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pulsmtzerMcbenblatt Donnerstag, 12. September 1912. Beilage zu Nr. 108. 64. Jahrgang. Matznabmen der säcksiscden I^sglsrung gegen dis Sleifcktsuerung. Eine Flut von Petitionen und Eingaben von Pri vaten, Korporationen und Stadtverwaltungen hat sich in den letzten Tagen über die sächsische Regierung in Sachen der Fleischteuerung ergossen, sodaß da» Mi nisterium de» Innern sich veranlaßt sah, der da- Volk so tief bewegenden Angelegenheit sofort näher zu tre ten und abermals Beratungen über Linderung der augenblicklichen Not anzustellen. Im Ministerium des Innern haben in den letzten Tagen eingehende Be sprechungen in Gegenwart von Vertretern der Stadt, der Landerkulturrater und der Vieh- und Schlachthof. direttion stattgefunden darüber, welche Maßnahmen zur Steuerung der gegenwärtigen Not zu ergreifen sind. Zu einem endgiltigen Resultate ist man bei die sen eigentlichen Vorbesprechungen noch nicht gekommen, doch ist man im allgemeinen der Ansicht, daß die ge genwärtige Teuerung keinerwegr aus eine mangelnde Viehzufuhr zurückzuführen ist. Der Landeskulturrat hat seinen Standpunkt in folgendem dargelegt: Der Vorwurf, daß ungenügende Viehprodukiion die Ursache der hohen Fleischpreise sei, wird deutlich widerlegt durch Zahlen der Zufuhr z. B für Leipzig auf die Monate Januar bis August in den Jahren: 1910 1911 1912 Rinder 26152 25 174 26 476 Kälber 53 203 49 834 50174 Schafe 40 240 36 892 40165 Schweine 147 022 170 257 183 595 Von einer mangelnden Viehzufuhr könne bet solchen Ziffern keine Rede sein, und man könne nicht behaup ten, daß die Preise steigen, weil es an Schlachtvieh mangelt. Die Schlachtungen weisen ein ähnliches Ver- hältni» auf. 1912 sind rund 33 300 Schweine mehr geschlachtet und verbraucht worden, als tm Jahre 1910. Das ist in dem kurzen Zeiträume von zwei Jahren eine Zunahme von über 24 Prozent. Um so unbe- greislicher sei dieSteigerungderFleisch- Inlandes gelinge, wie selbst au» den Marktberichten der „Allgem. Fleischerztg." heroorgehe. ES gelte jetzt ein Zusammenarbeiten von Stadt und Land herbeizuführen, wie eS als ein Ge- bot der Not erscheine, um die Volksernährung in ge sunden Bahnen zu erhalten und nicht angeblich reiche Ernten in Gegensatz zu den Preisen der Erzeugnisse zu stellen. Es müsse doch eingesehen werden, daß die heimische Landwirtschaft trotzdem, daß seit mehreren Jahren die Futter- und teilweise auch die Kartoffel ernten unbefriedigevd ausgefallen seien, und trotz der stark verbreiteten Seuchen und des SchetdenkatarrhS imstande war, den Vtehstavd so durchzubringen, daß in der Fleischversorgung der Bevölkerung ein Rückgang nicht eingetreten sei. OsrtNckes unv Sücbflsckes. — (Manöverzeit.) Die Tage der großen Herbst- manöver sind wieder gekommen. Eine emsige Geschäf- tigkeit hat sich in Gegenden unseres Vaterlandes kon- zentriert, die sonst für gewöhnlich still und verlassen daliegen. Unsere Wehrmacht will ihre kriegSfriedliche Herrlichkeit entfalten und zeigen, wa» sie im Felddienst und in den Waffenübungen gelernt hat. Ein bunte» Bild wird sich vor den Augen des Landvolkes entrol len. Kavallerie, Artillerie, Infanterie und hier und da auch da» Fliegerkorp» werden Proben ihrer Tüch tigkeit und Kriegsbereitschaft unter bewährter Leitung oblegen, so daß sich vor neuem im Volke das Bewußt- sein eingraben wird, daß wir stolz auf alle Waffen gattungen unseres Heeres sein können. Und da- ist der ideelle Grundzug aller Manöver. Daher ist e» selbstverständlich, daß zur Manöverzeit nicht nur unse- ren Soldaten das Herz höher schlägt, die ja meist vom Lande her in die Garnisonen verpflanzt worden sind, sondern daß auch unsere Landbevölkerung Helle Freude Über diesen kriegerischen Besuch empfindet. Im Leben des Soldaten aber bedeutet das Manöver eine Wende- zeit. Die Rekruten rücken zum älteren Jahrgang vor, während den älteren Mannschaften die Reservistenmütze preise. Gerade bei den Schweinen, die eine so leb- haste Zufuhr zeigen. DaS sei um so bedauerlicher,, weil da- Schwein immer mehr da- Nahrungsmittel des Volke» geworden sei. ES gehe da- daraus her vor, daß vor 20 Jahren, also im Jahre 1892, die Zahl der geschlachteten Schweine (in 12 Monaten 92 000, jetzt in 8 Monaten 171 000) nur 43,°/» aller über haupt geschlachteter Tiere betrug, während sie jetzt auf 60,, «/, gewachsen sei. Man ersehe daraus, welche Rolle dar Schweinefleisch bei der Volkrernährung spiele, und werde derhalb um so mehr da» Steigen der Preise, dem auch die Detailpreise unmittelbar nachge- folgt seien, bedauern müssen. — Die Landwirtschaft habe ihre Schuldigkeit getan, die Fleischversorgung de» ^vinkt. So gestaltet sich da» Manöver gewissermaßen zum Examen, da» mit Abgang und Versetzung ver bunden ist. Krieg»technisch versteht man unter Ma- növer eine Uebung gemischter Waffen im Gelände mit einem vorhandenen oder markierten Feinde. Die Ma növer geben besonder» den führenden Offizieren Gele- genheit, eine kriegsmäßige Verwendung größerer Trup- penmassen zu erlernen. Denn bei diesem Krtegrspiel im Frieden offenbaren sich am besten ihre strategischen Fähigkeiten. Auch der praktischen Ausbildung der Truppen im Felddienst und Gesecht»dtenst find die Manöver natürlich dienlich, denn auch für sie gesellt sich dabei zur Theorie der JnstruktionSstunde dte Pra- xt». Somit stehen die Manöver al» militärische Frie- Aer Kurs ins Mtaue. Eine Sommer- und Segelgeschichte 21 v. Hedda von Schmid. Ich habe da» Versprechen gehalten; al» die Versuchung, e» zu breche», in Gestalt « ne» Bewerber« um meine Hand de« ich nicht abgeneigt war in meinem Herze», an mich hc- rantrat, da entsagt« ich dieser Liebe, au» Furcht, meinem Sohn« etwa» zu entziehen. Und für meinen Sohn bitte ich dich jetzt — «M seine» Kinde» willen, sei nicht halsstarrig, Sufi, komm mit mir. Deine Eltern find vollkommen mit mir einverstanden. Da biß Sufi ihr« Zähn« zusammen in «inem letzten schwer«« Kampf und sagt« dann le se: »Gut, ich werde kommen.' Allein, wa» bedeutete dieser Entschluß, de» sie sich soeben abgerungen gegen di« Kämpfe, dir ihrer in Berlin harrten. Sie fürchtete Han» Kurl» Nähe, ihre eigene Schwäche und sie fühlte sich tief gedemütigt, nur um de» K nde» willen, de» zukünftigen E,be« der Henningsche« Firma, hatte ihre Schwiegermutter diese Bittsahrt zu ihr unternommen. Gut — sie würde auch da», wa» ihr in der nächsten Zeit bevor« stand, noch durchwachen, hier bei ihren Eltern fühlte sie sich ja keiueSweg» glücklich — wen» e» sein mußte, würde sie da» K »d seinem^Katrr «ad seiner Großmutter überlassen und dann fortgehen. E» war rin Verhängni», da» sie wieder in Han» Kurt» Näh« trieb — Sie mußte diese Zeit hinnehme» al» eine Alt Buß«, di« sie sü« ihre eigen« Schuld ihrem Manne gegen« über nun trage« sollte. Aber konnte st« «twa dafür, daß ihr« Natur der seinen so garrricht entsprach? Ein b ßchen mehr Verständni» hätte fi« aber trotz alledem für ihn haben solle«. Ec war rin Falt«, und wrnn die eigen« Frau ihn mehr gefesselt hätte, so hätte r« ihn auch nicht i« die Näh« andrrer Frauen ge« zogen . . . Nachdem Frau von Henning und Sufi in Berlin »Inge» treffen waren, beorderte erstere ihren Sohn zu sich. Han» Kurt war jetzt bedeutend häuslicher er kümmerte sich auch tritt mehr um sein Geschäft al» früher. Nach dem ersten Rausch, in de» Jag« M.llirn ihn orr» setzt hatte, war, wen» auch noch keine Ernüchterung seiner« seit», doch rin weit ruhig««» Empfinden bei ihm eingeirrten. Ihre Klugheit hatte Frau von Henning davor bewahrt, ihrem Soh« irgendwelche Schranken bei seinem Verkehr mit Fra« J,ge zu errichten. Im Gegenteil — sie prie» bei jeder Gelegenheit die Lirb«n»würdigkeit und de» Verstand der Frau, di« e» ihrem Sohne angeta» hatte. „Sufi ist bei mir und bleibt bei mir, bi» euer Kind geboren ist/ verkündete sie jetzt Han» Kurt ohne j'glichr Ein leitung. Er fand kein Wort der Erwiderung, so sehr packte ihn diese unerwartete Mitteilung. Er wechselte jäh die Färb«. E» zuckte in seinen Züge«. In dem erst«» Jahr ihrer Eh- hatte» Sufi «nd er wohl den Wunsch empfunden, Kinder zu besitze«, späterhin hatte er garnicht mehr an diese Möglichkeit gedacht. »Ja mein Soh»/ sagte Frau von Henniug, „so ist e», und da Sufi nun bei mir ist and «ich!» wemger al» Lust dazu hat, dich hier zu triff««, so muß ich dich bitten, deine Besuche bei mir so einzurichte», daß du dich stet» vorher an melden kannst." Frau vo» Henning sprach sehr gelassen, so, al» wäre alle» so sehr selbstverständlich, daß man von recht» wegen überhaupt keine Silbe hätte verlieren sollen. Han» Kart verließ feine Mutter al» jemand, der sich in ein« ihm plötzlich erschlossenen 4»e«e» Welt zurechtfinde« soll. E« war alle« so schön im Ga«ae gewesen — nun würden sich endlose Hindernisse und Wirrnisse aufiürme». Diese» noch ungrboren« Kind wmf durch bloß» Ankündigung seine» Kommen» alle Pläne seiner Elter« über de» Haufe«. Dan« kam bi» Han» Kurt eine freudige Bewegung — etwa» ganz N?ue», eine Skala vo« Empfindung»«, über di« »r selber erstaunt war. E» war di« Vorahnung jungen Ba« lerstolze», mit dem er aber erst bekannter werde« mußte. Dann malte er sich» au», wie der Bub« wohl au»s«hen würde. Natürlich würde e» »in Bub» sei«. Ob »r rin« Aehnlichkrit vo» ihm oder vo» Sufi hab»» würd« . ? O — rin Pracht kerl sollte er werden. Im Sport würde er seinen Jungen selb« unterweisen, Reiten sollte der Junge — segeln — densübungen dem Kriege in der Praxis am nächsten und verdienen volle Anerkennung. Manöverzeit ... ein buntes Leben Entwickelt sich nun überall, Wo Militärkolonnen schweben, Wo dröhnt der Rossetritte Hall, Gewehre knattern, Salven krachen, Der „Krieg im Frieden" ist erwacht! Dresden, 10. September. (WilhelmineHeim- bürg tot.) In ihrer Villa Kötzschenbroda bei DreS- den ist die bekannte Romandichterin Wilhelmine Heim bürg nach längeren Leiden sanft au» dem Leben ge schieden. Vor einigen Tagen erst, am 7. d. M. beging die gefeierte Schriftstellerin ihren 64. Geburtstag. — (EiaeabermaligeAu-losungKönig- lichSächsischerStaatSpapiere)hatam9.d. M. stattgefunden, von welcher die 3 «/« Staat-schulden- Kassenscheine vom Jahre 1855 betroffen worden sind. Die Inhaber der genannten Staat-papiere werden hierauf noch besonder» mit dem Htnzufügen aufmerk sam gemacht, daß die Listen der gezogenen Nummern in der Leipziger Zeitung, dem Dresdner Journal und dem Dresdner Anzeiger veröffentlicht, auch bei sämt lichen BeztrkSsteuereinnahmen, sowie bei allen Stadt räten, Bürgermeistern und Gemeindevorständen des Lander zu jedermanns Einsicht aurgelegt werden. — (Hat der Reservist für die Dauer der Uebung Steuern zu zahlen?) Diese Frage wird jetzt häufig aufgeworfen und erörtert. Ohne Einschränkung ist sie zu bejahen für die Festbe- soldeten, die während der Uebung ihr Gehalt weiter beziehen; diese haben auch keinen Anspruch auf Fa milienunterstützung. Aber auch davon abgesehen, ist die Frage im allgemeinen zu bejahen. Nur dann, wenn durch die Uebung für den Reservisten Erwerb-- loftgkeit eintritt, und die Erhebung der Steuern für die Uebung-zeit eine besondere Härte darstellen würde, kann die Steuerbehörde von Amt- wegen oder aus Antrag einen entsprechenden Steuererlaß beschließen. Diese Befugnis stützt sich auf eine Generaloerordnung vom Jahre 1888. Da die Famtlienunterstützung durch Reich-gesetz erst später eingeführt ist, so wird die Steuerbehörde von der BefügniS nur selten Gebrauch machen. Sie kann in den meisten Fällen, in denen während der Uebung Erwerb-losigkeit eintritt, aber Familienunterstützung gezahlt wird, Steuererlaß selbst auf gestellten Antrag hin nur dann bewilligen, wenn in der Vesagung im einzelnen Falle „eine besondere Härte" zu erblicken wäre. — (Eine unzweideutige Antwort) hat der Rat der Stadt Zittau der dortigen „Freien Tur- nerschast" erteilt, die um Uekerlaffung einer städtischen Turnhalle zu UebungSzwecken ersucht hatte. Der Rat lehnte da- Gesuch ab und begründete die», wa» auch Ja — u«d Sufi dürft» nicht gleich ängstlich E «sprach« er« hebe«, w«nn er den Kleine» schon zritig auf» Wsffrr mit« «ahm — Sufi? Wie k^m «r n» auf Sufi jetzt- immer wieder auf Sufi — Er hatte fie doch schon ganz au« seinem Llben auSgeschaltet. Aber konnte er die Mutter semi» Soh ne» überhaupt je auischalten? Herrgott — er hatte «» ja gleich giwußt, daß unendlich viel Verwickelungen sich au» der veränderten Sachlage ergeben würden. Ohne e» selber zu wolle», war er direkt nach kauf« gegangen — und hatte doch zu Inge g-wollt, um fie in ein« Kunstausstellung, di« heut« in d«r Poi»dam«rstraß« «»öffnet worden war, zu br- gleiten. Welch ein; unverzeihliche V rg-ßlichkeit von ihm! Ja — und nun war e» zu spä*, wird,» guzumachr»; ein, voll« Stunde hat« er verloren — durch den ganzen T er« garten war er gebummelt, in Gedanke» an da» Kind, da» Sufi ihm schenke« würde. Ec eilt« tir Treppm zu seiner Wohnung hinauf. E» war »in mittelgroße« Gebäude in vor- nrhmem Stil errichtet. Unten befanden sich di» Geschäft»« räum«, oben war di« Privatwohnung de« Chs». Diese» alt» Hau» braucht« nun ncht «inmal in fremd« Hand« über« zugehen. Droben eilte Han» Kuri sofort a«» Telephon. Frau Jage noch zu Hause? Ja — fie hatte auf ihn gewartet, aber nun konnte fi« nicht mehr in di« Ausstellung heute — fie hatte inzwischen Besuch erhalten : d'« Geschw ster Iversen au» Schwede«. Und fie habe eben versprechen müs« s««, mit ihnen heut« zur Oprr zu fahren. Ob Han» Kurt morgen vormittag» auf «in Stüntche« vorsprechen wolle. Han» Kurt bat nochmal» um V«ze hung für sein« Vrr- iäumni» und empfand unbewußt «in« Erleichtern»?, daß er heut« Fra« Inge nicht unter die Auge» zu treten braucht«. Dan» fi«l «» ihm «in, daß ,» doch außerordentlich befremd« lich wirten müsse, daß Sufi nicht »ach Haus«, sonder» zu seiner Mutter gekommen war. Am liebsten hätte er sich sofort mit letzterer darüber au»grsp-ochen — «r vertraut« ja ihrer Umficht und Leben»- w«i»heit, aber hier harte sie denn doch etwa» eigenmächtig ge handelt. Er griff nach seinem Hut, um sich zu seiner Mutter zu begebt», dann aber entsann er sich, daß er ja nun dort nicht