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NrHl5. Pulsnitzer Tageblatt. — Mittwoch, den 18. Januar 1928. Seitab. das Schloß Chambord Und der dazu gehörige Grund und l Boden, der der Größe von Paris gleichkommt, zugesprochen wurde. Die Prinzen und Prinzessinnen hatten im April 1915 bei den Gerichten von Blois, die Nichtigkeitserklärung des Wiener Abkommens durchgesetzt. Sie stützen ihre Klage aus Aushebung der Sequester auf die Tatsache, daß Prinz Elias österreichischer Staatsangehöriger ist. Die Klage, die seit 1920 vor französischen Gerichten an hängig ist, erstrebt die Zuteilung des Schlosses und des dazu gehörigen Gebietes für einen der klagenden Prinzen oder die Aufteilung unter sämtliche Kinder des Herzogs von Parma. Unsere drei Fragen WaL dec Zeitungslesec wissea muß! —:— Frage: Nach Bränden wird von den Versicherungs gesellschaften oft behauptet, daß Ueberoersicherung vorliegt. Was ist eine Uebeuoersicherung? Antwort: Ueberoersicherung tritt ein, wenn ein Objekt auf einen den zeitigen gemeinen Wert wesentlich übersteigenden Betrag versichert wurde. Da durch Brand oder sonstigen Scha den niemals eine Bereicherung des Versicherten eintreten darf, so ist die Ueberversicherung gesetzlich verboten und wird bestraft. Selbst auf unbewußte (fahrlässige) Ueberversicherung ist Geldbuße vorgesehen. —:— Frage: Zwischen Polen und Litauen drohte ein Krieg auszubrechen, weil beide Staaten Anspruch auf den Besitz des Gebiets von Wilna zu besitzen glauben. Was ist von dieser Stadt bemerkenswert? Antwort: Wilna wird urkundlich 1128 zum ersten Male erwähnt und war von 1325 bis 1795 die Hauptstadt des Eroßfürstentums Litauen. Die vom Weltkriege hervorgeru- senen Umwälzungen brachten die ungefähr 160 000 Einwoh ner zählende Stadt zu Polen, welches sich zur Begründung seiner Ansprüche darauf berufen kann, daß vom Jahre 1803 bis 1832 sich in Wilna eine polnische Universität befand. Auch di« Ruinen des alten fürstlichen Schlosses der Iagellonen be finden sich am dortigen Schloßberge. Die gegenwärtige Be völkerung ist eine gemischte, von der 47 Prozent Isrealiten sind, welche den ziemlich bedeutenden Handel und die Indu strie fast vollkommen in Händen haben. —Frage: Ost hört man Personen klagen, daß ihnen Ueberbeine Schmerzen verursachen. Was ist ein Ueberbein? Antwort: Ueberbeine sind harte, rundliche Geschwülste, welche sich zumeist an den Hand- und Fußgelenken bilden. Sie bestehen aus einem häutigen, eine Flüssigkeit einschließendem Sacke von mehr oder minder großem Umfange. Diese häu fig schmerzhaften und manchmal zu bösartigen Geschwüren führenden Geschwülste werden größtenteils durch Druck, Zer rung oder Quetschung heroorgerufen. Das beste Mittel zu ihrer Entfernung ist anhaltende Massage, oder wenn diese erfolglos bleibt, di« gewaltsame Zersprengung der Geschwülste. Medikamente find ohne Nutzen. Sport. Tunney und Dempsey boxen im Juni. Der amerika- nlsche Boxunternehmer Richards kündigt für Juni einen Kampf zwischen Tunney und Dempsey im Yankee-Stadion in New - Port an. Der Sieger wird mit dem BoxeV gepaart werden, der sich in den Ausscheidungskämpfen für die Meisterschaft qualifi- i ziert. Dortmunder Sechstagerennen. Eine Sprengung des - Feldes ist noch nicht möglich gewesen. Binda-Linari be- , kamen eins Strafrunde zudiktiert, weil sie sich nicht vorschrists- j mäßig ablösten. Eine Kuriosität des Rennens ist der Ersatzmann Dülberg, der als ewiger Ersatzmann scheinbar Stunde um Stunde ; die Bahnumkreist. Hürtgen-Rausch hätten einen Vorstoß ' beinahe zu einem Rundengewinn ausgebaut. Der Stand des i Nennens am Dtenstagvormittag war: Dewolf-van Kempen 188, Goebel-Stockelynck 160, Bruskie-Schorn 104, Lorenz-Tonani 102, Dederichs-Knappe 92, Ehmer-Kroschel 58, Kroll-Miethe 53, Wambst-Lacquehay 34, Hürtgen-Rausch 29; eine Runde zu rück: Binda-Lmarl 152, Nichli-Suter 149 Punkte. Eine Max-Schmeling-Straste. Die Stadt Prenzlau hat den Europameister im Halbschwergewicht Max Schmeling da- durch geehrt, daß eine Straße nach ihm benannt worden ist. Schmeling ist Uckermärker und stammt aus dem Dorf Luckow bei Prenzlau. Börse und Handel. Amtliche sächsische Notierungen vom ii.Zammr 1928 Dresden. Das Geschäft war gering, die Tendenz schwach. Bankwerte gaben ungefähr 1,5 Prozent nach bis ans Sächsische Boden und Sächsische Bank. Maschinenwerte waren rückgängig bis auf Union Diehl (plus 5 Prozent) und Kunert Turbo (plus 3,25 Prozent). Höher lagen auch Sächsische Bronze. Von Papierwerten verloren Dresdener Albumin Genußscheine 4, Peniger 1, Zellstoftverein 1 Prozent. Heidemann gewannen 4 Prozent. Einige Textilwerte konnten sich befestigen. Braue reien waren stark rückgängig. Polyphon büßten von den Diversen 13 Prozent ein Leipzig. Die Börse zeigte eine schwache Haltung. Um sätze blieben gering. Nordwolle verloren 3,5, Stöhr 2, Poly phon sogar 11 Prozent. Chemnitz. Bei Verkaussneigung war die Börse außer ordentlich ruhig. Schubert u. Salzer, Großenhainer Webstuhl und andere Maschinenwerle gingen 3 Prozent zurück. Von Textilwerten besserten Bachmann u. Ladewig sowie Tüll Flöha ihren Kurs. Der Freiverkehr war freundlicher. Dresdener Produktenbörse. Börsenzeit: Montag und Freitag nachmittag 2—4.30 Uhr. 16. 1. 13. 1. 16. 1. 13. U Weizen Weiz.-Kl. 15,3—15,9 15,0—16,0 inl., 73Kg 244—249 244—249 Rogg.-Kl. 16,0—17,5 16,0—17,5 Roggen Kaiseraus- sächs.,69k8 Sommer- 251—256 251—256 zugmehl 44,0—45,5 44,0—45F gerste, sächs. 262—282 262—282 mundmehl 38,0—39,5 38,0—39,5 Futtergste. 226—248 226—248 Weizen nachmehl Inland- Hafer, inl. 214—240 214—220 23,0—24,0 23,0—24,0 Raps, ir. Mais 345—355 345—355 Laplata 220—223 220—223 weizenm. Type 70 A 37,0—38,0 37,0—88,0 Cinqu. Trocken schnitzel 230-250 14,0—14,4 230—250 14,0—14,4 Roggen mehl 01 Type 60 38,5—40,0 38,5—40,0 Zucker- Roggen- schnitzel 21,0—22,5 21,0-22,5 mehl I 37,5—38,0 Kartoffel- Type 70 N 37,5—38,0 flocken 26,0—26,5 26,0—26,5 Roggen- Futtermehl 19,0—20,5 19,0—20,5 nachmehl 23,5—24,5 23,5—24,5 Tendenz: Ruhig. Die Preise verstehen sich bis einschl. Mais per 1000 Kilo gramm, alle anderen Artikel per 100 Kilogramm in Reichs mark. Rotklee, Erbsen, Wicken, Peluschken, Lupinen und Mehl (Mehl inkl. Sack frei Haus) in Mengen unter 5000 Kilogramm ab Lager Dresden, alles andere in Mindestmengen von 10 000 Kilogramm waggonfrei sächsischer Versandstationen. * Leipziger Produktenbörse. Preise: Weizen, inl., 74,5 Kg. 234—242, Roggen, hies., 70 Kg. 243—251, Sandroggen, 71 Kg. 248—256, Sommergerste, inl. 235—280, Wintergerste 235—256, Hafer, inl. 210— Mais, amerik., runder 222—226, Mais, Cinquantin 228—234, Raps 310—355, Viktoriaerbsen 380—480. Berliner Börse vom Dienstag. Das Geschäft ist weiter zusammengeschrumpft. Die Auf nahmefähigkeit des Marktes versagte, und auch die letzttägigen Favoritpapiere, z. B. Polyphon, hatten starke Kursembußen zu verzeichnen. Man befürchtet, der mitteldeutsche Metallarbeiter streik könne auf andere Gebiet« übergreisen. Die bevorstehende Erhöhung der französischen Roheisenprcise machte keinen Eindruck, ebenso bevorstehende Kapitalerhöhungen, wie z. B. bei der Loewe A.-G„ die übrigens 10 Prozent Dividende ausschütten dürft«. Amtliche Devisen-Notierung» Devis en <In Reichsmark' 17. I Geld anuar Brief 16. Ja Geld nuar Briet New York ,. 1 » London.... 1 L Amsterdam . 100 Glü. Kopenhagen . 100 Kron. Stockholm . . 100 Kron. Oslo . , , , . 100 Kron, Italien . ,,. 100 Lire Schwei, , , . 100 Frra. Paris . , , , » 100 Fres. Brüssel , 100 Fres. Prag , 100 Kron. Wien . . , , . 100 Schill. Spanien ,.. 100 Peseta Bankdiskont: Ber Brüssel 4)4, Italien 7, Ko Oslo 5, Paris 5, Prag 5 Eff M 4,194 20,443 169,10 112,31 112,71 111,54 22,185 80,80 16,485 58,45 12,43 59,09 71,78 in 7 (Lc penhagen Schweiz 3 ektenma Mi. 4,202 20,483 169,44 112,53 112,93 111,76 22,225 80,96 16,525 58,57 12,45 59,21 71,92 mbard 8 5, Londo 14 Stock! rkt. Li. 4,193 20,452 169,13 112,38 112,76 111,56 22,19 80,788 16,49 58,465 12,43 59,075 72,02 , Amster n 4)4, 3 )olm 4, Z M. 4^01 20,492 169,47 112,60 112,98 111,78 22,23 80,945 16,53 58ch85 12,45 59,195 72,16 )am 8)4, Nadrid 5, Lien 6)4. Ausländische Renten befestigt. Bankaktien gaben 2—3 Prozent nach. Berkehrswerte still. Schiffahrts- aktien uneinheitlich. Montanaktien überwiegend rückläu fig. I. G. Farbe ni nduftrie gaben 1chO Prozent nach. Elektrizitätswerte büßten 1 bis 2 Prozent ein, stärker M-rückt waren Schles. Elektrizität und Gas um 3 Prigent. Waggonfabriken: Busch verloren 4 Prozent. Maschi- neu- und Motorenwerke: Augsburg-Nürnberg verloren 4, Loewe 6,75 Prozent. Textilwerte uneinheitlich. Amtliche Notierung der Mitlagsbörse ab Stalls». Mehl und Kleie brutto, einschl. Sack frei Berlin. ') Hektolitergewicht 74,50 kg. 0 do. 69 üg. 1M kg 17. 1. 16. 1. Mehl 70 o/. 17.1. 16. 1. Weiz? Weizen 30.00-34.0 30.00-34.0 mark. 233?-236." 233?-236? Roggen 31.00-33.7 31.0-33.75 März 267?-267? 268?-267? Weizenkleie 15 00 15.00 Mai 275.°-274? 275?-275? Roggenkleie . 15 00 15.00 Juli 277.°-276? 277?-277? Raps (1000 kg) 345-350 345-350 Rogg. Leinsaat (do.) —- — mrk?) 234.°-237? 234.0-237? Erbsen, Viktoria 51.0-57.0 51.0-57.0 März 26O.°-259? 261 *-261? Kl.Speiseerbsen 32.0-35.0 32.0-35.0 Mai 265?" 266?-266.° Futtererbsen 21.0-22.0 21.0-22.0 Juli 255?-255? 256?-256? Peluschken 20.0-21.0 20.0-21.0 Gerste Ackerbohnen 20.0-21.0 20.0-21.0 Som. 220.0-269° 220?-268? Wicken . . 21.0-24.0 21.0-24.0 Wint. — — Lupinen blau 14.0-14.7k 14-14.75 Hafer . gelb 15.7-16.1 15.7-16.1 mark. 200.0-211? 200.°-211? Rapskuchen 19.9 20 1 19.7-19.8 März — 227.°° Leinkuchen. . 22.1-22.4 22.1-22.4 Mai 236?-236? — Trockenschnitzel 12.2-12.4 12.2-12.4 Juli — — Soya-Extra- MakS Schrot . 21.1-21.6 21.1-21.6 Berlin — 210.0-212? Kartoffelflocken 23.4-23.8 23.4-2S 8 Berliner Frühmarkt. Hafer gut 238—248, do. mittet 227—237, Sommergerste gut 244—260, Fntterweizen 220—240, gelber Platamais lolo 217—224, kleiner Mais loko 225—232, Fut- tererbsen 250—260, Taubenerbsen 365—375, Wicken 265—275, Torf melasse 118—120, Roggenkleie 154—160, Roggen-Bollmehl 176 bis 180, Weizenkleie 152—160, Weiz«n-Bollmehl 176—180. Alles per 1000 Kilogramm ex Waggon oder frei Wagen. mauysurrer. L>raytgepr«tztes Roggen)trotz (Quadratballen) 0,85—1,10, drahtgepreßtes Weizenstroh (Quadratballen) 0,80—1, drahtgepreßtes Haferstroh (Ouadratballen) 0,78—O,SV, drahtge- preßtes Gerstenstroh (Qiwdratballen) 0,70—0,85, Roggenlangstroh (zweimal mit Stroh gebündelt) 1—1,25, bindfadengopreßtes Rog genstroh 0,70—0,90, bindfadengepreßtes Weizenstroh 0,70—0,80, Häcksel 1,60—1,80, handelsübliches Heu (gesund und trocken, nicht über 30 Prozent Besatz mit minderwertigen Gräsern) 1,50—2, gutes Heu (desgl. nicht über 10 Prozent Besatz) 2,40—2,80, Lu zerne los« 3,50—4, Thymotee lose 3,46—3,80, Kleeheu lose 3,40 bis 3,90. Drahtgepreßtes Heu 30 Pf. über Notiz. Die Preis« verstehen sich als Erzeugerpreise ab märkischen Stationen, frei Waggon, für 50 Kilogramm in Reichsmark. Magdeburger Zuikerpreise. Rohzucker: Alles gestrichen. Tendenz: Still. — Terminpreise: Iannar 14,80 B 14,70 G, Fe bruar 14,85 B 14,75 G, März 14,90 D 14,80 G, April 14,95 B 14,85 G, Mai 15 B 14,95 G, Juni 15,05 B 15,15 G, Juli 15,15 B 15,10 G, August 15,20 B 15,15 G, September 15,10 B 15,05 G, Oktober 15,05 B 14,90 G, Oktober-Dezember 15 B 14,90 G. Ten denz: Still. — Weißzucker: Januar 27,15, Februar 27,30, März 27,45. Tendenz: Still. Oie Weltreise des Kreuzers „Berlin". Originalberichte für unsere Zeitung. Von Marine-OLerzahlmeister Hermann Schmidt. Sonntagsäummel in Cadiz. — Deutsches Platzkonzert und dazu ein leichter Flirt. — Genua entgegen. — Weihnachts feiern auf der „Berlin". — Aber, wen das Heimweh packt... Genua, End« Dezember 1927. Die Bevölkerung von Cadiz, die uns überall freund lich und zuvorkommend begegnet, ist ein Völkergemisch, in dem Mauren, Germanen und Romanen ihre Spuren zurück gelassen haben. Hier thront die Baskenmütze nicht auf schönen Frauenköpfen, hier tragen sie Männer jeden Alters. Die Kleider der Damen sind so kurz wie in Deutschland, der Bubikopf nicht seltener als daheim, nur steckt in ihm fast durchweg der hohe breite spanische Kamm, und darüber liegt der schwarze Schleier. Auffallend sind die vielen, von ein ander sehr verschiedenen Uniformen, die das Straßenbild beleben. Soldaten der heimischen und der marokka nischen Regimenter, dreierlei Polizeitruppen glänzen in bunten Farben mit wunderlichen Kopfbedeckungen. Am Sonntag gegen Mittag konzertiert unsere Bord kapelle auf dem schönsten Platz der Stadt. Sie erntet reich lichen Beifall von den zahlreichen spanischen Zuhörern, die den großen Platz in beinahe beängstigender Weise füllen. Die Fanfarenmärsche mit Kesselpauken verfehlen auch hier ihre Wirkung nicht. Die deutschen Seeleute schwimmen fröh lich in diesem Menschengewirr. TrotzdeM sie kaum ein Wort Spanisch können, fangen sie bald an, mit den glutäugigen Andalusierinnen anzubändeln. Die Sprache der Augen ist ja international. Wenige Tage darauf verlassen wir das gastlich« Cadiz. Am Nachmittag erreichen wir die Nordwestecke Afrikas, den ersten fremden Erdteil, den wir auf der Reise erblicken und dessen Küste wir folgen. Wildzerrlüftet ragt das Rif aus dem Meer hervor. Im Hintergrund« überragen die ge waltigen, schneebedeckten Höhen des Atlas das Rif. Gegen Abend dringen wir in die an ihrer engsten Stelle etwas über 8 Seemeilen breite Straße von Gibraltar ein. Zur Linken der starre Felsen, nach dessen Namen die Straße benannt ist, der die starke englische Festung auf spanischem Boden trägt. Dann nehmen wir Kurs auf Algier, Has wir am nächsten Tage erreichen. Die weit . verzweigte Stadt mit ihren hohen Bauten, ihren schönen m sattes Grün gebetteten Villen und Schlössern bietet «inen schönen Anblick. Kurz hinter Algier biegen wir scharf nach Norden ab. An den Balearen vorüber, an Sardinien und Korsika, deren Berge uns grüßen, ankern wir im Schutze der Berge Elbas, wo „Berlin" landfein gemacht wird für Genua, wo scharfe Augen uns und unser Schiff wohl bettachten werden./ Das bisher sehr schlechte Wetter läßt das Malen endlich zu. Am 22. Dezember läuft „Berlin" planmäßig in Genua ein. Der 24. Dezember begann für die Besatzung der „Berlin" mit einer kleinen Enttäuschung. Am frühen Morgen, schon eine Stunde vor der sonst üblichen Zeit, schrillten die Boots mannsmaatenpfeifen durch die Decks, und der beim See mann nicht gerade beliebte Ruf: „Reise, reise! (vom englischen riss — sich erheben) Aufstehen! Alle Mann zurrt Hängematten!" riß die Schläfer, die gerade von Weihnachten daheim, von Muttern und sonstigen Anverwandten oder solchen, die es werden sollen, träumten, aus den süßen Träumen in die rauhe Wirklichkeit. Das Schiff mußte weihnachtsklar gemacht werden: noch gründlichere Reinigung und schärferes Messingputzen als ' sonst. Dann mußie der Besatzung Zeit gegeben werden, sich selbst weihnachtsklar zu machen und Vorbereitungen für den heiligen Abend in den Wohnräumen zu treffen. Sofort setzte in allen Wohndecks eine eifrige und teilweise geheimnisvolle Tätigkeit ein. Die von Deutschland mitgenommenen Weih- nachtsbäume wurden mit Liebe geputzt, Transparente an gefertigt und Ueberraschungen vorbereitet. Die „Hütte", das über den Offizierkammern liegende offene Deck im achte ren Teil des Schiffes, ist für die kirchliche Feier vorbereitet worden. Das Sonnensegel ist hier ausgebracht, um die Feier zwar nicht vor sengenden Sonnenstrahlen, aber vor Regengüssen zu schützen. Die Mitte dieses Raumes ziert der Lhristbaum im Lichterglanz. Vor ihm ist der Altar aufgebaut. Hier ist die Besatzung um 6 Uhr nachmittags angetreten. Die Schiffsglocke schlägt an „Zur Kirche", und pünktlich tritt, geleitet vom Kommandanten, der Pfarrer der deutschen Kolonie Genuas vor den Altar. In vollem Chor gesungen erklingen die alten lieben deutschen Weihnachtslieder, begleitet von der Bordkapells. Ergreifend spricht der Pfarrer zu seiner Gemeinde. Man merkt ihm die Freude an, wieder einmal auf deutschem Boden zu Landsleuten sprechen zu können, die erst kürzlich die Heimat SLkkrsseu Laben. Krachend bricht sich die Branduna an der Nkole, an der wir liegen, gleichsam die Worte des Pfarrers unterstreichend. Manches Auge seuchtet sich in Erinnerung an die Heimat. Für die 81 Kadetten, die an Bord sind, ist es der erste Weihnachtsabend, den sie fern von ihren Lieben, und dazu noch fern von der Heimat, verbleiben müssen. Nach dem Gottesdienst „Wegtreten zur Be scherung!" Alles eilt in die Wohndecks, wo Geschenke und Weihnachtsteller bereitstehen. In jedem Raum brennt der Christbaum. Um die Backen sitze» die Leute, vor sich ihre reichbeladenen Weihnachtsteller und das Ge schenk, Las sie sich in Kiel bereits ^-oünscht haben. Ueberall Musik, teils Radio ausDeutjchland, teils mehr oder weniger gute Grammophon«. Noch gibt es keinen Punsch. An vielen Backen hängen Transparente, Bilder und Gedichte, durch die meistens mit treffendem Seemannswitz kleine Schwächen -er Vorgesetzten gegeißelt werden. Schmunzelnd quittieren die Bettoffenen. — am heiligen A-ben- wird bei der Marine grundsätzlich nichts iwelgenommen. Die Ka detten haben ihre Räume „türkisch" hergerichtet. Backen und Bänke hängen an ihrem gewöhnlichen Platz, zusammen- geklappt an der Decke. Aus gerollten Hängematten, Decken und Flaggen sind niedrige Diwans hergestellt, die Wände sind mit Flaggen verkleidet, die elektrischen Lampen sind mit i buntem Papier verhüllt. Ein trauliches Dämmerlicht und i eine — entsetzliche Hitze herrschen in den Räumen — an scheinend wollen -ie Kadetten sich auf die Tropenhitze vor- - bereiten. Um acht Uhr abends beginnt die Punschausgabe. , Die feierliche, anfangs etwas gedruckte Stimmung wird mit i Hilfe des Punsches fröhlicher; einige trinken den Punsch ! aus lieber Gewohnheit, andere, um das Heimweh, die Sehn- > sucht nach Weib und Kind, Eltern und Bräuten zu betäuben. Aber immer bleibt die Fröhlichkeit in gewissen, dem Fest ' angemessenen Grenzen, nirgends ein Betrunkener. Um 12 Uhr 30 singt der Äootsmaat der Wache sein „Ruhe im Schiff" aus, und es wird Ruhe. Jeder sucht seine Koje oder Hängematte auf. Noch einmal fliegen die Ge danken in die Heimat zurück, dann sinkt alles in wohl- > verdienten Schlaf. Nur die Wache darf noch weiter darüber nachsinnen, wie es wohl daheim aussehen mag, wie die ! Lieben daheim Weihnachten gefeiert haben mögen. Sonne und Mond. 20. 1. Sonne: A. 8.03, U. 16.20. Mond: A. 6.21. U. 13.44