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Blumenliebhaberei G. Schmid Blumistik im klassischen Weimar Günther Schmid, Halle (Saale) „Nun aber, da noch Raum übrig ist, wird, es Sie gewiß interessieren, zu erfahren, wie es mit der Pflanzenwelt bei uns aussieht: die Schnee glöckchen wuchsen etioliert unter dem Schnee und gaben erfreuliche Blüte; die C r o c u s kamen zu rechter Zeit, wurden aber durch gewaltsame Regen niedergeschlagen. Den 7. April zog ein großes Gewitter herauf; der Regen wüstete gar sehr, ein Wanderer ward auf freiem Felde er schlagen. Jetzt stehen die Kaiserkronen, mit denen ich etwas chinesisch meinen Garten ver ziert habe, in völliger Pracht; sie kamen nicht zu früh und litten nicht im Wachstum. Die gelbroten stehen in völliger Blüte, die hellgelben noch nicht, wie diese denn überhaupt einen schwächern Wachstum zeigen (wobei ich bemerke, daß die violetten und weißen C r o c u s später als die hochgelben hervortreten; die mehr energische Farbe deutet auf ein rascheres, ja selbst mehr charakteristisches Leben). Dies alles ereignet sich vor meinem Fenster, wo denn auch die Knospen der Zwergmandel sich zu röten anfangen. Die grünen Wunderhäupter der monströsen Tulpen fangen an sich zu färben, und die Knos pen der Birnbäume sind im Begriff sich auf zuschließen.“ (23. April 1829.) Diese wohl kaum einmal sonst aufgenommene Briefstelle von Goethe an den Botaniker Ernst M e-y e r in Königsberg führe ich vor Augen, um sinnfällig den Dichter als liebenden Freund des Gartens hervortreten zu lassen. Es ist bekannt, daß er es immer war: seit seiner Kindheit in Frankfurt, vom Vater und vom Groß vater Textor her. Aufzeichnungen über die Pflege der Zier- und Wirtschaftsgärten, die diese besaßen, haben sich in ihren Haushaltungsbüchern erhalten. Auch sind uns Goethes Erinnerungen im ersten Buch von „Dichtung und Wahrheit“ gegenwärtige Zeugnisse. Engverbunden zieht sich durch sein Leben idyllisch-beschauliche Garten liebe; sie findet sowohl in dichterischen Werken jeder Art als auch in Briefen und Tagebüchern mannigfaltigen Ausdruck. Diese beweisen uns auch, daß er oft selbst ein sehr tätiger Gärtner gewesen ist. Mit der Übersiedlung nadi Weimar, zumal dann in den ersten Jahren dort, sind ihm Garten- und gärtnerische Freuden besonders wichtig; sogar dem weniger vertrauten Leser wird das bemerkbar. Die Entwicklung des be rühmten weimarischen Parkes ist ohne seine Mit wirkung gar nicht zu denken; ja die ersten An fänge hat Goethe mit dem von ihm auch geschil derten Louisenfest am 9. Juli 1778 ins Leben ge rufen. Ein ganzes Buch könnte man füllen zu dem Thema: Goethe und der Garten, Goethe als gärtnerischer Liebhaber. Er besaß selber zwei Gärten, einen am Frauenplan in der Stadt hinter seiner Wohnung, den anderen draußen am soge nannten Stern; er besaß ein landwirtschaftliches Gut bei Niederroßla zwischen Weimar und Apolda. Zu beachten ist auch, daß Garten und Gartenbau den großen, immer verbleibenden Hintergrund zu Goethes fruchtbaren botanischen Studien ab gegeben haben, deren früheste vorwissenschaft- liehe Spuren, wie Goethe seiber' bekannt war, sich in den Gärten der Kindheit verlieren. (Aller dings hat dafür die Belege bisher niemand ge sammelt und sie in einem größeren historischen Zusammenhänge gesehen.) Aber so ganz außerhalb der Natur lebte zu Goethes Zeiten kaum irgendein Städter. Gärten waren selbst in der „Großstadt“ zahlreich vor handen, überall zwischen den Häusern eingefügt zu finden. Und ins Freie hinaus, wo zunächst wiederum Gartengrundstücke lagen, war nur ein kurzer Weg. Es gab auch im engeren Sinne aus gesprochene Gartenliebhaber übergenug, vom fürstlichen und wohlhabenden bürgerlichen in allen Schattierungen bis zu den Kreisen einfach- ster Lebensverhältnisse. Daher blühte denn in den verschiedensten Darbietungen die garten- kundliche Literatur. Sie kam übrigens aus allen Volksklassen an den Tag, nur zum kleineren Teile von eigentlichen Fachgärtnern. Ich weise darauf hin, daß. in Weimar Musäus, der Märchendichter (sein Gartentagebuch ist er halten), Wieland und Herder erklärte Gar tenfreunde waren. Herzog-Großherzog Gari August, ein ungewöhnlich kenntnisreicher Mann auch auf dem Gebiet des Gartenbaus und ein hervorragender Kenner von in- und auslän dischen Gartenpflanzenarten (sicherlich überragte er Goethe hierin), entwickelte sich zu einem der großartigsten Förderer privater und gemein nütziger Gartenbestrebungen. Man denke an den weimarischen Park, an den unter ihm mit Goe thes und B a t s ch s Hilfe gegründeten und ge leiteten Botanischen Garten der Universität Jena, an die Pflege des Parkes zu Wilhelmstal bei Eisenach, alsdann auch an den Eisenacher Karthaus garten, den er einem seiner Gärtner, Friedr. Gottlieb Dietrich (er ernannte ihn darauf zum Professor), zu gärtnerischen und botanischen Züchtungen und zu Akklimatisierungsversuchen in