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Nr. 25. Pulsnitzer Tageblatt. — Montag,^den 30. Januar 1928. Seite 6. Dormatia-Worms — Sp.-Dg. Fürth unentschieden 0:0, mit 8:2 siegten Kickers-Stuttgart über F. V. Saarbrücken und Bayern-München über Sp.-V. Waldhof. Der 1. F. C. Nürn berg unterlag überraschend gegen Wacker-München mit 2 :3. In Mitteldeutschland kommt der 5:0-Sieg von Sturm-Themnitz über Chemnitzer B. C. unerwartet. Im Berliner Fußball siegte Tennis-Borussia erwartungs gemäß über Union-Oberschöneweide mit 4:0, während Mi nerva überraschend mit 2 :3 gegen Kickers unterlag. Hertha führte nur ein Gesellschaftsspiel gegen Blauweiß (5 :1) durch. Alemannia geriet durch eine 2:3- Niederlage gegen Union- Potsdam schwer in Abstiegssorgen. Stettins Meister „Preu- Hen" mußte in der Reichshauptstadt gegen Norden-Nordwest eine 1:3- Niederlage einstecken. Schweizer Skimeister wurde in Gstaad Rubi-Grindel- wald vor Julen-Zermatt und Wende-H. D. W. Der vor jährige Meister Glaß-Deutschland wurde geschlagen. Deutschlands Olympia-Eishockey-Mannschaft siegte im Berliner Sportpalast gegen die Pariser Canadier mit 5:0 (2 :0, 1:0, 2 :0). Europameister im Herrenkunstlaufen wurde in Troppau Ingenieur Böckl-Wien vor Schäfer-Wien und Preisegger. Wien. Der Golfverbandstag in Hamburg brachte in der Aus tragung der Meisterschaften insofern eine Aenderung, als nur noch eine internationale Meisterschaft der Damen und Her ren und eine offene Meisterschaft für Amateure und Berufs spieler, für Damen nur Amateurmeisterschaften, ausgetragen werden. Die internationale Amateurmeisterschaft der Da men wird 1928 in Köln, die übrigen Meisterschaften werden in Berlin durchgeführt. Für Mitte August ist ein Länder- fpiel gegen Schweden, für Mitte September gegen Holland m Berlin bzw. Frankfurt a. M. vorgesehen. Die Neuwahlen ergaben: Protektor Fürst Pleß, Ehrenvorsitzender Reinicke- Hamburg, 1. Bors. Dir. Guttmann, 2. Bors. Bruns-Ham burg, Schriftf. Leßmann-Berlin, Beisitzer: Benzinger-Frank furt a.M., Konsul Mosle-Leipzig, vr. MUllershausen-Bremen und Schmieding-Köln. Das il. Stuttgarter Hallensportfest wickelte sich in An wesenheit von etwa 5000 Zuschauern ab. Den Sprinter- Dreikampf gewann Houben-Krefeld vor Suhr-Karlsruhe, Wondratschek-Stuttgart und Natan-Charlottenburg, im Weitspringen siegte der deutsche Meister Dobermann-Köln mit 7,05 Meter, im Kugelstoßen Brechenmacher-München mit 13,75 Meter, während Steinhardt-Karlsruhe im Hürdenlau fen erfolgreich war. Kickers-Stuttgart und V. f. B. - Stutt gart teilten sich in die Siege der Staffeln. Die Hauptversammlung des Verbandes Deutscher Sport- lehr» A Berlin war aus allen Teilen des Reiches aut besucht. Der Deutsche Ruderlehrerverband hat sich dem Sport- lehrerverband angeschlossen, der österreichische Tennislehrer, verband hat seine Aufnahme beantragt. Eine neue Berufs- gruppe der Volksschullehrer wurde gegründet. Der neue Vorstand ist: 1. Bors. vr. Krümmel-Wünsdorf; 2. Vors. Dörr- Wilnsdorf; Hauptschriftführer: Iurtschat-Berlin; Schatz meister: Sandkaulen-Berlin; Landesgruppenleiter für Norddeutschland wurde Hoke-Hamburg, für Baden-Württem- berg Treiß-Stuttgart. Der Radländerkampf Frankreich—Italien in Paris endete mit einem 3:0-Siege der Franzosen. , Das Rugby-LSnderspiel Irland—Frankreich in Belfast la- di« Iren mit 12 :8 erfolgreich. ' " Hockey-Olympiamannschaft gegen Hamburger Städte- Mannschaft 5:3 (3:3). Die Olympiamannschaft legte das erste Tor vor, das die Hamburger ausglichen. Bald führte aber die Olympiamannschaft mit 3:1. Es blieb aber lange bei dem unentschiedenen 3:3-Stand. Erst in den letzten fünf Minuten vermochte die Olympiamannschaft durch zwei Tore den Sieg sicher- zustellen. Deutsche Meisterschaften im Kunstlaufen. Frau Brockhöft wurde Deutsche Meisterin, in der Herrenmeister schaft konnte der Münchener Schober nicht an Rittberger beranreichen, der unbestrittener Meister blieb. Das Paarlaufen stand völlig izn Zeichen des Meisterschaftsvaares Kiß- yauer-Vaste. Fräulein Echwendbauer-Aichinger reichten nicht an das Meisterpaar heran. Deutsches Turnfest im Juli in Köln. Der Turnaus- schuß der Deutschen Turnerschaft tagte am 28. und 29. d. M. in Berlin-Charlottenburg. In eingehenden sachlichen Beratungen wurde der Plan für das große deutsche Turnfest, des' u Schirm herrschaft der Reichspräsident v. Hindenburg übernommen hat und das im Juli in Köln stattsindet, durch- gesprochen und festgelegt. Dresdener Produktenbörse. Börsenzett: Montag und Freitag nachmittag 2—4.30 Uhr. Börse und Hanöel. Amtliche sächsische Notierungen vom28.Zanuar 1928 Dresden. Das Geschäft blieb am Wochenschlutz bei un einheitlicher Haltung aus allen Marktgebieten geringfügig. Be sondere Verluste erlitten Aschaffenburger Brauerei-Aktien mit minus 6,5, Radeberger Export mit minus 4,25 und Reichelbräu mit minus 3 Prozent. Nur Waldschlößchen und Erste Kulm bacher notierten 1,5 bzw. 1 Prozent höher. Von Maschinen- und Metallindustrie-Aktien befestigten sich Sondermann und Stier plus 3, Escher plus 2 Prozent, dagegen gaben Großen hainer Webstuhl 1,75 Prozent, Sächsische Waggon und Schön herr je 1,5 Prozent nach. Am Bankaktienmarkt waren Sächsische Bodenkredit erneut mit 5,25 Prozent höher gefragt. Sächsische Bank lagen 1,5, Dresdner und Deutsche Bank je 1,25 Prozent schwächer. Von den Transportwerten erzielten Deutscher Eisenhahnbetrieb einen Gewinn von 4 Prozent. Von den Diversen waren Polyphon 2 Prozent höher gefragt, während Kunstanstalt May 2 Prozent nachgeben mutzten. Leipzig. Schifsahrts- und Montanwerte lagen weiter ab- geschwächt und auch aus den anderen Marktgebieten waren Kursabstrichc zu verzeichnen Leicht befestigt lagen nur Nord deutsche Wolle mit plus 2,5, Diskonto und Schubert und Salzer mit plus je 2 Prozent, Sacharin plus 1,75 Prozent, Polyphon plus 1 Prozent. Schwächer lagen Kammgarn Gautzsch mit minus 3,5, Stöhr mit minus 2,5 Prozent Chemnitz. Die Börse verlies in ruhiger und uneinheitlicher Stimmung Kursabstriche erfuhren: David Richter minns 4,5, Bachmann und Ladewig, Liebermann Nachslg., Mimosa je minus 3, Pöge minus 2,75, Escher minus 2 Prozent. Dagegen waren höher gefragt Dttrfeld und Köbke mit je plus 1 Prozent. Tendenz: Ruhig Die Preise verstehen sich bis etnschl. Mais per 1000 Kilo- gramm, alle anderen Artikel per 100 Kilogramm in Reichs- svark P^ülee, Erbsen, Wicken, Peluschken, Lupinen und Mehl (Mehl mkl. Sack frei Hauss in Mengen unter 5000 Kilogramm ab Lager Dresden, alles andere in Mindestmengen von 10 000 Kilogramm waggonfrei sächsischer Versandstationen Produktenbörse. Weizen, inl., 74-4 Kilogramm 232—240; Roggen, hiesg., 70 Kilogramm, 242—250; Sand roggen 71 Kilogramm 246—254; Sommergerste, inl., 235—280; Wintergerste 235—256; Hafer, inl., 210—226; Mais, amerik. runder, 222-226; Mai, Cinquamiu, 228-234; Raps 310-255; Erbsen. Viktoria. 380—480. . ' 27. 1. 20. 1. 27. 1. 20. 1. Weizen Weiz.-Kl 15,1—15,7 15,3—15,9 inl., 73 kx Roggen 242—247 244—24!» Rogg.-Kl Kaiseraus- 15,8—17,3 16,0—17,5 sächs..69kA 251—256 251—256 zugmehl 44,0—45,5 44,0—45,6 Sommer- Bäcker- aerstc, sächs. Futtergste 275—290 225—255 275—290 225—255 mundmehl Weizen nachmehl Inland- 38,0—39,5 88,0—39,5 Hafer, inl Raps, tr. Mais 217—222 345—355 214—220 245—255 23,0—24,0 23,0—24,0 Laplata 216—219 220—223 weizenm. Type 70 37,0—38,0 37,0—38,0 Cinqu. Trocken- 230—245 230—250 Roggen mehl Ol Type 60 Roggen mehl I schnitzel Zucker schnitzel 14,0—14,4 21,0—22,5 14,0—14,4 21,0—22,5 38,5—40,0 38,0—39 5 Karrossel- Type 70 ?? 37,5—88,0 37,5—38,0 flocken 26,0—26,5 25,7—26,2 Roggen- Futtermehl 18,5—20,0 19,0—20,5 nachmehl 23,5—24,5 23,5—24,5 Berliner Börse vom Sonnabend. Die Umsätze der Berliner Börse sind auf ein Minimum zu- iammengsschrumpft. Für ungefähr 50 der variabel und per Ultimo gehandelten Papiere mußte von der Feststellung einer ersten Notiz abgesehen werden. Trotzdem eröffnete die Börse ziemlich fest. Später stellte sich ein leichter Rückgang der Kurse ein, da Besorgnisse über die Entwicklung des Geldmarktes auf kamen. Amtliche Nevisen-Notierung. Devisen (in Reichsmark 28. Januar Geld s Bries 27. Januar Geld s Briei New Yorck . . 1 Z London . . ,. 1 L Amsterdam . 106 Gld. Kopenhagen . 100 Kron. Stockholm . , 100 Kron- Oslo . . ,, . 100 Kron. Italien . « , » 100 Lir« Schweiz ,. . 100 Fres. Paris . , . , . 100 Fres. Brüssel .,..100 Belga Prag «,« , . 100 Kron. Wien ..... 100 Schill. Spanien ... 100 Pesei. Bankdiskont: B-r Brüssel 414, Italien 7, Ko Oslo 5, Paris 814, Prag 5, M 4,192 20,429 169,11 112,24 112.39 111,49 22,20 80,67 16,475 58,38 12,422 59,075 71,23 lin 7 (Ll penhagen Schweiz 4,20 20,469 169,45 112,46 112,61 111,71 22,24 80,83 16,515 58,50 12,442 59,195 71.37 >mbard 8 5. Lande 3)4, Stock «r 4,1905 20,425 169,07 112,24 112,39 111,50 22,185 80,71 16,47 58,365 12,42 59,055 71,05 s, Amster n 4)4. 2 Halm 3)4 M 4,1985 20,465 169,41 112,46 112,61 111,72 22,225 80,87 16,51 58,485 12,44 59,175 71,19 dam 3)4, Madrid 5. Wien 6. Ostdevisen: Bukarest 25,67 G 25,79 B, Warschau 46,93 G 47,13 B, Reval 112,30 G 112,80 B, Kowno 41,51 G 41,69 B, Kattowitz 46,95 G 47/15 B, Posen 46,93 G 47,13 B. — Noten: Große Polen 46,85 G 47,25 B. Effektenmarkt. Inländische Anleihen wenig verändert. Auslän dische Renten gebessert. Bankaktien sehr ruhig. Ver- kehrswerte hatten nur geringes Geschäft. Schiffahrts- aktien schwächten sich ca. 1 Prozent ab. Montanaktien gedrückt. Kali werte waren 1 bis 1,5 Prozent niedriger. Chemisch« Werte ruhig. Elektrowerte still. Ma- schinen- und Motorenwerte: Berlin-Karlsruher In dustrie zogen 6 Prozent an. Textil werte ungleichmäßig. Papier- und Zellstoffwerte überwiegend gedrückt. Spritaktien: Ostwerke verloren 2 und Schultheiß 1 Prozent. Amtliche Notierung der Mittagsbörse av Station. Mehl und Kleie brutto, einschl. Sack frei Berlin. IM tg 28. 1. 27. 1. Meht 70 °/„ 28. 1. 27. I Weiz? märk. Weizen . . 29?°-33." 29?°-33?° 231.°-234.° 231.°-234.° Roggen. . 30?°-33.°' 30.75-33.5 März 261?° 263 °-262.° Weizenkleie 15.20 15.20 269?-269.° 271.°-270? Noggenkleie , 15.20 15.20 Juli Rogg. mrk.ft März Mai Juli 274.°° 275.°-75B. Raps (1000 kg) 345-350 345-350 Leinsaai (do.) — — 233.°-236? 260.°° 266.°° 256.°° 234.°-236.° 261-60?B. 267 66?B. 257.°-57B. Erbsen, Vittoria Kl.Speiseerbsen Futlererbsen . Peluschken. . Ackerbohnen . 50.0-56.(> 32.0-35.0 21.0-22.0 20.0-21.0 20.0-21.0 50.0-56.0 32.0-35.0 21.0-22.0 20.0-21.0 20.0-21.0 Gerste 220.°-270.° Wicken . . . 21.0-24.0 21.0-24.0 Som. 220.°-270.° Lupinen, blau 14.0-14.7i 14.-14.75 Wint. — — „ gelb 15.5 16.1 15.5-16.1 Hafer märk. Seradella . . 21 0-25.0 21 0 25.00 2O2.°-213.° 2O2.°-213? Rapskuchen . 19.9 20.1 19.9 20.1 März 226?° 226.° G. Leinkuchen. . 22.0-22.2 22.0-22.2 Mai 237.°° 237.°Br. Trockenschnitzel 12.4 12.7 12.4-12.7 Juli — 241.°Dr. Soya-Exira- MaiS Schroi . . 22.0 22 3 22 0 22 3 Berlin L12.°-214.° 212.°-214.° Karloffclflocken 24.0 24.4 24 0 24 4 °) HektolUeraewickU 74.50 lc> do 69 Berliner Schlachtviehmarkt. Auftrieb: 1960 Rinder, darunter 536 Ochsen, 429 Bullen, 995 Kühe und Färsen, 1850 Kälber, 5203 Sä>afe, 13 857 Schwein« (zum Schlachthof dir«kt seit letztem Viehmarlt 1205), 246 Auslandsschweine. Verlauf: Bei Rindern in guter Ware glatt, sonst ruhig; bei Kälbern und Schafen ruhig; bet Schweinen glatt. Preise: Ochsen al) 59—62, all) —, bl) 53—57, bll) —, c) 47—51, d) 40—45; Bullen: a) 55 bis 57, b) 51—53, c) 48—50, d) 44—46; Kühe: a) 45—47, b) 32 bis 42, c) 25—29, d) 20—22; Färsen: a) 55—57, b) 43—53, c) 42 bis 46; Fresser: 38—48; Kälber: a) —, b) 77—84, c) 60—75, d) 46—55; Schafe: al) 57—61, all) —, b) 50—55, c) 40—48, d) 25—35; Schwein«: a) —, b) 55, c) 53—55, d) 51—53, c) 48 bis 51; Sauen: 48—50. Berliner Butterpreise. Amtliche Notierung im Ver kehr zwischen Erzeuger und Großhandel, Fracht und Gebinde gehen zu Käufers Lasten: 1. Qualität 163, 2. Qualität 149, ab fallende Sorten 135 M. Tendenz: Ruhig. Sonne und Mond. 81. 1. Sonne: A. 7.48, ll. 16.39. Mond: A. 11.36, U. 2.3S Mag auch Vie Liebe weinen ... Roman von Fr. Aehne. -4. Fortsetzung. (Nachdruck verboten.) Da riß Rüdiger das wehrlose Mädchen in seine schützenden Arme. „Schweige, Lella, mit deinen ungerechten Vor- würfen!" zürnte er, „auf den Knien müßtest du Frau- lein Berger danken, daß sie dir wenigstens eins deiner Kinder gerettet hat! — Ich selbst bin Zeuge gewesen, wie du ihr streng bekohlen hast, im Zimmer zu bleiben und Sissi zu beaussichtigen! — Und wäre sie diesem Ge- bot nicht doch infolge einer inneren Unruhe ungehorsam geworden, so hättest du auch noch den Tod deines Soh nes zu beklagen gehabt und hättest niemand verantwort- lich machen können! Mit Nichtachtung ihres eigenen Lebens hat Fräulein Berger dir Ossi gerettet — und dar ist dein Dank!" Fest und stark hielt er Lore im Arm, um sie vor dem Angriff der anderen zu schützen. Er fühlte ihr ar- mes, geängstigtes Herz ungestüm an dem seinen klopfen und beruhigend drückte er sie an sich. Doch Lella achtete seiner Worte nicht; sie schrie und erging sich in sinn- losen Anklagen. „O, daß ich einen Vater hätte, der mich vor diesen ungerechten Vorwürfen schützte!" jammerte Lore. Sie war dem Umsinken nahe. „Seien Sie ruhig, Kind! Wir alle wissen, was Sie getan haben!" Rüdiger sprach ihr mit seiner gütigen Stimme berhigend zu. „Ewig wird unsere Familie in Ihrer Schuld bleiben!" Sein Milleid mit der Schwägerin machte dem Ge- fühl einer zornigen Empörung Platz angesichts einer solchen Ungerechtigkeit. „Mir aus den Augen!" ries die Gräfin außer sich, „ich kann sie nicht mehr sehen, die Schuld am Tode mej. nes Kindes ist — sie verläßt mein Haus noch heute — trotzdem du dich als ihr Ritter und Beschützer aufspielst." „Pas PUH sie nichts" entschied Rüdiger, „die Ret terin deines Kindes hinausjagen — schlägst du so aller Gerechtigkeit ins Gesicht? Sprichst du so aller Dank barkeit Hohn? Ich habe mich Fräulein Bergers ange- nommen, wie ich bei jedem zu handeln pflege, der Un recht erleiden muß. — Ottokar, hast du, denn kein Wort für das Mädchen, dem du so viel zu danken hast?" Vorwurfsvoll wandte er sich an seinen Bruder, der so schwach und unmännlich den Vorwürfen seiner Frau nicht Einhalt gebieten konnte. „Ich will Lore Berger halten, als sei sie mein eigenes Kind! Sie soll sagen, was sie begehrt! Alles will ich ihr geben,, weil sie mir meinen Sohn gerettet hat!" sagte er jetzt mit schwankender Stimme, ging aus Lore zu, schloß sie in die Arme und drückte einen Kuß auf ihre Stirn. Die Gräfin brach in ein hysterisches Lachen aus, das dann in ein krampfhaftes Schluchzen überging. „Ich begehre nur das eine: daß man mich noch heute nach dem Wunsch der Gräfin gehen läßt!" ent gegnete Lore, „nicht um alles in der Welt kann ich nach dem, was ich habe hören müssen, noch eine Stunde hier bleiben." Sie wankte an das Lager des jungen, frühvollen deten Kindes und erfaßte dessen erkaltete Hand. „Du weißt jetzt vielleicht, wie gern ich dich gerettet, wie gern ich jetzt an deiner Stelle wäre! Wie schweres Unrecht die Vorwürfe sind, die man mir gemacht — du weißt es!" flüsterte sie mit zuckenden Lippen, den trä- nenvollen Blick aus das entstellte Gesicht Theklas gerich tet. Und noch einmal: „Du weißt es!" In schlichter Größe stand sie da. Ihre Gedanken waren weit weg, man sah es an dem fremden Ausdruck ihres Gesichts, über das ein Er schrecken ging, als Rüdiger sie jetzt anredete, und sie be stimmen wollte, doch zu bleiben. Sie schüttelte den Kopf. „Nein! Ich kann nicht bleiben. Nur Ossi möchte ich noch einmal sehen!" bat sie mit versagender Stimme. Vor seinem Bett sank sie nieder. Er lag in fried- lichem Schlummer — er schlief wohl seiner Genesung entgegen. Sie preßte die brennenden Augen auf die seidene Decke. Wie schwer wurde es ihr doch, fortzu gehen — wie mit tausend Armen fühlte sie sich gehalten und doch brannte ihr der Boden unter den Füßen. Sie mußte fort — gleich — trotz der körperlichen Schwä che, der sie kaum noch Herr werden konnte. Alles drehte sich um sie; große feurige Ringe kreisten vor ihren Augen. Doch mit Bettys Hilfe hatte sie bald ihren Anzug vollendet. Das Päckchen mit den Briefen der Mutter nahm si« an sich und ihre Barschaft. Alles übrige sorgsam ein- zupackcn und ihr nachzuschicken, versprach ihr unter Tränen das ihr treu ergebene Mädchen. Unten in der großen Halle vertrat ihr der Legati- onsrat den Weg. Anscheinend hatte er auf sie gewar tet. Mit schmerzlichem Vorwurf sah er sie an. „Wollen Sie wirklich ihren Eigensinn durchsetzen? Ich lasse Sie nicht fort, Lore Berger." „Sie müssen es doch, Herr Graf! Eigensinn, sagen Sie — bei mir nennen Sie es so! — In Ihren Kreisen würde man es anders, würde man es Ehrgefühl nen nen." „Lore, rechten Sie doch nicht mit den Ausdrücken einer halb unzurechnungsfähigen Frau! — Ihren An- gehörigen gegenüber können wir die Verantwortung auch nicht übernehmen, Sie in einem solchen Schwäche zustand reisen zu lassen." „Das lassen Sie meine Sorge sein, Herr Gras! Ich weiß, Sie meinen es gut mit mir — aber bei meiner Mutter bin ich am besten ausgehoben! — Für mich ist hier kein Bleiben mehr — niemand kann mich halten. Und wenn ich die Nacht durchlaufen müßte!" „Niemand? Auch Sissi nicht? — Sissi, die Sie so nötig braucht?" „Erinnern Sie mich nicht an Sissi!" murmelte sie mit erstickter Stimme, „machen Sie es mir doch nicht so schwer!" Fortsetzung folgt.