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Nr. 63. Pulsnitzer Wochenblatt. — Donnerstag, den 30. Mai 1912. Seite 2. ein weiterer in einem noch zu bestimmendem Ort soll folgen. Endlich berichtete Herr p. Jentsch.Kamenz über die von dem Verein betriebene Kolportage. — Wenn man bedenkt, daß der Bezirksverein erst seit 8 Jahrc-n besteht und nicht mehr als 66 persönliche und SO kör- perschaftliche Mitglieder zählt, so hat er durch Tat und Ermunterung der Arbeit der Innern Mission in unserem Bezirk recht ersprießliche Dienste geleistet. Es ist ihm zu wünschen, daß er durch Beitritt und Unter- stützung weiterer Kreise noch mehr Helfer und Mittel erhalte, um seine Arbeit auSdehnen und in volkstüm licher Weise oen Nöten unserer Zeit tatkräftig entgegen- trsten zu können. — (Maul- und Klauenseuche.) Dir Kgl. AmtShauptmannschaft Kamenz, sowie der Stadtrat zu Kamenz geben amtlich bekannt, daß in Rauschwitz beim Viehhändler Kurt Mager, sowie in Kamenz, Kloster- straße-Nr. 8 die Maul- und Klauenseuche au-gebrochen ist. Zum Beobachtungsgebiet gehören die Ortschaften Rehnsdorf, Kindisch, Gödlau, Elstra, Talpsnberg und Dobrig. — (Unterstützt die Vereine der Deut- fchen Turnerschaft!) In Turnerkreisen wird häufig und mit Recht darüber geklagt, daß trotz aller Anregungen seitens der staatlichen Behörden manche Kreise den Bestrebungen der Turnvereine sehr tetlnahmS- los gegenüberstehen und ihnen noch nicht die Beachtung und Unterstützung gewähren, die sie verdienen. Gerade in der jetzigen Zeit, wo die Jugendpflege, von oben her angeregt, modern geworden ist, sollte man sich darauf besinnen, was betr. der Jugendpflege die Turn vereine seither geleistet haben. Abgesehen davon, daß die Turnvereine der Deutschen Turnerschaft auf natio nalem Boden stehen und trotzdem sich von speziellen politischen Parteibestrebungen vollständig freihalten, ha ben sie schon seit 100 Jahren die körperliche und sitt liche Erziehung und Ertüchtigung der Jugend als ihre Hauptaufgabe betrachtet. Eine Fülle von uneigennü- tziger Arbeit und seltener Treue wird in den Turnver einen geleistet, eine stille Arbeit, die aber für den ein zelnen, für dar Volk und daS Vaterland von praktt- schem Nutzen ist. ES gibt keine Gemeinschaft in un- ferm Baterlande, die größere vaterländische Arbeit lei- stet und in dieser Beziehung mehr Erfolge aufzuwei- se- hat, als die Vereine der Deutschen Turnerschaft. Möchten daher die Turnvereine bei allen ernst denken- den, vaterlandsliebenden Deutschen mehr Beachtung und mehr Unterstützung durch die Tat finden in ihrem Bestreben, ein an Leib und Seele wehrhaftes Volk, eine froh und frisch ausblühende Jugend zu schaffen, und diese vor all den drohenden Gefahren leiblicher und sittlicher Art zu schützen. Besonders sollten die Eltern und Lehrherrn nicht verfehlen, ihre Schützlinge den Turnvereinen zuzusühren. Großröhrsdorf. (Goldene Hochzeit.) Im en- gen Familienkreise feierte am Sonnabend Herr Tisch lermeister Theodor Schaffrath mit seiner Ehefrau das seltene Fest der goldenen Hochzeit. Zahlreiche Freunde und Bekannte erwiesen dem würdigen Paare, dat sich noch guter Gesundheit und besonderer geistiger Frische erfreut, durch Darbringung von Glückwünschen und Geschenken ihre Liebe und Aufmerksamkeit und gestal- Men den Ehrentag zu einem rechten Freudentage. Großröhrsdorf. (Gestohlen.) Ein hiesiger La- deninhaber war am 2. Feiertage kurz vor Ladenschluß mit seiner FriertagStotlette beschäftigt, als er auf einige Minuten durch einen Kunden in den Laden gerufen wurde. Er hing seinen guten Rock nochmal» an den Nagel, um seinen Kunden bedienen zu können. Als er bald darauf seine Wohnstube betrat, traute er sei- nen Augen nicht, al» der Rock verschwunden war und blieb. Er hielt im Hause Umfrage und erfuhr, daß soeben ein Handwerksbursche da» Hau» verlaffen und wahrscheinlich die Richtung nach Pulsnitz zu eingeschla- gen habe. Schnell entschlossen setzte sich der Meister aus» Rad und fuhr dem angeblichen Spitzbuben nach. Die Reise ging über Pulsnitz, Ohorn und Bretnig nach Hauswalde zu. Zunächst vergeblich, keine Spur war von ihm zu sehen. Da, anfangs Hauswalde, er wischte er den Urian, der den Rock fein säuberlich ein geschlagen in einem Pakete bei sich führte. Wohl oder übel mußte er unter Begleitung die Rückreise antreten und wurde hier der Schutzmannschaft übergeben, die sich seiner liebreich annahm. Bautzen. (Luftflotten.Sammlung.) In der Stadt und AmtShauptmannschaft Bautzen find bis jetzt 7887,60 M für die Luftflotte gesammelt worden; davon in Bautzen selbst 5665,S2 M. Bantzen. (Der Dichter de» Allerlei aus derAeberlausitz gestorben.) Am 1. Pfingst- feiertage ist im Alter von 78 Jahren in Dresden der unter dem Schriftstellernamen „Johanne» Renatu»" bekannte Oberlausitzer Dialektdichter, der Professor a. D. Johanne- Andrea» Freiherr v. Wagner gestorben. Be sonder» bekannt von feinen Schriften sind „Allerlee aus der Aeberlausitz", „Die letzten Mönche von Oybin". Dresden, 29. Mai. (Schwerer Automobil- Unfall.) Ein schwerer Nutomobilunsall hat sich in der Umgegend von Dresden, bei Nossendorf ereignet. Der Hutfabrikgnt Köckritz snhr mit seiner Frau, seinem Sohne und dem Chauffeur in einem Auto) dar von dem Sohne gelenkt wurde. Al» dieser vor einem Hunde auSweichen wollte, fuhr er gegen einen Baum. Dar Auto überschlug sich. Die vier Insassen wurden herauSgeschleudert und schwer verletzt. — 8llK. (Rückgang des BieroerbrauchS in Dresden.) Das soeben erschienene Statistische Jahrbuch der Stadt Dresden für 1910 läßt erkennen, daß der Bterverbrauch auf den Kopf der Bevölkerung berechnet von 234 I im Jahre 1891 auf 205 I im Jahre 1901 und weiter auf 105 I im Jahre 1910 gesunken ist. Die Dresdner tranken mithin 1910 durchschnittlich viel weniger als die Hälfte de» 1891 verbrauchten Bieres. Besonders auffällig ist der Um- stand, daß der Verbrauch von einfachem Bier (1891 107 I, 1910 nur noch 28 I) weit stärker zurückging als der von Doppel- und Lagerbier (1891 127 I, 1910 77 I auf den Kopf). Die Zahl der Schankbetriebe, die zum Verschank geistiger Getränke befugt waren, ist zwar an sich gewachsen, doch kamen auf je 10 000 Einwohner im Jahre 1903 32, im Jahre 1910 nur noch 31 Sebnitz (Der Gau Sachsen im Verband der Rabattsparvereine Deutschlands) hält vom 1. bis 4. Juni in Sebnitz seinen 7. Gautag ab. Auf der Tagesordnung steht u. a. ein Referat de» Herrn Landtagsabgeordneten Oberjustizrat Dr. Spieß-Pirna über den Gemeindesteuergesetzentwurf. Schandau. (Versorgung mit elektrischer Energie.) Die Grenzgemeinden HerrnSkretschen, JohnZdorf, Rosendorf, Arnsdorf, Elbleiten, BinSdors und Losdorf haben mit der „Elektra", A.-G. in Dres den, wegen Versorgung mit elektr scher Energie au» dem Schandauer Werke Verträge abgeschloffen. Mit dem Bau wird in kurzer Zeit begonnen werden. Chemnitz. (DieBevölkerungvonChemnttz) hat im April wieder beträchtlich zugenommen und die am 22. März erreichte 300 000 wesentlich überschritten. Die Bevölkerungszunahme hauptsächlich hervorgerufen durch Zuwanderung, i etrug während des April nicht weniger als 3482 Personen, sodaß sich die Einwohner, zahl am 30. April aus 303 500 belief. Gin Mngstausffug im IreiöaLon. Km Pfingstsonnabend fuhren wir von Leipzig zu dritt hinüber nach Bitterfeld, um mit dem Ballon Delitzsch aufzusteigen, Einen vierten Mitfahrer hatten wir nicht gefunden, auch nicht eifrig nach ihm gesucht, weil wir eine längere Fahrt vorhatten, also viel Bal last mitnehmen wollten, vom Eisenbahnwagen aus sahen wir den Ballon Hildebrand fliegen, der sein Wafferstoffgas auch von Gries heim-Elektron in Bitterfeld bezogen hatte, Als wir in den elek trischen Zug nach der Grube Antonie stiegen, flog über uns hin weg der Ballon Bitterfeld I. Auf dem Füllplatze wiegte sich leise an den Sandsäcken der Berliner Ballon Hewald, während der Ballon Delitzsch für uns gerade ausgelegt wurde. Man erzählte uns, daß in der parsevalhalle noch ein Ballon stand, der mit dem Gas des einen parsevalluftschiffes gefüllt war; auch dieser Ballon sollte noch am Pfingstsonnabend aufsteigen. während wir auf das Füllen unsres Ballons warteten und dem Abwiegen des Hewald zuschauten, raffelten die Lastkraftwagen heran, die das gestrandete Luftschiff „p. L. 6" brachten, wir hatten ursprünglich beabsichtigt, mit „P.L.s" von Leipzig nach Bitterfeld zu fahren. Diese Luftreise vereitelte uns aber der Sturm. Um ll,25 Uhr stiegen wir endlich auf und flogen nach Süd- südosten davon. Um Mitternacht kreuzten wir die Bahnlinie Leipzig- Eilenburg etwas westlich von Taucha. Die Dunkelheit ließ uns das sturmzerstörte Sehlis nickt erkennen. In einzelnen Dörfern läutete man da» Pfingstfest ein. Etwa 25 Minuten später kamen wir über Grimma und kreuzten bald den Zschopaufluß; das Lich- tergefunkel von Lhemuitz war zu unserer Rechten zu sehen. In dunkler Nacht fuhren wir weiter, plötzlich tauchte ein schwarzes Ungetüm vor uns auf. Noch hatten wir nicht Zeit gefunden, es als fichtenbedeckte Bergkuppe zu erkennen, als wir schon gegen die Baumwipfel sausten und mit unserem Korbe schwankten wie in einer Luftschaukel. Line Ballastabgabe brachte uns empor und zeigte uns den klaren Sternenhimmel. Aus Vorsicht hielten wir uns nun in Höhe von zsoo Metern, um keine weitere nahe Be kanntschaft mit den Baumbeständen des Dbererzgebirges zu machen. Gegen halb drei Uhr morgens schwebten wir über dem Lgertale. Durch den Riß der Wolken blickten wir auf die Landschaft. Das Aneroidbarometer zeigte sioo Meter an. Da plötzlich kommt der Ballon in ein uns gänzlich unverständliches Schlingern, das uns fast seekrank machte. Die Ursache erkannten wir bald. Hinterm Ramm des Erzgebirges wehte ein anderer wind, während wir bisher nach SüSsüdosten geflogen und von Bitterfeld in die Gegend von Brüx gelangt waren, faßte uns nun eine nordöstliche Wind strömung und führte uns nach Südwesten, wir konnten durch die Wolkenrisse unseren neuen weg verfolgen und seine Richtung durch den Ronipaß feststellen. Ueberm Lrzgebirgskumm graute der Mor gen; die Wolken färbten sich gelb und rot. Die Vogelwelt erwachte; bis hinauf in unsere luftige Höhe drang der Schlag der böhmischen Nachtigallen. Allerorten rief der Ruckuck. Die Wolken hüllten uns jetzt wieder dicht ein, sodaß wir weder Himmel noch Erde sahen. Die Hunde schlugen aber in den Dörfern an, wenn wir darüberhin flogen, auch wenn sie den Ballon nicht sahen. Als es von den Türmen der Dorfkirche z Uhr schlug, wurde zur Mette geläutet. Nach unserer Berechnung waren wir gegen S Uhr über dem Böhmisch-Bayrischen Wald. Durch einen Wolken riß sahen wir einen ansehnlichen Fluß, wahrscheinlich den Regen in einem breiten Tal dahin fließen, wir hielten uns in mäßiger Höhe und stiegen nicht über zz5v Meter. Um s Uhr -zo Min. tauchten wir aus den Wolken heraus, nachdem wir Ventil gezogen hatten, vor uns lag die Donau. Links war Deggendorf mit feinem Bergschloß, rechts Bogen zu sehen. Hinter uns lag um rahmt von Wolken in einem prächtigen Bilde, wie sie Ludwig Thoma malt, der Bayrische Wald, wir kreuzten die Bahnlinie Regensburg—Passau, konnten aber an dem Bahnhofsgebäude unten auch mit dem Fernglase den Stationsnahmen nicht deutlich erken nen. Dann stiegen wir unter der Einwirkung der zunehmenden Wärme langsam wieder empor in die Wolken hinein. Die Wol kenschicht begann bei etwa zooo Meter Höhe, und bei 2gvo Meter hatten wir sie noch nicht durchbrochen. Da ol en schneite es kleine feine Eisnadeln. Das Wolkenmeer war lichterfüllt. Zwar traf uns kein Sonnenstrahl unmittelbar. Das in den Wolken zerstreute Licht blendete aber von allen Seiten. Unsere Gesichtshaut, insbe sondere unsere Wangen brannten. Durch einige Ventilzüge senkten wir den Ballon allmählich. Bald kamen wir unter die Wolken. Da sahen wir die Leute mit Regenschirmen ans der Rirche kommen. Die Flüsse vor uns waren hochgeschwollen und die Wiesen in ihren Niederungen überschwemmt. Auf unsere Frage sagten die Rirch- gänger, der große Fluß sei der Inn und die nächste Stadt sei Mühldorf. Wir ließen das Schleppseil herunter, überflogen noch den Isenfluß mit seinen nassen wiesen und suchten uns gegen zo morgens einen Stoxpelkleeacker zur Landung aus, die infolge des Bodenwindes eine sehr glatte war. Die Bauern von Erharting strömten trotz des rieselnden Regens herbei; auch die Weiblichkeit mit ihren langen Ropfschleifen schaute uns einige Zeit beim Ein packen zu. Flurschaden hatten wir nicht angerichtet. Der Stoppel klee war im letzten Herbste infolge der beispiellosen Trockenheit nicht gewachsen. Der nächfiwohnende Bauer spannte seine Vchsen ein uüd mit dem „Dromobil" fuhren wir nach Mühldorf zur Bahn. vr. R. M. Nus attsr Welt. Berlin, 29. Mai. (D o p p e l s e l b st m o r d auf dem Wannsee.) Ein Schiffer, der heute in den frühen Morgenstunden den Wannsee mit seiner Zille passierte, bemerkte ein treibende» Boot, daß anscheinend ohne Insassen war. Beim Näherkommen entdeckte er auf dem Boden de» Boote» die Leichen eine» jungen Mannes und eine» jungen Mädchens, die mit Stricken umschlungen waren. ES handelt sich um den 23jäh- rigen Maler Arthur Köcher au» Wilmersdorf und seins Geliebte, da» Dienstmädchen Olga Wedel. Die beiden hatten Gift genommen. Karlsruhe, 29. Mai. (Tragischer Tod.) Auf sonderbare Weise kamen hier zwei Kinder um» Leben Die beiden Kinder de» Tagelöhners Wernstein krochen in Abwesenheit der Eltern beim. Spielen in einen Kof fer. Dieser klappte plötzlich zu und die Leiden Kinder erstickten, ehe Hilfe gebracht werden konnte. Kassel, 29. Mai. (Eigenartiger Tod) Auf einem Kohlsnlagerplatz wurde ein Arbeiter, der sich zur Mittagsstunde nisdergelegt hatte, von seinen Ar beitskollegen mit Sägespähne verschüttet. Al» der Ar beiter entdeckt wurde war er bereit» tot. Pforzheim, 29. Mai. (Eine ganze Famrlie vergiftet, Der Kettenmacher Don vergiftete ver mutlich infolge eine» unheilbaren Leiden» seine Frau, sein vierjähriges Kmd und dann sich selbst Die Frau und da» Kind sind bereits gestorben. Don ringt mit dem Tode. Halle, 29. Mai. (Amtsniederlegungen) In Sangerhausen legten heute nach heftigen Aus- einandersetzungen mit dem ersten Bürgermeister Knob- loch, dem vorgeworfen wurde, er habe sich beim Krieg»- mtnister nicht genügend bemüht, daß Sangerhausen Garnison bekomme, sämtliche unbesoldete Stadträte ihre Magistratsämter nieder. Halle, 29. Mai (Zigeunrroerfolgung in Thüringen.) Nach einer amtlichen Meldung Hal- ten sich die Mörder de» bei Fulda erschofsenenen För ster» Romann», die drei Brüder Wilhelm, Georg und Hermann Ebdner gegenwärtig in Thüringen auf. Sie wurden unlä gst zweimal bet Gehlberg und Angel roda im Verkehr mit anderen Ztgeuern getroffen und flüchteten dann beim Anblick der Gendarmen unter Zurücklassung ihrer Rucksäcke, die auch Schußwaffen enthielten. Die Behörden empfehlen, gegebenenfalls große Polizeiabteilungen bereit zu halten, um im rech ten Augenblick in Tätigkeit zu treten. Budapest, 28. Mat. (Hochwasser.) Nach weite- ren hier eingetroffen m Meldungen nimmt die Hoch- waffergefahr in Ungarn immer weiter an Auldehnung zu. ^Der Schaden Ist bereit» ganz enorm. In der Ortschaft Varadja haben die Fluten 150 Wohnhäuser zerstört. In der Ortschaft Guttaja ist eine alte Frau und ein junges Mädchen von den Wassermaffen fort- gertffen worden. Beide sind ertrunken. In mehreren Ortschaften in der Nähe von TemeSoar sind Häuser und Brücken durch das Hochwasser zerstört worden. In Heme»var selbst herrschte ebenfalls Hochwasserge fahr. Der Regen hat jetzt nachgelaffen. Mailand, 29. Mai. (Schiffahrtskanal.) Die hiesige Handelskammer beschloß für den Bau und den Betrieb eine» Schiffahrtskanals Mailand—Venedig die Konzession nachzusuchen. Rom, 29. Mai. (Einbruch im Vatikan.) In der vergangenen Nacht drangen Diebe in den Belve derehof im Vatikan und stahlen, indem sie, ohne von den päpstlichen Gen»darmen noch von den zahlreichen Wachtposten gestört zu werden, über die hohe Außen mauer kletterten, Wäsche und andere Wertgegenstände au» dem Besitz einiger Nobelgarden. Newyork, 29. Mai. (Kelln erstreik) Die Kell- ner Aller großen Hotels legten gestern abend ohne vor- herige Ankündigung plötzlich die Arbeit nieder. Tau- sende von Gästen warteten vergeblich auf ihre Spei sen. - Viele Restaurant» mußten geschloffen werden. Vermlscktss. * (Eine neue Namensheirat) In der Ber liner Sittengeschichte bilden die NsmenSheiraten eine» der traurigsten Kapitel. Man weiß, wa» sie bedeuten und wie sie zustande kommen. Eine Namensheirat wird nicht zum Zwecke einer wirklichen Ehe, sondern zum Schein geschloffen, und zwar stet» von einer Halb- welilerin mit dem verlumpten Träger eine» vornehmen, adeligen Namens. Die NamenShrirat ist also nicht» anderes al» ein Geschäft, und ein Geschäft der ekel- haftrsten Art. Dutzende von Berliner Lebedamen kön nen,, .sich infolge von Namensheiraten Frauen von Soundso, Baroninnen oder sogar Gräfinnen nennen, und viele von .hnen haben Namen und Titel für einen Spottprei» standesamtlich erkauft. Bedingung einer jeden Namensheirat ist selbstverständlich, daß der Ver käufer de» Namens, der verlumpte Adelige, sofort nach ooltzogener Trauung verduftet und nicht nur seine eheherrlichen Rechte nicht ausübt, sondern sich auch ohne Widerspruch wegen böswilliger Verlaffung auf Scheidung verklagen und verurteilen läßt. Der lan-