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Nr. 57. Pulsnitzer Wochenblatt. — Dienstag, den 14. Mai 1S1S. Sette 7. nur zurufen: Es handelt sich um Deine Schuld, Deine sehr grosse Schuld! In spaltenlangen Telegrammen berichten die Berliner Korrespondenten der Pariser Blätter über die gewaltsame E t- fernung Borchardts aus dem Sitzunassaale des preussischen Ab geordnetenhauses, aber kein einziges Organ findet ein Wort des Tadels hierfür, nicht einmal die „Humanste"; denn man ist nach der strengen Geschäftsordnung der französischen Kam mer daran gewöhnt, dass Deputierte, die sich grober Verstösse gegen den parlamentarischen Umgangston oder gegen die An ordnungen des Piäsidenten zuschulden kommen lassen, von der Sitzung ausgeschlossen werden. Es ist dies in Paris schon ost- mals vorgekommen, wozu allerdings bemerkt werden muss, dass noch kein einziger Deputierter sich gewaltsam hinauserpedicren liess. Es dürfte daher von Interesse sein, den Hergang bei sol- chen Ausschliessungen kurz zu schildern: Zunächst befragt der Präsident das Haus, ob es mit der Verhängung der Zensur über den betreffenden Deputierten einverstanden sei, und wenn sich die Mehrheit dafür entscheidet, fordert der Präsident den Deputierten auf, sich sogleich aus dem Saale zu entfernen. Geht er nicht freiwillig, so betritt ein Offizier an der Spitze einer Abteilung Militär den Saal und legt dem Deputierten die Hand auf die Schulter, was bisher stets genügt hat, um den Betreffenden zu veranlassen, der Aufforderung des Präsi- drnten nachzukommen. Widersetzt hat sich in der französischen Kammer noch keiner; er würde in einem solchen Falle s lbst- verständlich von dem Militär gewaltsam hinausgeichleppt wer den. Aber nicht genug daran, über Deputierte, welche wegen ungebührlichen Betragens aus der Sitzung ausgeschlossen werden, werden noch folgende Strafen verhängt: Man rieht ihnen die Hälfte des Gehaltes ob. protokolliert den Vorfall auf ihre Ko sten und verbreitet den darauf bezüglichen Teil des stenogra phischen Protokolls gleichfalls auf Rechnung der Deputierten in ihren Wahlkreisen. Wie wäre cs, wenn diese französischen Geschäftsordnungs-Bestimmungen auch in Deutschland zur Durch- sührung gebracht würden? Es seien noch die englischen Vorschriften hervorgehoben, weil sie zeigen, in welchem Matze die englische Auffassung von der Voraussetzung eines gentlemanliken Verhaltens der Parla- I mentsmitglieder ausgeht. Das englische Unterhaus hat nämlich das Recht, Mitglieder dauernd aus seiner Mitte auszustossen wegen eines innerhalb oder ausserhalb des Hauses gezeigten Verhaltens, das nicht vereinbar mit dem Charakter eines Gent lemans ist. Ausserdem kann gegen einen unbotmässigen Abge- ordneten neben dem Ordnungsrufe und der Wortentziehung der Ausschluss aus dem Hause auf unbestimmte Zeit, längstens bis zum Schlüsse der Session, sonst bis auf Widerruf durch Parlamentsbeschluss, verhängt werden. Wegen Ungehorsams gegen das Parlament und den Sprecher kann sogar die Ver- Haftung und die darauffolgende gefängliche Verwahrung eines Mitgliedes auf Beschluss des Hauses vollzogen werden. Das polizeiliche Einschreiten im preussischen Abgeordneten- Hause wird im Reichsiage zur Besprechung gelangen und zwar bei der Erörterung des Etats des Reichskanzlers Zahlreiche sozialdemokratische Protestversammlungen gegen die Vorgänge fanden bereits am Freitag statt und sollen auch an den kom menden Tagen abgehalten werden. Der Stoff ist da, nun kann das Hetzen losgehen! Be dauernswertes deutsches Volk! vresdner Produkten-Börse, 13 Mai Wetter: Veränderlich. Stimmung: Matt. Um S Ubr wurde omtlick notiert: Westen brauner neuer, 79-80 Kilo. 227—228 M, do. neuer 76 vis 78 Kilo, 2S2-226 M, russischer, rm, 243 247 M. Nr- gentinier alt, 247 —250 M, — do. neu 234 — 229 M Manitoba 3 245-248 M. do. 4 240 242 M. Uoggen, sächsischer, neuer 72—75 Kilo, 196—199 M, Sand do. do. 72 bis 75 Kilo, 199—202 M. preussischer, neuer — posener 2^0—204 russischer 202 —204 M. Gerste, sächsische, neue M, schlesische M Pose ner — M. böhm. — M, Futtergerste 194— 197. Baser, sächsischer, alter - — — M. do. do. neue» 213—216. schlesischer neuer 212—216 M, russischer loco 210-213 M. Alais En guantine alter — — — M, do. neuer 202—205 M. Rundmais, aelb, — — — M do n nec 186—190 M, nm. Mired-Mais M, La Ma:a, gelber M. Erbsen Saat und Mutter 195—205 M. w-i.^.n 220—230 M. Buchweizen, inl. 215-225 M. oo. fremde- 215 - 225 M. Leinsaat, feine 360—370 M, mittlere 340 350 M. Lavlata, — M, Bombay 960 - 380 M. Uüböl, raffiniertes 74 M. Rapskuchen (Dre-dner Marken) la-rge '3,50 M. runde — M. Leinkuchen (Dresdner Marken) I 21,00 M, II 20,50 M. Malt, 35,00-37,00 M. tveffenrnehle (Dresdner Marken): Kaiserauszua 37,50—38,00 Griessleraustua 36,50—37,00 M. Semmelmehl 35.50—36,00 Bäckermundmehl 34,00—34,50 M, Grictzlermundmehl 26.00 bis 27,00 M, Pohlmchl 21,50—22,50 M Roggennrehle Dresdner Marken! Nr. 0 29,00—29,50 M. Nr 0/1 28,00 - 28,50 M. Nr. 1 27,00—27,50 M, Nr 2 24,50 bis 25,50 M, Nr. 3 22,00—23 09 M, Futtermehl 15,80 bis 16.40 M. weiienkleie (Dresdn Mark) grob 14,60—15,00 fein 14,40—14,80 Roagenkleie (Dresdner Macken): 15,00—15,40 M provukton-vürss Die Getreidebörse war äusserst still, die Tendenz im all gemeinen gegen Sonnabend wenig verändert. Rüböl blieb bei fast umsatzlosem Geschäft behauptet. Wettervorhersage der K. S. Landeswetterwarte zu Dresden. Mittwoch, den 15. Mai: Süd-West-Wind, wechselnde Bewölkung, etwas wärmer, kein erheblicher Niederschlag. Magdeburger Wettervorhersage Mittwoch, den 15. Mai: Noch wärmere Gewitterregen, kühler und wechselnd bewölkt. Mrcden-Nacdrlcdtsn. Pulsnitz Donnerstag, den 16. Mai, Himmelfahrt: 8 Uhr Beichte. im« m >/,9 „ Predigt (Joh. 17, 11-17.) s V,11 „ Kindeigottesdienst lMatih. 28, 18-20.) Pfarrer Schulze. '/,2 „ Spaziergang des Jungttauenvereins nach Tobiasmühle. 2 „ Abmarsch des Männer und Jünglingsvereins »ach Kamenz «bei günstiger Wwerung.) Sonntag, den 19. Mai, Lraudi: 8 Uhr Beichte ' » , '/,9 „ Predigt <Joh. 7, 37-39 f Vfarrer Schulze '/,2 ., Misstonsstunde Pastor Resch. Dienstag, den 21. Mai, abends '/,9 Uhr Bibelftunde in der Schule zu Friedersdor'. Mittwoch, den 22. Mai, abends '/,9 Uhr hält Pfarrer Schulze Unteiredung mit dec konfirmierten männlichen Jugend aus Pulsnitz und Friedersdors. Licbtenborg. Donnerstag, den 16. Mai, Himmelfahrt Lhrifti: l/,S Uhr Gottesdienst mit Predigt. Sonnabend, den 18. Mai: 3 Uhr Beichte und Abendmahlsfeier. Srvftnoundorf. Donnerstag, den 16. Mai, Himmelfahrt Lhrifti: 9 Uhr Festgottesdienst Tert: Joh. 17. 11-17.) 2 „ Communion besonders für die Alten und Schwachen OderNcdkenau Donnerstag, den 16 Mai, Himmelfahrtsfest: l/,9 Uhr Festgottesdienst mit Predigt, darnach Beichte und hei liges Abendmahl. OdsrgsrsDork. Donnerstag, den 16. Mai, Himmelfahrt: 8 Uhr Beichte und heiliges Aden mahl. '/,9 „ Predigtgottesdienst Sonnabend den 18. Mai, mittag 12 Uhr Beichte und heil. Abe.idm hl.. Sonntag, den !9 Mu, Lrandi: 8 Ubr Beichte und be i Abendmahl '/,9 Uhr Predigtgo'tesdienst. l^elckondacd. Donnerstag, den 16. Mai, Himmelfahrt: 8 Uhr Beichte und heil. Abendmah- V,9 ,. Festoottotdicnst. « a v n m a , den 19. Mai, Lrandi 's,» Ubr Predigtgo lesd-ensl Palmalo süesfeinste oorrüglich lMvsre pslonrendutter Msfgsilne, ein herookkagendes Nshmngr- und öenustmittel. Mleinlge rsdriksmen: l». L Msstr, s. m. v. > IfSchst« sturr«lchnung«i d«r strsnch«: Soldene Medaille und ehrenpreis Drutsche sturstWung für »schere«, sonditortt und verwandt« Sewsrb« Ltuttgstt 1-11 Goldene Medaille lnternsiionale hgglenr- stuisteHlllig Dresden 1-11 Siegerin allerseinste Zahnen-Margarine, der Veste unübertroffen feinste ersah für Molkei-eidutte^ Uederall erlMIlchs brach ab, dann sagte sie: „Heilte sind Oie Tennen mit Stefan nach Mainz gefahren, ich war froh, zn .Heinse bleiben zu dürfen. Sobald ich frei bin, rieht es mich in den Wald hierher. Ich finde, daß inan im Verkehr mit der Natur das Gleichgewicht der Seele wieveriindet, das man im Umgang mit Manschen so leicht verliert." Alvar stützte bei ihren Worten, sie deckten sich mit dem, was er selbst fühlte, was er oft gedacht hatte. „Und darf ich fragen, welche Pläne Sie für später haben, gnädiges Fräulein?" „Ich möchte nach Berlin, hoffe dort Stunden zu ge ben, nur ist mir angst vor der große» Stadt, in der ich keinen Menschen kenne. Ich möchte in eine Pension, wo ich Anschluß finde." Alvar dachte eine Weile nach. „Wollen Sie, daß ich meiner Mutter schreibe?" fragte er, „ich glaube, das Zimmer neben dem meiner Schwester Sigrid wird frei. Meine Eltern leben in Schönberg, wäre Ihnen das nicht zu weit vom Zentrum der Stadt?" „Nein. Ach! Ich wäre sehr glücklich, wenn Ihre Fran Mutter ei »willigte. Herzlichen Tank, Herr von Mannerheim." „Sigrid beendet eben die Schule, sie widmet sich hauptsächlich der Musik. Ich glaube, sie würde sich schnell mit Ihnen einleben, sic ist ein träumerisches, poetisch veranlagtes Mädchen." „Haben Sie noch andere Geschwister?" „Ja, gnädiges Fräulein. Meine älteste Schwester Ragna hat Mathematik studiert und lebt als Lehrerin in Stockholm, mein Bruder Hjalmar ist in Ostpreußen aus einem Gut, er wird mit der Zeit Inspektor werden." „Sie haben alle so schöne nordische Namen, wie kommt das?" — „Mein Vater stamnit aus Finnland." „Und waren Sie einmal dort?" Schönheit des Jmatra, sprach von Land und Leuten und ichUderlc in interessanter Weise die Kanalfahrt. Auf merksam, das Haupt etwas vorgobeugt, lauschte Ellen, über ihre beweglichen Züge glitt eine große Sebvinch „Wie schön das alles sein muß," sagte sie sinnend, „ich möchte es auch kennen lernen, möchte den Jmatra brau sen hören und die Seen und Scheren bei Helsingfors be- wunderm" „In Malmborg, dem Gut meines Lntelus Hjalmar Mannerheim ist jetzt große Trauer: mein Detter ist seit einiger Zeit schwer krank infolge eines Unfalles, der ihn betroffen hat. Toch das dürfte Tie wohl nicht weiter in teressieren, gnädiges Fräulein." „Doch, ich lzabe ein warmes Herz für alle, die irgend wie leiden, ich möchte alle glücklich sehen, Tränen trock nen, Schmerzen lindern." „Sic gleicht eben Klara," suhr es Alvar durch den Sinn, „es ist derselbe Zug weiblicher Herzensgute, das selbe weiche Licht in den Augen." Unwillkürlich fiel ihm ein, wie er in Rechlinghausen die junge Schloßfrau achten und verstehen gelernt hatte. „Ich wünschte mir einst eine Frau wie sic, ein echtes Weib voll Zartgefühl und Herz. Klara gleicht nicht dem flackernden Lichte, wie Vroni eins ist, sic ist wie das wärmende Herdfeuer, das Glück und Behagen um sich verbreitet, an dem es sich wohlig nach der Arbeit aus ruhen läßt." So hatte er damals zu sich gesprochen, und wie er sich heute daran erinnerte, kam es wie eine große, stille Freude über ihn, als müsse sich sein Lebeuswunsch ver körpern und Erfüllung finden. Ter gehetzte, gequälte Ausdruck in ihrem Gesicht fiel ihm auf. „Sie fürchte» sich vor der Gräfin?" sagte er. „Ja," gestand sie, „sie kann sehr böse sein, sehr heftig werden." „Ich gebe Ihne» Nachricht, sobald meine Mutter ge schrieben hat. Sie müssen so schnell als möglich aus dieser Abhängigkeit heraus, sic ist Ihrer unwürdig." Er sprach wie ein älterer Bruder, wie jemand, der ei» Recht l)at, in ihr Leben einzugreifen. Sie hatten sich erst zweimal gesehen, aber es schien ihnen, als ob sie sich viel länger kannten. Nun schritten sie nebeneinander durch den Wald, über den sich schon die friedliche Stille der Nacht zu breiten be gann. „Ich gehe freudig dem Lebenskampf entgegen," sagte Ellen, „meine liebe, verstorbene Mutter lehrte mich die Arbeit lieben, ich stelle sie über alles, sie macht unab hängig und frei." „So zählen auch Sie zu den Starken, die ernst und mutig um ihre Existenz kämpfen, sich die innere Frei heit wahren und ihr Schicksal meistern!" ries Alvar er freut. „Wie stolz und gut Ihre Worte klingen, ich will da ran denken, wenn ich in Berlin bin," sagite Ellen. „Toch nun leben Sic wohl, Herr von Mannerheim, dort schimmern schon die Fenster von „Mon Nepos" im Strahl der untergehenden Sonne." Mit einem lieblichen Lächeln reichte sie ihm die Hand, dann verschwand sie eilig hinter den Ziersträuchern des Gartens. Alvar blickte der leichten Gestalt nach. „Ich muß Dich bald Wiedersehen, Du mutiges, Du liebes Kind," dachte er, während er heimwärts durch den Wald Hohentanne zuginq. (Fortsetzung tot '. Wie schnell ihnen beiden die Zeit verging, sie achteten nicht auf ihren Flug, bis Ellen plötzlich erschreckt rief: , „Die Schatten des Abends sinken, ich muß nach „Mon „Einige Male: es ist «in eigenartig schönes Land." Repos" zurück, ach! bitte, rudern Sie an das Ufer, Herr Alvar erzählte von Helsingfors, er beschrieb die wilde von Männerheini."