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Nr. 87. Wochenblatt für Pulsnitz und Umgegend. — Donnerstag, denf 23. Juli 1903. Seite L. — Herr Bezirksamt Medizinalrat Or. Spann in Kamenz ist vom 30. Juli bis mit 5. September dieses JahreS beurlaubt. Mit seiner Vertretung während dieser Zeit ist Herr Bezirksarzt Or. Streit in Bautzen beauftragt worden. — Die Staatseisenbahnverwaltung wird Sonntag, den 2. August einen Sonderzug zu ermäßigten Preisen von DreSden-Altstadt nach Erkmannsdorf, Zschopau, Wolkenstein Wiesenbad, Schönfeld, Annaberg, Cranzahl, Oberwiesenthal und Weipert abfertigen. Der Sonderzug verläßt früh 5 Uhr 45 Min. den Hauptbahnhof Dresden. Die Rückfahrt er- folgt am Abend deSseben Tages um 6 Uhr 40 Min. von Oberwiesenthal (Ankunft auf dem Hauptbahnhofe nachts 12 Uhr. Der Verkauf der Fahrkarten beginnt am 30. Julr und wird Sonnbend, den 1. August abends 9 Uhr geschlossen. — Der unter dem Protektorate Sr. Majestät des Königs stehende Landesverband sächsischer Feuerwehren versendet soeben den Bericht über die dreijährige Vermal- tungSperiode 1899 bis 1902. Demselben ist folgendes zu entnehmen: Ende 1902 zählte der Landesverband 782 Feuerwehren mit 48 506 aktiven Mitgliedern, welche 1328 Saug- und Druckspritzen, 370 500 Meter Druckschlauch be- dienen. Die bestehenden Wehren übten im Jahre 1902 16 764 mal. Diesen Wehren standen 567 Steigerhäuser zur Verfügung und 214 Wehren konnten Hochdruckwasser, lettungen benützen, in welchen 7000 Unter- und 4320 Ueberflurhydranten eingebaut waren. Außer diesen orga nisierten, wohlauSgerüstcten und eingeübten Feuerwehren de» Landesverbandes bestanden noch nach den Mittei- lungen der einzelnen AmtShaupimannschaften im Jahre 1901 in 1150 Landgemeinden besondere Löschmannschaf ten, rund 57 000 an der Zahl, welche insgesamt 1261 Saug- und Druckspritzen mit nahe 200 000 Meter Druck- schläuchen bedienten, doch sind nach den in allen Amts hauptmannschaften seitdem durchgeführten Revisionen der Gemeinbefeuerlöschanstalten in einer weiteren großen Zahl von Gemeinden geordnete Löschmannschaften oder einfache Pflichtfeuerwehren eingerichtet worden. — Ein launiges Wort König Georgs wird in An- fchluß an die jüngste Anwesenheit Sr. Majestät im Vogt- lande erzählt und als wahr verbürgt. In einem sächsischen Badeorte schloß nämlich ein Redner seinen Trinkspruch auf den Königlichen Herrn mit den Worten: „Hoch lebe Se. Majestät König Alberti" Kurz vorher hatte in einem andern Orte bei ähnlicher Veranlassung und in Anwesen heit Se. Majestät des Königs Georg ein Redner in ent» schuldbarer Befangenheit geschlossen: „Hoch lebe Se. Ma jestät König Joh—!" AlS das letzte Wort dem Gehege der Zähne entflohen war, bemerkte König Georg zu einem neben ihm sitzenden Herrn: „Nun wird wohl August der Starke auch bald an die Reihe kommen!" — Ein KindeSmord erregt in Berlin Austehen. Eine gut gekleidete Frau mietete sich bei einer Zimmervermieterin ein, verließ am andern Morgen die Wohnung und li^ß die Leiche eines neugeborenen Kindes zurück. Die Polizei hat festgestellt, daß die Kindesmörderin eine 1889 in Dresden geborene, mit einem Hauptmanne verheiratete Frau ist, die mit ihrem Manne in der Ehescheidung steht; obgleich die Polizei eifrig bemüht war, die Verbrecherin zu ergreifen, ist die« doch bis jetzt nicht gelungen. — Der zu längerer FestungSstrase verurteilte vr. msä. Neumann aus Bautzen, welcher seinerzeit das Unglück hatte, seinem Freunde eine tätliche Verletzung beizubringen, soll einer Mitteilung zufolge nach etwa 4monatigem Aufent halte auf der Festung Königstein von Sr. Majestät dem König für den Rest seiner bis Oktober reichenden Strafe be gnadigt worden sein. Neustadt, 13. Juli. Gestern erfolgte die gerichtö- Lrztliche Oeffnung des vor wenig Tagen im Hartmannsdor fer Staatsforstrevier an der Schneeberger Straße tot aufgc« fundenen Handarbeiters Gerber aus Hundshübcl, und zwar ergab der Befund, daß der Mann durch einen Gewehrschuß von zweiter Hand ermordet wurde und ein Selbstmord aus geschlossen ist. Von dem Täter hat man jedoch noch keine Spur, wiewohl man annimmt, daß ein Racheakt zugrunde liegt. Ein des Mordes verdächtiger Mann aus Hundshübel wurde verhaftet doch bald wieder entlasten, da sich besten Schuldlosigkeit ergab. — Ein Kind zu verschenken! Herz- und gsmütslose Eltern müssen eS sein, welche in einem Leipziger Blatte folgendes Inserat erscheinen ließen: Vergebe mein Kind als Eigentum! einen Jungen, 11 Monate alt. Auskunft erteilt Kurt Pabst, Spergau, Station Corbetha. Man möchte freilich dem bedauernswerten Kinde Glück wün schen, wenn eS aus den Händen solcher Eltern kommt. — Sich die Pupille deS linken Auges quer durchschnitten hat vor einigen Tagen ein Kaufmann in Plauen. Als dieser seinem Söhnchen die Schnürsenkel lösen wollte, rutschte ihm da« Mester, dessen er sich hierzu bediente, am Knoten ab und fuhr ihm ins Auge. Ein Teil des Auges ist aus gelaufen, doch wird ihm, wie sich nunmehr übersehen läßt, durch die Kunst deS Augenarztes erfreulicherweise ein Teil der Sehkraft erhalten bleiben. — An einem Bahnübergänge an der Bahnlinie Leip- Vig—Hof wurde unterhalb Neumark bei Plauen i. V. zon dem Schnellzuge Leipzig—Hof ein mit zwei Pferden bespannte- Geschirr überfahren. Der Geschirrsührer und ein Pferd wurden getötet. Der Schlagzieher, der die Ba- ritre zu schließen vergessen hatte, bat sich auS Verzweiflung über daS Unglück in dem nahen Teiche ertränkt. Schöneck, i. V. Ein am Dienstag mittag über das obere Vogtland hinziehendes Gewitter richtete schweren Scha den an, forderte sogar ein Menschenleben. In der vom Wald umgebenen FuchSmühle beobachtete ein dort in Diensten stehender junger Mann namens Lindner das heranziehende Wetter durch daS geöffnete Fenster. Da traf ein Blitz einen vor dem Hause stehenden Baum, gleichzeitig aber auch den jungen Mann, welcher mit versengtem Haupthaar tot in die Stube zurücksank. Die Ebertsche Bauernwirtschaft in Bro- tenfeld, aus Wohn- und Schuppengebäude bestehend, wurde durch Blitzschlag entzündet und bis auf die Umfassungs mauern zerstört. Weiter schlug der Blitz in Tirpersdorf in die Körnersche Stickereisabrik, in Vogtsberg rn die Wurlitzer'sche Schmiede und in Gettengrün in daS Jäger'fche Stallge bäude und tötete dort zwei wertvolle Kühe. — Der dienenwirtschaftliche Hauptverein Sachsens besitzt einen Bienenstand von ca. 30 Völkern. Dieser Stand be- findet sich jetzt in der Zwickauer Gegend. Durch den Koh lenrauch erleidet der Stand einen nennenswerten Schaden; denn er soll nicht nur ein Musterstand, sondern auch ein Lehrstand zum Antrieb sür Imker sein. Nachdem das Direktorium beschlossen hat, diesen Stand zu verlegen, sind zwei Orte in Aussicht genommen, Buchheim bet Lausigk und ein Ort bei Pirna. Siebenleh n. Der 4. Meisterkursu« für Schuhma cher beginnt an der dortigen Fachschule am 27. Juli. Der „Sächs. JnnungSbote", daS Organ sämtlicher Gewerbekam- mern Sachsens, hebt besonders hervor, daß gerade die Fach schulen dazu berufen seien, die Meisterkurse zu fördern, wenn er schreibt: „So viel steht schon jetzt fest, daß praktische Un terweisungen, sei eS in Handfertigkeit oder an Maschinen, nur im Anschluß an «ine Fachschule stattfinden können." Bo« «userer früheren Kronprinzessin. Von der Gräfin Montignoso schreibt man den „Münch. N. Nachr." auS Dresden: Die Annahme des Names einer Gräfin von Montignoso bedeutet durchaus und in keiner Weise die Loslösung der Prinzessin Luise von der Familie und einen Verzicht auf die ihr zustehenden Rechte und Vor rechte. Vielmehr ist und bleibt sie nach wie vor Prinzessin aon Lothringen-HabSburg-ToSkana, denn sie hat daS Anrecht auf diesen Titel und Rang und auf die Zugehörigkeit zur Familie nicht aufgegeben, sondern sich ausdrücklich Vorbehalten. Indessen hat sie selbst den Wunsch geäußert, sür den alltäg lichen Verkehr einen einfacheren Namen führen zu können, und hat auf Vorschlag ihres Vaters den einer Gräfin Mon» tignoso gewählt. Die Verleihung dieses einer Besitzung deS GroßherzogS von Toskana entlehnten Namens und diese« Titels mußte durch den König von Sachsen erfolgen, weil die Prinzessin noch die sächsische Staatsangehörigkeit besitzt und übrigens auch beizubehalten gewillt ist. Wo sie später ihren Aufenthall nehmen wird, ist noch nicht bestimmt. Der Aufenthalt in Oesterreich ist ihr nicht untersagt. Vorläufig bleibt sie in Ronno, voraussichtlich aber nicht länger al« bis zum Herbste. — Das klingt wesentlich anders, wie die ersten Dresdner Blättermeldungen in der Angelegenheit. Auf wel cher Seite ist nun die Wahrheit? Tagesgeschichte. Deutsches Reich. Der Kaiser verweilte auch am Montag über noch in dem herrlich gelegenen Molde, der zweiten Station seiner diesjährigen norwegischen Reise. Bei dem Besuche der Passagiere des Dampfers „Auguste Vikto ria" auf der „Hohenzollern" wurde der amerikanische General Draper, ein Veteran auS dem Sezessionskriege, vom Kaiser besonder« ausgezeichnet. — Der deutsche Kronprinz spendete 1000 Mark zu Gunsten der schlesischen Ueberschwemmten. — Eine Aufsehen erregende Meldung verzeichnet die „Magdb. Ztg." aus New Dort: Nach dem Chigagoer Korrespondent deS „Herald" bestätigt die Polizeibehörde von Chicago die Meldung von der Entdeckung eines anar chistischen Mordkomplotts gegen den deutschen Kaiser in Kopenhagen. Der Polizeichef von Chicago Oneil sagt, daß zwei männliche und zwei weibliche Anarchisten vor et- lichen Wochen von den Vereinigten Staaten nach Schwe den abreisten mit der erklärten Absicht, den Kaiser während seine- Besuches beim König von Schweden in Stockholm zu töten. Die Polizeibehörde in Kopenhagen wurde von der Tatsache verständigt. — Eine ähnliche Meldung ging auch dem „B. L.-A." aus New-Jork zu. Die Anarchisten in Chicago scheinen also ihre verbrecherisch n Pläne zur Anstiftung von Attentaten auf europäische Staatsoberhäup ter ausgenommen zu haben, nachdem seit der Ermordung des Präsidenten McKinley nichts von der lichtscheuen Tä tigkeit jener Gesellschaft mehr verlautet hat. — Das deutsche Schulschiff „Stein" hat dieser Tage von Kiel aus eine Auslandsreise angetreten, die bis nach Westindien geht. Zunächst ist aber „Stein" auf besonderen Befehl deS Kaisers nach den russischen Gewässern abgedampst, um Kronstadt und Petersburg zu besuchen. — Der württembergische Finanzminister v. Zey-r ist vom König Wilhelm durch Verleihung deS Großkreuzes deS Kronenordens anläßlich deS Zustandekommens der württem- bergischen Steuerreform in der kürzlich vertagten Landtags session ausgezeichnet worden. — Wie der „Nationalztg." auS Norderney (Nordsee) geschrieben wird, brachte der dortige Gesangverein dem Reichskanzler ein Ständchen. Gras Bülow dankte. Indem er dann darauf hinwies, daß die Bevölkerung von Norder- my, unter der er besonders gern weile, tm Kampf mit Wellen und Stürmen ihrem Erwerbe nachgehen müsse, ügte er unter freudigem Beifall des Publikums hinzu, auch er habe vielfach mit gegn-rischen Strömungen zu käm- )fen und gelegentlich blase ihm der Wind der Kritik um )ie Ohren. Er meine aber, daß sie beide, die Nordermyer und er, sich nicht irre machen ließen, sondern den Weg weiter verfolgten, den sie für den richtigen halten. — Man ieht den Kanzler übrigens nur abends aus der Promenade. — DaS deutsche Turnfest in Nürnberg. Am Sonn tag früh um 6 Uhr begann der turnerische Dreikampf, wo- zu sich 2226 Turner gemeldet hatten, eine Zahl, wie sie uSher noch kein Deutsches Turnfest auswieS. 280 Kampf richter waren tätig. Zum nächsten Deutschen Turnfest soll aus praktischen Gründen ein Fünfkampf geturnt werden. Krfter Sieger wurde Wels-Kiel. In der Stadt herrschte den ganzen Tag über ein Festleben, wie eS Nürnberg noch nicht gesehen. Bon 10 Uhr ab marschierten die Turner nach den Sammelplätzen, um Pünktlich zum Abmarsch des Festzuges zur Stelle zu sein. Am Festzug beteiligten sich 32000 Turner. '/,12 Uhr mittag» setzte sich die Spitze in Bewegung; um 6 Uhr abends traf der Schluß des Zuges auf dem Festplatze ein. Der Kreis 14 (Königreich Sachsen), der größte deutsche Kreis, mit dem Dresdner Tmngau an der Spitze, ries durch seine große Zahl, das stramme und geordnete Marschieren und die Gleichmäßig keit der Kleidung Aufsehen hervor und wurde stürmisch von der Bevölkerung begrüßt. Die Dresdener und Leip- ziger Turner hatten eigene Musikchöre mitgebracht. Der Festzug gliederte sich in 10 Abteilungen, Militär- und Ci- vilmusikkapellen, Trommler- und Pfeiffergruppen belebten ihn durch flotte Marschweisen. Auch zahlreiche künstlerische Gruppen waren zu bemerken. Die Straßen, durch die der sieben Kilometer lange Festzug sich bewegte, waren pracht voll geschmückt. Eine schier unzählige Menschenmenge bildete Spalier und belebte die Häuser bis in die obersten Stockwerke. Am KönigStor stieß die Spitze deS ZuqeS auf die letzten Abteilungen, wodurch unliebsame, längere Stauungen entstanden. Im übrigen hielten die Turner musterhafte Ord- nung. Noch in später Abendstunde nach angestrengter Tages leistung traten am Sonntag abend die Sachsen zu ihren Son derstabübungen an. AlS erste belebten sie von sämtlichen 17 deutschen Turnkreisen den friedlichen Kampsplan mit ihrem Tun. Groß an Zahl, fein und fest in der Ausfüh rung, mutig und fröhlich im AuSharren, haben sie dem ganzen Feste vorbedeutend ein Gepräge gegeben, wie eS n cht anders eines deutschen Turnfestes würdig sein kann. Der vorgerückten Zeit halber mußten die Pflichtübungen (1. Gruppe der Eifenstabübungen) auSfallen und eS kamen nur die Sachsenübungen zur Vorführung. Diese hinter ließen einen ähnlichen Eindruck wie die allgemeinen Stab übungen. Die Sachsen fanden sür diese Sonderleiftung den wohlverdienten Beifall. DaS Geräteturnen der Sach sen wurde aus Montag verschoben. Gleichzeitig mit diesen Wettkämpfen fanden aus dem großen UebungSplatze Turn spiele statt, bestehend in Schleuderball, Barlauf, Faustball, Stasettenlauf, Schlagboll, Tamburinball usw., an denen sich eine große Anzahl von Vereinen darunter auch Dresd ner, beteiligten. Die Turner waren meist in Schulzimmern und Turnsälen untergebracht. Strohsäcke mit sauberen weiß-wollcnen Decken weißen Kopfkissen und Laken sind auf den Böden ausgebreitet. Wasserleitung aus den Gän gen dienten als Waschgelegenheit, Becken und Gläser sind reichlich vorhanden. Am Montag fanden die großen Wett spiele statt. — Laut Meldung auS Nürnberg hat Kaiser Wilhelm von seiner Nvrdlandfahrt an den Festausschuß des Turn festes folgendes Antwort-Telegramm gelangen lassen: „Seine Majestät der Kaiser und König haben den HuldigungSgruß der zum 10. deutschen Turnfest versammelten Turner gern entgegengenommen und lassen ollen Beteiligten bestens dan ken. Auf Allerhöchsten Befehl: In Vertretung Geheimer Kobinetsrat v. Valintini." — DaS deutsche Turnfest in Nürnberg ist am Diens tag geschlossen worden. Die Teilnehmer rühmen den groß artigen Verlauf des Festes, daS die edle Turnkunst in schönster Blüte zeigte und mit Frohsinn gepaart war. Oesterreich s Ungarn. In Ungarn wird die Lage des neuen KabimtS Khuen-Hedervary immer schwieriger, da die äußerste Linke des Abgeordnetenhauses ihre Obstruktions taktik energisch sortsetzt. Es gehen in Pester politischen Krei sen bereits Gerüchte, daß Ministerpräsident Graf Khnen-He- dervary sich mit Rücktrittsgedanken trage. Italien. Sobald der Tod des Papstes bekanntgegeben worden war, traf der italienische Ministerpräsident und Minister des Innern Zanardelli alle Vorkehrungen zur Siche rung der moralischen und materiellen Freiheit der proviso rischen Regierung der Kirche und der Wahrung der vollsten Frei heit der Beratungen des Heiligen Kollegiums. König Viktor Emanuel wurd" die Nachricht vom Ableben des PapfleS seitens ZanardtlliS um 4 Uhr 48 Minuten nach seiner Sommerfrische Racconigi gemeldet. Die Präfekten wurden von Zanardelli angewiesen, den Leichenfeierlichkeiten für den verewigten Papst beizuwohnen, falls sie hierzu von den kirch lichen Behörden eingeladen werden sollten. Der Minister des Auswärtigen Morin teilte daS Ableben deS Papstes den italienischen Missionen im AuSlande mit, obwohl der italieni schen Regierung bis Montag Abend eine amtliche Notifika tion vom Tode des Papstes noch nicht zugegangen war. Abends empfing der die Stellvertretung des Papstes aus übende Kardinal Oreglia u. A. die Häupter der drei Kardi« nalSordnungen und forderte sie auf, Vorkehrungen für da» Konklave zu treffen. Außerdem ersuchte Oreglia die in Rom anwesenden Kardinäle, am Dienstag zur ersten Kongregation zusammenzutreten, in welcher Mitteilungen über etwaige Ver fügungen deS verstorbenen Papstes hinsichtlich deS Konklaves gemacht und die Bestimmungen über da» Konklave getroffen werden sollten. Von fast allen Staatsoberhäuptern gingen im Vatikan Kondolenztelegramme ein; daS erste von ihnen war eine tiefgefühlte Beileidsdepesche deS Kaisers von Oester reich. — Der ärztliche Totenschein, der die Angabe der To desursache enthält und von Ör. Lapponi allein abgefaßt worden ist, wurde dem Bürgermeister von Rom, Fürsten Colonna, in einem Briefe übermittelt, den der päpstliche MajocdomuS überbrachte. Als Ursache de« Hinscheidcn« Leos XIU. bezeichnet Ör. Lapponi in der Urkunde eine mit allgemeiner Schwäche verbundene Lungenentzüdung, zu der eine mit Bluterguß verbundene Brustfellentzündung getre ten war. — Der Leichnam Leos XIU. wurde von Lapponi einbalsamiert. Nach der Vorschrift wurden die „Präcor- dien", d e inneren Teile der Brust und des LeibeS, heraus- genommen und in einem K'ystallgesäß versiegelt, um im unterirdischen Gewölbe der PeterSkirche gesondert beigesetzt zu werden. Der Architekt Galli nahm die Maske de» Ant- litzeS und der rechten Hand LeoS ab, beide sür da» vati kanische Museum. Die Leiche de» Papstes wurde, nachdem sie einbalsamiert war, mit den goldstrotzenden Pontifikal- gewändern bekleidet und im Thronsaale aufgebahrt. Am Donnerstag, Freitag und Sonnabend wird die Leiche in der ^akramenlS-Kapelle der PeterSkirche ausgestellt und am Sonntag im Sarkophag über der Sakristeitür beige- setzt werden. Um acht Uhr abend» verkündigten die Glok- ken der 300 Kirchen Roms der Stadt den Tod de» greisen Leo. Ihr eherner Klang übertönt den Straßenlärm und dringt weit hinaus in die öde Champagna. Rom, 21. Juli. Kardinal Oreglia beschloß eine Untersuchung über die in den letzten Jahren auS dem Vatikan ver-