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Nr. 241. Pulsnitzer Tageblatt. — Freitag, den 14. Oktober 1927. in der Person des polnischen Arbeiters Wilhelm Senft leben ein langgesuchter „schwerer Junge" hinter Schloß und Riegel gebracht werden. Der Hausmann traf den Polen im Flur seines Grundstücks und führte ihn, da ihm der Mann verdächtig vorkam, der Polizei zu. Unterwegs warf der Festgenommene verschiedene Einbrecherwerkzeuge von sich. Auf der Wache konnte festgestellt werden, daß man einen von mehreren Behörden gesuchten Schwerver brecher, der noch über zehn Jahre Zuchthaus zu verbüßen hat, vor sich hatte. Loba«. (Wer wird zweiter Bürgermeister?) Von den rund dreiviertelhundert Bewerbern um den durch Weggang des zweiten Bürgermeisters Poickert frei gewor denen Bürgermeisterposten sind drei Herren in die engere Wahl gekommen, die sich heute Freitag den Stadtverord neten in nichtöffentlicher Sitzung vorstellen und Vorträge halten werden. Zittau. (Eine sächsische Militärvereins fahne gestohlen.) Der Bezirk Zittau des Sächsischen Militärvereinsbundes gibt nachträglich folgendes bekannt: Den zahlreichen Ueberfällen linksradikaler Elemente auf die Festteilnehmer während der Hindenburgtage in Berlin ist auch die Fahne des sächsischen Militärvereins „Kameradschaft" Ziltau zum Opfer gefallen. Der Fahnenträger wurde am 1. Oktober, 10 Uhr abends, auf dem Lausitzer Platz am Görlitzer Bahnhof in Berlin, als er sich mit den Fahnen paket — die Fahne war nicht entrollt — zur Straßenbahn begab, um nach seinem Quartier zu fahren, von etwa 30 bis 40 Kommunisten hinterrücks überfallen und durch mehrere Schläge mit einem scharfen Instrument auf den Kopf verletzt. Nach heftiger Gegenwehr wurde ihm die Fahne entrissen und von den Angreifern verschleppt. Der Angriff erfolgte kurz nachdem sich die Begleiter von dem Fahnenträger ent fernt hatten, um sich nach ihren in anderen Stadtteilen ge legenen Quartieren zu begeben. Es wurde hier, wie in an deren Fällen, die Taktik verfolgt, einzelngehende Fahnenträger von hinten zu überfallen und sie ihres Vereinskleinods zu berauben. Der Fall gibt, wie so viele andere, ein beredtes Bild von der Verhetzung, die von gewisser Seite in unser Volk getragen wird. Dresden, 13. Oktober. (HochherzigeStiftung.) Herr Dr. W. Naumann, Standesherr zu Königsbrück, Sohn des Gründers der Aktiengesellschaft Vorm. Seidel L Naumann, Dresden, überwies der „Bruno Naumann-Jubiläums-Stiftung" anläßlich seiner Silbernen Hochzeit eine Schenkung in Höhe von 20000 Mark. Die Stiftung dient zur Unterstützung unverschuldet in Not geratener Werksangehöriger der A.-G. Vorm. Seidel L Naumann, insbesondere in Krankheitsfällen. Dresden, 12. Oktober. (Straßensperrung.) Die Staatsstraße Wurzen —Torgau wird zwischen Zschorna und Falkenhain wegen Bauarbeiten vom 13. Okto ber bis 15. November 1927 für allen Fahr- und Reitver kehr gesperrt. Der Verkehr wird von Zschorna über Küh- nitzsch oder über Müglenz nach Falkenhain und umgekehrt verwiesen. , Dresden, 14. Oktober. (Ein Sozialdemokrat zweiter Bürgermeister von Dresden.) Bekannt lich war die Stelle des zweiten Bürgermeisters von Dresden nach dem Ausscheiden von Dr Külz bis jetzt verwaist. In der heutigen Stadtverordnetensitzung tagen wieder die drei bekannten Wahlvorschläge vor. Stadtrat Köppen (Deutsche Volkspartei). Bürgermeister Dr. Bührer, Pforzheim, isoz.) und Stadtrat Gruner (Kommunist). Anwesend waren 75 Stadt verordnete. Die absolute Mehrheit betrug demnach 38 Stim men. Der erste Wahlgang blieb erfolglos, da Stadtrat Köp pen nur 37 Stimmen erhielt. Auf Dr. Bührer entfielen 28 und auf Gruner 10 Stimmen. Nach H 71 der Gemeinde ordnung mußte deswegen Stichwahl zwischen Köppen und Dr. Bührer stattfinden. Vor dem zweiten Wahlgange gab die Kommunistische Partei eine Erklärung ab, daß sie für den Sozialdemokraten stimmen werde. Die zwei Aufwertler im Stadlverordnetenkollegium stimmten ebenfalls für den Sozialdemokraten. Die Mitglieder der A. S. P. gaben ihre Stimmen für Stadtrat Köppen ab. Die Auszählung der Stimmen ergab, daß Dr. Bührer 38 Stimmen und Stadt rat Köppen 37 Stimmen erhalten hatte. Hiermit ist Dr. Büh rer als zweiter Bürgermeister von Dresden gewählt. Das Ergebnis der Wahl wurde auf der Linken mit starkem Bei fall ausgenommen. Dresden. (Durch Faustschläge getötet.) Auf dem hiesigen Postplatz geriet der 23jährige Bau arbeiter Karl Paul Frübnig mit seiner Braut in Streit, in dessen Verlauf er in roher Weise auf das Mädchen einschlug. Um die Wehrlose zu schützen, mischten sich mehrere Passanten, unter denen sich auch der 52 Jahre alte Händler Oskar Holzmüller befand, in den Streit. Frübnig griff Holzmüller sofort an und streckte ihn durch mehrere Faustfchläge nieder. Ohne das Bewußtsein erlangt zu haben, ist Holzmüller nach kurzer Zeit gestorben. Die Leiche ist von der Staatsanwaltschaft beschlagnahmt und zur Sektion nach dem Amtsgericht gebracht worden. Frübnig wurde verhaftet. Meitze«. (Basar zu Gunsten der Meißner Jahrtausendfeier.) Zu Gunsten der Ausrichtung einer würdigen Jahrtausendfeier wird Sonnabend und Sonntag, den 15. und 16. Oktober, nachmittags 4 Uhr im Kaiser garten zu Meißen unter Teilnahme von über 40 Korporationen der Stadt ein Basar stattfinden. Es sind vorgesehen: Auf führungen, Tombola und Unterhaltungen aller Art, dargeboten von etwa 500 Damen und Herren der Einwohnerschaft. Da die Veranstaltung in der Zeit der Weinlese fällt, und alle Verkehrsmöglichkeiten vorhanden sind, kann mit einem starken Besuche gerechnet werden. Wehlen. (Sprengunfall im Steinbruch.) Bei Sprengarbeiten in einem Elbsandsteinbruch wurde ein Arbeiter von einem losgelösten Felsstück getroffen und an beiden Beinen schwer verletzt. Er mußte dem Staatskrankenhause zugeführt werden. Schirgiswalde. (Das seltene Fest der dia mantenen Hochzeit) beging am Donnerstag der Leine- wandfabrikont Karl Gottlieb Röthig in Weisa mit seiner Ehefrau. Der fast 92 jährige Jubilar und seine 5 Jahre jüngere Ehefrau, die ältesten Einwohner Weifas, erfreuen sich beide noch körperlicher und geistiger Frische. Mittweida. (Ein betrügerischer Mieter vertreter.) Der Geschäftsführer des hiesigen Mieter vereins, der frühere kommunistische Stadtverordnete Georg Ohme, ist nach Unterschlagung von ihm an vertrauten Mietsgeldern flüchtig geworden. Die Verun treuungen gehen bis zu einem Jahre zurück. Auch Pro zeßgelder von Klienten, die ihm als Inhaber einer Rechts auskunftsstelle anvertraut wurden und Unfallentschädi gungsgelder von Versicherungsgesellschaften hat Ohme in beträchtlicher Höhe unterschlagen und für seine Zwecke verwendet. Die Geschädigten sind zumeist arme Leute. Plauen. (Eine mysteriöse Kinderge schichte.) Auf dem hiesigen Postplatz, dem Verkehrs zentrum der Stadt, ließ die Ehefrau eines Arbeiters für einen Augenblick ihr im Kinderwagen liegendes acht Wochen altes Kind stehen, um eine Kleinigkeit in einem Geschäft zu besorgen. Als sie zurückkam, waren Wagen und Kind verschwunden und trotz eifriger Nachforschungen nicht wiederzuerlangen. Die Sache fand eine eigenartige Aufklärung. Bei der Kriminalpolizei war nämlich die Meldung eingegangen, daß in Wiedenbach bei Tiefen brunn eine rätselhafte Entbindungsangelegenheit sich ab gespielt habe. Dort hatte ein 20 Jahre altes Mädchen zu nächtiger Stunde die Hebamme zu einer Entbindung holen lassen. Da der „weisen Frau" verschiedenes an der ganzen Angelegenheit verdächtig vorkam, ließ sie einen Arzt herbeiholen, und dieser stellte ohne weiteres fest, daß es sich um gar kein neugeborenes Kind handle. Er besann sich auf die Plauener Kinder entführung und sprach eine dahingehende Vermutung aus. Durch die Ermittlungstätigkeit eines hierauf nach Wie- denbach entsandten Kriminalbeamten wurde tatsächlich auch festgestellt, daß die angebliche Mutter das Kind ent führt hatte, und zwar um ihren Eltern eine Entbindung vorzutäuschen. Das Mädchen behauptete dagegen nach wie vor, daß es sich um ihr Kind handelt, das sie wäh rend der Nacht geboren habe. Das Kind wurde schließ lich den Plauener Eltern, die es als das ihre erkannten, zurückgegeben. Nun fehlt aber noch der Kinderwagen, der bis heute spurlos verschwunden blieb. Treuen. (Zu Tode gequetscht.) In der mecha nischen Weberei von Ramig ereignete sich ein schwerer Betriebsunfall. Auf bisher noch nicht aufgeklärte Weise geriet der Fahrstuhlarbeiter Weiß aus Pfaffengrün zwischen Fahrstuhl und Schacht und erlitt so schwere Quetschungen, daß er bald nach dem Unfall verschied. Leipzig. (Mitder Tageskasse durchge brannt.) Der 25jährige Kausmann Tulst wurde nach Unterschlagung von 1400 Mark flüchtig. Tulst war als Angestellter einer hiesigen großen Gastwirtschaft tätig und hatte gelegentlich auch den Geschäftsführer ver treten. In dieser Eigenschaft rechnete er nach Schluß des Lokals mit sämtlichen Kellnern ab, nahm über 1400 Mark ein und verschwand. Der Inhaber der Gastwirt schaft fand in dem Briefumschlag, den Tulst zurückgelassen hatte, statt des Geldes eine Menge Papierschnitzel. Leipzig. (Überfall auseinen Kraft wagen.) Auf der Bornaischen Landstraße überfielen fünf unbekannte Männer einen Lieferwagen. Sie hatten kurz hinter Wachau ein leichtes einspänniges Pferdegeschirr quer über die Straße gestellt, so daß der Führer des Kraftwagens gezwungen war, langsam heranzusahren. Plötzlich zer schlug einer der Männer mit einem Stock die Glasscheibe des Wagens, während die übrigen versuchten, die Tür zum Führersitz zu öffnen, um auf den Führer und seine neben ihm sitzende Frau einzuschlagen. Durch das Hinzu kommen einiger Wachauer Einwohner wurden die Täter jedoch verscheucht. Sie entkamen auf ihrem Geschirr in der Richtung nach Leipzig. Deutsche Schule in Not. Verein für das Deutschtum in Dresden. Die Werbewoche des Vereins für das Deutschtum im Ausland wurde am Mittwoch abend in Dresden durch den Landesverbandsvorsitzenden, Reichsinnenminister a. D. Dr. Külz, eröffnet. In seiner Ansprache wies der Minister dar auf hin, daß die stärkste Kraftquelle des Deutschtums die deutsche Kultur sei. Das sei vom Gegner anerkannt worden und des halb richte er seine Angriffe auf Schule und Familie der Deut schen. Diese zu schützen sei vornehmste Aufgabe jedes Deutschen. Der Deutsche müsse selbst von dem deutschen Gedanken in seiner ganzen Tiefe erfaßt sein, nur dann könne er dem Deutsch tum im Auslande helfen. Das Hauptreferat der Eröffnungsveranstaltung hielt so dann Professor Dr. Obst-Hannover über das Thema „Das deutsche Volk als Wellvolk". Der Redner führte aus, daß die Hunderttausende Einwanderer aus dem Osten und die 400 000 russischen Emigranten eine Gefahr seien für das deutsche Ein heitsgefühl. Er ging dann auf das Siedlungsproblem ein und wies darauf hin, daß die englische Regierung jedem Auswan derer nach Australien freie Schiff- und Bahnüberfahrt und weiter aus zehn Jahre Land umsonst gewähre, um Australien englisch zu machen. Gleiches müsse — wenn auch mit beschei deneren Mitteln — von Deutschland auch versucht werden. Be züglich der deutschen Minderheiten in den europäischen Ländern müsse die Forderung lauten: Unbedingte Kulturautonomie für die Deutschen in den Grenzstaaten. In bezug aus den An schluß Österreichs an das Reich, meinte der Redner, dürfe es ein Bedenken nicht geben. Sieben Millionen Deutsche wollten heim ins Reich, da gäbe es nur das eine: Herzlich willkommen! Der Arbeiismarki in Sachsen. Uber die Arbeitsmarktlage berichtet das Landesami für Arbeitsvermittlung: Die Lage auf dem Arbeitsmarkt erfuhr keine wesentlichen Veränderungen. Die Gesamtnachfrage hatte etwas abgenom men, obwohl in den Hauptberufsgruppen nach wie vor der Bedarf an Arbeitskräften weiterhin lebhaft blieb. Die Zahl der Hauptunterstützungsempfänger in der Erwerbslosenfür sorge ist von 27 883 am 15. September 1927 auf 25 748 am 1. Oktober 1927 zurückgegangen. In der Landwirtschaft bielt der srotze Bedarf an Arbeitskräften an. Die Neuaukorde- Sene 2. rungen bezogen sich in der Hauptsache auf die Hackfruchternte. Die Nachfrage im Steinkohlenbergbau des Lugau- Olsnitzer Reviers und im Braunkohlenbergbau des Plauener Reviers konnte noch nicht voll gedeckt werden. Während die beständige Entwicklung der Glas- und Steinindustrie anhielt, waren auch die Ziegeleien, das keramische Gewerbe und die Töpfereien sehr gut beschäftigt. So wie in der Metall industrie die Lage in allen Branchen anhaltend gut war, konnte auch in der Textilindustrie von einer für das Angebot günstigen Lage gesprochen werden. In der Papier industrie, der Kartonnagenbranche und im Buchbindergewerbe sowie im Holz- und Schnitzstoffgewcrbc hielt sich der Be schäftigungsgrad aus der bisherigen Höhe. Ungünstig blieb die Lage für Sattler, hingegen entwickelte sie sich für Tapezierer etwas besser. Im Nahrnngs- und Genußmittelgcwerbc gingen für Bäcker und Fleischer die Aushilfsstellen in der üblichen Zahl ein. Wenn auch die Zigarrenindustrie sehr gut be schäftigt war, so überstieg in der Zigarettenindustrie die Zahl der Entlassungen die der Einstellungen. Als besonders aus nahmefähig erwies sich wiederum das Bekleidungsgewerbe für Herrenschneider, Schneiderinnen und Putzmacherinnen. Die Schuhindustrie und das Schuhmacherhandwerk wiesen nur geringen Bestand an perfekten Facharbeitern auf. Friseure und Friseusen blieben weiterhin stark gesucht. Auch für Maurer, Bauarbeiter und Maler bot sich noch reichlich Arbeits gelegenheit. Unverändert gut gestaltete sich dis! Lage für ge übte Gastwirts- und Hausangestellte sowie für ungelernte Arbeiter. Weiterhin unbefriedigend blieb der Stclleneingang für kaufmännische Angestellte; nur der Mangel an längeren perfekten Stenotypistinnen konnte vereinzelt nicht bekoben werden. Die Bautätigkeit im Monat August. Mitteilung des Sächsischen Statistischen Landesamtes. Im Freistaat Sachsen sind im Monat August 1014 Bau- genehmigungen für Neubauten mit Wohnungen erteilt worden, und zwar in den Regierungsbezirken Bautzen 105, Chemnitz 216, Dresden 243, Leipzig 197 und Zwickau 253. Diese 1014 Neubauten, von denen 996 aus neuer Baustelle er richtet werden, sollen insgesamt 2574 Wohnungen enthalten. Außerdem sind 116 Baug-nehw:gungen für Um-, An- und Aufbauten mit insgesamt 166 Wohnungen erteilt worden, von denen fünf Not- und Behelfsbauten mit sechs Wohnungen sein werden. Ausgeführt und baupolizeilich abgenommen worden sind 570 Neubauten mit 15 4 9 Wohnungen. Unter den Bauten befanden sich 338 mit einem und 115 mit zwei Wohngcschossen und unter den Wohnungen 58 mit zwei, 366 mit drei, 595 mit vier und 309 mit fünf Wohpräumen. 562 Neubauten waren Wohnhäuser, von denen 325 nur eine Wohnung, 92 zwei Woh nungen enthielten, also Ein- bzw. Zweifamilienhäuser waren. Weiterhin befanden sich unter den abgenommenen Neubauten 268 gemeinnütziger Art. Durch 93 Umbauten sind 119 Woh nungen gewonnen worden, darunter vier durch Not- und Behelfsbau. An Gebäudeabgängen waren im August 13 Häuser mit 35 Wohnungen zu verzeichnen. Die Berichtszeit hat ins gesamt einen Zuwachs von 1633 Wohnungen erbracht (Monat Apgust 1926: 1077); davon entfallen auf die Städte Chemnitz 188, Dresden 307, Leipzig 319, Plauen 17 und Zwickau 12. Der Reichswirischafisminister gegen die Preissteigerung. Rede auf der Einzelhandelst Ming. Berlin. Auf der Tagung der Haupigemeinschaft des deutschen Einzelhandels hielt Reichswirtschastsminister vr. Curtius eine Rede, in der er u. a. aussührte: Die Bestrebungen, den Einzelhandel als entbehrlich auszuschalten, könnten und würden immer nur auf be-- schränk^m Gebiet Erfolge zeitigen, denn die Erfahrung lehre, daß sich für den unmittelbaren Verkehr zwischen Pro duktton und Verbrauch nur verhältnismäßig wenige Warm eignen. Der Weg, den die Ware vom Erzeuger zum Ver braucher zurücklege, müsse aber möglichst kurz und billig sein, denn jedes unnütze Zwischenglied verteuere die Ware und beeinträchtige den volkswirtschaftlichen Nutzen. „Die Aufgabe des Einzelhandels im besonderen", so erklärte vr. Curtius, „möchte ich mit den Worten kenn zeichnen: Möglichst hoher Umsatz in Qualitäts waren bei niedrigsten Vertriebskosten. Zur Lösung dieser Aufgabe muß der Einzelhandel die stets wechselnden Konjunkturerscheinungen mit wachsamem Auge verfolgen und dabei insbesondere die Verhältnisse und Ver schiebungen in der Derbrau cherschast und ihrer Kaufkraft eingehend beobachten. Steigt die Kaufkraft in breiten Ver braucherschichten, dann liegt es beim Einzelhandel ebenso wie bei der übrigen Wirtschaft, diese Steigerung der Kauf kraft durch größtmögliche Erhöhung des Warenabsatzes sich zunutze zu machen. Es wäre falsch, wenn die Steigerung der Kaufkraft, die mit einer Erhöhung der Einkommensverhöltnisse großer Verbraucherschichten verbunden ist, zum Anlaß für eine Heraufsetzung der Preise genommen würde. Damit würde die Steigerung der Kaufkraft wieder aufgehoben und der Wirtschaft ginge der Vorteil, der aus ihr hätte gewonnen werden können, verloren." Die Reichsregierung erwarte, daß der Einzelhandel in der gegenwärtigen Koniunkturphase diese gesamtwirtschaft lichen Grundsätze und Forderungen beachte und damit zu gleich seinen eigenen Interessen am besten diene. Un bedingtes Festhalten des gesamten Einzelhandels am gegen- wärtigen Preisstand werde nicht nur den Absatz halten und fördern, sondern werde weit darüber hinaus einen festen Damm für die Konjunktur bilden und mögliche Speku- lationeu anderer Kreise zunichte machen. Der Minister wies aus die Notwendigkeit der Ratto- nakisierung, der Unkostenfenkung hin. Aufgabe des Einzel- Handels sei die Erzielung eines möglichst hohen Umsatzes in Qualitätswaren durch größtmögliche Senkung der Dertriebs- kosten und einen möglichst billigen Verkaufspreis. Dr. Wirth über den Wert der Opposition im Staate. Tübingen. Auf Veranlassung des Reichsbanners Schwarz-Rot-Gold sprach in Tübingen Reichskanzler a. D. vr. Wirth über „Das Schicksal der deutschen Staaten". Er wisse, so erklärte vr. Witth u. a., daß es auch im Zentrum Leute genug gäbe, die glauben, die Republik sei genügen gesichert. Er wage das nicht zu sagen. Die Reden auf dem Deutschnattonalen Parteitag seien ein Zeichen dafür, daß man dort nicht verzichten könne auf den Wiederaufbau der