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Nr. 4. Freitag, den 23. Januar 1914. XVI. Jahrgang. Der Handelsgärtner Abonnementspreis bei direktem Bezug vomVerlag: für Deutschland, Oesterreich and Luxemburg M.5.—, für das Ausland M. 8.—, durch die Post oder den Buchhandel M. 20.- pro Kalenderjahr. Ausgabe jeden Freitag. Handelszeitung für den deutschen Gartenbau BearünUet von Otto Thalacker. — Verlag: Thalacker & Schwarz, Leipzig-R., Gomeniusstr. 17. Inserate 50 Pfennige für die vier- gespaltene Nonpareille-Zeile, auf dem Umschlag 40 Pfennige, im Reklameteil M. 1.— für die zweigespaltene 105 mm breite Petit-Zeile. DasAbonnement gilt fortlaufend u. kann nur durch Abbestellung 14 Tage vor Jahresschluß aufgehoben werden. Beachtenswerte Artikel in vorliegender Nummer: Ueber die derzeitige innere Lage des deutschen Obstbaues. 1. Obstbaumschädlinge und ihre Bekämpfung. II. Neue Laubhölzer aus China. I. Die Sonntagsruhe im Reichstag. Der deutsche Gartenbauhandel im November 1913. Gärtnerischer Gläubiger-Schutz-Verband. Mitteilungen über Konkurse. Volkswirtschaft, Rechtspflege, Handel, Vereine undVersammlungen, Ausstellungen, Vermischtes, Fragekasten für Pflanzenkrankheiten.— Aus der Berufs genossenschaft, Marktberichte usw. Ueber die derzeitige innere Lage des deutschen Obstbaues. Von A. J anson. I. Angesichts der bevorstehenden Neuabschlüsse der Handelsverträge will ein Ueberblick in die gegenwärtigen inneren wirtschaftlichen Verhältnisse interessant er scheinen. Wir erzeugen im Durchschnitt etwa 14 kg Kirschen von einem Baum, 13 kg Aepfel, 12 kg Birnen und 9 kg Pflaumen. Unsere Jahreserzeugung von den gegenwärtig rund 170 Millionen Bäumen kann bei einem Durchschnitt von % Zentner auf ungefähr 40 bis 50 Millionen Zentner mit einem Handelswert von 500 bis 600 Millionen Mark be rechnet werden. Hierzu gesellen sich die Erzeugnisse der Nußarten, der Aprikosen- und Pfirsichbäume, der Erdbee ren, Himberen und anderen Beerenarten, im Werte von etwa 200 Millionen Mark, so daß mit einer Gesamt-Jahres erzeugung von etwa 800 Millionen Mark gerechnet werden kann. Da etwa für 80 bis 100 Millionen Mark Obst und Obstprodukte eingeführt werden, kann unter Abzug der verhältnismäßig geringen Ausführmenge die Einfuhr auf etwa 10 Prozent des Gesamtverbrauches veranschlagt werden. Der bei richtiger Organisation des Betriebes, bei rich tiger Behandlung der Bäume, bei Rücksichtnahme auf die Absatzverhältnisse stes lohnende Obstbau besitzt den einen großen Mangel, daß die Ernten ganz außerordentlich schwanken. Das führt zur Uebererzeugung in sehr guten Jahren, zu fühlbarem Mangel in schlechten Jahren. Während in letzteren Jahren sehr bald eine starke Zu fuhr einsetzt, setzt diese aus Gründen, die hier nicht erörtert werden sollen, auch in guten Jahren nicht aus, wenn sie meistens auch bei dieser oder jener Obstart etwas zurück geht. Die Folge dieser Erscheinung ist die schwere Ver käuflichkeit, ja die Unmöglichkeit des Verkaufes zu an nehmbaren Preisen in fetten Jahren, ein starker Preisdruck in guten Jahren, deshalb mehren sich ja auch die Klagen der Obstzüchter in öffentlichen Versammlungen, daß die Einträglichkeit der Pflanzungen ständig zurückgehen und daß die Grenze derselben bald erreicht sein wird. Ein Punkt ist es, auf den immer wieder aufmerksam gemacht werden muß und der dereinst entscheidend sein wird, ob eine Rente aus dem Obstbau überhaupt noch zu erzielen ist, wenn nicht ein Zollschutz eintritt. Das ist die Verwertung des Ausschusses, Ich verstehe darunter die unsortierte bäuerliche Ware, welche noch immer die Hauptmengen unserer Märkte dar stellt, die vielen minderwertigen Lokalsorten, das viele fleckige, krüppelhafte, beschädigte Obst, die für den Han del sonst zu kleinen Früchte usw. Diese Ausschußware stellt nach meiner Schätzung je nach den Gegenden 60 bis 90 Prozent dar und ist ungemein schwer zu verwerten. Freilich ist der Verbrauch an Kochobst groß; und doch ist dieses Ausschußobst für die Arbeiterschaft und den kleinen Bürgerstand immer noch zu hoch. Leider macht aber der Zwischenhandel, nicht der Obstzüchter den Preis; : und jeder bemüht sich um den Absatz nicht, wenn er nicht außer Erstattung seiner Auslagen gut daran verdient. Da außerdem trotz mancher Vergünstigungen und Verbilligun gen die Eisenbahnfrachtpreise für derartiges Obst zu hoch sind, geht eben in reichen Jahren eine gewaltige Menge verloren. Das ist vor 50—100 Jahren in solchem Maße der Fall gewesen, weil die Verwertungsverhältnisse ganz anders lagen. Eine Einfuhr fand nur in ganz beschränktem Maße entlang den Grenzen statt; während heute sich zwei Drittel bis drei Viertel der ganzen Bevölkerung in den Städten zu sammendrängt, wohnten früher auf dem platten Lande oder in kleinen Städten bis zu 90 Proz. aller Deutschen. Der Mangel an Verkehrsmitteln unterband den Bezug fertiger Obsterzeugnisse aus großer Entfernung und so lag eben für die landwirtschaftlichen Haushaltungen gewissermaßen ein Zwang vor, das Obst in Dauerfabrikate zu verwandeln. Das geschah natürlich in besonders starkem Maße dann, wenn diese oder jene Obstart überreichliche Erträge brachte, dann wurden in primitiver Weise große Mengen von Pro dukten hergestellt, weil man nie wußte, ob das nächste Jahr einen Ausfall bringen werde. So ergab sich denn von selbst eine blühende Hausverwertung, welche das Aus schußobst, in reichen Jahren auch einen Teil des besseren zu Apfelwein, Zwetschen- und Kirschgeist, Pflaumenmus, Aepfel- und Birnkraut, Backobst (Dörrobst), verarbeitete. Daß die heutigen Erzeugnisse, wie Gelees und Marmeladen nicht hergestellt wurden, erklärt sich aus dem Umstand, daß Rübenzucker noch nicht erzeugt wurde und der aus ländische Rohrzucker viel zu teuer war. — Das ist etwa seit dem Jahre 1870 ganz anders ge worden, als nämlich nach dem Kriege die Abwanderung in die Städte begann, Deutschlands Auslandhandel sich ge waltig hob, die Einfuhr gesteigert wurde und als Ende der siebziger Jahre hohe Ausfuhrprämien auf deutschen Rüben zucker gegeben wurden. Die Rübenzuckerindustrie hatte in den letzten zwei Jahrzehnten zuvor ungeheuren Auf schwung genommen, und das war ein Moment, welches der häuslichen Obstverwertung sehr nützlich war, so daß viel leicht nie zuvor diese so ausgebeutet war, wie in der Mitte des vorigen Jahrhunderts. Diese Ausfuhrprämien verteuerten den Zucker im In- lande, verbilligten ihn dem Auslande, Das machte sich vor-