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Nr. 28. PulSnttzer Tageblatt. — Donnerstag, den 2. Februar 1928. Seite 8. Ein neue Erzgebirgsbahn. In Oberleutensdorf hielten reichsdeutsche und tschechoslowakische Interessenten eine Beratung ab, um neuerdings Aussprache über ein Projekt zu pflegen, das reichlich seine 40 Jahre alt und trotzdem in seiner dies seitigen Hälfte über das Stadium der theoretischen Er örterungen nicht hinausgekommen ist. Es handelt sich um die Erzgebirgsbahn, die von Wiesa über Deutsch- Neudorf nach Sachsen führen soll. Altbürgermeister Klausnitzer erstattete, wie die „Sudetendeutsche Zeitung" berichtet, sein Referat über die Genesis und den derzeitigen Stand des Projektes, das im Jahre 1917 be reits der Vollendung nahe war und durch den Ausgang des Krieges wiederum in weite Ferne gerückt wurde. Im Verlaufe seiner Ausführungen beschäftigte er sich mit dem Schicksal des Projektes in der Tschechoslowakischen Republik bis zum Jahre 1922, in welchen Jahren das tschechoslowakische Eisenbahnministerium eine diesbezüg liche Eingabe über das Projekt unter Berufung auf die bestehenden gesetzlichen Bestimmungen damit beant wortete, daß der Bau durchgeführt werden könne, wenn mindestens 30 Prozent der Kosten des Baues und des gesamten Jnvestitionsaufwandes von den Interessenten fichergestellt werden oder wenn die Bahn ausschließlich auf Kosten der Interessenten durch eine Aktien- oder andere Gesellschaft geschaffen wird. Da der derzeitige Aufwand mit 60 Millionen Kronen errechnet wurde und der Beitrag der Interessenten daher 20 Millionen betragen müßte, war das Schicksal des Projektes schon bestimmt. Die Gründung einer Aktiengesellschaft kam mit Rück sicht auf die Verstaatlichungsbestrebungen nicht in Betracht, so daß nur die einzige Möglichkeit blieb, daß die Bahn vom Staate selbst erbaut wird. Wenn der Staat dies nicht will, dann käme nur noch in Betracht, mit der sächsischen Regierung dahin zu verhandeln, daß sie den Ausbau der Strecke Deutsch-Neudorf—Wiesa übernehme. In der Aussprache kam zum Ausdruck, daß das Projekt von allen anwesenden Interessenten, sowie von den Vertretern der Behörde auf das wärmste begrüßt wird. Die Not wendigkeit seiner Durchführung wurde allgemein aner kannt. Die Vertreter der Staatsbahndirektionen erklärten, daß sie von dem Projekt bisher keine Kenntnrs hatten und daß daher eine verbindliche Stellungnahme ihrerseits nicht erfolgen konnte. Sie gaben jedoch gleich zeitig die Versicherung, das Projekt in der allernächsten Zeit dringend prüfen zu wollen. Die Vertreter der sächsischen Gemeinden sprachen sich ebenfalls warm- sie ns für die baldige Verwirklichung des Projektes aus. Aus aller Welt. 90 000 Mark bei der Reichsbank unterschlagen. Durch Lie Zusammenarbeit der Brieger und Berliner Kriminalpolizei wurde jetzt eine umfangreiche Unter schlagung zum Nachteil der Reichsbank aufgedeckt. Der bei Ler Reichsbanknebenstelle Brieg beschäftigt gewesene Reichs hankpraktikant Haselbach verschaffte sich im Sommer vorigen Jahres einen Girovordruck und erwirkt« mit Hilfe dieses Vordrucks im Juni die Auszahlung von 90 000 Mark bei Ler Reichsbank in Beuthen an einen Freund seiner Frau. Dieser Freund ist als Mittäter bereits verhaftet worden. Die verräterischen Schmierseifepakete. In Halle hob di« Polizei ein Einbrechernest aus und nahm vier Leute fest, die seit Monaten in der Provinz Sachsen in den ver- ßchiedensten Orten durch Einbrüche Geld und große Waren mengen erbeutet hatten. Me Waren wurden regelmäßig als Schmierseife nach Halle verfrachtet, bis die vielen Schmierseifesendungen, noch dazu in ungewöhnlichen Packungen, der Bchörde auffielen und so zur Entdeckung der Bande führen. j Gelbstmord einer 13jährigen wegen des schlechten Schul- zeugnifses. In Prag-Weinberge stürzte sich eine 13jahrige Schülerin nach der Zeugnisverteilung aus dem zweiten Stock des Reformgymnasiums und blieb mit schweren inneren Verletzungen liegen. Sie mußte sofort operiert werden, doch wird an ihrem Aufkommen gezweifelt. Der Grund des Selbstmordes war das schlechte Schulzeugnis. Beruhigende Nachrichten von Sven Hedin. Nachdem seit Juli vorigen Jahres monatelang keine Nachricht von Sven Hedin in Schweden eingetroffen war und man anfing, sich darüber Sorge zu machen, sind nun zwar nicht von Sven Hedin selbst, aber von einer anderen Abteilung seiner Expedition beruhigende Nachrichten einaetroffen. Auch in Oesterreich Volkstrauertag am 4. März 1928. Unter Führung des Oesterreichischen Schwarzen Kreuzes in Wien, der Schwesterorganisation des Dolksbundes Deutsche Kriegsgräberfürsorge e. V., Berlin, wird auch in diesem Jahre in Oesterreich der Volkstrauertag in ähnlicher Weise wie in Deutschland begangen. . »Schau, jetzt schieße ich dich tot." Der fünfjährige Land- wrrLsfohn Roman Böbinger und der vierjährige Schreiner- meffterssohn Joseph Schrott spielten m Bobingen bei Augs- vurg miteinander Ball. Bei diesem Spiel erwischten die Kruder einen geladenen Revolver. Der vierjährige Schrott nahm den Revolver dem fünfjährigen Spielgefährten aus der Hand und sagte zu ihm: „Schau, jetzt schieße ich dich tot!" Der Schuß ging los, und der fünfjährige Böbinger brach lautlos zusammen. Eine Operation, die sofort vorgenom men wurde, war vergeblich. Das Kind starb nach einer qualvollen Nacht an seinen schweren Verletzungen. , Lsitendlsssm. Klein SenMSnis unZ Zep gute OriKel Lern. Unsere drei Fragen Was der Zeitungsleser wissen muß! —Frage: Sehr ost hört man von „schlagenden Wet tern" in Bergwerken. Was sind Schlagende Wetter? Antwort: Schlagwetter, auch feurige Schwaden genannt, sind Ansammlungen von Gasgemischen, welche aus Gruben gas (Kohlenwasserstoff) und atmosphärischer Lust bestehen. Nach stattgehabter Entzündung an offenem Lichte usw. führen sie häufig Explosionen herbei. Beträgt der Gehalt der in Bergwerken befindlichen Lust bloß etwas mehr als 6 Prozent an Grubengas, so entzünden sich diese Schlagwetter ohne zu explodieren. Dagegen führt ein Grubengasgehalt von 10 bis 11 Prozent zu den heftigsten Explosionen, während de ren Stärke abnimmt, sobald der Gasgehalt steigt. Bei einem 33prozentigen Gasgehalt hört die Explosionsfähigkeit der Schlagenden Wetter wegen Mangel an Sauerstoff ganz auf. Auch der Kohlenstaub spielt in der Herbeiführung von Schlag- wetterkatastrophen eine nicht unwesentliche Rolle. Obwohl das Grubengas hauptsächlich durch Entgasung von Stein kohlen entsteht, kommen Schlagende Wetter doch auch in Braunkohlengruben, noch seltener in Salzbergwerken vor. —Frage: Verbrechen werden in der Regel in der Weise ausgeführt, daß einer der Beteiligten „Schmiere steht". Wie ist dieser Ausdruck zu erklären? Antwort: Der Ausdruck: Schmiere stehen gehört zur Gau nersprache und hängt zusammen mit „schmieren" in dem Sinne von: etwas erleichtern und zugleich in dem Sinne von: be stechen. Schon in mittelalterlichen Werken finden sich bezgl. Hinweise. In Westfalen sagte man: Advokoten un Wagen reader möt beide fmeart weren. —Frage: Der durch Selbstmord geendete Sowjet-Bot schafter Joffe spricht in seinem lctztwilligen Briefe an Trotzki von einer „Epoche des Thermidor", die dem Bolschewismus bevorstehe. Was ist damit gemeint? Antwort: Während der französischen Revolution wurde bekanntlich die christliche Zeitrechnung abgeschafft und ein neuer Kalender eingeführt. Thermidor (d. h. Hitzemonat) war der 11. Monat dieses Kalenders dauernd vom 19. Juli bis 17. August. Joffe hat in seinem Briefe an Trotzki beson ders den 9. Thermidor des 2. Jahres im Auge (27. Juli 1794), an dem Robespierre und alle die anderen Revolutionsgrößen gestürzt wurden von Gegenrevolutionären und nun ihrem eigenen Untergang entgsgengingen. Joffe meint, so werde es auch den heutigen blutigen Machthabern in Rußland ergehen. Voraussichtliche Witterung La«vs»wetr«rwarLe Dresden Voraussichtliche Ausklärung mit Frost Später erneut Ein trübung und Nebel. Temperatur im Flachland zwischen Osten und wenigen Graden über Osten Winde aus südlicher bis west licher Richtung mäßiger Stärke. ksklsm« - Liebel »okort Lu mieten Aesuebt >uskü!rrlicde än^ebote mit ge nauer l-agebeL-lcliuung, Oröüe uuä Mietpreis pro /sdr, wenn wögticd mit vdotograpkie erbeten unter O. 6. 9290 sn LMsü lklM M 3S Ng. Is. 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Drüben im Südosten verschwinden allmählich die schneeigen Zinnen und Zacken der Allgäuer Alpen. Noch einmal grüßt die „Mägdegabel", hoch über Oberstdorf, das dort zwischen den dunkelblauen Bergwänden liegt, die wie drohende Gewitterwolken im Hochsommer den Horizont begrenzen, aus sonniger Höhe den Zug, der jetzt durch hüge lige Felder und Gärten eilt. Auf diesen liegt schon das erste Ahnen des Vorfrühlings. Zwischen den nackten Zweigen der Baumkronen blinkt die Schere des Gärtners, der überflüssiges Holz entfernt. Hier ist die Obstkammer Süddeutschlands. Das edle Bodenseeobst ist seiner Güte wegen weithin bekannt. Jetzt blinkt auch schon zwischen Häusern, Hügeln und Gebüsch hier und da die blanke Fläche des größten deut schen Binnensees aus. An seinem westlichen Ufer, dem Ueber- linger See, regiert Frau Sage ihr Reich vom ragenden Sitz des Hohentwiel aus. Und die Wellen, die zu Füßen der alten Bodenseestädte rauschen, raunen in Mondsilbernächten von den Schicksalen der grauen Wehrtürme von Konstanz und anderen Städten, die sich in den Fluten spiegeln. Wo die Straßen von Konstanz nach Osten führen und die Häuser nicht mehr so dicht, sondern freier in den Matten stehen, schließt sich unmittelbar das Schweizer Städtchen Kreuzlingen an. _ Vom andern Ufer, das nur bei klarem Wetter wie ein schmaler Streif am Horizont sichtbar, grüßt den dorthin strebenden Dampfer als Denkmal deutschen Erfindergeistes und zähen Wagemuts die mächtige Luftschiffhalle Fried richshafens. Einige 20 Kilometer östlich davon liegt Lindau, die südlichste Stadt Bayerns. Schon rollt der Zug über den langen Damm, der die früheren Villenvororte, die längst eingemeindet sind, mit der alten Jnselstadt verbindet. Und da ragen auch schon an den Enden der beiden Molen, über die Durchfahrt hinweg ein ander grüßend, die beiden Wahrzeichen, der Leuchtturm und der riesige bayrische Wwe; ein Bild, viel hundertmal von Malern und Photographen festgehalten. Mag man Europa nach allen Richtungen hin durch queren, die Backsteingotik Norddeutschlands preisen, den Pulsschlag des Weltverkehrs in den großen Hafenstädten ver spürt haben, eingesponnen gewesen sein vom mittelalterlichen Zauber Nürnbergs und anderer bayrischer Städte: ein Gang durch die abendlichen schmalen Gassen der kleinen, gerade 14 000 Einwohner zählenden Inselstadt im Bodensee mit ihrem aus der deutschen Renaissance stammenden wunder schönen Rathaus wird immer als ein Erlebnis eigenen Reizes wach bleiben. In dunkler Abendstunde, wo das Leben und Treiben von den Gassen mit ihren Häuserlaubengängen verschwunden, halten die schwarz und massig gen Himmel ragenden Türme Zwiesprache. Längst vergangene Zeiten werden wach mit Fehden, die trotz aller Verträge und beschworenen Friedens pakte immer wieder blutig entbrannten. Der behäbige Diebesturm dort hat aufrecht der zweimonatigen Belagerung im Dreißigjährigen Krieg stand gehalten, und der alte Leucht turm, der längst seinen Dienst an den jüngeren Bruder auf dem Molenkops abgegeben, erzählt er nicht von jenen Tagen, da die Bürger die steinerne Brücke abbrachen, die sie mit dem Lande verband, als der schwedische General Wrangel von Bregenz aus heraurückte? Da wurden die friedlichen Kauf mannsschiffe mit Geschützen bestückt und in einer Seeschlacht auf dem „Schwäbischen Meer" der Feind zurückgeschlagen. — Hoch auf rauschen die Wogen des Sees, Silberschaum, krönen tragend, die ihnen der Föhn aufs Haupt gesetzt hat. Wild jauchzend braust er über die weite Fläche von den Ber gen her, deren dunkle Wände wie Riesenmauern den See be grenzen. Die Höhenzüge der Tiroler Alpen sind es, die dort hinter dem österreichischen Nachbarort Bregenz, das seine Lichterperlen in langer Kette bis zur Zahnradbahnstatton hin auf glänzen läßt, ragen. Ihnen reichen die Vorberge des Appenzeller und Thurgauer Landes die Hand. Aber wenn der Mond, ein paar Augenblicke von dem vorüderjagenden Gewölk befreit, hervorlugt, glänzen hinter den dunklen Vor bergen am jenseitigen Ufer die Schneefelder der österreichischen und Schweizer Alpen. Es gibt kaum einen Ort in unserm Vaterlande, der von so mannigfachem Reiz der Natur umgeben ist wie diese kleine bayrische Inselstadt im silbernen See zu Füßen der Derg- riesen. Kein Wunder, daß sich hier und in ihrer Umgebung zahlreiche Landschaftsmaler niedergelassen haben. Und wenn einer der schlanken weißen Dampfer vom Schweizer Ufer her den bayerischen Löwen grüßt, wenn von» benachbarten Bre ge n z der Südwind die Klänge eine» österreichischen Militär kapelle über die Wasserfläche weht, dann spürst du: Hier reichen sich drei Länder die Hand, jedes von eigenartigem Volkscharakter, aber wesensverwandt durch die deutsche Muttersprache und miteinander verbunden durch den See, der seine rauschenden Boten von einem zum anderen Gestade sendet: Deutschland, Oesterreich und die Schweiz.