Volltext Seite (XML)
Nr. 46 u.47. Freitag, den 20. November 1914. XVI. Jahrgang. Der Handelsgärtner Abonnementspreis bei direktem Bezug vo mV erlag: für Deuusenland, Oesterreich und Luxemburg M.5.—, für das Ausland M.8.—, durch die Post oder den Buchhandel M. 20.— pro Kalenderjahr. Ausgabe jeden Freitag. Handelszeitung für den deutschen Gartenbau Begründet von Otto Thalacker.- Verlag: Thalacker & Schwarz, Leipzig-R., Comenlusstr. 17. Inserate 50 Pfennige für die vier- gespaltene hl onpareille - Zeile auf dem Umschlag 40 Pfennige, im Reklameteil M. 1.— für die zweigespaltene 105 mm breite Petit-Zeile. DasRbonnement gilt fortlaufend u. kann nur durch Abbestellung 14 Tage vor Jahresschlub aufgehoben werden Beachtenswerte Artikel in vorliegender Nummer: Wie stehi es mit der Miete von Geschäftsräumen und Wohnungen während der Kriegszeit? I. In den Champignonkellern von Paris. I. Neuere Ergebnisse in der Bekämpfung von Pflanzenkrankheiten. I. Kiauischou und Tsingtau. Die Wahrheit über den Krieg. Berichte über die Geschäftslage der Baumschulen im Herbst 1913 und Früh jahr 1914. VII. (Schluß) Situationsbericht aus Braunschwelg und Umgebung. Rechtspflege, Handel, Zollwesen, Marktberichte usw. Wie steht es mit der Miete von Ge schäftsräumen und Wohnungen in der Kriegszeit? i Für diejenigen Deutschen, die in das Feld eingezogen wurden und daheim einen eigenen Hausstand haben, aber ' auch für die Nichteingezogenen, die entlassen oder ge- : kündigt oder in ihren Bezügen herabgesetzt wurden, be deutet die Aufbringung der Miete eine schwere Sorge, namentlich dann, wenn obendrein der Mietvertrag auf eine längere Zeit abgeschlossen wurde. Es wird manchem Mieter nicht möglich gewesen sein, die Miete oder doch die ganze Miete für die Wohnung, für Laden, Kontor, Werkstatt usw. aufzubringen. Wie verhalten sich in diesen Fällen Mieter und Vermieter? Betrachten wir die Lage der Kriegsteilnehmer. An sich sind sie, wie jeder andere auch verpflichtet, den fälligen Mietzins in bar zu erlegen. Sie sind in Verzug, wenn sie die Miete nicht oder nur teilweise bezahlen, denn ein Moratorium gibt es auch hinsichtlich der Mietzinsschuld nicht. Ein Kaufmann oder Gewerbetreibender, der sich selbständig machen will und kurz vor Ausbruch des Krieges einen neuen Laden oder sonstige Geschäftsräume ab 1. Oktober gemietet hat, ist an diesen Vertrag gebun- den, wenn er auch kurz nach dem Abschluß zum Heere einberufen wurde und sich jetzt draußen in den Schützen gräben befindet, wo die Granaten um seine Niederlassung herum platzen. Wer seine bisherigen Geschäftsräume kün digte und neue mietete, muß die neuen beziehen oder doch den Mietzins dafür bezahlen, wenn er mit Zustimmung des Vermieters in den bisherigen Geschäftsräumen verbleiben will. Wenn er im Felde ist, muß er sehen, wie er durch beauftragte Verwandte und Bekannte den Umzug bewerk stelligen kann. Was sollte denn auch für eine Verwirrung entstehen, wenn er in der alten Behausung, in den jetzigen Arbeitsräumen verbleiben dürfte, und diese wären nach der erfolgten Kündigung bereits weiter vermietet. Freilich wird der Hauswirt dem Kriegsteilnehmer gegenüber immer große Schwierigkeiten haben, seinen Anspruch durchsetzen zu können. Gegen die zu den Fahnen Einberufenen und die ihnen i nach §2 des Gesetzes vom 4. August 1914 gleichgestellten Per- sonen (Dienst im Ausland, Kriegsgefangene, Geiseln) wird , keine Räumungsklage verhandelt und etwa schon an hängige Räumungsklage wird unterbrochen, oder wenn ein Vertreter bestellt ist, auf dessen Antrag ausgesetzt. Wann der Mietzins fällig wurde, ob vor oder nach der Kriegserklärung, ist dabei gleichgültig, ebenso ob die Räu mung erfolgen soll, weil der Mietzins nicht bezahlt wurde oder weil der Mietvertrag abgelaufen ist. Erfolgt keine freiwillige Räumung, so bleibt der Kriegsteilnehmer im Mietbesitz. Aber auch gegen die Familienangehörigen des im Felde stehenden Mieters ist die Räumungsklage zwecklos. Durch den Kriegsdienst des Ehemannes ändert sich in den Mietverhältnissen nicht das geringste. Die Ehefrau und die Kinder werden nicht Mieter. Sie sind nicht Besitzer der Mieträume im Sinne von § 985, 986 des Bürgerlichen Gesetzbuches. Sie haften nicht für den Mietzins, nicht für die Räumung der Wohnung oder der Geschäftsräume, selbst wenn sie für den Abwesenden in den letzteren das Geschäft weiterführen. Ja, selbst in den Fällen, wo die Ehefrau den Mietvertrag mit unterschrieben hat, sei es als Mitmieterin oder Bürgin, kann gegen sie wohl auf Miet zahlung, nicht aber auf Räumung geklagt werden, da nach § 356 des Bürgerlichen Gesetzbuches die Klage auf Räu mung auch gegen den im Felde stehenden Ehemann ge richtet werden müßte und gegen diesen zurzeit nicht ver handelt werden kann. Nur in einem Falle kann die Räumung betrieben wer den, nämlich dann, wenn das Urteil auf Räumung bereits vor dem Einzug des Mieters zum Heeresdienst ergangen ist. Dann kann die Räumung und Mietzinszahlung im Zwangsvollstreckungswege erzwungen werden, es darf je doch wegen der Mietzinsen und der Prozeßkosten keine Versteigerung stattfinden, und es kann auch wegen des Mietzinses und der Kosten die Einstellung der Zwangs vollstreckung auf höchstens drei Monate beantragt und bewilligt werden. Man sieht, daß die Kriegsteilnehmer zunächst ge schützt sind. Es ist aber deshalb auch nicht ausge schlossen, daß da, wo schon weitervermietet war, unan genehme Verwickelungen entstehen, und wir haben daher immer geraten, wenn Angehörige unserer Abonnenten sich an uns wandten, der Räumungspflicht nachzukommen, wenn die Mieträume schon anderweit vergeben sind und sich die Räumung bewerkstelligen läßt. f Praxis und Wissenschaft. - - • In den Champignonkellern von Paris. L November! Es ist 10 Uhr vormittags. Ich sitze in einer Kaffee stube am vergnügungsreichen Saint - Miehe, wie diesen Boulevard im Herzen des alten Paris der Pariser lieb kosend nennt, der eigentlich St. Michel heißt. Gleich-