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Nr. 3. Freitag, den 16. Januar 1914 XVI. Jahrgang. Der Handelsgärtner Abonnementspreis bei direktem Bezug vomVerlag: für Deutschiand, Oesterreich and Luxemburg M.5.,, für du Anelend M.8.—, durch die Poet oder den Buchhandel M. 20.— pro Kalendenehr. Augabe jeden Freitag. Handelszeitung für den deutschen Gartenbau Begründet von Otto Thalacker. — Verlag: Thalacker & Schwarz, Leipzig-R., Comeniusstr. 17. Inserate 80 Pfennige für die vier- gespaltene Nonpareille-Zeile, auf dem Umschlag 40 Pfennige, im Beklameteil M. 1.— für die zweigespaltene 105 mm breite Petit-Zeile. Das Abonnement gilt fortlaufend u. kann nur durch Abbestellung 14 Tage vor Jahresschluß aufgehoben werden Beachtenswerte Artikel in vorliegender Nummer: Berliner Briefe. IV. Amerikanische und japanische Hemlockstannen- Thyrsacanthus rutilans. Impatlens als Schattenblüher. . Die Calla- Erhöhung der Gehaltspfändangsgrenze für Privatangestellte im Gartenbau. Das Gärtnereigewerbe im Königreich Sachsen. Handelskammerberichte: Potsdam. Obst-Mindestpreise für 1914. Rechtspflege, Handel, Vereine und Versammlungen, Fragekasten für Praxis und Wissenschaft, Pflanzenkrankheiten. — Marktberichte usw. Berliner Briefe.*) IV. Das wenige Gute, was ich im vorigen Briefe über das Herbstgeschäft in Schnittblumen berichten konnte, wäre auch auf das Topfgeschäft zutreffend gewesen, wenn nicht ein langer, gütiger, sonnendurchfluteter Herbst gottlob einigen Wandel gebracht hätte. So kamen, wenn auch zu stark herabgedrückten Preisen, die überall großen Vor räte in Topf-Chrysanthemum noch zum Absatz, auch Cy clamen, Obconicas und Lorraine-Begonien räumten gut. Bei letzterem Artikel mag angeführt sein, daß der hell- rosae, großblumige Lorraine-Sport „Berolina“ infolge sei ner leichteren Kultur und seiner größeren Blumenhalt barkeit, von Jahr zu Jahr hier steigende Aufnahme fin det, und das mit Recht! Selbst „Konkurrent“, auf welche Züchtung man viel Hoffnung gesetzt hatte, ist dieser bis heute besten Lorraine-Art in Wirklichkeit nie ein ernster Konkurrent geworden. Die ungezählten Waggons Eriken — eine Firma hatte deren allein 10 empfangen — die die Berliner Han delsgärtnerei herein nahm, brachten zuerst eine geradezu beängstigende Fülle dieses schönen Herbstmaterials, daß man ein Sitzenbleiben allerorts befürchtete. Aber die wochen- und monatelange schöne Witterung brachte darin eine Kauflust, die geradezu erstaunlich, aber durch die selten schöne Farbe der gracilis, doch auch erklärlich war. Es haben Friedhofsverwaltungen 10, 20 und mehr Tausend Erica gracilis verbraucht, ganz abgesehen von dem Ge schenk- und Balkonbedarf, der darin nie so groß war, als in letzter Herbstsaison. Das sonnige Wetter brachte ein rasches Auf- und Verblühen mit sich, so daß zum Totenfeste dieser Artikel sogar im Zeichen der Knapp heit stand. Dem Tannengeschäft freilich brachte das sommerliche Herbstwetter keinen Vorteil. Das frühe Nadeln der Pflan zen war seine naturgemäße Folge. Auch hier sind die Friedhöfe die großen Konsumenten. Die Bepflanzung der Balkons mit Winterdekorationsmaterial unterblieb in vie len Fällen, blühten doch am 1. Dezember noch sämtliche Pelargonien in Hülle und Fülle. Und dennoch ging der Verbrauch in die Hunderttausende. Den Tannenzüchtern und Baumschulbesitzern Norddeutschlands mag es ins Merkbuch geschrieben sein, daß der große Verbrauch Ber- *) Siehe auch Jahrgang 1912, Seite 181, 266. 429. | lins sich nur auf primaWare auch in dem Ar ktik el bezieht. Wer diesen Ansprüchen nicht gerecht werden kann, der lasse lieber seinen Versand nach hier, bei dem er Zurverfügungstellungen und Geldverlusten doch nicht aus dem Wege gehen wird. Die Trauerbinderei, die in der Hoffnung lebt, wenn das Fest der Toten naht, sah diesmal ihre Hoffnung nicht zuschanden werden. Das leidlich gute Wetter der Totenfestwoche brachte selbst dem kleinsten Bindege schäft guten Absatz und wenn auch das Billige in Kränzen ' bevorzugt, anstatt frischer Blumen, künstliche und Phan tasiegrünkränze lieber gekauft wurden, so war man doch recht befriedigt diesmal. Der stillen Adventszeit, in der mehr der Hand deisgärtner zu hoffen anfängt, wie sein grimmiger heu tiger Gegner, der Blumengeschäftsinhaber, folgte das liebe Weihnachtsgeschäft, dem man die Prognose gut bis recht gut ausstellen kann. In allen blühenden Sachenvoll zog sich ein glattes Räumen, ob es sich um „Zwiebelkram oder anderen Topfkram“, wie der Berliner sagt, handelte. Nur Palmen und Blattpflanzen blieben vernachlässigt. Die Ursache? — Nicht, daß diese Sachen aus der Mode ge kommen wären; aber Mode ist es nach und nach geworden, I solchen Zimmerschmuck in der scheinbar billigeren Schmiede zu bestellen, als da sind W arenhäuser und warenhausähn 1 i ch gehandhabte gärtne rische Großbetriebe, die durch „Ausnahmetage“, „Palmenwochen“, und sonstige geschickt angelegte Ein kaufsgelegenheiten, das kaufende Publikum zum Kaufe anzulocken verstehen! Durch solche Maximen, die den unbestreitbaren Vorzug haben, zeitgemäß zu sein, wird nicht nur dem Blumengeschäftsinhaber, sondern auch seinem Lieferanten, dem mittleren und kleinen Handels gärtner das Geschäft in solchen Artikeln aus der Hand ge wunden. Kommt nun erst der ersehnte Schutzzoll, über den ich so meine „eigene Meinung“ habe, dann wird dieser Zustand in den Großstädten nicht besser, sondern schlech ter; denn Kleinimport oder Zwischenhandel wird mit Großimport, der seine Vorteile besser wahrnehmen kann, dann erst recht nicht mehr konkurrieren können. Als ge treuer Chronist hielt ich es für meine Pflicht, dieses Zu kunftsbild mal vorzufilmen, um es jenen ins Gewissen zu schreiben, die vom dereinstigen Zoll das Allheilmittel aller handelsgärtnerischen Geschäftsmiseren erhoffen. Ja, man kann solche Hinweise schon eher bringen, als daß man sich in bitterbösen Auseinandersetzungen in der Fachpresse zum Schluß den eigenen Ausblick trübt. Im übrigen, was ich betonen möchte, vertragen wir Handelsgärtner Groß- Berlins uns noch recht gut mit unseren Abnehmern, den zollfeindlichen Jüngern von der anderen Fakultät, sinte malen ja der Zoll noch so weit im Felde liegt. Die Meinung, daß unsere Rivierakollegen das Geld sündhaft leicht verdienen, daß ihnen die goldene Sonne und der noch goldigere Verdienst nur so an den Hals flie gen, hatte man einmal, und auch jene Anschauung, daß wir ohne die südlichen Erzeugnisse dem heutigen winter lichen Blumenbedarf genügen könnten, mit unserer Pro-