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Nr. 30. Freitag, den 24. Juli 1914. XVI. Jahrgang. Der Handelsgärtner Abonnementspreis bei direktem Bezug vom Verlag: für Deutschland, Oesterreich and Luxemburg M.5.—, für das Ausland M. 8.—, durch die Post oder den Buchhandel M. 20.— pro Kalenderjahr. Ausgabe jeden Freitag. Handelszeitung für den deutschen Gartenbau Begründet von Otto Thalacker. - Verlag: Thalacker & Schwarz, Leipzig-R., Gomenlusstr. 17. Inserate 50 Pfennige für die vier gespaltene Nonpareille-Zeile auf dem Umschlag 40 Pfennige, im Beklameteil M. 1.— für die zweigespaltene 105 mm breite Petit-Zeile. Das Abonnement gilt fortlaufend u. kann nur durch Abbestellung 14 Tage vor Jahresschluß aufgehoben werden. Beachtenswerte Artikel in vorliegender Nummer: Ist die Gemüsegärtnerei noch rentabel? H. Die Dritte Deutsche Gartenbauwoche. 1. Anregungen für eine Reform des gärtnerischen Ausstellungswesens. Handelskammerberichte für das Jahr 1913: Cöln. Vereine und Versammlungen, Kulturstand und Ernte, Fragekasten für Rechts angelegenheiten, Bücherschau. — Der deutsche Gartenbauhandel im Mai 1914, Marktberichte usw. Ist die Gemüsegärtnerei noch rentabel? ii. Einen anderen Punkt, der den Erfolg der Kulturen oft in Frage stellt, möchte ich noch erwähnen: das ist die Art der Bepflanzung der Kästen. Die meisten Gärtner be pflanzen ihre Kästen zu hoch. Ich habe in Erfahrung ge bracht, daß selbst Rettiche und Radiese, sowie auch Salat es gut ertragen, wenn sie statt 15—20 cm 30—35 cm vom Glase entfernt sind. Kohlrabi und Wirsing kann man sogar bis 40—50 cm tief pflanzen. Solche Pflanzungen entwickeln sich viel besser und sind bei weitem mehr gegen Frost geschützt wie hoch angelegte. Auch Gurken lieben das Tiefpflanzen, und die meisten der gefürchteten Krankheiten mögen daher kommen, daß die Pflanzen ihre Blätter an das Glas pressen und dem ständigen Temperaturwechsel zu grell ausgesetzt sind. Solche tiefgepflanzte Gemüse anlagen (insb. Salat) vertragen es sogar bei gutem Fenster material, wenn sie gar nicht gedeckt werden. Ein Umstand, der manchem Gemüsezüchter die Freude am Geschäft verleidet und oft einen jähen Strich durch die Rechnung macht, ist das sogenannte „Schießen“ vieler Ge müsesorten. Es ist aber nicht nötig, deswegen gleich die Flinte ins Korn zu werfen, denn die Erfahrung ist hier auch der beste Lehrmeister. Ich habe diesem Gebiete von jeher besondere Aufmerksamkeit geschenkt und meine Erfahrung in knapper Kürze in einer kleinen Broschüre nieder geschrieben, welche ich gern jedem Kollegen gratis zur Verfügung stelle. (Das Abdrucken derselben würde hier zuviel Platz einnehmen.) Ich bin einmal der Meinung, daß unser Beruf nur dadurch gehoben werden kann, daß gegen seitige Erfahrungen soviel wie möglich ausgetauscht wer den. Ich verarge es daher auch vielen Kollegen, wenn sie unseren guten Fachzeitschriften, welche eine Menge Wis senswertes bringen, nicht die genügende Beachtung schen ken. Jeder strebsame Gärtner sollte alle Fachzeitschriften und sonstige Kulturabhandlungen sammeln und wie ein Heiligtum aufheben. Gerade im gesammelten Zusammen hänge lassen sich große Vorteile daraus ziehen. Für den Gemüsegärtner ist es auch nötig, bezüglich der Technik der Anlagen das zu wählen, was die wenig sten Kosten verursacht. In dieses Gebiet gehört die Frage, ob Holz oder Eisen bei Frühbeetkästen das vorteilhafteste ist. Trotzdem viele Kollegen so sehr an der Holzkonstruk tion hängen, bin ich längst davon abgekommen und habe auch beim Frühgemüseanbau beobachten können, daß alle Kulturen unter Eisenfenstern ebenso gut gedeihen wie unter Holzfenstern. Eisenfenster haben eine Lebensdauer von mindestens 60—70 Jahren, während gute Holzfenster durchschnittlich eine solche von 10—15 Jahren erreichen. Es erübrigt sich, da noch eine Berechnung aufzustellen. Wer sich für die Güte der Eisenfenster interessiert, der kann solche in Frankfurt a. M. und in Würzburg in Menge vorfinden. Bezüglich der Treibkästen gebe ich den feststehenden, ungeteilten, langen Kästen (20—30 m) entschieden den Vorzug. Viele Gärtner haben die sogen. Hebekästen und bilden sich ein, dadurch, daß sie die Kästen während der Winterszeit trocken stellen, eine erhöhte Le bensdauer zu erreichen. Das trifft indessen aber durchaus nicht zu, sondern durch das Herausnehmen der Kästen wird mehr demoliert, als wenn die Pflöcke selbst in der Winterszeit im Boden bleiben. Auf diese Weise halten oft vermorschte Eichenpflöcke länger, als man denkt. Auch verwerfe ich die Querlatten in solchen Kästen, welche zuviel Platz wegnehmen und auch die Arbeit zu sehr be hindern und die Anschaffung noch verteuern. Ein Treib kasten kann primitiv, er muß aber doch fest sein. Bezüg liche der Pflöcke für Treibkästen könnte auch eine Eisen konstruktion dieselben ersetzen, und es gehört nicht viel Findigkeit dazu, sich eine solche nach eigenen Zwecken auszudenken. Wo viel Sand billig zu beschaffen ist, sind Betonkästen auch nicht von der Hand zu weisen. Es wächst ebenso gut in denselben und haben dieselben natürlich den Vorzug zehnfacher Lebensdauer. Viele Gemüsegärtner können sich von „Hebekästen“ nicht trennen, weil sie meinen, daß krautartige Kulturen immer gleichmäßig von der Glasbedachung entfernt sein müßten. Wenn man das Tiefpflanzen der Gemüsekulturen so betreibt, wie ich an gegeben habe, so kann höchstens Blumenkohl oder Wir sing zu hoch werden. Da ist es dann schon viel einfacher, wenn man einen kleinen Bretteraufsatz macht. Grundbedingung für einen guten Erfolg in der Gemüse- ! kultur für Frühtreibzwecke ist natürlich auch guter leich ter Frühbeetboden und genügend Dünger zur Unter- . packung. Solche Gärtner, die hauptsächlich auf Freiland- ! kulturen angewiesen sind, sollten dafür sorgen, wenigstens : soviel Frühbeetfenster sich zuzueignen, daß sie einen ge nügenden Pflanzenbestand erzeugen können. Auch hier kann man durch das Wechselsystem sehr viel erreichen, und ich wagte mir mit 30 Fenstern mindestens 150 Fenster Frühbeetpflanzen heranzuziehen. Die Ausdehnung der Frühgemüsekultur würde meiner Ansicht nach kaum zu einer Ueberproduktion führen, denn die letzten Jahre haben genügend bewiesen, daß sich die Artikel eigentlich erst einbürgern müssen und Absatzgebiet gerade genug da ist. Auch durch die fast chronisch werdende und sich wohl nie bessernde Fleischteuerung ist uns eine gute Chance er- । wachsen. Denn wohl oder übel befinden wir uns, wenig- : stens was die Arbeitsklassen im Mittelstände anbelangt, in einem Stadium des Uebergangs — wenn auch nur teil weise — zum Vegetarismus. Friedrich Peter, Würzburg.