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pulMitzerMchenblatt Dienstag, 2. April 1912. Beilage zu Nr. 39. 64. Jahrgang. OertNcdes und Säcdslsckss. — (EtnnattonalerGedenktatz) von hoher Bedeutung ist jedem, der echt deutsch denkt und fühlt, der 1. April, denn er ist der Geburtstag des Fürsten Bismarck, dieses gewaltigen deutschen Mannes, der das, was die Besten unseres Volke« lang ersehnt hat ten, zur Tat machte indem er die Brüder des Südens mit denen des Nordens vereinigte zum neuen deut- schen Reiche, der aus einer Reihe von im Weltkonzerte einflußlosen Staaten einen Staatenbund schuf, vor dem sich heut selbst das stolze England fürchtet, der ein Staatengebilde in» Leben rief, in dem wir von Stufe zu Stufe gelangten, in dem unser Handel, unsere Industrie, unser Gewerbe zu einer Blüte und Kraft gelangten, wie sie wohl noch nie bestanden. Und da- rum zollt nachgerade ein jeder echte Deutsche, welche politische Gesinnung er auch immer haben mag, dem Fürsten Bismarck seinen vollsten Dank, denn ohne seine Energie, ohne seine hohe politische Begabung wären wir sicher nicht dar, was wir heute in der Welt zu bedeuten haben. Bismarck legte den festen Grund- stein, auf dem eS gelang, das neue deutsche Reich im- mer gewaltiger auszugestalten. Mag er auch manchen Fehlgriff getan haben, was hat das aber zu bedeuten gegenüber der einen einzigen gewaltigen Tat des Zu- sammmenfchmiedens de- deutschen Nordens mit dem deutschen Süden! Und wa» für ein Deutscher war Bismarck: Denken wir nur allein an sein „Wir Deutsche fürchten nicht» in der Welt als Gott*! DaS war ein Wort, da» jeden Deutschen packte, das ganz in der Eigenart des deutschen Volkes gesprochen war. Ja, wir Deutsche fürchten nichts al» Gott! Und da» möge heute am 97. Geburtstage unseres Bismarcks auf- neue mit un» durch die ganze deutsche Presse in alle Welt hinauStönen nicht als KampfeSruf, wohl aber als eine ernste Mahnung an einen jeden, der gesonnen sein sollte, zu stören und zu hemmen unsere industrielle kaufmännische und gewerblich« Entwickelung, zu stören den Frieden des neuen deutschen Reiche». Ja, e» ist lei- der nur zu nötig, daß das BiSmarcksche Wort vom Nichtfürchten heute wiederum htndonnere zu den feisten Engländern, die da- Wort prägten: «Qermanv mugt be Koppeck» — „Deutschland muß geduckt werden*, hin donnere zu den windigen Franzosen, die wie der französische General Bien-Atme voller Renommisterei seinen Land»leuten in der Kammer zurief: Wir wer den Deutschland zu Lande schlagen und auf der See erdrosseln". Ja, deutscher Michel, der 1. April, der Geburtstag deines Bismarck», das ist der rechte Tag, da du da- Wort vom Ntchtsürchten stets von neuem hinausdonnern sollst in alle Welt, das ist aber auch der Tag, an dem du zu Ehren deine» BiSmarckS auf Türmen und Höhen Freudenfcuer zu entzünden hast, i Die Starken und die Schwachen. Roman von Herbert Rivulet. (Freifrau G. v. S ch l i P p e n ba ch.) (Nachdruck verboten.) „Wir gehen im Herbst auf einige Tage nach Berlin," sagte Nroni, „ich freue mich, dann die Ihrigen kennen zu lernen. Papa sagt, daß er jedenfalls seine alte Flamme besuchen will, Sie wissen doch, daß das Ihre Mutter war?" , Alvar fühlte sich durch die burschikose Art abgestoßen. Vroui aber wartete keine Antwort ab und fuhr fort: „Werden Sie dann auch in Berlin sein, Vetter?" „Ja, ich hoffe, Urlaub zu bekommen." „O, das ist schön!" Sie klaschte wie ein Kind in die Hände. „Wann werden Sie Offizier werden?" lautete die nächste Frage. „Ich weiß noch nicht, ob ich überhaupt weiter dienen werde," erwiderte er gepreßt, „es war früher nicht vor gesehen, aber ich habe das Reiterleben so lieb gewonnen, daß ich gern Soldat bliebe." „Das verstehe ich!" rief Vroni begeistert, ich hei rate auch nur einen Leutnant,", fügte sie dann hinzu. Der Blick, den sie dabei unter den langen Wimpern auf Alvar lvarf, sagte mehr, als sie selbst glaubte. — Wie in einem Rausch fühlte er sich in ihrer Nähe; fein klares Urteil war getrübt. Er wußte es schon an jenem Abend, daß er sich rettungslos verliebt hatte. Und dieses Eesühl wuchs riesengroß in den Tagen, die er in Rech- liughausen verbrachte; es drohte über ihm zusammenzu- schlagen, ihm jeden Gedanken erfüllend. Vroni freute sich ihrer Macht; sie übte sie aus uud versengte sich dabei selbst die Flügel. Einmal machte ihre Mutter ihr Vor stellungen, aber das junge Mädchen sagte lachend: „Schilt nicht, Mutterle, er ist di^ch mein Vetter, und wir sind beide so jung, es hat nichts zu bedeuten." an dem stets lodern sollen für deinen Bismarck in deinem Herzen — DankeSseuer. — (Flotte.) Die wichtigste Aufgabe des neuen Reichs tages, die Lösung der Wehrfrage, wird, wie vorauszusehen, die öffentliche Meinung in besonders hohem Maße beschäftigen. Man wird sich der Vorgänge des letzten Jahres erinnern, deren Ernst wohl von niemand verkannt worden ist, daneben aber auch wieder die Frage erörtern, ob auf dem Wege freundlicher Verständigung einer Wiederkehr der drohenden Ge fahr vorgebeugt werden könnte. Unter diesen Umständen kann die am Tage nach der Ankündigung der Wehrvorlage in der Thronrede von Großadmiral v. Koester in Leipzig gehaltene Rede, die das Märzheft der „Flotte" bringt, auf allseitiges Interesse rechnen, gibt sie doch einen klaren Ueberblick über die politische Lage nnd Deutschlands Stellung zu ihr. — Ein wei terer Aufsatz des Heftes behandelt das riesige 40000-t-Dock, das von der Howaldtswerst in Kiel für die Kaiserliche Marine her gestellt worden ist; ein anderer beschäftigt sich mit den Luft fahrzeugen als Kriegswaffe. Aktuell sind auch eine Plauderei über die Fahrt des zum Schutz der deutschen Ansiedler in Han kau auf dem Jangtse dorthin geschickten Detachements des Kreuzergeschwaders, sowie eine Besprechung der neuesten, mit Gefchützen ausgestatteten englischen Unterseeboote. Wie immer wird das gut illustrierte Heft eingeleitet mit einer Flottenrund schau über die wichtigsten Vorgänge in den größeren Marinen, während Nachrichten aus dem Verein den Beschluß machen. Bautze». (Da» 3. L a u sitz er Mu st k f e st) ist in folge veränderter Disposition des Allerhöchsten Protek- torS auf den 1. und 2. Juni verlegt worden. 6us aller Welt Berlin, 1. April. (Fußballwettkampf) Der Fußball-Städtewettkampf Berlin - Wien wurde gestern vor 10 000 Zuschauern mit 1:1, unentschieden, auS- getragen. Berlin, 1. April. (Automobilunglück.) Ein schwere» Automobilunglück ereignete sich gestern Nach mittag zwischen 2 und 3 Uhr aus der Chaussee nach Kloster Lehnin. DaS Automobil eines Fabrikbesitzer- Wolf aus der Kolonie Grunewald fuhr in rasendem Tempo mit voller Gewalt gegen einen Baum und wurde zertrümmert. Die Insassen flogen heraus. Fabrikbesitzer Wolf und sein Chauffeur wurden getötet, während Fabrikbesitzer Junk au» Neu Babelsberg schwer verletzt wurde. Sein Befinden gibt zu Besorgnissen Anlaß. Berlin, 1. April. (Verschwunden.) Drei Schöne berger Gymnasiasten sind seit gestern spurlos verschwun den. Die drei besuchten die Oberjekunda des Gymna sium- in Schöneberg und waren nicht versetzt worden. In Briefen an ihre Eltern erklärten sie, daß sie sich da» Leben nehmen wollen. Alls Nachforschungen nach ihnen waren bi» jetzt erfolglos. Halle (Saale), 1. April (Raubmörder ver- haftet) Der verhaftete Arbeiter Rabinald, der letzte Woche die Witwe Schumann in Stedren in ihrer Wohnung erstochen, do- 2jähr!ge Enkelkind der Witwe aus bestialische Weise durch Messerstiche verwundet und Der Tanzabend bei Brendows vereinte die ganze Nachbarschaft. Offiziere aller Waffengattungen ivaren eingeladen, und heitere Geselligkeit unterhielt alle bis zur späten Stunde. Alvar' nnd Vroni tanzten viel zu- saininen, aber man legte dem keinen Wert bei. Tie Ver wandtschaft war bekannt, und beide waren noch halbe Kinder; obgleich Alvar schon zweiundzwanzig Jahre zählte, betrachtete man ihn noch nicht als fertigen Mann. Am zweiten Tage war wieder Manöver; schon früh rückten die Herren Offiziere mit ihren Soldaten aus. Obgleich Nroni für gewöhnlich eine große Langschläferin war, stand sie heute doch schon auf der Treppe. Sie sah in dem Hellen Morgenkleide so frisch wie eine Roienknospe aus, und ihre Augen leuchteten förmlich, als sie Alvar ein fröhliches: „Guten Morgen" zurief. „Um zwölf kommen wir mit dem Frühstück," sagte sie lustig. „Auf Wiedersehen, Kusinchen," gab Alvar zurück. Daun sprengte er davon, das feurige Roß trug den statt lichen Reiter davon. Vroni lächelte vor sich hin. Sie blieb noch eine Weile in Gedanken verloren stehen; ein seltsam entschlossener Zug zuckte um ihren Münd. Heute fuhren die Damen im Landauer zum weiter entfernten Manöverterraiu hinaus. Auch Wilmas Kin der waren mitgenommen worden. Die Herren folgten im zweiten Wagen, und endlich kamen die Speisevorräte nnd Erquickungen sür die Offiziere und Soldaten. Ein Vetter Karl Tetleffs des älteren, ein Sechziger, der Freiherr Kunz von Rechlinghausen, hatte sich seit gestern zu einem seiner Tauerbesuche eingesunden. Er hatte sein Vermögen in jungen Jahren durchgebracht und lebte nun auf den verschiedenen Gütern seiner wohl habenden Verwandten das ganze Jahr hindurch. Ein übertriebenes Standesbewußtsein verbot es ihm, Arbeit anzunehmen, die sich wohl gefunden hätte, die er aber nicht mit der Stellung eines Freiherrn von Rechling- dann die Wohnung auSgeraubt hat, leugnet hartnäckig die Tat, obgleich seine Täterschaft al» erwiesen gilt. Rabinald ist ein von der amerikanischen Polizei schon seit Jahren gesuchter Raub - Mörder. Im Vorjahre wurde in Chicago an einer Witwe ein grauenvoller Raubmord begangen. Wie sich jetzt herausstellt, hat Rabinald auch diese» Verbrechen auf dem Gewissen. Cuxhaven, 1. April. (Gesunkener Dampfer.) 8 Meilen nordwestlich vom Elbe Feuerschiff l ist ein Dampfer gesunken. Die beiden Maste ragen aus dem Wasser heraus. Nachrichten über den Namen und die Nationallität, sowie über den Verbleib der Besatzung sind noch nicht eingetroffen. Zürich, 1. April. (Erdbeben.) In der Mittel schweiz wurde gestern früh um 4,55 Uhr ein ziemlich starkes Erdbeben von zwei Minuten Dauer verspürt. In Herzogenbuchsee zeigen mehrere Häuser Risse. Wien, 1. April. (Mesalliance.) Nachdem vor gestern die Ehescheidung zwischen dem Rechtsanwalt Arthur Freund und seiner Gemahlin au»gesprochen wurde, soll schon am nächsten Dienstag im Auslande die Vermählung der geschiedenen Frau Freund mit dem Prinzen Egon Alexander zu Hohenlohe, Schilling»- sürst stattftnden. Noch gestern waren Verwandte des Prinzen in Prag, um ihn die H.irat auSzureden, aber ohne Erfolg. Paris, 1 April. (April-Schnee.) Ein außer- ordentlich heftiges Schneegestöber hat in den heutigen Vormiltagstunden eingesetzt. ES schneit ununterbrochen und in dichten Flocken. Im telephonischen und tele- graphischen Verkehr, besonder- mit dem Auslands hat das Schneegestöber große Störungen hervorgerufen. Paris, 1. April. (Wieder ein Millionen, krach.) Nach dem Muster de» vielgenannten Bankier- Rochette gab ein Spekulant namens Joannc y in Paris Aktien nicht existierender Gesellschaften aus und wußte sie unter Vorspiegelung hoher Dividenden dort, in der Provinz und i,n Auslande anzubringen. Der Schaden, den doS Publikum erleidet, beziffert sich aus vier Millionen. Paris, 1. April. (Zum Millionen-Bank- Schwindel.) Die Polizei nahm heute vormittag in den Lokalen der Bank oe» Bankier» Joannay .ine Haussuchung vor, auf Grund zahlreicher Klagen, die auf der Polizei einliesen und Joannoy de» Vertrauens bruches beschuldigten. Die Haussuchung zog sich auf mehrere Stunden hin und führte zu keinem greifbaren Resultat, da sämtliche Geldschränke der Bank leer ge funden wurden. Wie gerüchtweise verlautet, sollen die Passiven sich auf mehrere Millionen Frank belaufen. Paris, 1. April. (Zu dem neuesten Streich der Pariser Auto-Apachen) wird gemeldet: Einer der Insassen kletterte über die Parkmauer und näherte sich dem Gebäude, wurde aber vom Schloßver- Haufen vereinbar fand. Eine kleine Pension aus einer Familienstiftung warf das Nötigste für die persönlichen Bedürfnisse ab und sein Schmarotzerleben in den Häu sern der Freunde und Verwandten machte den alten Lebe mann überall beliebt, denn er war ein sogenannter „gu ter Kerl", der es sich angenehm zu machen wußte und manche kleine Demütigung herunterschluckte, die er am Anfänge bitter empfunden hatte, an die er sich aber mit der Zeit gewöhnen mußte. Seine Hauptbeschäftigung bestand darin, Ahnentafeln zu malen, die er an seine je weiligen Wirte verteilte. — Heute bot das Manöverfeld wieder dasselbe prächtige Bild, wie am ersten Tage, und auch heute wimmelte es von Zuschauern. Tie Gutsbesitzer hatten inzwischen die Herren Offiziere kennen gelernt, und die liebenswürdi gen Schwerenöter sollten erquickt werden. Mehr als ein zartes Bans knüpfte sich an in solchen Tagen, durch die eine frohe Feststimmung geht, auf die man sich schon lange vorher freut. Wilma und Vroni standen hinter dem improvisierten Tisch, der aus einem riesigen Eichenstumpf bestand, über den eine feine Tamastserviette gedeckt war, und reichten den herzudrängenden Offizieren die Gläser mit schäu mendem Bier, das Ernst und Onkel Kunz verzapften. Wein und Früchte labten die müden Krieger, und Frau von Rechlinghausen und ihr Mann packten immer neue Eßvorräte aus, die hochwillkommen waren. Auch die Soldaten umdrängten die Tonnen mit leichtem Bier und sprachen den Butterbroten tüchtig zu. Dazu spielten die Regimentskapellen abwechselnd, und die bald ernsten, bald heiteren Weisen weckten das im Walde schlummernde Echo. Vroni trug heute die Farben der littauischen Dra goner, ein duftiges Kleid von derselben blauen Farbe mit weißen Aufschlägen und einen ebenso gehaltenen großen Strohhut. Auf die Erlaubnis seines Leutnants wartend, stand Alvar bescheiden in einiger Entfernung;