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Nr. 33. PrtUnitzer Wochenblatt. — Dtenrtag, den 19. März 1313, Sette S. OsrtNcdss unv Sücbsifcdss. 8. L. K. (Hauswirtschaftliche Frauenbildung) wird jetzt von allen Seiten gefordert; auch die Bestimmungen, die das gegenwärtig dem Landtage zur Beratung vorliegende Volksschulgesetz über die Mädchenfortbildungsschulen enthält, be wegen sich in diesen Bahnen. Es ist in der Tat nicht nur für die Eltern, sondern für unser ganzes Volk von höchster Bedeu tung, daß unsere Töchter zu tüchtigen Hausfrauen herangebil det werden. Die Möglichkeit dazu ist auch den Eltern, die nicht die Mittel für den Besuch einer kostspieligen aufzubringen ver mögen, geboten, wenn sie sich entschlichen können, ihre Töchter einen Dienst annehmen zu lassen. Vom „dienen" will man freilich leider heutzutage in einem falschen Drange nach Frei heit oft recht wenig wissen. Und doch haben gerade in einem Dienste die Mädchen die beste Gelegenheit, alles das zu lernen, was. sie später als Hausfrauen an praktischen Kenntnissen brau chen, ganz abgesehen davon, daß sie als Dienstboten im Hause einer guten und gewissenhaften Herrschaft vor mancher lei sittlichen Gefahren geschützt sind, die das Leben in der Fa brik, im Geschäft n. mit sich bringt. Möchten doch recht viele Eltern, die jetzt wieder vor der Frage stehen, wie sie ihr Kind nach der Konfirmation sich sein Brot selbst verdienen lassen sollen, zu der Einsicht kommen, dah sie aufs beste für die Zu kunft ihrer Tochter sorgen, wenn sie dieselbe einen geeigneten Dienst antreten lassen. Einen solchen zu beschaffen, werden z. B. dielMarthaheime, die in allen gröberen Städten zu finden sind, genbehilflich sein. — (Postanstalt aus der vastes.) Am 1. April wird die Postagentur auf der Bastei wieder eröffnet; sie nimmt auch Telegraphen- und Fernsprech- Der schütz der Arbeitswilligen. Durch die bedauerlichen mancherlei Ausschreitungen und Ruhestörungen, welche der gegenwärtige Streik der Bergleute im Ruhrrevier bereit» im Gefolge ge habt hat, ist dar öffentliche Interesse erneut dem nicht unwichtigen sozialen Problem des Schutzes der Arbeitswilligen bet AvSstandSbewegungen zugelenkt worden. Speziell der deutsche Reichstag hat sich so eben erneut in mehrtägiger Debatte, hervorgerufen durch die Zentrumsinterpellation über den Bergmann-- streik im Ruhrrevier, mit diesem Thema beschäftigt, und es muß da betont werden, daß sich hierin alle bürgerlichen Parteien, selbst die Fortschrittliche Volks» partet trotz ihres Kokettierens mit den Forderungen der ausständigen Bergleute nicht ausgeschlossen, in der Ansicht zusammenfanden, es müsse den arbeitswilligen Elementen unter den streikenden Bergleuten unbedingt der Schutz des StaateS zur Ausübung ihres Rechtes auf Arbeit zuteil werden. Nur die sozialdemokratischen Redner leugneten — man kann wohl sagen: selbst- verständlich — die Notwendigkeit eines solchen Vor- gehen- der staatlichen Gewalt und vertraten überhaupt vollständig die Sache der Streikenden; indessen ist diese Haltung der Sozialdemokraten im Reichstage von ihrem besonderen Standpunkte aus ja vollkommen erklärlich. Wenn nun auch erfreulicherweise unter den bürgerlichen Fraktionen des Reichstage» durchau» Uebereinsttmmung betreffs des Schutzes der Arbeits willigen hervorgetreten ist, in welchem Sinne sich ja auch die Regierungsvertreter, voran der Staatssekretär de- Reichsamtes de» Innern vr. Delbrück, geäußert haben, so hat indessen diese ausgedehnte ReichStagS- verhandlung doch kein greifbare- praktisches Resultat ergeben, weil eben bei einer zweckentsprechenden Lösung der Frage des Schutzes der Arbeitswilligen ganz be sondere Schwierigkeiten zu überwinden sind. Sie liegen darin, daß das Koalitionsrecht der Arbeiter und ihr Recht zum Streiken bei einem scharfen Vorgehen der Staatsgewalt zum Schutze der Arbeitswilligen in Konflikt zu kommen droht und daß sich hieraus ge» Zum Wechsel in der Leitung des Neichsschahamtes. Staatssekretär Adolf Wermuth trat von seinem Posten zurück. Unterstaatssekretär Hermann Kuhn wurde zum Staatssekretär des RcichsschatzamIcS ernannt. Zum wechsel im deut schen Reichsschahamt. Der Staatssekretär des Reichsschatzamtes Erzellenz Adolf Wermuth ist von sei nem hohen Amte, das er seit dem Jahre 1909 innehatte, zurückgetreten. Der um die Gesundung der Reichsfinan zen hochverdiente Staatsse kretär ist 57 Jahre alt. Er steht seit dem Jahre 1876 im Staatsdienst. In den Jahren 1883—1908 gehörte er dem Reichsamt des In nern an, zuletzt als Unter staatssekretär und Wirklicher Geheimer Rat. Der neue Staatssekretär des Reichs schatzamtes Kühn steht seit dem Jahre 1874 im Staats dienst. Nachdem er Neferen- dar, Gerichtsassessor und Kreisrichter in Köslin gewe sen war, kam er im Jahre 1879 als Amtsrichter nach Marggrabowa. Von dort wurde er dann nach Rügen- walde versetzt. Im Jahre 1883 schied Kühn aus dem Justizdienste und wurde Ju ¬ stitiar bei der Provinzial steuerdirektion in Stettin. Nachdem er noch einige Jahre als Oberzolltnspektor in Thorn und als Regierungsrat bei der Pro vinzialsteuerdirektion in Berlin gewirkt hatte, trat der verdiente Beamte zum Reichsschatzamt über, wo er zunächst als vortragen der Rat fungierte. Im Jahre 1905 wurde der Geheime Oberregierungsrat Kühn — diesen Rang bekleidete er seit 1896 — zum Direktor im Reichsschatzamt befördert. Bei der Beratung der Finanzreform erwarb er sich große Verdienste. Im Januar 1910 wurde er zum Unterstaatssekretär ernannt. Der neue Leiter der Reichsfinanzen ist ohne Zweifel ein hervorragender und sach kundiger Fachmann, der bei den Debatten über die Finanzreform auch viel parlamentarisches Geschick gezeigt hat. spannt« Situationen ergeben können. Und dann ist auch die Frage nicht leicht zu beantworten, welche ge eigneten Maßnahmen zum Schutze der Arbeitswilligen ergriffen werden sollen, ob hierzu einfach verstärkte Maßnahmen polizeilicher Natur genügen, ob die Hilfe de» Militär» htnzugenommen werden soll, wie die- ja jetzt beim Streik der westfälischen Bergleute in einem Teile de» Streikgebiete» geschehen ist, oder ob vielleicht besondere grsetzgeberische Maßnahmen in Betracht zu ziehen sind. Diese» letztere Hilfsmittel dürfte indessen wohl am meisten Bedenken erregen, denn alle Au», nahmegefetze haben zwei Seiten, und auch ein beson- derer Gesetz zum Schutze der Arbeitswilligen würde sich doch nur al» eine Art Ausnahmegesetz darstellen, da» in den Kreisen der streikenden Arbeiterschaft nur steigende Erbitterung Hervorrufen würde. Regierungs seitig ist denn auch bei den Reich-tagSdebatten über den Schutz der Arbeitswilligen die Frage eine» beson- deren gesetzgeberischen Vorgehen» zu diesem Zweck gar nicht weiter berührt worden, vielmehr haben die Re gierungsvertreter der Meinung Ausdruck verliehen, daß im allgemeinen zur Erreichung de» gewollten Zweckes verstärkte polizeiliche Maßnahmen genügen würden. Man kann nur lebhaft wünschen, daß die weiter« Entwickelung der Dinge bei dem jetzigen Berg- mannSstreik im Ruhrrevier dieser ministeriellen Auf fassung recht geben und da» auch da» stattgefundene militärische Eingreifen nur eine vereinzelte Aktion bleiben möge. Hoffentlich besinnen sich aber auch die streikenden Bergleute auf sich selbst und lasten sie sich nicht mehr von den skrupellosen Hetzereien fragwürdiger Elemente betören! Dresdner Prodnkten-Börse, 18. März. — Wetter: Rauh. Stimmung: Behauptet. — Um 2 Uhr wurde amtlich notiert: wetten, brauner neuer, 79—80 Kilo, 209—210 M, do. neuer 76 bis 78 Kilo, 204—208 M, russischer, rot, 245-249 M, Ar- gentinier 247—250 M, Manitoba 246—249 M. Roggen, sächsischer, neuer 72—75 Kilo, 183—189 M, Sand do. do. 72 bis 75 Kilo, 186—192 M, preußischer, neuer — russischer 199-201 M. Gerste, sächsische, neue 213-215 M, schlesische 221—226M, Pose- ner 221—226 M, böhm. 236—241 M, Futtergerste 178—181. Hafer, sächsischer, alter M, do. do. neuer 208—212 schlesischer neuer 208—212 M, russischer loco 204—207 M. Mai» Cinquantine alter M, do. neuer 180—187 M, Rundmais, gelb, M, do. neuer 172—180 M., am. Mired-Mais 180-183 M, La Vlata, gelber M. Erbsen Saat und Futter 195—205 M. Wicken 230-240 M. Buchweizen, inl. 215—225 M, do. fremder 215-225 M. Leinsaat, feine 345—855 M, mittlere 825—835 M, Laplata 836—340 M, Bombay — M. «ÜbSl, raffiniertes 68 M. Rapskuchen (Dresdner Marken) lange 13,60 M, runde — M. Leinkuchen (Dresdner Marken) 1 22,50 M, II 22,00 M. Mals, 35,00-37,00 M. Weizenmehle (Dresdner Marken) l Kaiserauszug 36,00—36,50 Grießlerauszug 35,00—35,58 M, Semmelmehl 34,00-34,50 Bäckermundmehl 32,50-33,00 M, Grießlermundmehl 24,60 bis 25,50 M, Pohlmehl 20,00-21,00 M. Roggenmehle (Dresdner Marken) Nr. 0 28,00—28,50 M, Nr. 0/1 27,00-27,50 M, Nr. 1 26,00—26,50 M, Nr. 2 23,50 bis 24,50 M, Nr. 3 21,00-22,00 M, Futtermehl 15,80 bis 16,40 M. W-Henkleie (Dresdn. Mark) grob 14,20-14,60 fein 13,60-14,00 Roggenkleie (Dresdner Marken), 14,20—14,60 M. produkton-vürs«! Der Markt war sehr still. Weizen wurde im Verlaufe auf erneut höheres Angebot leicht befestigt, sonst waren keine Veränderungen zu verzeichnen. Rüböl lag ruhig. Dahn mit- „Jst das an mich?" „Jawohl! An den Herrn Kommissar Haller! „Gut!" Ter Diener verließ das Bureau wieder. Haller öffnete das Kouoert und las den Brief. sagte er ruhig: „Es betrifft den Mord an Sophie Strebl!" „Ach! Ist es etwas wesentlich Neues?" „Doch! Ich lese den Brief vor!" „Ich höre!" „Herrn Kommissar Haller! Ich muß Ihnen 18. Kapitel. „Ich habe nun Sie angehört, Herr Untersuchungs richter, und auch Sie, Herr Kommissar! Ich kenne also die ganze Sache nur so aus Ihrer Erzählung! Ta kann ich vorerst noch nicht viel sagen!" Lindström hustete. Er saß auf einem Stuhl uüd hatte sich die ganze Affäre von Anbeginn erzählen lassest. Haller hatte das telephonische Gespräch berichtet, die letz ten Worte des Toten. Tann erfuhr er die angebliche Ueberführung des Fritz Merk und zuletzt des Buchdrucker Ferdl. Nach dieser Schilderung detaillierte Maran bis in das Einzelnste die Ueberführung Gerlach's. Lindström hatte den beiden bis zum Schlüsse zugehört, ohne sie auch nur einmal zu unterbrechen: er wollte jede Darstellung in ihrer Einzelheit auf sich wirken lassen, um dann darnach urteilen zu können. In dem starren Gesicht des zusammengeschrumpften Männchens war nicht zu erkennen, welche Gedanken er hegen mochte. Er begann wiederum: „Also ich mutz mich vorerst nur auf Ihre Erzählungen reits verhaftet! Dieser kann es also auf keinen Fall ge wesen sein!" „Allerdings nicht!" „Aber Erich Gerlach kann wiederum dort gewesen sein!" „Kann! Möglich!" Abermals wurde das hastig geführte Gespräch unter brochen und gestört. An der Türe ließ sich ein leises Pochen hören. Auf einen Ruf öffnete sich diese und in das Bureau trat der schon vielgenannte Detektiv Lindström. Mit blinzelnden Augen sah er auf den Richter und den Kommissar und fragte dann mit seiner krähende» Stimme: „Haben Sie nun den schweren Fall glücklich zu Ende geführt?" teilen, daß erst wieder jener Bursch da war und nach der Sophie gefragt hat. Ich habe ihn selbst nicht gesehest, denn mein kleines Mädchen war da. Ich habe hernach solche Angst bekommen, denn wie leicht hätte er auch diese ermorden können. Meine Angst werden Sie wohl Er greifen! Als mein Mädchen ihm fagte, die Sophie sei tot und die Polizei wäre dagewesen, da soll er sehr er schrocken und gleich fortgegangen sein. Er war am letzten Mittwoch bei mir. Ihre Frau Huber, Wilhelmstraße in Neu-Weißensee!" „Sehen Sie doch!" begann sofort der Untersuchungs richter. „Hier bekommen wir wieder eine Zeugin! Wenn wir diesen Gerlach mit der Frau gegenüberstellen, so muß sie ihn erkennen!" „Tas ist nicht gerade ein Muß! Zu mir sagte die Frau, als ich bei ihr war, sie habe den Burschen zu wenig beachtet und würde ihn nicht wieder erkennen. Diesmal war nicht sie selbst, sondern ihr Mädchen zuhause! Diese ist erst 8 Jahre alt und kommt als Zeugin nicht in Be tracht! Ein Kind ist zu stark beeinflußt und wird bei zehn Fällen in mindest vier einen falschen bezeichnen!" „Tas ist allerdings richtig! Tann dient uns diese Aussage überhdupt nichts!" „Kaum!" „Aber doch etwas!" „Am letzten Mittwoch war der Buchdrucker Ferdl be- - verlassen! Sie wissen doch noch, Herr Kommissar, wie ich zu Ihnen sagte, nur nicht durch ein Gefühl nach Rache sich Hinreißen lassen. Den Fehler haben Sie begangen! So kamen Sie schon von Anbeginn auf eine falsche Fährte und konnten deshalb nicht wieder davon abkommen! Ja! Ich sagte auch, das ist die größte Gefahr, wenn ein Ver brechen einfach erscheint, weil so viele Möglichkeiten "zur Lösung gegeben sind! Statt von Anbeginn jede Mög lichkeit zu sondieren, sind Sie gleich der ersten Spur nach gefolgt! Fritz Merk war nicht der Mörder und konnte es nicht sein!" „Das habe ich selbst auch gefunden! Aber der Buch drucker Ferdl?" „Sie haben ja alles getan, was in Ihrer Macht stand!" fuhr Lindström wieder fort. „Aber er kann es ebenso rvenig sein! Bei diesem «fehlt das Motiv zur Tat. Hätte dieser einen Raubmord ansführen wollen, so hätte es dieser geriebene Verbrecher, ein routinierter schwerer Junge, sicherlich nicht zu solcher Stunde begangen. Und Vann! Er hätte den Raub nicht durch Wegnahme der Brieftasche begonnen. Diese Tasche und die Maske hat er schon gefunden! Gerade das Wegnehmen der Brief tasche beweist, daß Papiere der Grund zu dieser Tat waren, um so mehr, als doch im Zimmer der Sophie Strebl welche verkohlt und kurz vorher verbrannt vor gefunden wurden. Tann kann der Buchdrucker Ferdl schon deshalb nicht die Tat begangen haben, weil er be reits verhaftet war, als dieser Fremde, dieser Unbe kannte, das zweite Mäl diese Sophie Strebl aufsuchen wollte!" „Gut! Ich gestehe also zu! Es ist keiner von diesen beiden der Mörder! Aber wer sonst?" Sowohl Maran wie Haller mußten zugestehen, daß Ihnen dieser alte, kleine Mann entschieden überlegen war. Er sprach so fachlich und so bestimmt, daß sich gegen keines seiner Vorhaltungen ein Einwand erheben ließ.