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Pulsnitzer Mckendlatt Mittwoch, 27. Dezember Beilage zu Nr. 154. 63. Jahrgang. August Seorg Scdwelnkurlb, der weltberühmte deutsche Afrikaforscher, begeht am 29. Dezember seinen 7b. Geburtstag. Der große Pionier ist ein geborener Ri- gaer. Nachdem er an verschiedenen deutschen Universitäten Natur wissenschaften studiert hatte, ging er im Jahre 1864 zum ersten mal nach dem Su dan. Im Jahre 1868 entsandte ihn die Berliner Aka demie nach Zentral afrika. Nach Voll endung dieserReise ließ sich Schwein- furth in Kairo nieder, wo er die geographische Ge sellschaft gründete und das Institut leitete. Er setzte aber auch in jenen Jahren^ seine. Rei- sen^fort, erforschte die Wüsten Aegyp tens und Arabiens, besuchte dreimal Abessinien und an dere afrikanische Gebiete. Das Re sultat dieser For- schungen war, daß gar viele „weiße Flecke" von der Karte Afrikas ver- schwanden und daß die Wissenschaft wichtige Aufschlüsse über die botani schen, geologischen und ethnographischen Verhältnisse jener Länder erhielt. Das Hauptwerk des Forschers „Im Herzen von Afrika" ist in 73 verschiedenen Sprachen verbreitet worden. Jetzt lebt Professor vr. Schweinfurth, dem eine große Zahl der höchsten Ehrungen widerfahren sind, abwechselnd in Aegypten und in Berlin. OertUcbes unv Sücbfifcbes. — (Neu« Verordnung im Interesse der Arbeiterinnen und jugendlichen Arbeiter.) Nach einer reichsgesetzltchen Bestimmung, die schon am 1. April 1912 in Kraft treten wird, dürfen Arbeiterinnen und -jugendlich« Arb«tt«r »ur Skttben- schwemmen, der Rübenwäschen und der Fahrstühle, sowie zum Transport der Rüben und Rübenschnitzel in schwer zu bewegenden Wagen nicht verwendet werden. Es darf ferner im Füllhause, in den Zentrifugenräumen, den ChristaMsationSräumen, den Trockenkammern, den Maisch, räumen, den Räumen zu Decken de» Brotzucker», den Nutschräumen, den Trockenanlagen, der Strontianziege- leien sowie an anderen Arbeitsstellen, in welchen eine außergewöhnlich hohe Wärme herrscht, Arbeiterinnen und jugendlichen Arbeitern während der Dauer de» Betriebe» eine Beschäftigung nicht gewährt und der Aufenthalt nicht gestattet werden. In denjenigen Räumen, in welchen Arbeiterinnen oder jugendliche Arbeiter beschäftigt werden, ist an geeigneter Stelle eine Tafel aufzuhängen, welche in deutlicher Schrift die vorstehenden Bestimmungen bekannt gibt. — (Die Sitte, Neujahrrkarten zu ver. senden), hat in unserer Zeit eine gewaltige Ausdehnung erfahren. Millionen von Neujahrskarten werden auch in den nächsten Tagen wieder zur Versendung gelangen. Und es ist wirklich eine schöne Sitte, mittels einer Karte seinen Freunden und Bekannten zum Ausdruck zu bringen, daß man ihrer immer noch gedenkt, daß man ihnen da- Beste im neuen Jahre wünscht. — (Briefmarken beizeiten kaufen!) Beim Herannahen de» Jahreswechsels ist wiederum darauf aus. merksam zu machen, daß e» sich dringend empfiehlt, den Einkauf der Freimarken für NeujahrSbrtefe nicht bis zum 31. Dezember zu verschieben, sondern schon früher zu be- wirken, damit der Schalteroerkehr an dem genannten Tage sich ordnungsmäßig abwickeln kann. Auch liegt es im eigenen Interesse des Publikums, daß die Neujahrsbriese frühzeitig ausgeliefert werden, und daß nicht nur auf den Briefen nach Großstädten, sondern amF nach Mittelstädten die Wohnung des Empfängers angegeben werde. Für Berlin ist außerdem die Angabe des Bestell» Postamtes dringend erwünscht. Verzeichnisse der Straßen und Plätze Berlins mit Angabe der Bestellpostanstalt wer- den an allen Postschaltern sowie durch die OrtS- und Landbrtefträger zum Preise von 5 Pfg. verkauft. — (Muß ein Stammseidel einen Füll strich haben?) Ja! Sobald das GlaS im bewerb», mäßigen Betriebe der Schankwirtschaft in Gebrauch ge- nommen, also Bier darin verkauft wird. Der Umstand, daß da» Stammseidel Eigentum de» Gaste» ist, ändert hieran nicht». Stammseidel, die im gewerbsmäßigen Betriebe der Schankwtrtschaft in Gebrauch genommen werden, unterliegen ohne Füllstriche der polizeilichen Entziehung, gleichviel, ob sie Eigentum de» Gaste» oder de» Wirtes sind. Dagegen haben Stammseidel, in denen ein Wirt den Mitgliedern seines Hausstande», seinem Gesinde oder sonst ohne Entgelt Getränke verabfolgt, einen Füllstrich nicht nötig. — (Flotte.) Einst und setzt — so betitelt sich ein fesselnder Aufsatz in der Dezember-Nummer der „Flotte". Mit wenigen markanten Strichen zeichnet er ein Bild der ungeheueren Bewegung, die von dem Einst der mehr oder loentger avgegrenzten Bolkewtrtscyaften zu dem Jetzt der allgemeinen Weltwirtschaft geführt hat, an der unbe. hindert Anteil zu nehmen heute eine Lebensfrage für alle großen Völker bedeutet. Wie gegenüber dieser unbestreit baren Tatsache der Anspruch eines einzelnen Volk» auf die Oberherrschaft über den Ozean, den wichtigsten Trä ger der Weltwirtschaft, zu unerträglichen Zuständen führt, da» ist im deutschen Volke verhältnismäßig spät erkannt worden; noch nie vielleicht in solchem Maße wie in den letzten Monaten, in denen England im Vertrauen auf seine übermächtige Flotte eine Sprache führte, die zu dul- den Deutschland nicht willens ist. Zahllos waren die Kund, gedungen der Unwillen- in allen Kreisen des deutschen Volke». Auch der Flottenverein konnte an diesen Fragen nicht achtlos oorübergehen, zeigten sie doch unwiderleglich die Berechtigung seiner auf die Befestigung der Lücken unserer Seerüstung gerichteten Bestrebungen. Wie unter der Rubrik „Flottenschau" näher berichtet wird, wurde von 983 Versammlungen der Ortsgruppen desselben an den Reichskanzler die dringende Bitte gerichtet, die Be schleunigung unsere» Flottenbaues in die Wege zu leiten, um angestcht» der gegenwärtigen Mächtegruppen unsere» Volker Zukunft zu sichern. Die übrigen Aufsätze des reich illustrierten Heftes behandeln den prächtigen Bilderschmuck, mit dem die thüringischen Flottenvereine ihr Patenkind S. M. S. „Thüringen" bedacht haben; ferner eine Reise nach dem Lande der Fjorde und Gletscher, in das der Verein im nächsten Sommer seine Mitglieder zu führen gedenkt; eine Ueberstcht über die plattdeutsche Dichtung, soweit sie sich mit der See beschäftigt und endlich da durch Herzsche Wellen au» der Ferne gelenkte und betä- tigte Boot de- Erfinders CH. Wirth. — (Nicht ab g eh ob e n er Lotteri e g ewi nn.) Das Sekretariat de» Dresdener RennvereinS gibt bekannt, daß ein größerer Hauptgewinn der XVII. Sächsischen Pferde- zucht-Lotterie (Ziehung am 6. und 6, Dezember) bis heute noch nicht abgehoben worden ist. LautVerlosungSbestimmun- gen ist das betreffende Gewinnlos am 30. Dezember verfallen. Leipzig. (Die vierte Million.) Die für da» Völkerschlachtdenkmal gesammelten und sonst vereinnahm- ten Gelder haben jetzt die vierte Million überschritten. Da- Recht d«r Namensnennung im Innern des Denk^ mal» erwarben sich bisher 990 Personen. — Interessant' Zahlen werden jetzt vom Dölkerschlachtdenkmal milgeteilte In dem 60 Meter breiten Rtesenrelief am Denkmal sieht, man, rechts und links von der Figur St. Michael, Furten, die über da- Schlachtfeld schweben. Stehend gedacht ha- den diese Gestalten eine Höhe von 12 Metern, was also beinahe der Höhe eine» dreistöckigen Hauses gleichkommt. Die Schrift über dem großen Relief „Gott mit uns" hat eine Buchstabenhöhe von 1.80 Meter. Zu jedem solchem Buchstaben war ein Steinkoloß von etwa 100 Zentnern erforderlich. Die Wächterftguren am Zinnenkranz des Denkmal» messen der Höhe nach ungefähr 12 Meter; der Kopf allein ist ziemlich 1,60 Meter hoch. Mit dem Lö- wenkopf zusammen, auf dem die Wächter stehen, haben diese eine Höhe von etwa 14 Metern. Ein Wächter hat da- ansehnliche Gewicht von 4000 Zentnern. Noch be- beutender sind die Maße der vier allegorischen Figuren in der Galerie über der Krypta. Eine solche Figur, zu der an die 100 Granitblöcke erforderlich sind, wiegt rund gerechnet 5000 Zentner. Vermisstes. * (Da» Kollier au» — Fingernägeln.) In einem Goldschmiedegeschäft zu Koblenz ist eine goldene Brosche ausgestellt, die außer mit Brillanten auch mit mehreren verschiedene Zentimeter langen — Fingernägeln besetzt ist. Sie soll vielleicht als sinnige» Weihnachtsge schenk Verwendung finden. Damit man auch weiß, daß es wirklich Fingernägel sind, ist ein Zettel betgelegt, der es ausdrücklich bestätigt. Natürlich lassen sich Fingernä- gel höchst stilvoll aus allerlei Schmuck anbringen, und der Erfindung neuer Formen und Fassungen ist ein wet- teS Feld geboten. GS ist auch anzunehmen, daß die Mode —» Nus erster GHe. 4— Roman von H. CourthS-Mahler. Sb (Nachdruck verboten.) In WolterSheim ivar in den nächsten Tagen alles in Unruhe und Aufregung, wie vor einem großen Ereignis. Die Kunde von Evas bevorstehender Reise »ach Berlin und zu welchem Zweck sie unternommen wurde, hotte einen tiefen Eindruck auf die Familienmitglieder ge- macht. Der Hausherr war still und in sich gekehrt. Mehr als sonst zog er sich auf sein Zimmer zurück. Das Auf lauchen seiner ersten Frau hatte ihn aus dem.seelischen Gleichgewicht gebracht. Er wußte nicht recht, wie er sich sazu stellen sollte. Nur eins Ivar ihm gewiß: ein Wie- dersehen mit ihr mußte er unbedingt vermeiden. Nicht weil er ihr irgend welchen Groll entgegenbrachte. Daß sie ihm davongelaufen Ivar und sich nie um Eva gekümmert l)atte, darüber durfte er nicht richten. Hatte er doch in letzterer Beziehung selbst sehr viel gesündigt. Aber ein ^Wversehen wäre furchtbar peinlich gewesen, schon seiner Gattin Wege,,. Deshalb war er sehr froh, daß die Gene ralin Eva zu iyrer Mutter begleiten wollte. Frau Helene nicht minder erregt wie ihr Gatte. Leine erste Fran hatte bisher eine sehr untergeordnete Rolle in ihren Augen gespielt. Die in Amerika ver schwundene Schauspielerin war ihr nur deswegen fatal, weil sie eine Tochter hinterlassen, die legitime Rechte an ihren Vater hatte. Nun war diese Dame plötzlich eine Persönlichkeit, mit der man rechnen mußte: denn der Glaih; ihrer Millionen würde sich bis nach Woltersheim und Herreufelde erstrecken. Ihr Geld würde das Her- renfelder Majorat zu neuem Glanze erheben, wenn Eva Götz Herrenfeldes Gattin wurde. Auch Eva selbst war jetzt für sie eine wichtige Per sönlichkeit geworden. Was hatte dieses unbeholfene, scheue Ting im Verlauf eines halben Jahres für Wand ¬ lungen durchgemacht. Und Götz Herrenfelde, den sie lvegen seiner törichten Leidenschaft für Eva gescholten, er hatte nun doch eine glänzende Partie gemacht. Wenn man den Ausführungen der Generalin Glauben schenken durfte, Ivar sein Lebensschiff bald flott gemacht. Und die Generalin war trotz ihrer Impulsivität eine verläßliche und vernünftige Frau, der man vertrauen durfte. Frau Helene zog klug in Erwägung, daß Götz Herrenfelde später dann wohl efivas für Silvie tun konnte, wenn das Majorat wieder ertragsfähiger war. Auf Fritz setzte FraU-Helene keine großen Hoffnungen mehr, wenn sie auch Silvie nicht entmutigen wollte. Er erschien Silvies Bemühungen gegenüber gar zu zurückhaltend. Am unbefangensten und herzlichsten freute sich Jutta und Fritz an Evas Glück. Jutta half Eva eifrig bei ihren Reisevorbereitungen. Die Generalin wollte schon in den nächsten Tagen nach Berlin zurückkehren. Abge sehen von ihrer Mission, war sie für ihre Armen sehr in Anspruch genommen. Weihnachten stand Sicht vor der Tür. Eva hatte ihrem Vater gebeichtet, daß sie mit Jutta in Herrenfelde gewesen war. Sie bat ihn so lange, Götz herbeizurufen, ehe sie abreiste, bis er einwilligte. Götz kam schort. Seine Begrüßung mit Tante Maria fiel etwas gezwungen aus; aber die Generalin stand über der Situation und half ihm über die Klippe hinweg. Götz durfte dann einige Worte mit Eva sprechen und durch Juttas Beihilfe wurden ihnen sogar einige Minuten des Alleinseins beschert. In eine offizielle Verlobung willigte Herr von Wol tersheim auch jetzt noch nicht. Erst sollte Eva zu ihrer Mutter reisen und mit ihr Rücksprache nehmen. Gab diese das nötige Kapital, dann wollte er gern die Ver bindung der beiden Liebenden gutheißen. Als Götz mit Eva allein war — Jutta hatte Fritz mit sich in das Ne benzimmer gezogen, und dort standen sie Wache — sagte er zärtlich und ernst: „Eva — wirst Du auch nie bereuen, mir Deine Liebe geschenkt zu haben? Tu bist jetzt vielleicht eine der glän- zenSsten Partien und hättest wohl die Wahl unter den vornehmsten Kavalieren. Wird Dir der arme Götz Her renfelde nun nicht zu unbedeutend fein?" Sie legte ihm ganz erschrocken die Hand auf den Mund. „Wie kannst Du so sprechen, Götz? Der ganze Reich tum, Ser mir zufallen soll, freut mich doch nur, wenn ich Dir damit helfen kann. Was soll ich sonst damit? Ich weiß ja mit Geld gar nichts anzufangen." „Tas wirst Du bald genug lernen, Liebling. Sag mir eins, Eva: Wenn ich nun erst jetzt als Freier zu Dir gekommen wäre, nachdem die Nachricht von der Rückkehr Deiner Mutter und ihrem Reichtum eingetroffen war — hättest Tu auch dann jo freudig eingewilligt, meine Frau zu werden?" Sie sah sinnend vor sich hin. Dann blickte sie ihn mit ihren schönen, großen Augen offen an. „Eingewilligt hätte ich auch dann, um Dir helfen zu können. Aber so froh und glücklich wie jetzt wäre ich nicht geworden. Ich hätte dann immer denken müssen, Du hättest mich nur begehrt, um aus den .Sorgen um daS leidige Geld zu kommen." Er atmete gepreßt. „Und wenn ich Dir dann versichert hätte, daß ich Dich dennoch liebe, wenn ich Dir mein Ehrenwort gegeben hätte, daß ich es tue?" Sie schüttelte lächelnd den Kopf. „Tann hätte ich gedacht: „Er glaubt Dich zu lieben, weil Tu ihm helfen kannst. Wann wird er wohl mer ken, daß es gar nicht Liebe ist, was er für Dich empfin det?" Und dann hätte ich immer voll Angst darauf ge wartet." Er küßte sie so fest auf die Lippen, daß sie schmerzten. „Solch eine kleine Grüblerin bist Du?" fragte er dann leise.