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Nr.44u.45. Freitag, den 6. November 1914. XVI. Jahrgang. Der Handelsgärtner Abonnementspreis bei direktem Bezug vomVerlag: für Deuuscnland, Oesterreich und Luxemburg M.5.—, für das Ausland M.8.—, durch die Post oder den Buchhandel M. 20.— pro Kalenderjahr. Ausgabe jeden Freitag. Handelszeitung für den deutschen Gartenbau Begründet von Otto Thalacker. — Verlag: Thalacker & Schwarz, Lelpzig-R., Gomeniusstr. 17. Inserate 50 Pfennige für die rier- gespaltene Nonpareille-Zeile auf dem Umschlag 40 Pfennige, im Reklameteil M. 1.— für die zweigespaltene 105 mm breite Petit-Zeile. Das Abonnement gilt fortlaufend u. kann nur durch Abbestellung 14 Tage vor Jahresschluß aufgehoben werden Beachtenswerte Artikel in vorliegender Nummer: Gärtneritche Reiseskizzen. Rosenstuaien 1SI4. IV. Die Unfruchtbarkeit der Obstbäame, ihre Ursachen und Heilung. V. Pflanzt Obstbäume! Die rätselhajte Auszeichnung- Anregungen für die Wiederaufnahme gärtnerischer Arbeitstätigkeit und für die Hebung des Absatzes von Gärtnerei-Erzeugnissen. Berichte über die Geschäftslage der Baumschulen im Herbst 1913 und Früh jahr 1914. VI. Handelskammerberichte über das fahr 1913: Rostock, Würzburg. Handel, Verkehr, Vereine und Versammlungen, Ausstellungen, Unterrichtswesen, Fragekasten für Rechtsangelegenheiten, Praxis und Wissenschaft, Marktberichte usw. Gärtnerische Reiseskizzen. Von A. Janson. An einem schönen, etwas kühlen Junimorgen saß ich auf dem Weseier Bahnhof, um auf meinen Eilzug nach Am sterdam zu warten. Man weiß, wie eine Tasse heißen und außerdem noch guten Kaffees und eine Zigarre nach einer durchreisten Nacht schmecken. Das kam mir hier alles dop- -pelt zur Geltung; denn ich saß beim hellen Morgensonnen scheinnicht wie üblich hinter der Zeitung in einem mehr oder minder unfreundlichen Wartesaal, auch nicht zwischen einigen Efeuwänden und Kübelpflanzen auf dem Bahnsteig, sondern in einem Wintergarten. Zwischen Hauptgebäude und einem Bahnhofsseitengebäude ist der Raum in einer Breite von vielleicht 15 m, einer Länge von etwa 40 m mit Glasdach überdeckt, in der Mitte ein Springbrunnen mit Becken, und dieses Becken wirklich geschmackvoll um- grünt. Das viereckige, regelmäßig aufgeteilte Schmuck plätzchen, von den Säulengängen der beiderseitigen Bahn steige umrahmt, vom Wartesaal II. Klasse unmittelbar zu gänglich, zweiseitig, nach Osten und Westen gegen Zugluft durch die Gebäude geschützt, nach der Stadtseite zu durch mächtige Baumpflanzungen als Hintergrund gedeckt, wirkte wie eine Oase in der Wüstenei inmitten der kalten, rauchen den Pracht unserer Bahnhöfe, Die Anlage stellt sicherlich kein gärtnerisches Kunstwerk dar. Die Ecken des Recht ecks einfach mit Palmen, deren Töpfe eingelassen waren und anderen Blattgewächsen bepflanzt, die Schmalräume zwischen dem Wasserbassin und den Bahnsteigen mit Blu men, vornehmlich Stauden bunt bepflanzt, das ganze grüne, freundliche Fleckchen mit gedeckten Tischen und Stühlen umstellt, dazu Kaffeeduft und Zigarrenrauch. Ein Gegenstück zu dieser W e s e 1 e r Idylle bietet die gärtnerische Ausgestaltung der großen Halle des Haupt bahnhofes zu Gent. Mancher Gärtner und Leser dieser Zeitschrift, der den Spaten und die Rosenschere mit Knarre und Seitengewehr vertauscht hat, sollte nicht versäumen, sich die Ausgestaltung dieser Stelle anzusehen. Was Wesel im Kleinen, an persönlichem Reiz bietet, zeigt Gent in großer, gleichsam repräsentativer Form, Der Genter Hauptbahnhof bildet ein großes U, dessen Hof die große Empfangshalle ist. Der Bahnhof ist ein Sackbahnhof, die Bahnsteige schieben sich vor der U- Oeffnung, auf welcher sie enden, weit hinaus. Kommt man mit dem Zuge an, muß man die etwa 100 m lange, 60—70 m breite Empfangshalle, der Länge nach durchschreiten, um den Hauptausgang zu gewinnen. Diese große Halle ist in geradezu vorbildlicher Weise gärtnerisch ausgestaltet. Abgesehen von breiten, in Asphalt gelegten Gängen zur Aufnahme des Verkehrs, ist die ganze bedeutende Fläche in gut gepflegten Rasen gelegt. Eine niedrige Einfriedigung, nach Art der auf unseren öffent lichen Plätzen, umrahmt die langgestreckt rechteckige Schmuckanlage. Die Mitte wird von einer Gruppe mäch tiger Kübelpflanzen, zum Teil Palmen in hoher Vollendung, gebildet, gleiche Gruppen, aber niedrige, füllen die Ecken. Ein schmales, farbiges Band läuft in etwa 1 m Abstand von den Kanten um das ganze Stück. Einzelpflanzen, Stauden gruppen beleben den Rasen. Natürlich ist die ganze Anlage, entsprechend der Um gebung, geometrisch aufgeteilt. Die Anlage wird alljährlich neu bepflanzt und steht unter der Leitung des Stadtgärtners von Gent. Das präch tige, frische, gesunde Aussehen des Rasens und der Pflan zenbestände verdankt die Anlage regelmäßiger, ungemein ausgiebiger Bewässerung, die im heißen Sommer zweimal täglich vorgenommen wird. Auch wird das stumpfwinkelige Glasdach über der Halle möglichst oft gereinigt. Bei dem sich niederschlagenden Ruß des Lokomotivenrauches tritt das Verschmutzen natürlich sehr schnell ein und der Licht entzug ist bedeutend. Diese Anlage kann, als eine Art Aushängeschild der berühmten alten Gartenstadt Gent angesehen werden. Wenigstens berührt es mich derart, so oft ich durch Gent gekommen bin. Dieser gärtnerische Schmuck ist neuerer Herkunft. Als ich 1898 in Gent war, war noch nichts der gleichen zu sehen. Insgeheim habe ich mir die in der Bau art nicht unähnlichen Postdamer und Anhalter Bahnhöfe in Berlin, den alten Thüringer Bahnhof in Leipzig vergegen wärtigt. Auch hier alles rauchig und schwarze Wände. Was doch so etwas Pflanzenleben ausmacht! Eigenartigen gärtnerischen Schmuck im kleinen sieht man auf dem Hauptbahnhof im Haag, der Residenz von Wilhelmintje, der vielbeliebten holländischen Königin. Dort fahren von einem Nebenbahnsteig die elektrischen Züge nach dem Seebad Scheveningen ab. Dieser Neben bahnhof ist Sackbahnhof, die Geleise finden ihren Abschluß in den üblichen Prellböcken, welche zur Verstärkung die übliche Erdschüttung bekommen haben, deren Rücken je weils dem Bahnsteig, dem hochverehrlichen Publikum, zu gewendet sind. Diese Rücken, welche etwa 4 Quadrat meter Fläche bilden, sind dort genügend hoch mit guter Erde auf gefüllt, sorgfältig geebnet und als Teppichbeete bepflanzt. Ich bin sonst kein Freund dieser zopfigen Be pflanzung, aber hier ist sie angebracht, paßt zur Umgebung, wirkt in ihrer augenfälligen, schrägen Lage wie ein Mo saik. — Angesichts dieser Beispiele, die sich beliebig ver mehren lassen, habe ich immer bedauert, daß für die Aus gestaltung unserer Bahnhöfe mit ihrer engsten Umgebung in dieser gärtnerischen Hinsicht so wenig getan wird.