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Nr. 57. Pulsnitzer Wochenblatt. — Dienstag, den 14. Mai 1912. Seite 6 der Deputation und betont die Notwendigkeit der Aufhebung einiger indirekten Abgaben, besonder« der St,mpelsteuer, r«r gänzUch ver alteten Schlachtiieuer und der Uebergang»adsa*e für Fleisch Gr beantrage, d e Regierung zu ersuchen dem nächst'» Landtage einen Gesetzentwurf vorzulegen, wonach die indirekten LandeSsteuern auf gehoben werden und Ersatz für den Ausfall dieser Steuern durch entsprechende Sende,ung und weiter« Ausdehnung der direkten Steuern, besonders Entwickelung der ErgämungSsteuer »ur Ver mögenssteuer, geschaffen werden soll. Nbg. Günther (Forischrs er klärt zum Anträge Fleißner, daß seine Freunde »war für die Aus hebung der Schlachtsiener und der Uebergang-abgabe auf Fleisch stimmen würden, aber für die Aufhebung aller indirekten Landes steuern nicht eintreten könnten. F nanzminister v S-hdewitz erklärt, daß die Regierung dem Anträge auf Wegfall der indirekten Steuern und Abgaben noch genau so ablehnend geienüberstehs wie früher. Abg. Günther (Fortschr.) begründet hieraus seinen Antrag, im nächsten Etat Lie Schlachrsteuer und Uebergangkabgaben in Wegfall zu bringen. Abg. Fleißner (Sor.s wendet sich regen d>n Minist r und behauptet, daß die Slcmpelsteuer k-in- V rmögenSsteuer sei, und daß die Aushebung der Schlachtstcuer unbedingt zu einer Ver billigung der Fleisches führen müßte. Hierauf werden die zum Kapitel gestellten Anträge gegen 22 Stimmen der Sozialdemokraten angenommen. Die Anträge Castai und Fleißner werden gegen die Stimmen der Sozialdemokraten abaelehnt, desgleichen der fort schrittliche Antrag geaen die Stimmen der Sonaldemokraten, der Fortschrittlichen und des Abg. Langhammer Die Kammer besait sich dann mit Titel 21 des auß rordentlichen StaatshaushaltetatS. betr. Umbau des Bahnhofs Meißen und »weigleistger Nu'bau der Strecke Meißen—Reiß n-Triebischtal ll. Rai ) D e Kammer r, willigt nach kurzer Debatte als erste Rate für den gedachten Zweck 1 400000 Mark und überweist die Petitionen de^ Stadtrate» z r Reißen, der Landgemeinde Bohnitzsch und Gm.. des Gemeinderales zu Priestewitz und Gencfsen und der Ritteldeu scheu VerkehrSkam- mission des Verbandes reisender Kaufleute Deutschlands um Her stellung einer dire ten EUenbahnver indung zwischen Meiß m und Priestewitz der Staatsregierung zur Kenntnisnahme. Die letzten drei Punkte der Tagesordnung, ebenfall» Elsenbahnangelegenheiten betreffend, werden teils debaltelo . teil» nach unerheblicher Debatte nach den Anträgen der Fina-zdeputatiou 8 erledigt. Nächste Sitzung Dienst'g Vorm ttag >/,12 Uhr. ZMmiWliildtt ous Sem Reichstage. Sitzung vom 11. Mai. Ein Zeichen der Zeit war es, als heute im Reichstage ein Fortschrittler, Herr Müller-Meiningen, seine Genugtuung über die schnelle Erledigung der Heeresvorlage zum Ausdruck brachte. Dann aber brachte der Redner allerlei Beschwerden vor, den Fall Kraatz, Bevorzugung des Adels in der Armee, und for derte schließlich eine Reform der Ehrengerichtsordnung, sowie erhöhte Ausbildung der Jugend. Die Kriegervereinsfrage brachte der nationalliberale Abgeordnete Held aufs Tapet, da verschie dentlich nationalliberale Abgeordnete wegen ihrer Stellung nahme bei der Präsidentenfrage im Kriegerverein gemaßregelt worden sind, Weiter sprach sich der Redner für einmalige freie Urlaubsreise der Soldaten aus. Die Kriegervereine nahm Herr Kröcher in Schutz, und billigte deren Verhalten. Der Genosse Schöpflin brachte den großen Unfall sächsischer Ulanen bei Pirna zur Sprache, was späterhin den sächsischen Militärbevollmäch tigten zu einer Antwort veranlaßte, in der 'hervoraehoben wurde, daß die Militärbehörden keine Schuld träfe. Der Kriegs- Minister ging auf die Kriegervereinsfrage Nichtsein, da sie nicht zu seinem Ressort gehöre. Auf die mehrfach von der Linken erhobenen Vorwürfe beteuerte Herr von Heeringen, daß bei der Beförderung nur die Tüchtigkeit entscheide. Herr Go-Hein schnitt aber erneut die Frage der jüdischen Reserveoffiziere an, mit dem Erfolge, daß der Kriegsminister antwortete, daß konfessio nelle Momente in der Armee keine Rolle spielten. Auch der Fall Kraatz war wiederum mehrmals in die Erörterung gezogen worden, insbesondere durch den liberalen Pfarrer Heyn, der seinen Amtsbruder und Gesinnungsgenossen warm verteidigte. Der Kriegsminister war anderer Ansicht. Das Gehalt des Mi nisters wurde schließlich bewilligt, und man trat in die Etnzel- dcbatie ein, wobei eine große Ne he Redner allerlei auf dem Herzen hatte. In erster Linie befaßte man sich mit der Kon kurrenz, die die Militärmusiker ihren Zivil kollegen machen. Kriegsminister v. Heeringen erklär!, daß die Militärbehörde da einschreit.', wo Militärkapellen den Zioilmusikern unbillige Kon kurrenz machen. Nachdem der Abg. Chrysant <Ztr) einige Re solutionen auf Berücksichtigung der Handwerker und Genossen- schäften, Heimarbeiterorganisationen usw. begründet hatte, ver tagte sich das Haus auf Montag. Sitzung vom 13. Mai. Auch im Reichstage befaßte man sich heute mit einer Frage, die anfänglich viel Staub aufgewirbelt hatte, während jetzt eine sehr ruhige Haltung Platz gegriffen hat. Es handelte sich um die Duellresolutionen, und die Stimmung war heute viel friedlicher, nachdem der Kriegsminister in der Kommission eine Erklärung abgegeben hatte, die dazu dienen sollte, seine früheren ziemlich schroff klingenden Worte abzuschwächen Viel Neues brachte die Debatte nicht. Der Genosse Ledebour tadelte die Haltung des Zentrums, das sich erst so stürmisch ins Zeug gelegt habe, und zog dann kräftig gegen das Duell los. Ruhig und sachlich sprach für das Zentrum Herr Gröber, der aus drücklich betonte, die Frage müsse mit der größten Ruhe be antwortet werden. Die ablehnende Haltung der Konservativen begründete Graf Westarp, worauf der Kriegsminister seinen Standpunkt darlegte Alan wird zugeben müssen, daß die Militärverwaltung sich in dieser Frage in einer Zwickmühle be findet, aber man wird nicht verkennen, daß Herr v Heeringen den aufrichtigen Willen hat, eine Besserung herbeizuführen; freilich ist das nicht so leicht, und man wird einräumen müssen, daß der Minister recht hatte, wenn er sagte, daß wir in keiner idealen Welt leben Allzuviel Eindruck machten indessen die Worte des Kriegsministers nicht, und der Nationalliberale Schif- ferer bemerkte ausdrücklich, daß man statt der schönen Worte endlich auch einmal Taten haben wolle. Nach weiterer Debatte wurden die Resolutionen der Kommission gegen die Stimmen der Rechten angenommen, mit geringer Mch heil auch ein inzwischen eingelaufener Antrag der Sozialdemokraten, wo nach kein Offizier wegen Duellverweigerungen aus der Armee entlassen werde. Dann ging man zum Militäretat über, wobei Herr Zubeil mit seiner alljährlichen Rede über die Arbeiter verhältnisse in den Werkstätten der Militärverwaltung aufwar tete. Es flog noch eine kurze Verhandlung über den Militär- etot, die aber nichts Wesentliches brachte. Das HauS vertagte sich auf Dienstag pünktlich um ein Uhr. Grosse Äen Groben öeneituMiAst mit S "/« Kabatt äui-ro Boni Bau des BölkerschlachtdenkmalS bei Leipzio. Zur bevorstehenden S ch l u tz st e i n l e g n n Zr Eine der Kolossylfiguren in der großen inneren Halle. 2. Blick aus das Denkmal vom gang des Krematoriums aus. 3. Arbeiten an einer KolossalfigM. Das Bölkerschlachtdenkmal ! bei Leipzig wird erst am 18. Oktober 1913, dem hundertsten Jahrestage bei großen Zchlacht, feieilich enthüllt! werden. Der Bau ist aber so weit geschehen, daß die Schluß steinlegung bevorsteht. Bisher umhüllen noch die Baugerüste —! die allein etwa eine Biertelmillion Mark gekostet haben — das Denk mal, abe: schon jetzt fällt der über 90 Meter hohe Kolossalbau als ein Wahrzeichen Leipzigs je dem Fremden ins Auge. Wie die meisten modernen Riesen- denkmäler, wird auch das Bölker- fchlachtdenkmal im Innern eine große Prunkhalle enthalten. Die Galerie dieser Halle wird von steinernen Kolossalfiguren gestützt werden, die die Haupttugenden des deutschen Volkes symboli sieren. Obwohl mehrere Bild hauer zugleich an jeder Figur arbeiten, dauert dm Herstellung jeder der acht Meter hohen Stein gestalten ein Jahr. Das M ite rial des ganzen Denkmals ist Granit aus der Leipziger Um gebung. Die Kosten des Gan zen werden etwa sechs Millionen Marl betragen. vis „§üNe" vorcdarvt und Leinert. Es kann nicht dringend genug davor gewarnt werden, der häßlichen Szene, die sich durch die Schuld der Genossen Bor- chardr und Leimet im preußische!-. Abgeordnetenhaus- abgespielt Hai, eine Bedeutung bcizumessen, die ihr nicht zukommt. Wenn in der Geschäflsordnungsdebatte vr. Liebknecht über die angeb liche Vergewaltigung des Genossen Borchardt und namentlich auch Leinert, der durch geflissentliches Sitzenbleiben und Ver sperrung des Zugangs die Polizisten an der Erfüllung ihrer Pflicht zu hindern suchte und deshalb zeitweilig vom Platze entfernt werden mußte, Zeter und Mordio schrie, so ist an das Wort des alten Liebknecht zu erinnern, das dort, wo die So- zialdemokratie das Heft in den Händen hat, überall stramm befolgt wird: „Wer nicht pariert, der fliegt!« Bor allein ist zu beachten, daß in Freiherrn von Erffa nicht ein politischer Gegner, sondern der Präsident und die in ihm verkörperte und durch ihn zu schützende Würde des Abgeordnctenh ujes gegen- übertritt. Hatte Borchardt doch von der Treppe der Redner- bühne aus in geradezu unwürdiger Weise nicht einen konser vativen, sondern liberalen Abgeordneten (Schifferer) ständg unterbrochen. Man kann dem hinousbeförderten Abgeordneten 2Z Die Starken und die Schwachen. Roman von Herbert Rivulet. (Freifrau G. v. Sch l i p p e n bach.) (Nachdruck verboten.) „Sie wollten mich ja nicht wiedererkennen, als Sie, aus dem Restaurant kommend, an mir vorübergingen. Was sollte auch die Gräfin Holwitzky dem Manne zu sagen Haben, der ums Brot kämpft. Unsere Lebenssphären lagen und liegen noch himmelweit getrennt, gnädige Frau." Sie biß sich ungeduldig aus die Lippen- „Warum erinnern Sie mich daran?" fragte sie ärgerlich, „weshalb reißen Sic eine Kluft zwischen uns auf? Sehen Sie denn nicht, daß ich die alte Zeit in Rech- linghausen nicht vergessen habe? Daß —" „Hier sind die Rosen," sagte Wolmar zurückkommend. „Ach so, danke." Vroni befestigte die dunkelroten Blüten an ihrer Brust, dann reichte sie den Herren die Hand. Und wieder fühlte Alvar jenen liebkosenden, warmen Truck der schlanken Frauenhand. Ein scharfer Gertenhieb ließ das feurige Roß sich bäumen, im tollen Galopp schoß die Rei terin dahin. „Sie ist böse," bemerkte Wolmar, „ich kenne sie ge nau. Was hast Tu getan?" „Nichts. Tiefes kapriziöse Geschöpf ist unberechen bar." Eine brennendrote Rose war der Hand Bronis ent fallen. Nun lag die Blume am Boden, mitten unter Mörtel und Staub. Alvar sah sie, er hob sie aber nicht am. „Wird wohl Absicht gewesen sein," brummte er, „sie tut alles mit Berechnung) sie glaubt wohl, daß ich die Rose aufheben werde?" Und mit einem wegwerfenden Achselzucken schleuderte er die rote Blüte mit dem Fuße weg. ben anoertrauen, ich rette Sie, wenn wir kippen, da ich ein guter Schwimmer bin." gab im Juli wenig Wild, das geschossen werden durfte, aber im Walde war ein Teich, in dem wilde Enten niste ten. Ein kleines Boot lag im Röhricht an einen Pflock gekettet, es machte Alvar Vergnügen, am Abend nach Schluß der Arbeit dorthin zu gehen. Hin und wieder gelang es ihm, einige Enten oder einen Fischreiher zu erlegen. Der Teich lag näher von „Mon Repos" als von Hohentanne, gerade am dem direkten Wege durch den Wald. Heute war es noch ziemlich früh, als sich Alvar auf- machtc; er erreichte auch bald das stille, fast schwarze Ge wässer, das von hohen Bäumen umringt, einen etwas düsteren Eindruck machte. Ter Hühnerhund lief voran, einige Enten flogen auf, da krachte der Schuß. Aber zu gleich mit ihm hörte Alvar einen Schrei und als er nach der Richtung hinblickte, jäh er eine weißgekleidete, schlanke Gestalt an einen Baum gelehnt stehen: „Um Gotteswillen, gnädiges Fräulein!" rief Alvar, „ich habe Sie doch nicht getroffen?" „Nein, nein, ich habe mich nur erschreckt," gab sie zurück, „wie konnte ich jemand hier an meinem Lieb- lingsplah vermuten? So oft ich herkam, sand ich nie einen Menschen am stillen Teich." „O! Tann bedaure ich es, Sie zu stören. Soll ich Sie allein lasten? Jeder Mensch hat Stimmungen, in denen er einsGne Zwiesprache mit sich zu halten liebt." „Sie stören mich wirklich nicht, bitte, setzen Sie Ihre Jagd nur fort." Er stand vor ihr, sich auf den Lauf der Flinte stützend. „Wie schön und stolz er ist," dachte Ellen Wittenburg. „Ich ziehe es vor, heute mit leerer Tasche heimzu kehren, gnädiges Fräulein," sagte Alvar, „erlauben Sic mir statt dessen, eine Weile mit Ihnen zu plaudern. Tarf ich Sie nicht im Boot spazieren fahren? Es ist „Nun, ich will es wagen, lachte Ellen, „übrigens rudere ich selbst recht gut." Wie reizend war ihr ernstes Gesicht, wenn sie, wie eben jetzt, heiter war, wie ein Bann schien es von ihr zu fallen, die tiefblauen Augen leuchteten unter ihrer dunk len Umgebung, der zarte Mund war leicht geöffnet und ließ die weißen Zähne sehen. Alvar löste die Kette des Bootes und sprang hinein, er reichte Fräulein von Wittenburg die Hand, und sie setzte sich ihm gegenüber. Tas kleine Fahrzeug schoß in den See hinaus. Zuerst sprachen sie nicht, der Zauber der Stunde wirkte mächtig aus beide ein. Durch die hohen Bäume ging ein geheimnisvolles Raunen und Flüstern, die wil den Tauben lockten im Walde, und langsam strich ein Raubvogel mit lautlosem Flügelschlag über den Teich. Alvar hatte den Strohhut abgeworfen und ruderte leise. „Wie kommt es, daß Sie heute von Ihrem kleinen Tyrannen frei sind?" fragte Mannerheim das junge Mädchen. „Nennen Sie Stefan nicht so, er ist kein böier Bube," bat sie. „Aber schlecht erzogen und verwöhnt. Ich sah, wie er sie stieß und kniff, und ich hätte den Bengel gar zu gern geprügelt." „Ich glaube, er hat noch nie einen Schlag bekommen," versetzte Ellen lächelnd, „wenn er mit mir allein ist, ge horcht er, aber in Gegenwart der Mutter ist er unbän dig." „Und Sie halten es aus!" rief Alvar, „es muß ja schrecklich schwer sein, sich in die Launen der Gräfin zu fügen." „Ich bleibe auch nur den Sommer bei ihr." Ellen Wolmar, der nicht Jäger war, stellte dem Freunde allerdings eine Nußschale, aber Sie können mir Ihr Le ssin schönes, doppelläufiges Gewehr zur Verfügung. Es l ' " ....