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Nr. 17. Pulsnitzer Tageblatt. — Freitag, den 20. Januar 1928 Seite 6. Ein Aufruf der Liga „Für das Christentum". Die Liga „Für das Christentum" in Lausanne veröffentlicht einen u. a. vom Altbundespräsidenten Ador, vom Rektor der Universi. tat Lausanne Chamorel und vom Bundesrat Lhuard unterzeichneten Aufruf, in welchem zum Ausdruck gebracht wird, daß den Nationen eine würdige Zukunft nur dann ge sichert werde, wenn das christliche Gewissen und die Christen aller Länder untrennbar verbunden seien. Das Losungswort Christentum solle klar und entschieden die Lan- desgrenzen, die politischen und konfessionellen Schranken über schreiten und die Verbindung aller gläubigen Kräfte beschleu nigen, denen die Aufgabe zufalle, die christliche Nächstenliebe, die Gerechtigkeit und den Frieden auf Erden zum Siege zu führen. Generaloberst von Kluck vr. K. o. Generaloberst a. D. Alexander von Kluck, wohnhaft Berlin-Grunewald, ist von der Universität Erlangen zum vr. K. e. ernannt worden. Ein Dementi. Die deutschnationale Pressestelle teilt mit: Die „Vossische Zeitung" macht sich zum Träger eines Ge rüchts, wonach führende Kreise der Negierungskoalition be- absichtigen, den Reichsminister v. Keudell auszuschiffen. Die deutschnationale Pressestelle erklärt hierzu im Namen der führenden Kreise der Regierungskoalition, daß an dieser Nachricht kein wahres Wort ist. Aus dem Gerichtssaal. Zehn Jahre Zuchthaus für den deutschen Studenten Hansen. In dem Spionageprozeß gegen den deutschen Studenten Georg Hansen und den Engländer Mae Cortney in London wurde folgendes Urteil gefällt: Beide An geklagte werden zu zehn Jahren Zuchthaus ver urteilt, von denen zwei Jahre als Zwangsarbeit zu verbüßen sind. Die Rede des Generalstaatsanwalts legte dar, daß di« Zeugenvernehmung dieses Prozesses eine gefährliche, gegen Großbritanniens Sicherheit gerichtete Organisation aufgedeckt habe. Raubmörder Kiebachs erste Vernehmung. Lokaltermin im Eisenbahnwagen des Berliner Vorortzuges. Der 25jährige Präparator Horst Kiebach, gegen den die Voruntersuchung wegen Raubmordes an der 26jährigen Schlächtermeisterstochter Dora Perske aus Berlin eröffnet worden ist, wurde am Donnerstag dem Untersuchungsrichter, Landgerichtsrat Or. Birnbach, vor- gesührt. Die Vernehmung fand am Tatort, in dem Stadt- bahnwagen ll. Klasse, statt. In dem Eisenbahnwagen selbst mußte Kiebach seine bisherigen freiwillig gemachten Angaben über den Hergang der furchtbaren Bluttat noch einmal wiederholen und an Ort und Stelle einige Widersprüche, die sich heraus- aestellt hatten, klären. Kiebach, der das Verbrechen mit beispielloser Roheit ausgeführt hatte, zeigte auch am Tatort ein ruhiges Verhalten. Sein erweitertes Geständnis be wies, daß er die Tat mit voller Ueberlegung ausgeführt hat, so daß er sich nunmehr wegen Raubmordes zu verantworten haben wird. Die hygienische Verbessern«« der Lebenshaltung wird heule aus allen Gebieten der Wirtschaft mit Eiser angestrrdt. j Auch in der Zigaretten Fabrikation ist man seit langer Zeit bemüht j gewesen, eine hygienische Derbess rung der Erzeugnisse Herbeizusahre«. ! Es wurde erkannt, daß die völlige Entsernung der Staubteilchen, , d*" gepflegtesten Tabaksorten anhaften, Grundbedingung ist für die einwandsreie Beschaffenheit einer modernen Zigarette. > Erst in jüngster Zeit wurde das Ziel der restlosen Entstaubung von ' Zigaretten Tabaken durch eine neukonstruirrt« Entstaubungsanlage I erreicht. Die beliebten Zirzi-Zigaretten der alten Dresdener Ziga rettensabrik Monopol werden dem neuen Verfahren unterworsen und erfahren dadurch eine hygienisch wertvolle Verfeinerung, die den Anforderungen des modernen Menschen entspricht. Weil mit der restlosen Entstaubung auch die gleichmäßige Stopfung der Zi- garette und die Aufschließung des ungetrübten Tabakaroma« ver bunden ist, werden alle Raucher die Neuerung in der Zigaretten Fabrikation mit sreudiger Genugtuung begrüßen. Börse und Handel. Amtliche sächsische Votierungen vom i s.Zanuar 1928 Dresden. Die schwache Haltung hielt im allge meinen an. Nur Spezialwerte waren teilweise gebessert. Ver luste gingen durchschnittlich bis zu 3 Prozent. Banken ver loren etwa 2 bis 3 Prozent. Keramische Werte waren größtenteils im Werte erhöht, besonders Tritton (plus 2,5 Prozent). Von Maschinenwerten hatten Karl-Hamel-Aktien mit 7,5 Prozent einen größeren Verlust; sie sind allerdings mehrere Tage nicht notiert worden. Schubert u. Salzer bröckelten um 5 Prozent, Escher um 2,5 Prozent ab. Nach frage bestand für Paaschen und Rockstroh. Höher waren auch Elektrizitätswerk Riesa, Plauener Gardinen, Polyphon (5,5 Prozent), Waldschlößchen 5,75 Prozent. Größere Verluste hatten Mimosa (6,5 Prozent), Vereinigte Strohftofs (4,5 Prozent), Jndustriewerk Plauen, Lingner und Vereinigte Zünder (ze Aü Prozent). Leipzig. Hier war der Grundton freundlich. Bei geringen Umsätzen waren Polyphon 5 Prozent höher, Faravit und Langbein gewannen je 2, Pittler 3 Prozent. Niedriger lagen Presto um 4, Schubert u. Salzer um 5, Glauziger Zucker und Kirchner um je 2 Prozent. Chemnitz. Kursbesserungen und -Verluste gingen etwa bi» zu 4 Prozent. Nachfrage bestand für Wanderer, Hamel und Farad«. Escher und Presto waren schwach. Köbke gewann 3 Prozent, Dürfeld verlor 4 Prozent. Banken waren um etwa 2H Prozent niedriger zu haben. Leipziger Schlachtviehmarkt. Auftrieb: 226 Rinder, dar unter 24 Ochsen, 64 Bullen, 116 Kühe, 18 Färsen, 686 Fresser, 686 Kälber, 173 Schafe, 1470 Schweine. Verlauf: Bei Rindern schlecht, bei Kälbern mittel, bet Schafen langsam, bei Schweinen mittel. Preise: Bullen a) 55—57, b) 48—54, c) 40 bis 47; Kühe a) 45-50, b) 35—44, c) 28—34, d) 23—27; Färsen a) —, b) 40—54; Kälber a) —, b) 76—78, c) 72—75, d) 65 bis 71, e) 55—64; Schafe a) 55—60, b) 45-52, c) 35—44: Schwein« a) 57—58, b) 56—57, c) 54—55, d) 52—53, e) 50 bis 51; Sauen 45—55. Berliner Börse vom Donnerstag. Die letzt-tägig« Serauffetzung des Privatdiskont» wirkt« am Donnerstag nicht mehr nach. Es trat vielmehr ein« gewiss« Erholung ein, besonders in Farbenindustrie und Schtffahrt»- werten. Amtliche Oevisen-Notierung» Devis en In Reichsmark 19. I Geld anuar Bries 18 Ja Geld nuar Briet M Ht. M New Hort... 1 - 4,191 4,199 4,191 4^01 London .... 1 T 20,439 20,479 20,445 20,486 Amsterdam . 100 Gib. 169,13 169,47 169,14 169,48 Kopenhagen . 100 Kron. 112,31 112,53 112,33 112,55 Stockholm , , 100 Kron. 112,60 112,82 112,68 112,90 Oslo ..... 100 Kron. 111,57 111,79 111,54 111,76 Italien . ., , 100 Lire 22,185 22,225 22,185 22,225 Schweiz , . . 100 Frc». 80,765 80,925 80,775 80,9. . Paris . ,,,. 100 Frc». 16,97 16,81 16,485 16,628 Brüssel , ,. . 100 Frc». 58,42 88,84 58,44 58,56 Prag ..,,. 100 Kron. 12,424 12,444 12,428 12,448 Wien « 100 Schill. 59,05 59,17 59,08 59,20 Spanien ... 100 Peseü» 71 92 12 06 71,58 71.69 Bankdiskont: Berlin 7 (Lombard 8), Amsterdam 354, Brüssel 4)4, Italien 7. Kopenhagen 5, London 414, Madrid ö, Oslo 5, Paris 4, Prag 5, Schweiz 3)4, Stockholm 3)4, Wien 6)4. Ostdevisen. Bukarest 25,77 G 25,89 B, Warschau 46,96 G 47,16 B, Riga 80,78 G 81,12 B, Reval 112,45 G l 12,95 B, Kowno 41^35 G 41,718 B, Kattowitz 48,978 G 47,175 B, Posen 46,975 G 47,175 B. — Noten: Große Polen 46,80 G 47,20 B, Klein« Polen 46,79 G 47,10 B, Esten 111,40 G 112,90 B, Lit. 41,33 E 41,67 B. 1 franz. Franc OM>4 Rm., 1 Belga 0ch8)4 Rm., 1 Lira 0,22 Rm., 1 Zloty 0,47 Rm. Effektenmarkt. Inländische Anleihen wenig verändert. Auslän disch« Renten fast unverändert. Bankaktien: Darm städter 2, Mitteldeutsche 3, Handelsanteile 4,50 Prozent gesteigert. Verkehrswerte: A.-G. für Verkehrswesen 4 Prozent höher. Schiffahrtsaktien 2 bis 2H0 Prozent gebessert. Mon- tanaktien fest und ca. 2 Prozent höher. Oberbedarf 3,60 Pro zent gesteigert. Kali werte wenig verändert. I. G. Far venindustrie 3^6 Prozent höher. Elektrowerte ruhi ger, Felten 3,50, die übrigen Werte 2 Prozent höher. Wag- go „werte hatten nur kleines Geschäft. Maschinen- und Motorenwerte: Deutsche Maschinen 3, Ludwig Loew« SL5, Schubert L Salzer 3 Prozent höher. Metallwert« ruhig. Textilwerte: Bemberg 12, Glanzstosf 8 Prozent höher, gell st off-Aktien erholt. Bier-Spritwerte 2 vis 5 Prozent höher. Amtliche Notierung der MkttagsbSrs» ab Statton. Mehl und Kleie brutto, einschl. Sack frei Berlin. ') Hektolitergewicht 74,80 kg. ü do. 69 kg. Berliner Milchpreis — Erzeugerpreis — unverändert 16,80 Pfennig je Liter frei Berlin. 1M tg 19 1. 18. 1. Mehl 7V °/„ 19. 1. 18. I. W-tz? Weizen 30.00-34.0 3O.0O-34.0 mark. 2337-236.° 2337-2367 Roggen 31.00-33.7 31.0-33.78 März 2667-266° 2677-2667 Weizenkleie 16 00 16.00 Mai 2737-274.° 274 °-274.° Roggenkleie . 15 00 16.00 Juli 276.° 2767 Raps (1000 kg) 846-350 345-350 Rogg. Leinsaat (do.) —— mrk-ft 233.°-236.° 2347-2377 Erbsen, Viktoria 50.0-56.0 61.0-57.0 März 2697-261.' 260 °-2597 Kl.Speiseerbsen 32.0-36.0 32.0-35.0 Mai 2667-266.° 2667-2657 Futtererbsen 21.0-22.0 21.0-22.0 Juli 2577° 2567° Peluschken 20.0-21.0 20.0-21.0 Gerste Ackerbohnen 20.0-21.0 20.0-21.0 Som. 2207-2707 220°-2697 Wicken 21.0-24.0 21.0-24.0 Wint. — — Lupinen, blau 14.0-14.7? 14-14.75 Hafer - gclb 16.7-16.1 15.7-16.1 märk. 2007-2117 200 °-2117 Rapskuchen 19.9 20 1 19.9 20.1 März 2267 2267° Leinkuchen. 22.1-22.4 22.1-22.4 Mai 286.°° 2367° Trockenschnitzel 12.2 12.4 12.2-12.4 Juli 242.°° 242.°° Soya-Lxtra- MaiS Schrot . . 21.3-21.6 21.8-21.6 Berlin 2157-217.° 2137-2157 Karloffelflocken 23.3 23 6 23 8-23 6 Berliner Butterpreise. Amtliche Notierung im Verkehrs zwischen Erzeuger und Großhandel, Fracht und Gebinde gehen zu Käufers Lasten: 1. Qualität 163, 2. Qualität 149, abfallende Sor ten 135 Rm. Tendenz: Ruhig. Berliner Elerpreise. (Bericht der amtlichen Notierungs kommission für den Eiergroßhandcl in Pf. per Stück.) a) In ländische Eier: Große, vollfrische, gestempelte Inlandseier 21, frische Inlandseier über 85 Gramm 17, frische Inlandseier unter 65 Gramm 14; b) Auslandseier: Extra große Eier 21,80—22M, große Eier 19—21, normale Eier 16—17,50; c) Kühlhauseier: 15. Tendenz: Fest. Kartoffelerzeugerpreise je Zentner wagqonfrei märkischer Station. Weiße Kartoffeln 3—3,60, rote 3,20-3,50, gelbfleischig« 8,70—4 Rm. Fabrikkartoffeln 14—16,60 Pf. je Stärkeprozent. Metallpreise in Berlin (für 100 Kilogramm in Mark): Elektrolytkupfer wir« bars 135,28, Original-Hüttenaluminium 98 bis 99 Prozent 210, do. in Walz.- oder Drahtbarren 214, Rein nickel 350, Antimom-Regulus 95—100, Silber in Barren, ra. 900 feim für 1 Kilogramm 78,60—79,50. Tonne und DLond. 22. 1. Sonne: A. 8.00, U. 16.23. Mond: A. 8.11, kl. 16.41 Kirchen - Nachrichten Lichtenberg s Sonntag «ach de« Erscheinung, den 22 Januar, vorm. 9 Uhr Lesegottesdienst Vorm. 11 Uhr (nicht 2 Uhr) Kin dergotte»dienft Im geheizten Konfi-manden-lmmer. Getauft: 1. Helmut Manfred, Sohn de, Viehhändler« Paul Emil Tkieme In Lichtenberg und dessen Ehekrau Ida Helene geb. Thieme. 2 Arthur Egon, Sohn de» Maurer« Erwin Arthur Grohmann in Lichtenberg und dessen Ehefrau Elsa Martha geb. Hempel. — tzeimgrgangen und bestattet: 1 Elfriede Martha, Tochter des Ziegeleiarbeiters Arthur Erwin Sester! in Kleindittmannsdorf, 1 M. 14 T. alt, oerst am 13, best am 16 Ja nuar. 2 Ernst Bernhard Mißbach, Schuhmachrrmrtster In Lichten btig, 67 I. 10 M. 22 T. alt, oerst. am 1L., drft. am 18. Januar Oberlichtenau S. Sonntag «. Episantea den 82 Januar, 9 Uhr Per digtgotte»dtenst '/'11 Ubr Kind rgottesdlenft. >/,6 Udr abend« im Konfirmandtnzimm» Besprechung tute, christlichen Elternvenin. Freitag: Jungmädchenverrtn im Schloß. Reichenbach 8. Sonntag «. Epiphanias, vorm. 9 Uhr Predigtgott««- dienst, anschließend Beichte und hlg. Abendmahl. Borm '/«II Uhr Ktndergottesdtenst. Montag den 28 Ian., abend» 8 Uhr Bi belftunde im Pfarrhaus Dien,«ag den 24 Jan, abend« 8 Uhr Frauenvereta in Mager, Gasthof zu N ederlichlena« Mag auch die Liebe weinen ... Roman von Ar. Lehne. 40 Fortsetzung. (Nachdruck verboten.) Fast andachtsvoll blickte sie auf den hohen Baum, der auf dem Fußboden stand und mit dem blitzenden Stern an der Spitze beinahe die Decke berührte. „Die ist aus meinem Forst. Und dir zu Ehren!" Da wurde kräftig ans Fenster geschlagen. Lore schrie erschreckt auf; sie sah einen großen, dunklen Schat ten und einen kleineren draußen vorübergleiten. " Erich öffnete das Fenster und blickte hinaus — da wurde ihm eine Ladung Schnee ins Gesicht geworfen, und eine Helle Mädchenstimme lachte laut auf, daß «S durch den Wald schallte. „Herr Oberförster! Gnädiges Fräulein!" „Wir kamen aus dem Dorfe und die Lichtlein an Ihrem Weihnachtsbaum zogen uns mächtig an!" rief eine dröhnende Baßstimme. „Wenn die Herrschaften meiner Mutter und mir die Ehre schenken und eintreten wollen. Meine Schwe- ster ist vorhin gekommen, und wir feiern nachträglich Weihnacht." „Dann wollen wir aber nicht stören." Jutta hatte jedoch große Lust, Fräulein Berger kennen zu lernen, und so traten die beiden denn schließ- lich ein. Frau Maria zündele schnell die Hängelampe über dem Tisch an und wollte die Kerzen deS Weih nachtsbaumes auslöschen. „Nee, liebe Frau Berger, die lassen Sie man bren nen — den Zauber haben wir nur einmal im Jahr." Herr von Eggert streifte die pelzgefütterten Fahrhand schuhe ab und streckte Frau Maria seine Rechte entge gen. „Wie geht's, wie steht's? Ah, und das Töchter chen aus München! Das verspätete Christkindchen!'' Wohlgefällig schmunzelte er bei dem Anblick deS schönen Mädchens. Jutta gab Lore die Hand. Freund- lich sagte sie: Ihre Frau Mutter war sehr enttäuscht, da Sie am heiligen Abend nicht hier sein konnten! Ich freu« mich mich, Sie kennen zu lernen, ich habe schon viel von Ihnen gehört!" Neugierig sah sich Jutta in der Försterswohnung um. Sie war noch nie im Hause gewesen, obwohl sie schon öfter mit Frau Berger vor dem Fenster geplau dert harte. Es machte alles einen traulichen, gemüt lichen Eindruck, trotz der einfachen, birkenen Möbel. Frau Maria bat, Platz zu nehmen und rückte den Tisch etwa- vom Sofa ab, dabei „Männe" einen klei- nen Klaps gebend, der darüber ungehalten knurrte, aber doch liegen blieb. „Lassen Sie ihn nur, Frau Berger! Es ist gewiß sein Stammplatz, und er hat das größte Recht hier!" lächelte Jutta und streichelte den Hund, der seinen Platz zwischen ihr und Lore behauptete. Von der Sette betrachtete Jutta Erichs Schwester. Wie war die schön! Vergleichend ging ihr Blick zwi- schen dem jungen Mädchen und dem Förster hin und her. Aehnlich war Lore ihm eigentlich nicht — nur hoch und schlank waren sie beide. Erich sing einen dieser Blicke aus und wurde rot, während sie sich verlegen zu dem Hunde neigte und ihn scherzend an den langen Ohren zag. Der Oberförster hatte seinen Pelz geöffnet und faß breit auf seinem Stuhl. „Uff," machte er, „haben Sie's warm hier." „Wollen der Herr Oberförster, und das gnädige Fräulein nicht ablegen?" Erich war beiden behilflich; mit beinahe liebevol ler Sorgfalt trug er Juttas Nerzjacke nach dem Vor- raum. Lore bot ihrem Besuch die Bonbonniere an, aus der Jutta ohne Ziererei aß. „Nanu? Was ist denn daS?' Der Oberförster hielt den Lebkuchen mit der Sennerin weit von sich: „Ein Münchener Künstlerlebkuchen? Verrückte- Zeug!" Er lachte. „Ich habe eS meinem Bruder mitgebracht: das Bild seiner Zukünftigen," scherzte Lore. War e- Zufall, daß da Jutta- und Erich» Blicke sich trafen und dann scheu mieden? Er stand jetzt in der Nähe des Christbaums, und die Kerzen warfen un ruhig zuckende Lichter über sein ernstes, schmale-Gesicht. „Sehen Sie nur, Herr Oberförster, was unser Lär chen meinem Sohn und mir alles mitgebracht hat." Mit Rührung sah der joviale Mann auf das freude verklärte Gesicht Frau Bergers und betrachtete dann eingehend die Geschenke. Jutta durchblätterte mit vielem Interesse das Al bum von München, da sie die Stadt kannte. Sie tauschte mit Lore ihre Erinnerungen aus; reizvoll war es zu sehen, wie der blonde und der braune Mädchenkopf sich über das Buch neigten. Nach einer Weile sagte der Oberförster: „Komm, Futta, wir müssen fort, sonst ängstigt sich die Mutter." Und Bergers mußten ihm fest versprechen, am Sonntag nachmittag nach der Oberförsterei zu kom men. Herzlich verabschiedete sich Jutta von Lore, die ihr sehr gefiel. Erich begleitete seine Gäste hinaus bi- zu dem Schlitten, der in einer Entfernung von vielleicht zwei hundert Schritten aus der breiten Fahrstraße hielt. „He, Franz!" rief Herr von Eggert schon von wet- tem dem Kutscher zu, „wach' auf mein Sohn! Du scheinst Wohl eingeduselt zu sein? Allons, marsch * Der junge Förster half ihnen in den Schlitten. Sorglich legte er die warme Decke über Jutta und steckte ihre Füße in den Fußsack. Als er die kleine, feste Mäd chenhand mit säst zärtlichem Druck in der seinen fühlte, zitterte er. Sie lächelte ihn an; er sah «2 Wehl in dem ungewissen Schein der Laterne. „Auf Wiedersehen, Sonntag! Grüßen Sie daheim!" rief sie. Langsam ging er zurück. Ihm war da- Herz voll, und unruhig kreiste sein Blut in den Adern. Jutta von Eggert! Was hatte da- kapriziöse Mädchen au- ihm gemacht! Absichtlich kreuzte sie seinen Weg, da- fühlte er wohl. Wie oft begegnete er ihr in seinem Revier, zu Fuß, zu Rad, häufig auch im Dorfe; sie wußte a— nau, wann er seine Postsachen holte. (Forts. folaLL