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Nr. 6. Freitag, den 6. Februar 1914. XVI. Jahrgang. Der Handelsgärtner Abonnementspreis bei direktem Bezug vomV erleg: für Deutschland, Oesterreich and Luxemburg M.5.—, für das Ausland M.8.—, durch die Post oder den Buchhandel M. 20.— pro Kalendenahr. Ausgabe jeden Freitag. Handelszeitung für den deutschen Gartenbau Begründet von Otto Thalacker. — Verlag: Thalacker & Schwarz, Leipzig-R., Comeniusstr. 17. Inserate 80 Pfennige für die vier- gespaltene Nonpareille-Zeile, auf dem Umschlag 40 Pfennige, im Reklameteil M. 1.— für die zweigespaltene 105 mm breite Petit-Zelle. Das Abonnement gilt fortlaufend u. kann nur durch Abbestellung 14 Tage vor Jahresschluß aufgehoben werden Beachtenswerte Artikel in vorliegender Nummer: Berliner Briefe. V. Iris Sibirien. Lückenloser Zolltarif oder Status quo ante ? Abschluß neuer oder Verlängerung der alten Handelsverträge ? Zar Hauptversammlung des Verbandes der Handelsgärtner Deutschlands. Von der Kgl. Lehranstalt für Obst- und Gartenbau zu Proskau. Kultur, Handel, Verkehr, Vereine und Versammlungen, Ausstellungen, Frage kasten für Praxis und Wissenschaft — Marktberichte usw. Berliner Briefe. v. Geehrte Redaktion! Sie mahnen um einen Situations bericht über die geschäftliche und wirtschaftliche Lage unseres Faches in der Reichshauptstadt und da das eben eingetretene Tauwetter recht langsam vor sich geht und die geschäftlichen Pflichten noch wenig drängen, so sollen Sie diesmal einen „Eilbrief“ haben. Also zuerst die Zollfrage: Wer da glaubt, daß die Absage des Staatssekretärs Delbrück im Reichstage wie eine Bombe in unsere Reihen eingeschlagen sei, der irrt sich. Wohl gehen hier die Fäden aller gärtne rischen Schutzzollbestrebungen zusammen, da sich hier ja der Verbandssitz befindet, aber die ganzen Verhandlun gen geschahen ja so geheimnisvoll, daß bei vielen das Zoll- Interesse abflaute, allerdings dann wieder wach wurde, als die vorzuschlagenden Zollsätze bekannt waren. Neben vielen Indifferenten gibt es natürlich auch Zollfanatiker und es ist eine Ironie des Schicksals, daß zu den letzteren auch ein bekanter Großberliner Handelsgärtner gehört, der bei der letzten Zollkampagne — er war damals nur Blumengeschäftsinhaber — eines jeglichen Zolles wütendster Gegner war. Freilich, damals war auch allerhand Grund vorhanden, daß der Blumenhandel dem 3-M.ark-Schnittblumenzoll (pro Kilo!), der da geplant war, feindselig, glatt ablehnend gegenüberstand. Er würde die Vernichtung der meisten Blumengeschäfte im Gefolge ge habt haben. Heute, wo unsere Forderungen moderner, einsichts voller gehalten, wo die Besitzer der besseren Blumen geschäfte einem mäßigen Zeitzoll schon geneigter waren, und nur ein bedauerliches Miß- oder Ungeschick die Eini gung verhinderte, da kommt nun wie ein Reif in der Früh lingsnacht, die absagende Erklärung der Reichsregierung und gleich hinten drauf die Zolldebatte im preußischen Abgeordnetenhause, die sonderbarerweise seitens der Rechtsparteien lahm gehandhabt wurde. Aber dennoch, bis in die äußerste Linke hinein, machte sich da der Wunsch geltend, dem Garten-, dem Gemüse- und Obstbau fördernd helfen zu wollen, durch Schulkurse und alle möglichen an deren Mittel, die man mit dem schönenWortStaatshilfe be zeichnen kann und auch wir werden mit helfen müssen, durch „innere Mission und Kolonisation“, unseren Beruf gesunden zu helfen, da wir doch einmal das Opfer höherer politischer Erwägung geworden sind. Daß jetzt alle Er örterungen, soweit sie unter den zollfeindlichen Parteien, d. h. unter Züchtern und Abnehmern, vor sich gehen, lei denschaftslos erfolgen, sei nur nebenbei bemerkt. Zu dem Kapitel „was uns not tut, was uns bitter fehlt“, konnte man hier kürzlich interessante Beiträge er leben: War da in einem Berliner Vorort ein Kollege, der sich schlicht und recht, mit seiner Frau, die seine beste Gehilfin war beim Verkauf, hochgearbeitet hatte. Er hatte etwas reichlich viel gebaut (der Fehler von vielen ja —) und befand sich in vorübergehender prekärer Lage. Ueberlastet war er aber noch keineswegs. Eigene Kopf losigkeit und mangelnde Hilfsbereitschaft seiner benach barten Kollegen verursachten es, daß die Inventar bestände gepfändet wurden und zur Versteigerung kamen. Die geringen Gebote, die abgegeben wurden — u. a. er brachten die tadellosen Bestände von 10 modernen Ge wächshäusern, sage und schreibe: 1000 Mark, hätten es wahrlich gerechtfertigt erscheinen lassen, daß die wohl situierten Kollegen unseres schicksalbetroffenen Fach genossen, sich zusammengeschlossen hätten, um diesem seine Existenz zu erhalten. Aber das Gegenteil! Der krasse Egoismus zeigte sich in seiner verachtungswür digsten Gestalt. Fast glaubte man ein Frohlocken zu er kennen, daß nun wieder einer weniger ist und auf das „Letzte“, auf das sogar nur mäßig belastete Grundstück, warten andere, wie die Geier. Mit kurzen Worten, aber in seiner ganzen Drastik ist hier eine Gärtnertragödie geschildert, die sich, man kann bei den heutigen Zeiten sagen, nicht nur einmal, sondern dutzendweise abspielt und kein Helfer, kein Be rater findet sich aus den Reihen, die in Schutzzoll- und sonstigen allgemeinen Erwerbsfragen so einig sind! — Ich habe der Sache ganz von fern zugesehen, zusehen müssen, weil ich allein dem Manne doch nicht helfen konnte, aber diese Form „auch kollegialer Betätigung“ hat mir doch einen Ekel erzeugt, der lange nachhalten wird. „Neid, Mißgunst und Schadenfreude“ sind unausrott bare Gärtnerkrankheiten, so äußerte sich mal der Vor steher einer großen Gärtnerlehranstalt zu mir und er wird recht behalten, solange man in den gärtnerischen Organi sationen der wirklichen kollegialen Betätigung und Auf klärung ermangelt. Mit aufrichtiger Freude und Beifall habe ich verfolgt, daß man in den Vereinen und Gruppen der süddeutschen Verbände gegenseitige kaufmännische Belehrung und Buchhal tungskurse abhält. Man hält sich hier in der Zentrale deutscher Intelli genz offenbar zu vorgeschritten, um diesem Muster zu fol gen. Vielleicht wäre es besser um unseren vorgeschilder ten Kollegen bestellt gewesen, wenn er hätte richtig buch führen können. Die Sanierung wäre dann wohl leichter möglich gewesen. Statt dessen haben sich andere aus seinem Niederbruch gesund gemacht. — Mehr wie je sollten maßgebende Menschenfreunde, die es ja schließlich auch noch geben soll in unseren Kollegen-