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— wo er so in die letzten Züge lag, da hat er immer bloß ! vor sich hingevrummeft: „Die Mühle, die Mühle! Dat ick j Vak noch mal wieder höre!" - Wenn man mich ufs Ehre und Jewissen befragen wollte, dann wollt ick dat beschwören, > dat er an nischt anderes jestorben is als an de Fremde." j Er zuckte die Achseln und verstummte. „Großer Gott", dachte der Prinz, jetzt ganz auf deutsch, „dies Voll stirbt um sein Land! Um so ein Land!" Als er nun den Blick von dem breiten Rücken des Müllers zur Seite wandern ließ, erschien ihm die Landschaft mit einemmale längst nicht mehr so verdrossen und öde wie vordem. Die Bäume standen lichter — man nennt es dort den „grünen Grund" —, in der Tiefe sah man den Rhin und die Wiesen, die sich zu beiden Seiten des Flüßchens ausbreiteten, Birken standen zwischen den Kiefern und Föh ren und lachten mit dem heiteren Weiß ihrer Stämme durch den Waldgrund; und all die unruhigen, ehrgeizigen Aleran- derpläne, die tagaus tagein in dem Prinzen rumorten und auf der Platte seines vergoldeten Schreibtisches im Turm zimmer zu Rheinsberg schon manchen Bogen Papier gefressen hatten, sie verwandelten sich unversehens, gingen auf und wurden eins mit einer großen stürmischen Zärtlichkeit, wie er sie noch nie empfunden hatte. Er sprach kein Wort mehr auf dem Nest des Weges. Aber als er in Neu-Ruppin vom Wägelchen kletterte, drückte er dem Müller zwei harte Taler in die Hand. „Mach Er sich einen guten Tag dafür!" sagte er recht gnädig. „Nee", schüttelte der Müller den Kops, indem er die Geldstücke schmunzelnd betrachtete, „die jeb ick meiner Frau. Die hat sich schon lang ein neu et Wams jewünscht vor'n Kirchjang." — Wie der Prinz nachher auf dem Paradeplatz die Front seiner Grenadiere abschritt und in all die guten harten ver schwiegenen Bauerngesichter sah, ging es ihm durch den Sinn: Daß man mit diesen*Kerls die Welt erobern könnte, das hab ich mir immer gedacht. Aber wäre es nicht noch größer und schöner, sagte er sich, für solch ein Volk und Land zu leben und zu sterben, es mächtiger und ein klein wenig reicher und glücklicher zu machen? — Ob er später, fragt sich der Chronist, als er zwischen Wollen und Müssen alle Seligkeit und alles Grauens des Weltgeschichtemachens durchkostete, ob er sich da wohl einmal des Müllers von Rheinshagen erinnert hat? Oie Nase als Wächter -er Gesundheit. Der menschliche Körper besitzt eine Art Selbstschutz gegen die Schädlichkeiten der Außenwelt. Ein wichtiges Organ dieses Selbstschutzes bildet die Nase. Nur zu selten pflegt sich der Mensch ihrer zu erinnern, es sei denn, wenn man gerade einen Schnupfen hat oder wenn es gilt, an der äußeren Form der Nase spöttelnde Kritik zu üben. Die Nase stellt den obersten Teil unseres Atmungs- apparates vor, und es ist ihre Aufgabe, besonders in der kalten Jahreszeit zunächst einmal die kalte Außenluft für den Zugang zum Körperinnern zu erwärmen und mit Wasser dampf zu sättigen. Würde die kalte Winterluft, wie das bei der deshalb durchaus ungesunden Mundatmung geschieht, unerwärmt in die Luftröhre und in die Lungen eindringen, so wäre eine Erkältung und somit eine Erkrankuirg dieser Organe die unausbleibliche Folge. Das Innere der Nase besitzt weiterhin einen sammetartigen, mit feinsten Härchen versehenen Ueberzug, der sich in dauernder Bewegung be findet. Diese sog. FlimmerbewEmg ermöglicht es, aus der Lust eindringende Schädlichkeiten, wie Fremdkörper, Krank- heitserreger usw. vom Eindringen in den Körper fern zuhalten. Wer hätte denn nicht schon fernste Kohlen- oder Staubteilchen in dem durch Ausschneuzen der Nase entfernten Schleim beobachlet. Dieser Schleim, den die Innenhaut der Nase gleichfalls hervorbringt, ist aber selbst ein wich tiges Schutzmittel. Denn der Nasenschleim nracht eine große Reihe von Krankheitsstoffen für den Körper unschädlich. Man achte daher besonders beim Niesen darauf, daß man die so für den eigenen Körper unschädlich gemachten Kcankheitsstoffe nicht anderen Personen ins Gesicht schleu dert, sondern man halte stets beim Niesen sich ein Taschen tuch vor. Wer die Waffe nützen will, die ihm die Natur in Gestalt der Nase zum Kampf gegen manche Gesundheitsschädlichkeiten gegeben hat, der atme stets nur. durch die Nase ein, sorge dafür, daß etwaige Behinderungen der Nasenatmung, wie sie durch Wucherungen, Entzündungen usw. hervorgerufen wer den können, möglichst rasch durch ärztliche Kunst und Hilse beseitigt werden. Kurzweiliges Zahlenspiel. Von Max Brück. Die Frauen erreichen auch ein höheres Lebensalter. Es gibt etwa 2s^ Millionen Männer über 60 Jahre, dagegen fast 3 Millionen Frauen dieser Altersstufe. Daß Vater Staat im Laufe unseres Lebens allerhand Ansprüche an uns stellt, spürt jeder täglich am eigenen Leibe. Während er uns 1913 4 Milliarden an Steuern abknöpfte, waren es 1926 deren 10. Damals pro Kopf der Bevölkerung 70 M., jetzt 162 M. Dazu Verbrauchssteuern damals 11 M., jetzt 24 M. Trotzdem ist es dem gesunden Spar sinn des Deutschen gelungen, in der stabilen Zeit, d. h. seit vier Jahren, fast 4 Milliarden auf die Sparkassen zu tragen, d. h. 61 M. pro Kopf. Auch Millionenvermögen sind wieder erstanden. 3917 Millionäre besitzen etwa 8 Milliarden. Die Lebenshaltung hat sich auch wieder der der Vorkriegszeit genähert. Manche Konsumziffern zeu gen davon. 76 Liter Bier, 5 Liter Wein, 1 Liter Wein brand usw. pro Kopf, 220 Zigarren, 1050 Zigaretten pro Mann lauten die Zahlen von 1926. . : ° Humoristisches ° Das verkannte Pyjama. Der Sport ist es, der in unseren Tagen ohne Unterschied des Alters und des Standes fast alle Menschen beseelt. Das treibt natürlich, unterfeuert durch den Ehrgeiz, zu den merkwürdigsten Be gebenheiten und einer ganz. außerordentlichen Eitelkeit in Hinsicht auf Rekorde. Dabei ist es ganz gleich, auf welchem Gebiete diese Höchstleistungen vollführt werden, und man sollte wirklich meinen, daß es kaum noch Arten des Sportes g bt, die nicht schon betrieben werden. In Göttingen ist es jedoch kürzlich gelungen, doch noch eine Neuerung zu finden. Ein Privatdozent der dortigen Universität hatte ein Pyjama in die Wäsche gegeben, und als er es zurückbekam, da fand er auf der Wäscherechnung die höchst seltene Bezeichnung: „Ein Nachtsportanzug!" — Frage: Was versteht man unter Nachtsport?! * Trost. „Heinz, schämst du dich nicht, jetzt bist du richtig am letzten Platz in der Klasse angelangt!" — „Aber Papa, sei doch darum nicht traurig, der Unterricht ist auf allen Bänken derselbe!" * Der beste Anfang. Arzt: „Also liebe Frau, Ihr Mann muß unbedingt Ruhe haben." — „Gewiß, Herr Dok tor, aber er hört gar nicht auf das, was ich zu ihm sage." — „Ein guter Anfang, liebe Frau." eicht ist's, Ehr' und Wohlstand erbe«, Aber schwer, fie z« erwerben, Ein behaglichesZGenietze«, Mag ererbtem Gut entsprießen, Und der Ahnen lange Reihe Stolz die Brust der Enkel heben, Doch dem Leben rechte Weihe Kann nur eignes Schaffen geben. VmtllMlU z!N1! M WMer WobM K.M ;; Drrck und Verlag von E. L. Förster'» Erben (Inhaber: I. W. Moh r) » Schriftleiter: I. W. Mohr tu Pulsnitz Silvester 1927 LLSMMK Mr. Deutsches Silvesterglockengeläut — Fenster auf und die^ Herzen weit! Laßt uns der schneeigen Einsamkeit Der MitternachiSstunde das stürmende Klingen s Tief in die lauschende Seele dringen! ' Beugt eure Stirn und faltet die Hände: Jahreswende sei Schicksalswende! Deutsches Silvesterglockengestüm — lieber die Heimat im Sklavensron Braust wie zornig Wettern ihr Ton, Ueber dir heiligen Ufer des Rheins Stürmen die Glocken von Köln bis nach Mainz, s Wie Wettergrollen rheinab und rheinauf— j Deutschland wach auf! Deutscher Sivesternacht heiliges Mah i nenj— Wollt ihr nie wieder auferstehn, Ein Leben lang wie die Knechte gehn Unter der Henkerspeitsche? Sollen ' Nie wieder frei sein der Heimat Schollen ? Ungeborene schauen aus dich — : Deutsche Heimat ermanne dich l Deutscher Silvesterglocken Rus — Schließt euch zusammen Hand in Hand! Schmiedet auss neue das heilige Band Um alle die deutsche- Blut in den Adern! Begrabt den Bruderzwist und das Hadern! Fort mit der Parteien schrillem Ge schrei - Nur wenn wir einig sind, werden wir frei! Deutsche- Silvesterglockengebet — Herr, erwecke, was in unS rief In eisernen Tagen: den Imperativ Der Pflicht und das heilige Opfcrnwollen, Die brennende Treue zu unseren Schollen Und Glauben trotz Nacht und trotz Wet terwehn An Deutschlands glückhaftes Auferstehen! Deutsches Silvesterglockengeläut — Laßt unS nichtfragendnach rückwärts sehn Vorwärts solln unsere Blicke gehn! Lichtgläubig, zu Pflicht u. zu Opfer bereit Schicksalsträger der kommenden Zeit! Faltet zum Schwur die zerarbeiteten Hände — Jahreswende sei Schicksalswende! Felix Leo Göckeritz AtiWrswiinscht sus peMnenl und Mstn Wenn dos neue Jahr beginnt, durchpulst den Menschen ein erhöhtes Lebensgefühl. Er hofft für sich und die Seinen und wünscht, von dem neuen Zeitabschnitt nur Gutes zu er leben. Diese Wünsche, die von Mund zu Mund erklingen, die die Kinder den Eltern in Berschen ausspvechen, leben im Herzen weiter. Aber sie bleiben der Nachwelt unbekannt. Anders die geschriebenen Neujahrswünsche, die uns seit dem Altertum erhalten sind. In Ro m war es Sitte, um die Beamten gut zu stimmen, ihnen am Neujcchrstage Ge- schenke zu übersenden und die Wünsche entweder mit Griffel in ein Wachstü selchen zu ritzen oder mit Farbstoffen auf eine Papyrusrolle aufzuzeichnen. Diese Art der Beschenkung am Jahresanfang hat sich in Frankreich bis heute erhalten, wo man nicht das Weih- nachtsfest in unserem Stile feiert, sondern sich zu Neujahr, d. h. unter Verwandten und Freunden, die sogenannten „Str-imer" schenkt. Unsere heidnischen Vorfahren begrüßten zum Jahresanfang die Sonne, deren segnende Wirkung sie in diesen kälteren Strichen viel intensiver empfanden als die Südländer. Im Mittelalter verstanden wenige zu lesen und zu schrei- den. Der sogenannte Neujcchrsbrief spielte nur bei den höhe ren Ständen eine Rolle. Er wurde kostbar ausgestattet. Auf sorgfältig gearbeitetem Pergament wurden mit Miniaturen verzierte Texte in Prosa oder in Versen niedergeschrieben, und zwar meistens von Mönchen. Die Pergamentbereitung, auch eine Klosterarbeit, war sehr mühsam, galt es doch, Tier- häute (Kalbs-, Ziegen-, Schaf-, Schweinshäute) solange zu schaben und zu bleichen, bis sie die Farben, meistens pulveri sierte Glasflüsse und Mineralien, annahmen. Um sich die Mühe zu erleichtern, kamen die frommen Väter auf den Ge- danken, bereits beschriebene Pergamente, die die als gottlos angesehenen Werke des Altertums enthielten, nochmals ab- zuschaben und mit frommen Neujahrswünschen zu über- schreiben. Auch auf dem Gebiet der Neujahrswünsche hat die B u ch- druckerkunst eine grundlegende Veränderung vorgenom- men. Auf Papier, mit Kupfer- oder Stahlstichen verziert, worden die Wünsche nun gedruckt, und wir besitzen entzückende Kärtchen verschiedenster Stilepochen. Ein Kuriosum stellen die eisernen Neujahrskarten dar, die die Berliner Königliche Eisengießerei im Anfang des 16. Jahrhunderts an ihre Kunden versandte. ». - - . ,