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Nr. 143. Pulsnitzer Wochenblatt. — Dienstag, den 3. Dezember 1912. Seite 2. PulSuitz. (Der OrtSverein des Bewert. Vereins der Deuts chenTexeilarbeiter H.-D.) feierte am Sonnabend im Saale des Schützenzauses sein 2. Stiftungsfest, welches einen sehr schönen Ver lauf zu verzeichnen hatte. Das Konzert wurde unter persönlicher Leitung des Herrn Musikdirektor Freu- zsl von seiner Kapelle gut vorgetragen. Nach kurzer Begrüßung seitens des Vorsitzenden ergriff Kollege Rör- ler-Forst das Wort zur Festrede. Zunächst gab er einen kurzen Rückblick aus das verflossene Geschäftsjahr, wel ches ein an Kämpfen, nichtsdestoweniger auch an Er folgen reicher gewesen ist. Weiter betonte er, daß lei- der die werbliche Arbeiterschaft den Wert der Organi sation noch zu wenig erkannt hat und fordert die Kol legen auf, weiterhin bestrebt zu sein, dem Gewerkver- einSgedanken immer mehr Ausbreitung zu schaffen. Seine interessanten Ausführungen schloß er mit einem begeistert ausgenommenen Hoch auf den OrtSverein Pulsnitz. Sodann ging programmäßig der Einakter „Versöhnung am Christfest" in Szene. Dieses ergrei fende Schauspiel wurde von Mitgliedern des Vereins unter der Regie des Kollegen Sterneck vorzüglich und lebenswahr ausgeführt und fand allseitig lebhaften Bei fall. Dankend erwähnt sei, daß von der Musikwaren. Handlung Richard Berndt Pulsnitz Schießstraße zur Darstellung deS Kinder-ChoreS am Schluß des The- aterstückes ein Grammophon unentgeltlich gestellt wurde. Hierauf trat der Ball in seine Rechte, welchem die An wesenden in frohster Stimmung bis zum Schluß hul- digten. PulSuitz. (Stadtverordnetenwahl.) Mor gen, Mittwoch, von vormittags 10 bis nachmittags 2 Uhr gilt es an die Wahlurne zu treten, um damit die Männer zu bestimmen, die auf drei Jahre dem Stadtverordneten - Kollegium angehören sollen. Ein sehr wichtiger Akt iü diese Wahl, denn die Stadtver- ordneten sind nicht nur mttbestimmend in den städti- schen Angelegenheiten, sondern sie sind entscheidend, vermag doch der Rat die Geschicke der Stadt ohne ihre Zustimmung nicht zu lenken. Also tue jeder seine Pflicht und schreite zur Wahlurne. Pulsnitz. (DasOffenhaltenvonGeschäs. ten vor Weihnachten) Wir verfehlen nicht, das kaufende Publikum darauf aufmerksam zu machen, daß an den kommenden Sonntagen vor Weihnachten die Geschäfte von >/,3 Uhr nachmittags bis 10 Uhr abends geöffnet sein dürfen. Gleichzeitig bringen wir in Er innerung, daß vom 15. bis 24. Dezember der Verkauf auch an Wochentagen bis 10 Uhr abends gestattet ist. — (Nach einer Mitteilung) der König!. Genc raldirektion der sächsischen Stoatseisenbahnen werden we gen der Kriegswirren auf dem Balkan die im direkten österreichischen und ungarischen kevanteverkehr über Triest und Fiume seewärts nach türkischen Häfen abzufertigenden Sendungen bis auf weiteres nur gegen Vorauszahlung der Fracht und der Nebengebühren zur Beförderung an- genommen. Ohorn. (Einführung, der Gemeinde schwester.) Der erste Adventsonntag bildete für un- sere Gemeinde einen Tag von ganz besonderer Bedeu- tung. Galt es doch an diesem Tage die neue Gemeinde- schwester Martha einzuführen und der Gemeinde vor- zustellen. Zu diesem Zwecke hatte unser Frauenverein am genannten Tage im Obergasthos einen sehr gut besuchten Familienabend veranstaltet, in bessern Verlaufe Herr Pastor Köhler auf Grund des Geleitsworte»: Ich will dich segnen und du sollst ein Segen sein! die Schwester Martha mit herzlichen Worten in ihr Amt einwtes. Nachdem er eingangs seiner Rede der hoch- herzigen, edlen Gesinnung des Fräulein Dorts Hempel, die die Gemeindeschwester ganz aus eigenen Mitteln unterhält, gedacht und ihr mit herzlichen Worten für diese „echte Gabe der Liebe" gedankt hatte, beleuchtete er eingehend die vielseitige, aufopfernde Tätigkeit einer Gemeindediakonisstn und bat die Gemeinde, der Schwe. ster ohne alle Vorurteile mit Liebe und Vertrauen entgegenzukommen und ihr Arbeit, recht viel Arbeit zu geben. Im Hinblick auf diese Arbeit besprach der Herr Redner in gemeinverständlicher Weise fünf Grund, sätze, die alles das enthielten, was über die Arbeit ei» ner Gemeindeschwester zu sagen ist. Sie seien, weil sie vor allem geeignet sind, etwaigen Vorurteilen von vornherein die Spitze abzubrechen, hier mitgeteilt: 1. Hilfe wird gern gewährt. 2. Hilfe wird in jedem Falle gewährt. 3. Hilse wirdjederzeit.alsoauch des nacht»gewährt. 4. Hilfe wird jedem gewährt, ohne Rücksicht auf soziale und politische Stellung. 5. Hilse wird ganz u m s o n st-gewährt. Die Rede machte einen starken Eindruck. Im weiteren Verlaufe des Abends dankte auch Herr Gemeindevor. stand Schäfer dem Fräulein Hempel namens der Ge meinde für diesen hochherzigen Beweis der Nächsten- liebe. Der Abend wurde in wirkungsvoller Weis« durch wohlgelungene Gesänge und Deklamationen au-ge füllt und verschönt, und nur zu schnell war für alle der Schluß gekommen. 8i. Ohorn. (Der dritteVortrags-Abend) der Stenographenvereins „GabelSberger" findet Dienstag, den 10. Dezember, abends 8 Uhr in Hübners Nestau- rant statt. An diesem Abend spricht Herr Prokurist Vogel über: „Der wirtschaftliche Entscheidungskampf zwischen Deutschland und England." Der Vortrag wird umrahmt werden von gesanglichen und musika lischen Vorträgen. Bei der großen Beliebtheit dieser Veranstaltungen ist ein guter Besuch wohl sicher. Oberlichtauau, 1. Dezember. (Als Postagent verpflichtet) wurde heute Herr Malermeister Max Mütze. Die Postagentur Oberlichtenau wurde zirka 25 Jahre von Herrn Julius Schäfer in der gewissen haftesten Weiss verwaltet; ein schlimmes Augenleiden zwang ihn, sein Amt auszugeben. Ebersbach (Durch die hohen Zollschutz mauern) die. die Staaten gegenseitig errichten, wird das Kapital der Großindustrie immer mehr nach dem Auslande gedrängt zum Nachteil des eigenen Landes Schon seit vielen Jahren find im benachbarten GeorgS- walde fünf Fabriken reich-deutscher Firmen entstanden, die alle fünf unmittelbar an der sächsischen Grenze auf österreichischem Gebiet errichtet wurden. Gegen- wärtig wird eine weitere sechste größere Fabrikanlage errichtet und zwar im Auftrage der Firma Ernst Ro- scher in Reichenbach-Görlitz, die landwirtschaftliche und Ziegelei-Maschinen dort zu fabrizieren gedenkt. Leipzig. (Line Demonstration) welche allge meines Aufsehen erregte, fand am Sonnabend mittag in den hiesigen Straßen statt. Die Karl Hagenbeckscbe In- dertruppe, die seit einigen Tagen hier gastiert, war mit ihrem Impresario in Streit geraten und verlangte ihren sofortigen Rücktransport nach der Heimat. Da aber Ha geubeck die Truppe auf zwei Hahrs verpflichtet hatte, so wies er diese Zumutung zurück. Der Grund hierzu war folgender: Lin Mitglied der Truppe war schwer er krankt, und die Inder glaubten aus relegiösen Motiven heraus, daß ihr Stammesgenoffe in Deutschland nicht sterben dürfe. Deshalb zogen sie nun demonstrierend, halb verhungert und verfroren und bestürmten das Poli- feiamt. Dis Polizei wandte sich an den Konsul, dem die Vertretung der Inder obliegt, doch dieser konnte unter den gegebenen Umständen für die Inder nicht eintreten. Borna, (während der Bohrungen), die die sächsische Regierung auf der Niederstrebnitzer Flur bei Groitzsch nach Kohle vornehmen läßt, wurde 85 Meter tief eine (H Grad R. warme Muelle angebohrt. Das Wasser spritzt aus dem drei Zoll Durchmesser besitzenden Bohr-Rohre vier Meter hock über den Erdboden. Gb es Heilkraft besitzt, wird die Untersuchung eroeben. Tagvsgescvlcvte. Deutsches Reich. Berlin, 2. Dezember. (Preß- stimmen zur heutigen Reichskanzlerrede.) In einer kurzen Besprechung der hevtigen Reichstags- rede des Reichskanzler» sagt da» „Berliner Tageblatt":' Die Betonung der Bunde-treue ist im gegenwärtigen Augenblick natürlich und gewiß angebracht, und die etwa» scharfe Kinderlentonart, die Herr von Bethmann Hollweg jetzt anschlug, erscheint weniger scharf, wenn man erwägt, daß der Nachdruck wohl auf dem Wört chen „angegriffen" liegt. Offenbar hat Herr von Bethmann Hollweg die»mal — nach mancherlei heim lichen Verstimmungen — den Wunsch gehabt, vor allem die Wiener zufriedenzustellen. Hoffentlich hat seine Beruhigung»rede, in der jeder Hinweis auf die Beziehungen zu den anderen Mächten fehlte, nicht mehr geschadet al» genützt. — Die „Vosstsche Zeitung" sagt : Im ganzen konnte Herr von Bethmann Hollweg mit der Aufnahme, die seine vorsichtigen Mitteilungen sanden, zufrieden sein. Ueberschwengliche Begeisterung hervorzurufen, kann nach Lage der Sache nicht seine Absicht gewesen sein. — Die übrigen Abendblätter be- schränken sich auf kurze Stimmungsbilder, in denen hervorgehoben wird, daß die Rede de» Reichskanzlers bei der Mehrheit de» Reichstages beifällige Aufnahme fand. — Die „Germania" bemerkt: Als Herr von Bethmann mit dem Ausdruck der Hoffnung schloß, daß eine allseitig befriedigende Lösung der Balkanfrage erwartet werde, zeigte sich im Hause eine gewisse Ueberraschung darüber, daß die Rede schon zu Ende war, und infolgedessen klang der Beifall auch nicht gerade stark. — (Ueber vier Milliarden Mark für die Marine) hat das Deutsche Reich seit dem Jahr« 1900 ausgegeben. Das ist gewiß eine stattliche Summe, aber die Notwendigkeit einer starken Marine hat sich für uns Deutschs im Laufe der letzten Jahre wieder holt herausgestellt, so noch zuletzt während de» gegen- wärtigen BalkankrisgeS. Trotzdem wir zurzeit die zwritstärlste Marine der Welt besitzen und die Ameri- kaner an fertigen und im Bau befindlichen Kampf schiffen überflügelt haben, mußte unsere Marinevrr- waltung infolge Mangel» an AuSlandtkreuzsrn mit der Entsendung des Panzerkreuzers „Goeben" und des kleinen Kreuzers „Breslau" die KrtegSformationen an greisen. Während für die deutsche Marine 7 M pro Kopf der Bevölkerung ausgegeben werden, kostet die britische jedem einzelnen Engländer etwa 20 M jähr lich, dafür ist aber auch die englische Marine mehr al» doppelt so stark wie die deutsche. Im Mannschafts- bestand hat freilich die deutsche Marine einen verhält nismäßigen Vorteil, denn die EiatSstärke der letzteren beträgt gegenwärtig 72 889, worin sie Einjährig- Freiwilligen nicht einbegriffen sind, der Personalbestand der englischen Marin« beträgt dagegen 136 500 Köpfe, ist im Verhältnis also niedriger wie die deutsche. Eine Neuerung im Etat für 1913 ist die Schaffung einer besonderen Luftfahrertruppe, die bereit» 196 Köpfe zählt, aber nach Einbringung des in Aussicht stehen den Luftflottengesetzer stärker werden dürfte. Er ist dem Deutschen Reiche nicht möglich, jedem neuen eng lischen Dreadnought einen eben solchen entgegenzu- stellen, wohl aber einen mindesten- 75 mal so billigen Luftkreuzer. Schwierigkeiten bietet hier nur die Frage von geeigneten Luftschiffhäfen, die erheblich teurer sind, al» die Zeppelin-Luftkreuzer selbst. — (Der bevorstehende Kampf im Bau- ge werbe) scheint im nächsten Frühjahr einen Um fang von birher kaum gekannter Größe annehmen zu wollen. Allein im Holzarbeitergewerbe find in 52 Orten die Verträge bereits gekündigt. Der Holzarbetter- verband, der fast 200 000 Mitglieder zählt und einen „AriegSschatz" von sieben Millionen Mark angrsammelt ha^, hält in diesen Tagen 900 Versammlungen in allen Gegenden Deutschland» ab, um zum bevorstehen, den Lohnkampf Stellung zu nehmen. Schweif. Genf, 2. Dez. (Aegypten unter englischem Protektorat.) Wie der Schweizer Volksbank in Bern aus Kairo gemeldet und von ihr dem hiesigen „Wochenblatt" bekanntgegeben wird, be- trachtet man in amtlichen Kreisen Aegyptens die Ber- kündigung de» englischen Protektorats über Aegypten als eine beschlossene Sachs. Dis Protektoratsverkündi- gung soll am 1. Mai n. I. veröffentlicht werden. Rumänien. Bukarest, 2. Dezember. (Kund- gedungen in Bukarest gegen Griechen- land.) Gestern fand eine große Versammlung statt, zu der auch Abordnungen au» der Provinz erschienen waren, um gegen die Niedermetzelung von Kutso-Wal- lachen durch die siegreichen Griechen zu protestieren. Dir angenommene Resolution sagt: Die Balkanvölker verfolgen nicht mehr das Ziel: die Befreiung ihrer Brüder, sondern Ländereroberung und Unterjochung anderer Nationen. Daher fordert die Versammlung die rumänische Regierung auf, Rumäniens Ehre, Recht und Macht unangetastet zu erhalten und die Ver- nichtung des Balkangleichgewicht» zu verhindern Es folgten große Kundgebungen, Nus aller Welt . Berlin, 2. Dezember. (Di«300000Markprä- mie der Preußischen Klassenlotterie.) Die 300 000 Mark-Prämie der Preußisch-Süddeutschen Klaffenlotterie fiel in der heutigen Vormittagrsitzung auf die Nummer 78 089. Diese- Los wird in seiner ersten Abteilung in Kiel, in seiner zweiten Abteilung in Görlitz gespielt, und zwar in Achteln, an denen wieder verschiedene Personen unterbcteiltgt sind. Kassel, 2. Dezember. (Schnee stürme und Frost.) Ein starker Wettersturz ist in ganz Mittel deutschland plötzlich eingetreten. Während e» gestern noch stark geregnet hat, traten heute nacht Schneesturm und starker Frost ein. Die stehenden Gewässer sind zugefroren. An den Wegen ist der Schnee liegen ge- blieben und hat bereits Fußhöhe erreicht. Zürich, 2. Dezember. In den letzten 24 Stunden haben südwärts des Gotthard heftige ausgedehnte Schneefälle stattgesunden. Namentlich sind auch das oberitalienische Seengebiet und weiter nordwärts die tessinischen Täler berührt worden. In Lugano und Umgebung liegt der Schnee 20 Zentimeter hoch. Stel- lenweise ist beträchtlicher Schaden entstanden. Glasgow, 2. Dezember. lG roßfeuer inGlaS- gow) In der vergangenen Nacht brach hier in den Fruchtdepot- ein Feuer au», da» sich mit rasender Schnelligkeit auSbreitete. Im Nu stand de- gesamte Gebäude in Flammen. Das Feuer war st stark, daß sich die Löschmannschaft darauf beschränken mußte, die umliegenden Baulichkeiten vor dem Uebergreifen des Brande» zu schützen. DerSchaden ist außerordentlich hoch. Neueste direkte Meldungen von Hirsch'S Telegraphen-Bureau. Berlin, 3 Dezember. (Der rumänischeKron- prinz in Berlin) Auf dem Rückwege von Brüssel, wo er am Leichenbegängnis seiner Tante, der Gräfin von Flandern, teilnahm traf Kronprinz Ferdinand von Rumänien heute vormittag in Berlin ein. Der Prinz reiste incognito, sodaß ein Empfang auf dem Bahnhof nicht vorgesehen war. Bald nach seiner Ankunft begab sich der Prinz nach Potsdam zum Kaiser, wo er an der Tafel bei Hofe teilnahm. Sein Aufenthalt in Berlin soll zwei bi» drei Tage dauern, wa» darauf hinweist, daß der Kronprinz Gewicht darauf legt, sich mit den hiesigen leitenden Staatsmännern über gewisse Punkte der aktuellen Politik au»zusprechen. London, 3. Dezember. (Kommentare zur gestrigen Kanzler rede) Die gestrigen Erklä rungen des deutschen Reichskanzler» im Reichstage, die sämtliche hiesigen Abendblätter im Auszugs wieder geben, werden in hiesigen politischen Kreisen sympa- thtsch beurteilt. Man erkennt allgemein ihren opti mistischen Ton an und schreibt ihnen große Bedeu- tung für die Klärung der Situation zu. Paris, 3. Dezember. Ein mit den Anschauungen der Regierung wohlverirauter Parlamentarier erklärte einem Journalisten: Seit dem Bestehen der beiden gro- ßen europäischen Staatengruppen, des Dreibundes und der dreifachen Vereinigung, hat kein leitender Staats- mann die BündniStreue und die aus ihr sich ergebende Notwendigkeit so volkstümlich warm und dabet mit so staatsmännischer Besonnenheit Ausdruck gegeben, wie gestern der deutsche Reichskanzler. Wien, 3. Dezember. Von maßgebeybrrSeite wird erklärt, daß die Rede des deutschen Reichskanzlers in