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hat der Krieg gegen einen fremden Einfall immer den unge heuren Vorteil, die inneren Spaltungen ver schwinden zu lassen, indem er die Bürger gegen den gemeinschaftlichen Feind vereinigt“. Durch diesen Vor teil unseres in Treue einmütigen, ja jetzt im Hinblick auf den Krieg parteilosen deutschen Volkes, werden wir mit Gottes Hilfe wieder den Pfad zum Siege finden. Wir haben im nachstehenden in einer Merktafel alles kurz zusammen gestellt, was der Geschäftsmann während der Kriegszeit wissen muß, sei er nun Kaufmann oder Gewerbetreibender oder gehöre sonst einer Erwerbstätigkeit an. Die Hauptsache in diesen ernsten Stunden ist: Nicht verzweifeln! Arbeiten, nicht verzweifeln! Dieses Kaiser wort gilt auch in den kommenden ernsten Tagen, Tue jeder auch im wirtschaftlichen Leben daheim seine Pflicht, wie unsre wackeren Krieger im Osten und Westen, unter denen sich auch so mancher aus unserem Kreise befindet. Der ge rechten Sache wird Gott den Sieg verleihen. Jubeln wir es hinaus mit Emanuel Geibel; Und wenn uns nichts mehr übrig blieb, So blieb uns doch ein Schwert, Das zorngemut mit scharfem Hieb Dem Trutz des Fremdlings wehrt. So blieb die Schlacht als letzt' Gericht, Auf Leben und auf Tod, Und wenn die Not nicht Eisen bricht, Das Eisen bricht die Not! Berliner Briefe. VI. Nach einer langen Zeit des Schweigens, und verurteilt jetzt fast zur Tatenlosigkeit, sollen die geehrten Leser des „Handelsgärtner“ wieder etwas aus der Reichshauptstadt hören. Es wäre müßig, über die ersten Mobilmachungs- und Kriegstage etwas schreiben zu wollen; denn die Wogen der Entrüstung über das schmachvolle Vorgehen unserer Landesfeinde werden überall im Reiche hochgegangen sein, gleichwie die Begeisterung, die alle Parteien und alle Er werbsstände zu einem „einig Volk von Brüdern“ machte, — Fürwahr, eine große Zeit ist über Nacht über uns her eingebrochen, ernst und schwer, und wohl am schwersten mit über unseren, nur im Frieden gedeihenden Gärtner stand, Um alle die Opfer, die uns nun auferlegt sind, ertragen zu können, bedarf es weitgrei fender, organisatorischer Tätigkeit; denn es gilt für die Starken und Wohlsituierten, die Erwerbsschwachen zu schützen, die ihres Er nährers beraubten Familien durch Rat und Tat, sowie durch pekuniäre Beihilfe zu unter stützen! Wohl ist der Vorstand des „Verbandes der Handelsgärtner" rasch auf dem Plan gewesen, indem er 10000 Mark aus Verbandsmitteln zu diesem Zwecke be reitstellte, und in Aufrufen, die durch die Tageszeitungen gingen, auf schnell vorzunehmenden Herbstgemüseanbau, als einzigsten gewinnbringenden Artikel, jetzt aufmerksam machte. Gut gemeint! Aber die Hauptfürsorge wird in der Kleinarbeit liegen, und daran scheint es nicht nur hier, vielleicht überall im Reiche zu mangeln. Das schöne Wort: „Wer rasch hilft und gibt, hilft dop pelt", sollte sich ein jeder zu Herzen nehmen. Das wäre doch der herrlichste und schönste Vaterlandsdienst, den wir Zurückgebliebenen verrichten könnten. Hilfsbe reitschaft, möchte doch dieses einzige schöne, große Wort heute auf aller Lippen stehen und auch die mit fort reißen, die im krassen Eigennutz, im scharfen Konkurrenz kämpfe, nur sich kennen. — Und ob es not tut? — Gerade in der Großstadt, wo die harten Gegensätze beieinander wohnen, da merkt man es ja so deutlich und eindringlich. Zu drei Vierteln ist unser Geschäft zerbrochen, viele Betriebe, die auf Versand ar beiten, sind total lahm gelegt, und dem Herbst und Winter I sehen wir alle mit Grauen entgegen. Nur mühsam können unsere, gerade in diesem Jahre so hoffnungsvollen Kultu ren wegen Mangel an Mitteln und geeigneten Arbeitskräf ten aufrecht erhalten werden. Da heißt es, nicht nur aus Muß, — sondern auch aus weit ausschauenden Klugheits gründen sich in allem einschränken. Fort mit allen überflüssigen Kulturen, reinen Tisch gemacht, und nur das weiter ziehen, was erstklassige Beschaf fenheitverrät. Es gilt im Winter Kohlen und über flüssiges Heizmaterial zu sparen. —- Gewiß, man soll nicht mutlos sein. Glückliche Nach richten von den Kriegsschauplätzen, die wir ja alle auch weiterhin erhoffen nach den verheißungsvollen Anfängen, werden allmählich das Geschäft wieder beleben und große Siege unserer Waffen werden Schließlich auch mit Blumen gefeiert. Aber dennoch wird — erfüllen sich auch diese Hoffnungen — das Geschäft nur ein halbes Sein. Re vidiert V o r e r s t a 11 e im Ausland gemach ten Bestellungen, ihr Kollegen im Reiche; Kriegsfall ist „vis major“, und diese eingetre tene „höhere Gewalt" entbindet uns wenig stens dem Auslande gegenüber von unseren Aufträgen. Da es aber nicht klug sein dürfte, alles — im eingeschriebenen Brief — abzubestellen, so würde ich raten, nur die Hälfte, vielleicht auch zwei Drittel der erteilten Aufträge zu kürzen. Wer ganz sicher gehen Will, mache noch von dem Einwand Gebrauch, daß infolge des zerstörten Gütertransportes eine gute und rechtzeitige Lieferung doch nicht zu erwarten ist. Besonders dem befreundeten Hol land gegenüber gilt der Rat, nichtailesabzubeste 1- 1 e n, weil es unsern verfolgten Brüdern so edle Gastfreund schaft und Hilfe gewährt hat. Es ist unser bestes Versor gungsland, wenn der unselige Krieg lange währen sollte. Um die Belgier, diese Ueberfranzosen, die uns als ihre besten Abnehmer, schon von jeher über die Achsel ansahen, brauchen wir uns nicht zu besorgen, die werden eine Warenabnahme ohnehin nicht erwarten. Da aber die Möglichkeit besteht, daß belgische Pflanzensen- dungenüber das neutrale undverkehrsoffene Holland gehen könnten, so dürfte es doch klug sein, auch da, und zwar gänzlich, abzubestel len. Die nach Belgien zu richtenden Briefe, die ebenfalls offen und auch „eingeschrieben" sein müssen, wird man versuchen müssen, via Holland zu dirigieren. Auf den unendlichen Schaden, den unser Export erlei den wird, wies ich schon hin. Der Baumschulexport nach Oesterreich, der unbedeutend ist, wird einem Nichts gleich kommen. Der nach Rußland ist zur Unmöglichkeit gewor den, ebenso der nach dem „perfiden Albion“, um mit Haeckel, dem schonungslosen Weltenankläger, zu reden. Unsere Maiblumenzüchter und -Expor teure, die ihr größtes Geschäft mit England machen, und welches man wohl auf nahezu 100 Millionen Keime veran schlagen kann, sind übel dran. Wir Handelsgärtner wer den also hundebillige Maiblumenkeime zu kaufen bekom men. Wer weit ausschauend ist von den Züchtern, wird seine Verkäufe durch zahlungsfähige holländi sche Firmen nach drüben zu ermöglichen su chen müssen. Das einzige, große Exportland, das uns treu geblieben ist, wird Amerika sein, aber der Weg dahin kann gleichfalls nurüberHolland oder Däne mark führen. Mehr wie je gilt es jetzt für den deut schen Handelsgärtner, der umsichtige und besonders auch der vorsichtige Kaufmann zu sein, weil uns der Weltkrieg in die verzwickteste Lage gebracht hat und kein deutsches Schiff mehr den Ozean kreuzen kann. Zum Schluß noch einige geschäftliche Situationsbilder aus der Reichshauptstadt. In den ersten Tagen der Mobil machung zeigte sich das Hallenbild, d. h. der geschäftliche Zustand in der Gärtner-Markthalle, fast unverändert. Noch war man an das flaue Sommergeschäft gewöhnt, und die Tausende von Kriegs-Nottrauungen belebten sogar vor-