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pulsnitzeiMchenblatt Donnerstag, 11. April 1912. Beilage zu Nr. 43. x 64. Jahrgang. OsrtUcdes unv Sücdsiscbes — (An die Adresse derEltern) richtet die „Franks. Zig." folgende Mahnung: Er gibt Eltern, die vor ihren Kindern so tun, al» ob, wenn ein Schüler durchfällt, damit alle» verloren und e» die größte Schande wäre. Da» muß natürlich einen seiner Natur nach oder vorübergehend empfindlichen jungen Menschen ganz au» der Form bringen, und dann ist da» Unglück leicht ge- schehen. GS ist aber mit einem Durchfall weder lle» verloren, noch muß e» eine Schande sein, denn das ist schon Menschen passiert, die dann im Leben 'sehr Tüch. tigeS geleistet haben. Es ist also da» Wichtigste, daß man junge Leute, die einer ausgleichenden Behandlung bedürfen, sie nicht vermissen lasse. Wer einen zur Tra gik neigenden jungen Menschen mit Vorwürfen trak tiert, weiß nicht wa» er tut E» gibt Fälle, wo e» bei einem Zensurunfall dringender ist, dem Jungen einen freundliche» als cin ernstes Gesicht zu zeigen, ihm mit Güte darüber hinwegzuhelfen, statt hm da» Herz noch schwerer zu machen Wüßten nur immer die Eltern, wie eS um ihre Kinder steht — es gäbe wenig Schüler-Selbstmorde. — (Neue reichsgesetzliche Bestimmun- gen betreffend die Militärzüge.) Gemäß denselben haben im Frieden Militärsonderzüge einschließ lich der Leerzüge bei der Durchführung de» Fahrplan» in Hinsicht aus die pünktliche Beförderung den Vor- rang vor allen Zügen de» öffentlichen Verkehrs bei Gefahr im Verzüge, sowie vor Personenzügen und Güterzügen, wenn infolge eingetretener Unregelmäßig, keilen andernfall» eine erhebliche Störung besonders umfangreicher Transporte, wie zu Zeiten eine» Kaiser- Manövers, einzutreten droht. Inwieweit den Militär- sonderzügen in solchen Fällen auch der Vorrang vor Eilzügen und Schnellzügen zu geben ist, wird von der Elsenbahnverwaltung im Be. ehmen mit der Militär verwaltung jede»mal besonder» bestimmt. Im Kriege geht die Beförderung von MtlitärtranSporten allen an deren Transporten unbedingt vor. — (BehufS Ver gL tu n g) des von den Ge meinden resp. Quartierwirten anerhalb der betreffenden LieferungSverbände im Monat Bp-il an Militär-Pferde zur Verabreichung gelangenden Pfe-defutters sind in den Hauptmarktorten derLieferungSverbände des Regierungs bezirks Bautzen für den Monat Mä z folgende Durch schnitte der höchsten Preise für Pferdesutter mit einem Aufschläge von fünf vom Hundert festgesetzt worden: Hafer 100 KZ Heu 100 Ic^ Stroh 100 Bautzen: 21 M 99 Pf. 9M 5«Pf 5 M 77 Pf. Kamez: ->1 , 58 „ 10 , 37 „ 5 „ 50 „ Löbau: 21 „ — „ 9 „ 6l „ 6 . 13 „ Z'ttau: 21 „ 04 „ 11 „ 02 „ 6 „ 72 „ — (ZurHerabsetzungderAlterSgrenze für denBezugderAlterSrente.) Man schreibt unS: Nach dem EtnführungSgesetz zur ReichSversiche- rungSordnung soll die Reichkregterung im Jahre 1915 dem Reichstage die gesetzlichen Vorschriften über die Altersrente zur erneuten Beschlußfassung vorlcgen. Die zu diesem Zweck notwendige Prüfung der Frage, welche finanziellen Wirkungen eine Herabsetzung der Alters grenze haben würde, hat die Reichsregierung inzwischen bereits in die Wege geleitet. ES soll hierfür eine Sach verständigenkommission gebildet werden. Die Bundes- regierungen waren nun aufgefordert, Sachverständige für kiese Kommission zu benennen. Dieser Anregung find die Bundesregierungen inzwischen nachgekommen und haben in beschränkter Zahl Sachverständige für dis Kommrssion namhaft gemacht, da die Zahl der auf diesem Gebiet Sachverständigen nur eine begrenzte ist. Die RetchSregierung dürfte daher au» den Kreisen der ReichttagSmitglieder und der VerstcherungSmathemati- ker noch einige Autoritäten in die Kommission beru. sen. Ihre Ausgabe wird e» sein, zu entscheiden, wel- chen Umfang die vorzunehmenden Erhebungen zur Prüfung der Frage annehmen sollen. Dabei können möglicherweise umfassende und zeitraubende statistische Ermittlungen in Frage kommen. Und aus diesem Grunde hat die RetchSregierung bereit» 3 Jahre vor dem im Etnführungszesetz zur RetchSoerficherungSord' nung vorgesehenen Termin die Vorarbeiten für die Prüfung der Frage in Angriff genommen. — (Beurlaubt.) Herr BeztrkSarzt vr. Heyn in Kamenz ist vom 15. April bis mit 15. Mai d. I. beurlaubt. Mit seiner Vertretung ist Herr BeztrkSarzt Or. Sauer in Bautzen beauftragt worden. Nus aller V^elt. 8. Teplitz i. B, 10. April. (Ein Konsortium von Mördern) In dem berühmten böhmischen Badeorte Tcplttz-Schönau ist soeben eine sensationelle Krimtnalaffäie aufgedeckt worden. ES handelt sich um nicht» Geringeres, als um eine zwischen zwei Männern getroffene, in Form eines schriftlichen Vcr- trageS sestabgeschlossene Abmachung auf meuchlerische Ermordung des Schwiegersohnes de» einen der beiden Männer durch den anderen gegen aurbedungene hohe Bezahlung. Der liebevolle Schwiegervater, de eine der vertragschließenden Teile, ist der in WeiSkirchlitz wohnhafte vermögende PrtvatuS Lohse und derjenige, welcher dessen Schwiegersohn, den Mühlenbesitzer Lud- wig in Wtstritz durch Erschießen ermorden sollte, ist der in Turn wohnhafte Theaterdtener Franz Pfeiffer. Lohse lebte mit seinem Schwiegersöhne seit langem in Feindschaft — dessen Frau befindet sich wieder im Elternhause — und dieser Umstand, sowie die Anwart, schäft auf das Vermögen Ludwigs nach dessen Ableben sind die Beweggründe für den entsetzlichen Entschluß des verbrecherischen Schwiegervaters. Auf der Aus schau nach einem geeigneten Individuum, da» die Er. mordung des Schwiegersohnes besorgen sollte, wurde dem Schwiegervater von einem gewissen Wichtrei und einem anderen Manne namens Rett der obengenannte Theaterdiener Pfeiffer zugeführt und dieser und Lohse schlossen einen mehrere Seiten umfassenden Vertrag ab, dahingehend, daß Pfeiffer gegen eine Entlohnung von 2600 Kronen den Mühlenbesitzer Ludwig zu erschießen habe. Als Anzahlung leistete der mordlustige Schwieger, vater den Betrag von 250 Kr, den Pfeiffer, Wichtret und Reit untereinander teilten. Den Mordvertrag mit der Unterschrift des Schwiegervater- Lohse hatte der gedungene Mörder erhalten und er und seine beiden Komplicen benützten diese gefährliche Waffe, um von dem Schwiegervater weiter Gelo zu erpressen. Lohse, um sich von seinen Peinigern zu befreien ent. schloß sich schließlich, die Affäre selbst der Polizei an- zuzeigen. Diese nahm am Dienstag da» ganze Kon- sortium in Haft. Der Theaterdiener Pfeiffer, der die Mordtat ausführen sollte, behauptet, er habe nicht im Geringsten die Absicht gehabt, die ihm aufgetragene Mordtat au»zuführen, sondern er habe selbst die Straf anzeige bei der Staatsanwaltschaft gegen seinen Auf traggeber, den Schwie ervater PrivatuS Lohse erstatten wollen. — (DerReichStagSabgeordneteAugust Bebel) ist von einem schweren Schicksalsschlag be- . troffen worden. Seine Tochter, die Gattin de» kürz lich verstorbenen vr. Simon und selbst Aerztin, ist nach einer Meldung aus Zürich infolge diese» Todes falles geisteskrank geworden, so daß sie in ein Sana torium verbracht werden mußte. Bebel weilt zurzeit in Zürich — (Rudyard Ktpling) ist seit einigen Jahren einer der gelegensten Schriftsteller. Früher war er nur in England, seiner Heimat, bekannt; später in- teressterte sich auch der Deutsche Kaiser für Kiplings Werke und seit dieser Zeit hat auch das Glück bei ihm Einzug gehalten. Kiplings Werke sind jetzt all- gemein begehrt und der früher kaum bekannte Schrift steller bezieht von seinen Verlegern für jedes Wort ein Honorar von 3 Mark, worum ihn sicher viele andere Dichter und Denker beneiden werden. St. Gießen. (Blatternerkrankungen) In Utphe in ObcrhZsen sind mehrere polnische Arbeiter an den Blattern ertrankt. Die umfassendsten Vor- sicht»maßregeln sind getroffen. g Pie Starken und die Schwachen Noman von Herbert Rivulet. (Freifrau G. v. SchliPpen buch.) (Nachdruck verboten.) Frau Veronika hatte Karl Tetleff und Mannerheim an einem Nachmittage ins Hotel befohlen, man wollte einen Ausflug nach Wannsee machen. Ter Leutnant hatte in letzter Stunde eine Entschuldigung gesunden, die Par tie nicht mitzumachen. Alvar stellte sich mit soldatischer Pünktlichkeit ein. Lck fand Vroni allein; Frau von Rech- linghausen hatte, geärgert d>n.M drs Sohnes Absage, den Plan anigegeben und wa: Ls >en gefahren. Ihre Tochter schuhte Kopfweh vor und blieb zu Hause. „Lege Dich hin," sagte die Matter, „wenn Manner- Heim kommt, so laß ihm sagen, daß nichts aus dem verab redeten Ausfluge wird." Kaum hatte Alvar die Tür des Hotelzimmers hinter sich geschlossen, so flog Vroni mit einem unterdrückten Jubelrnf auf ihn zu und schmiegte sich in Oie Arme des jungen Mannes. „Endlich ljabe ich Dich allein!" rief iie leidenschaftlich und küßte ihn wieder und wieder. „O! dieser ewige Zwang war schrecklich, ich hielt es nicht länger aus, Ge liebter!" „Vroni!" sagte Alvar, sich aus den Armen des jungen Mädchens sanft, aber entschlossen befreiend, „ich bin gekommen, um Abschied von Dir zu nehmen, morgen geht mein Urlaub zu Ende. Es ist gut, daß ich Tich vor her sehe, und zwar allein, ich habe Dir viel zu sagen." „Wie ernst Tu anssiehst, ich könnte fast Angst vor Dir haben," lachte das junge Mädchen. „Es ist auch etwas sehr Ernstes, nm das es sich han delt. Sieh einmal, Kind, wir sind so töricht gewesen, uns unsere gegenseitige Liebe zu gestehen, obgleich wir noch beide zu jung sind und an eine Heirat erst nach Jahren zu denken ist. Ich muß zu meinem Studium einen freien Kopf und ein ruhiges Herz haben, deshalb! bitte ich Dich, betrachte Tich als srei!" Vroni trar einen Schritt zurück.' «ie grub die klei nen, spitzen Zähne in die Unterlippe, und eine böse Falte verunstaltete ihre glatte Stirn. „Tas sagst Tu mir— mir," kam cs zischend hervor, „ach! und ich habe Ach vom ersten Augenblick an geliebt." Sie warf sich auf einen Stuhl und brach in Tränen aus. „Was kann ich Dir bieten," sagte Alvar traurig, „ich ziehe den blauen Rock der Dragoner aus und ergreife einen Lebensberuf, der Deiner Sphäre fern liegt." „Wieso?" fragte sie, „Tu wirst doch wohl Rechtswis senschaft studier«: oder sonst irgend etwas, was Deiner würdig ist?" „Ich werde Architekt," lautete Alvars Erwiderung. „Architekt!" rief Vroni, ebenso entsetzt wie Karl Tetleff. „Ja, da ich in diesem Beruf etwas zu leisten hoffe." „Nun, und wenn ich mich darüber hinwegsetzte, wenn ich trotzdem warten will." Es lag jetzt wirklich ein treuer, aufrichtiger Ton in ihrer Stimme, so daß er sich warm berührt fühlte. Heiß guoll es in seiner Brust empor. „Wenn Tu mir treu bleiben könntest," sagte er lerse. „Ich werde es!" Sie sprang auf und umarmte ihn. „Wirst Tu mich nicht vergessen?" flüsterte sie. „Mir ist es mehr, als ein flüchtiger Rausch, Vroni, verstehe mich recht, ich will keine Heimlichkeiten. Du sollst mir nicht,schreiben, ich will es auch nicht tun, wir sind srei, das biu ich Deinen Eltern schuldig. Und nun lebe wohl, Karl Detlefs sagte mir, daß aus dem Ausfluge nach Wannsee nichts geworden ist. Ich will gehen; es ist besser für Dich, besser für mich. Und bin ich mmt ein Artiger Mann, so will ich wiederkehren und um Dich werben." „Ich kann nicht von Dir lassen, Alvar," schluckte Vroni außer sich und wollte ihn umklammern. Leise, aber mil fester Hand loste er sich von ihr. „Lebe wohl und Gott behüte Dich," sagte er, dann vxrr er gegangen. Sie stand wie beraubt mitten im Zimmer, dann eilte sie zum Fenster und sah ihm nach, aber sie er blickte ihn nicht mehr unter dem Gewühl der Passanten. — In der Villa des Bankiers Gerber fand am folgenden Tage das Tiner stark, zn dem die beiden Rech- linghausens geladen waren. Heut' war Klara womöglich noch befangener gegen ihren Lischherrn. als bK der Visite des Leutnants. Karl Tetleff wußte nickt, was er mit dem jungen, schweigsamen Mädchen anfangen sollte. Emgedenk der Bitte seines Paters gab er sich die größte Blühe, liebenswürdig zu sein, aber alle seine Anstrengun gen waren eitel, Fräulein Klara saß mit niedergeschlage nen Augen da und machte einen so langweiligen Eindruck, daß der Leutnant sich sagte: „Sie ist zu dumm, um noch weiter beachtet zu wer den." Das Tiner bestand aäs lauter Telikatessen, die teuer sten Weine wurden aufgetischt; dabei nannte Gerber die Preise, was seine Gäste äußerst peinlich berührte. Frau Minna Gerber überflutete Karl Tetleff mit einem Wortschwall, da ihre Tochter so schweigend neben dem Gaste saß. Karl Detlefs bemerkte, daß Klara einige- mal zusammenzuckte und verlegen wurde, als die Takt losigkeiten und das Protzentnm ihrer Eltern besonders heräustraten. „Wie?" dachte der jnnge Offizier, „sollte sie feiner empfinden? Ist es ihr peinlich, anhören zu müssen, wie ihr Vater und ihre Mutter mit ihrem Gelde dicke tun?" Unwillkürlich fühlte er sich weniger von der Tochter der unsympathischen Eltern abgestoßen und fing wieder an, mit ihr zu sprechen. Lag vielleicht etwas Freund liches in seiner Stimme, oder hatte Klara die erste Be fangenheit überwunden, kurz, sie wagte es, aufzublicken und antwortete verständig. Nach und nach unterhielten sie sich sogar recht gut. Karl Tetleff bemerkte, daß das Gesicht des jungen Mädchens eigentlich einen gewinnen-