertretungen, die iui einzelnen Falle beseitigt sind, find zu hören, und das Gericht beschließt nach Anhörung der Beteiligten (verweigert einer der Be teiligten die Aussage oder fehlt unentschuldigt, so ist der Pflicht der Anhörung doch genügt) nach freier Ueberzugung. — Die Berufung gegen Urteile der Arbeitsgerichte ist bei den Landesarbeitsgerichtcn, Revision der Urteile der Landcsarbeitsgertchte bei dem Reichsar beitsgericht vorzudringcn; sür beide Fälle gilt eine Frist oon zwei Wochen sür Berusung und Begründung. Da» Landesardeitsgertcht ist hierbei zuständig, wenn der Streitwert 300 Mark übersteigt, das Retchsarbcitsgericht bei einem Streitwert von mehr als 4000 Mk. Bei dem letzten Streitwert kann unter Uebcrgehung des Berusungs- verfahrens bet Einwilligung des Gegners sogleich die Revision beim Rcichsarbeitsgericht eingelegt werden; diese sofortige Enlichei düng durch das Reichsarbeitsgericht kann auch im Interesse der Allgemeinheit vom Retchsarbeitsmtnister angeordnet werden. — Die Gebühren vor den Arbeitsgerichten betragen bei einem vom Gericht festgesetzten Streitwert bis zu 20 M einschl. 1 M, von über 20 60IM einschl 2 M, oon über 60-100 M einschl. 3 M, sür jede weiteren angesangenen 100 M Streitwert je 3 M In den höheren Instanzen wirb die Gebühr nach dem Gerichtskoftengesctz berechnet. In Fällen, wo es sich um Slreitigkeitee aus dem Bc« triebrrätegejeg hand.lt, werden keine Gebühren erhoben. Kosten- 1. Beilage zu Nr 3V Vorschüsse und Schreibgebühren werden nicht erhoben. Vergleiche sind stempelsrei. Anspruch aus Entschädigung für dis obsiegende Partei für Zeitoersäumnis, Prozeßbeoollmächttgte usw. besteht nicht. Gemeindekammer Dresden, 1. Februar. Die Gemcindekammer hat am 21. und 27. Januar 1928 ihre 29. Sitzung abgehalten. Abgesehen hon einer großen Anzahl von Fällen, in denen wieder Meinungsverschiedenheiten zwischen Gemeindeverordneten und Gemeinderat über die Höhe der Zu schlagssteuern zur Gewerbe« und Grundsteuer entschieden werden mußten, sind insbesondere folgende Fälle zu erwähnen: In einer Mittelstadt hatten die Stadtverordneten beschlossen, die Friedhofsgebühren zu erhöhen. Bei der Feststellung des Haushalt- planes haben sie es jedoch abgelehnt, die infolge dieses Beschlusses vom Stadtrat vorgeschlayenen erhöhten Ansätze zu genehmigen. Bei dieser Sachlage hat die Gemeindekammer die sehlende Zustimmung der Stadt verordneten ersetzt. In einer kleineren Stadt hatte die Beschlußbehörde die Geneh migung zu einem Ortsgcsetze über die Neueiuführung der kommunalen Totenbestattung wegen mangelnder Deckung versagt. Die Gemeinde kammer hat sich mit Rücksicht aus die sehr ungünstige finanzielle Lage der Stadt der Auffassung der Beschlußbehörde angeschlossen. Nach 8 49 der Gemeindeordnung sind die Gemeindeverordneten grundsätzlich in ihrer Entschließung darüber frei, weiche Beratungs gegenstände sie in die nichtöffentliche Sitzung verweisen wollen. Die Gemeindekammer hat aber zum Ausdruck gebracht, daß nach dem Sinne dieser Gesctzesvorschrift nur solche Beratungsgegenstände in die nicht öffentliche Sitzung verwiesen werden sollen, bei denen dies nach der Lage der Sache unbedingt notwendig ist In einer Großstadt sollen die Fürsorgeunterstützungssätze mit Wirkung vom 1. Oktober 1927 ab erhöht werden. Mil Rücksicht auf den dadurch und durch andere Maßnahmen entstehenden Mehraufwand hat die Gemcindekammer entsprechend den Beschlüssen des Einigungs ausschusses entschieden, daß die Zuschlagssteuern zur Grund- und Ge werbesteuer im 2 Rechnungshaldjahr 1927/1928 nach 150 v. H. der Staatsstcuern zu erheben sind, und daß die Tarife der städtischen Werke einen einmaligen Erhöhungszujchlag zu einem Einhebungslcrmin in Höhe von 10 v. H. vornehmen können. Meinungsverschiedenheiten zwischen Gemeinderat und Gemeinde- verordneten über die Lernmittelfreiheit 'ür den Religionsunterricht ent scheidet nicht die Gemcindekammer im B rfahren nach ß 34 Abs. 3 der Gemeindeordnung. Zur Entscheidung hierüber ist vielmehr das Mini sterium für Volksbildung zuständig, da cs sich um eine Mcinungs- verschiedenheitbeider Ausstellung des HaushaltplancS für die Schule handelt. Der Antrag eines Stadtrates, die fehlende Zustimmung der Stadtverordneten zur Einführung der Bi rsteuer zn ersetzen, mußte ab gelehnt werden, da die hierfür erforderliche Voraussetzung, daß Steuersen kungen aus anderen Gebieten vorgenommen worden sind, nicht erfüllt war. Die Uebernahme von Straßenbauaufwand durch die Bezirks- Verbände im Sinne von Z 146 Ahs. 2 der Gemeindeverordnung hat zur Voraussetzung, daß die Gcmeindcstratze, für di« die Gemeinde die Ge währung einer Beihilfe vom Bezirksverbande fordert, als eine öffent liche, dem Durchgangsverkehr dienende Straße anzusehen ist. Diese Feststellung ist vom Bezirksausschuß zu treffen. Die Gemeindekammer hat sich dafür ausgesprochen, daß der nicht berufsmäßige Bürgermeister einer kleinen benachbarten Gemeinde die Bürgermeistergeschäfte beider Gemeinden erledigt, um aus diese Weise die Vereinigung der beiden Gemeinden zu beschleunigen. Der Austritt zweier Gemeinden aus einem Zweckverbande (Z 166 Abs. 1 der Gemeindeverordnung) ist von der Gemcindekammer versagt worden, da dieser Austritt die Lebensfähigkeit des Zwcckoerban« des gefährdet hätte. In zwei Fällen war in dem nach Z 34 Abs. 3 der Gemeinde verordnung eingesetzten Einigungsausschuß ein Einigungsvorschlag uicht zustandegekommen. In der gemeinschaftlichen S tzung der städtischen Körperschaften hatte sich niemand zum Wort gemeldet. Eine Beratung und Abstimmung hatte nicht stattgefunden; es war vielmehr nur die mangelnde Emigung festgestellt worden. Das Verfahren wurde als eine hinreichende Erfüllung del genannte» Gesetzesvorschrist angesehen. 8V„ Jahrsemy ' u»!' »>— Ein Gparerlaß der Regierung. Das Ministerium des Innern, das Arbeits- und Wohlfahrtsministerium und das Wirtschaftsministerium erlassen folgende Verordnung: „Die Behördenvorstände werden erneut angewiesen, sowohl den Geschäftsgang wie den Abfertigungsdienst darauf zu prüfen, daß alle mit der Art der postalischen Abfertigung zusammenhängenden ent behrlichen Ausgaben vermieden werden. Insbesondere sind, wo Zusertigung von einer Postkarte unbedenk lich und zweckentsprechend ist, statt brieflicher Schreiben Postkarten zu verwenden; auch sind mecha nische Vervielfältigungen, soweit sie nicht Schriftstücke ver traulichen Inhalts, z. B. zur Aussprache zugefertigte Ver ordnungsentwürfe, betreffen, stets alsDrucksachen zu versenden." Für Erhaltung der Kreishauptmannschast Bautzen. Der hiesige Stadtrat hat in Form einer Kundgebung der Oberlausitz zu den Schieckschen Vorschlägen an den Landtag und die Staatsregierung eine Eingabe ge richtet, in der gegen die Einziehung der Kreishauptmann schaft Bautzen Stellung genommen wird. In ihr heißt es, daß man auch in der Oberlausitz bestrebt sei, den Verwal- tungsapparat so einfach wie möglich zu gestatten, auch wenn dadurch die Interessen der Oberlaufitz bzw. der Stadt Bautzen berührt würden, wenn nur damit eine wesentliche Ersparnis der Verwaltungskosten erreicht werde. Durch die Einziehung der Kreishauptmannschast Bautzen und ihre Verlegung nach Dresden würde jedoch ein Abfließen des oberlausitzer Wirtschaftslebens in Rich tung Dresden nicht ausbleiben. Ersparnisse an Besoldung seien etwas illusorisch und es liege sicher nicht im Sinne einer volkswirtschaftlichen Einsparung, wenn der Staat weniger Ausgaben habe, dadurch aber die Bevölkerung mehr belastet werde. Die Eingabe weist ferner darauf hin, daß die Ober lausitz in ihrer Eigenschaft als Grenzgebiet stolz darauf sei, die Interessen des Deutschtums hier ver treten zu können. Zum Schluß wird die Staatsregierung gebeten, durch eingehende Klarstellung aller Verhältnisse, insbesondere der Höhe der zu erhoffenden Ersparnisse, sich von der Richtigkeit der in der Eingabe zum Ausdruck kom menden Gedankengänge zu überzeugen. Der Eingabe hat sich eine ganze Reihe von Städten, Gemeinden, Bezirksverbänden, Körperschaften und Ver einen der Oberlausitz angeschlossen. Oie ISOOOO-Marl-Spende für Bautzen. Eine Spende von 150 000 Mark hatte das Reich der Stadt Bautzen für den Erweiterungsbau des Bautzener Stadtmuseums zur Verfügung gestellt. Es ergeben sich aber jetzt Schwierigkeiten, da von verschiedenen Seiten versucht wird, diese Mittel wenigstens teilweise zu Woh nungsbauten zu verwenden. Das wird aber nicht zugegeben. Auch muß die Spende vor Ablauf eines Jahres verwendet sein. Da bereits ein halbes Jahr ver gangen ist, könnte die Spende der Stadt verloren gehen. Die 150 000 Mark reichen zu einem zeitgemäßen Erweite- rungsbau des Stadtmuseums nicht aus, so daß die Stadt noch Gelder aus eigenen Mitteln wird bewilligen müssen. Haltet Md lest das Pulsnitzer Tageblatt! Oie Weltreise -es Kreuzers „Berlin". Originalberichte für unsere Zeitung. Von Marineoberzahlmeister Hermann Schmidt. Orientalische Genüsse. — Uebelriechende Gassen. — i „Fußfreie" Frauen. — Ein Hochzeitszug. — Oeffent- liche Schreiber für Liebesbriefe u. a. — Urväterliche Droschken neben modernen Automobilen. Port Said, Mitte Januar. Planmäßig traf „Berlin" am 8. Januar in Port Said ein. Trotz des Sonntags wird hier überall gearbeitet. In Port Said kennt man, was Arbeit anbetrifft, keinen Unter schied zwischen Wochen- und Feiertag, nicht einmal einen solchen zwischen Tag und Nacht. Die Stadt, erst 1860 wäh rend des Kanalbaus gegründet, ist schnell emporgeblüht und hat als Handelplatz inzwischen Suez weit überflügelt, Alexandrien bald erreicht. Asiens und Afrikas Küste liegt flach und sandig ohne jede Erhebung vor uns. Schon beim ersten Landgang merkt man, daß man in einer orienta - lischen Stadt ist, nicht nur am Bau und Aussehen der Straßen, sondern auch an den zahllosen Straßenhändlern, die sofort auf uns losstürzen, um uns ihre Ware aufzudrän gen oder um uns an Orte zu führen, wo wir orientalische Genüsse" finden sollen. Nur schwer sind die Händler abzu schütteln, die uns mit ihrem „Landsmann" /vielen Dank für diese Landsmannschaft) auf die Nerven fallen. Die Straßen um den Hafen sind in gutem Zustande. Je weiter wir aber in die Stadt vordringen, desto trostloser wird es. Enge, schmutzige Gäßchen ohne Pflaster, mit übel riechenden Pfützen und voller Unrat nehmen uns auf. Häuschen, buchstäblich aus Kisten brettern zu- samme n g e s ch l a gen, sind nicht selten; windschief und morsch hängen sie Uber das Gäßchen, sie scheinen nur noch durch den klebrigen Schmutz zusammengehalten zu werden. In den Gassen ein reges Treiben. Weiße sind kaum zu sehen, nur Farbige in allen Schattierungen, zum Teil in malerischen Trachten, meistens aber in schmutzigen, nachi- hemdenähnlichen Kitteln in allen Farben. Die Frauen tragen faltige Gewänder aus dunklen Stoffen; sie sind fall aus nahmslos dicht verschleiert, nur die Augen, getrennt durch ein gelbes Holz, das die Nase bedeckt, blitzen aus dem Augen- spalt hervor. Aber auch hier machen die Frauen der herr schenden Mode ein Zugeständnis, auch hier gehen sie fußfrei, wenn auch nicht ganz so hochgeschürzt wie bei uns daheim. Kein Mensch kümmert sich um uns in den Eingeborenen vierteln; höchstens, daß ein drei- bis fünfjähriger brauner oder schwarzer Knirps uns um eine Zigarette anbettelt, die er dann kunstgerecht raucht. Zufällig treffen wir in einer breiteren Straße einen Hochzeitszug. Voran marschiert eine starke Kapelle, die mit ihren grellen Instrumenten einen Riesenspektakel macht, ihr folgt ein dichtverhangenes Auto, in dem das Brautpaar zu sitzen scheint, und dann kommen zahlreiche Droschken und Autos, übermäßig besetzt in erster Linie mit Frauen und Kindern, alle jubelnd. Auffallend für uns sind die vielen Schreiber, die mit ihren kleinen Tischchen an den belebteren Straßenecken sitzen, u»d die den unzähligen schreibunkundigen Leuten gegen ge ringes Entgelt ihre Korrespondenz führen. Da sitzt einer, über ihn gebeugt ein Greis mit kummervollem Gesicht, der den: Schreiber irgendeine Hiobsnachricht diktiert, dort diktiert ein anderer mit schlauem Augenzwinkern einen Brief, dessen Endzweck zu sein scheint, den Empfänger übers Ohr zu hauen, und dort flüstert ein junger, schlanker Araber dem greisen Schreiber anscheinend Liebesworte ins Ohr, die er der fernen Geliebten übermitteln soll. Als Beförderungsmittel dienen neben Autos und mo- deinen Autobussen urväterliche Droschken und noch ältere Pferdebahnen, deren abgetriebene Pferdchen den schweren Wagen kaum in Bewegung setzen können. Die Eingeborenen bedienen sich vielfach des Esels. Wenn man die kleinen mageren Tiere sieht, meint man, sie könnten kaum ein Kind tragen, und da trabt so ein kleines Grautier, ohne An strengung zu zeigen, vorüber, auf dessen Rücken drei er wachsene Personen hocken, die kaum auf dem kurzen Rücken Platz finden. Trotz des Interessanten, das uns in den Ein geborenenvierteln auf Schritt und Tritt begegnet, sind wir doch froh, daß wir an den Strand gelangen, und damit heraus aus dem Schmutz, der Enge und dem Gestank. Hier am Strand ist das Bild ganz verändert. Auf gut gepflegten Straßen wandern wir dahin zwischen großen Hotels und netten Villen. Port Said bildet sich in letzter Zeit mit seinem schönen Strand zum Badeort aus, der schon jetzt viel besucht sein soll. Am Morgen des nächsten Tages werde ich geweckt durch ein Geschnatter vor den Bullaugen zu meiner Kabine. Ich erblicke einige Prähme, auf denen eine Anzahl Farbiger hockt, noch bedeckt mit dem Kohlen- schmutz des Vortages, in dürftige Lumpen gehüllt, fröstelnd in der Morgenkiihle, aber immer alle durcheinander schwatzend. Es sind die Kohlenleute, die uns bekohlen sollen. Plötzlich kommt Leben in die fröstelnden Gestalten, das Kohlen beginnt. Unter lautem, gesangartigem Gebrüll rennen die Schwarzen mit den 80 Pfund schweren Kohlen- körben auf schmalen Planken von den Kohlenprähmen an Bord und wieder zurück, immer in flottem Trapp, angetrie- hen von ihrem Reis, Dorfschulzen, der gravitätisch an Bord hockt, und die Säumigen durch Hiebe mit einem Tauende immer wieder antreibt. Bei diesem scharfen Tempo ist das Kohlen schnell beendet. Die Kohlenarbeiter sind Sudanesen, die für einige Jahre unter Führung ihres Reis nach Port Said kommen, um dort soviel Geld zu verdienen, daß sie nach Rückkehr in die Heimat sich ein Stück Land kaufen können. Bei der großen Bedürfnislosigkeit der Leute ge lingt ihnen das trotz der geringen Bezahlung, wenn sie nicht dem Spielteufel anheimfallen. Streiks, die zuweilen unter ihnen ausbrechen, wenn sie mehr von der Kultur beleckt sind, finden immer ein schnelles Ende; die Polizei hungert die Streikenden aus. Da wir Port Said nur zur Kohlenergän- zung angelaufen haben, verlassen wir es bereits wieder am 10. morgens. Es geht weiter durchs Rote Meer nach Aden.