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Pulsnitzer Wochenblatt Dienstag, 21- November 1911. Beilage zn Nr. 139. 63. Jahrgang. Was braucht unler NM? - (Bu ß ta g s g e d an ken.) Da» deutsche Volk braucht viel. ES braucht Kolonien für die überschüssige Bevöl kerung. ES braucht eine starke Flotte zum Schutz seines Handels. ES braucht tüchtige Staatsmänner am Ruder seines RegierungSschiffeS. ES braucht Ansehen im Rat der Völker, aber auch Frieden. ES braucht alles das, waS zum täglichen Brot gehört. Zu all dem braucht e» einen Buß» und Bettag. Den hat da» deutsche evangelische Volk sich selbst gesetzt, um dadurch auszudrücken-. Wir brauchen mehr als all die notwendigen Dinge zum Leben, wir brauchen Buße und Gebet. Man hat unter den Schutthaufen einer untergegan genen ägyptischen Stadt einen rührenden Brief gefunden, der von einem verlorenen Sohn an seine Mutter gerichtet ist. Er schreibt: „Ich habe mich geschämt, zu dir zu kommen, weil ich zerlumpt einhergehe. Ich schreibe dir, daß ich nackend bin. Ich flehe dich an, Mutter, versöhne dich mit mir Ich weiß, was ich mir alle» zugezogen habe. Ich weiß, ich habe gesündigt." Tief im Menschenherzen steckt doch die Erkenntnis: Ich habe gesündigt, noch tiefer das Verlangen nach Ver gebung. Fassen wir doch einmal die Tatsache des Buß- toges nicht als eine Liebhaberei der Kirchenmänner, die den Menschen ihre Sünden einreiben wollen. Horchen wir vielmehr auf die verborgenen Stimmen des Gewissens. Auch ein Volk hat ein Gewissen. Darum ist der Bußtag auS dem Bedürfnis des Volkes hervorgegangen. So ge faßt kann dieser Tag uns Segen bringen. Bet dem einzelnen Menschen ist eS so: Wenn er keine Vergebung hat, so schmeckt ihm sem Stück Brot bitter. Das gilt auch von der Gesamtheit, von unserm Volk: Wenn eS ohne Gott, ohne Schulderkenntnis, ohne Ver- gebung ist, waS soll dann die starke Flotte, was soll dann Wissenschaft und Technik und Kunst? Also kümmern wir uns nicht um das Gezeter der Dunkelmänner, aber ebenso wenig um die zynische Gottlosigkeit der Oberfläch lichen und Blasierten. Aber hinwenden wollen wir uns zu einem, der sein deutsche» Volk mit starkem, frommen Herzen lieb hatte, zu Luther und seinem ehrlichen Kate chismus: Vergib uns unsere Schuld, wie wir vergeben unsern Schuldigern! AiimmizMld aus dem Reichstage. Sitzung vom 18. November. So friedlich in den letzten Tagen die Wogen dahinplätscherten, heute gab es Sturm. Es kam zu einem Zusammenstoß zwischen Zentrum und Linke, nicht aber wegen der Schiffahrtsabgaben, sondern wegen des Konstanzer Wahlresultats. Herr Pfeiffer griff den neugewählten nationalliberalen Abgeordneten Schmidt per sönlich auf das heftigste an, was auf der Linken Entrüstungs stürme hervorrief. Schließlich kam man aber doch wieder zum Thema. Man behandelte die einheitlichen Tarife, wozu eine An zahl Abänderungsanträge vorlagen, die aber sämtlich abgelehnt wurden, mit Ausnahme eines Antrages Haußmann (Natlib.), der hinsichtlich Abgabensreiheit die Aller der Weser und Elbe gleich stellen will. Dann wird-noch eine Reihe von Paragraphen erle digt, als aber noch einige wichtige Artikel herankommen sollen, er hebt Herr Gothein Widerspruch und droht mit Anzweiflung der Beschlußfähigkeit des Hauses. Da bei der schwachen Besetzung das Resultat nicht zweifelhaft gewesen wäre, und man noch die Ge werbenovolle erledigen wollte, machte man gute Miene und setzte die fraglichen Artikel ab, bis die Schiffahrts-Vorlage in zweiter Lesung erledigt ist. Dann kam die Gewerbenovelle daran, wobei die Frage der Lohnbücher und deren Aufbewahrung eine lebhafte Kontreverse zwischen den bürgerlichen Parteien und der Sozialdemokratie brachte. Die übrigen Punkte der Novelle rour- den ohne sonderliche Debatte samt und sonders gemäß den Kom missionsbeschlüssen erledigt. Muß mm Ms einen Brief MlmMn? j. K. Zur Beurteilung dieser Frage gab ein Prozeß Veranlassung, der sich kürzlich vor dem Reichsgericht ab- spielte. Die,Sache lag so: B. halte 2 Wechsel, die er ausgestellt, mit dem Accept des Beklagten der Klägerin in Zahlung gegeben. Die Klägerin hatte dem Beklagten sofort davon Kenntnis gegeben. Hinterher stellte sich her aus, daß die Accepte gefälscht waren B. verfiel in Kon kurs und die Klage aus Zahlung der Wechselsummen ge gen den Beklagten wurde wegen der Fälschung abgewie sen. Nun klagte die Klägerin gegen den Beklagten, des- sen Frau die Schwester der Frau des B. war, weil er den Bries nicht beantwortet und ihr von der Fälschung sen worden, au» folgenden interessanten Gründen: Das Landgericht meint, daß dem Beklagten wegen seines Schweigens auf die Mitteilung der Klägerin ein Verstoß gegen die guten Sitten nicht zur Last falle. Das Ober landesgericht Marienwerder nimmt dagegen an, daß der Beklagte, der aus der Mitteilung der Klägerin erkannt habe, daß sein Accept gefälscht sei, nach Lage der Dinge gegen die guten Sitten verstoßen habe, weist aber aus anderen Gründen die Klage ab. Der Ansicht des Beru- fungSgertchteS kann nicht beigetreten werden. ES gibt Handlungen und Unterlassungen, die ohne Weiteres den guten Sitten widerstreiten. Dazu gehört jedoch da« Schweigen auf eine Mitteilung, wie sie dem Beklagten zugegangen ist, nicht. Niemandem kann eS verübelt wer den, geschweige zum sittlichen Tadel gereichen, wenn er einen anderen wegen des Mißbrauchs seiner Unterschrift nicht dem Strafrichter ausliefern und dadurch sich selbst Verdrießlichkeiten, mindestens Unbequemlichkeiten zuziehen will. Tr kann auch, wenn e» sich um eine Wechselfälschung handelt, sehr wohl des Glaubens sein, daß der Fälscher den Wechsel einlösen könne und werde, oder daß nichts von ihm zu holen sei, dem Wechselinhaber also auch eine Benachrichtigung von der Fälschung nichts Helse. Ein Verstoß gegen die guten Sitten lag deshalb nicht darin, daß der Beklagte auf den Brief der Klägerin nicht ant- wortete. (Urteil des Reichsgerichts VI 630/10 2.-8.) MWWWNMWiMsUMiiei tägllck vorm. 8—12, 2—4 nachm. dagegen Sonnbond nur vormittags 8—1 Uhr. „Srlvde auk Erden" so klingt es nun bald wieder aus der alten lieben Weihnachtsbot. schäft in die Welt hinein. Dem unruhigen Geschlecht unserer Zeit erscheint das Wort als ein schöner Traum, der niemals in Er- füllung geht. Wer aber das Kindlein von Bethlehem kennt und liebt, der weiß, vaß mitten im Kampf und Leid der Erde nun eine Quelle ewigen Friedens und unvergänglicher Freude aufge- schlossen ist. Weil unsere Kranken, Kleinen und Heimatlosen von Bethel, Sarepta und Nazareth aus diesem Quell schöpfen dürfen, darum können sie fröhlich Weihnachten feiern trotz all' der Leiden, Schmerzen und Dunkelheiten, die sie zu tragen haben. Wir bitten unsere Freunde nah und fern, auch in diesem Jahre Gehilfen unserer Freude zu sein. Für mehr als 3 500 Pfleg ebefoh nicht sofort Kenntnis gegeben habe. Die Klage ist in 308 Oe, OsiKöffZ puciciingpulvsi'7U g. ist «oklsefimscksncis unci biiügs l^scflppeiss. dlotir. — OesckäktsxLnx in llinüern unü Käioern, als Luck äurcbxebenä iLnxsLin. — Viek sus dem LeodscktunxsLe- Ssbsitos biet etwa 2 Ü4. unter blotir. — OnverliLukt sinä sieben geblieben 4 Ocdsen, 22 Lul len, 14 Küke unä Kalben, 70 8cbske sowie 13 Lckweine ^usnskmepreise über in 8cksken unä 8ck weinen gibt ss wsgsn ssinss rsicbff sn pbospborssursm Kolk nicMs bsz sämtlichen Instanzen, zuletzt vom Reichsgericht abgewie Dresdner Scklacktviskbokpreiss am 20. November lyli 7um äuktried waren L-Kommen : 180 Ocksev, 230 Lullen, 317 Kalben unö K- be. 333 Kälber. 1018 Lckske, 2511 Lckweine; Zusammen 459! Lcklscktstüclce. lierk-sttun? ! l 2. «znLltt.Lt 1 3 anLUtLt l 4. «ziLlttLt I bedsnax.jScklLektxi bsbsnckx. > 8ckl»ektxi I^>b»nLx.iSeklaekr«; l-sbend,-. Ocksen ... 49—5 > ^88-96 42—4S 78—85 35—41 72—77 26 -32 65 70 Dullen .... 49—51 87—90 42—4S 78—84 34—40 72—76 30-33 66 70 Kalben unö Küke 44—48 80-88 38-42 73—77 32—35 68-70 23—26 58 S3 Kälber .... 80-85 II0.I15 56—59 91—96 48—54 80—88 40—46 73 79 Sckske .... 41-44 84—87 35—38 80-83 27—33 60-72 > Lckweine . . . 48-50 64—66 51-52 66-67 46—47 62-63 44—4K 60- 61 -4 Nus erster GHe. 4— Roman von H. CourthS-Mahler. 11 . (Nachdruck verboten.) „J«tzt müsse« mir gnädige« Fräulein noch erlaubt», daß ich Vie ander» frisier-. So, wi« gnädig«, Fräul«in da» Haar tragen, ist e» nicht kleidsam/ «va schüttelte zaghaft den Kopf. „E, läßt sich nicht ander» frisieren, Rosa; ,« ist,u sch«« und fleckt sich schl«cht fest." Rosa lächelt« übrrlegen und rückt« einen Stuhl vor den Toilettttüisch Sie Platz, gnädig«» F,Lul«in, ich werd« schnell damit fertig." Willenlo» ließ sich Eva nirder. Rosa legte ihr einen weißen Mantel um und zog schnell die Nadeln au, dem schweren, last«, nienbraunen Laar. Wohlgefällig wog sie die schönen Flechten auf der Hand. , „E» gibt Damen, di« «ine Million opfern würde», um solche» Haar zu besitzen, plauderte fi«. ist dochmal «m T-nuß; gnädige» Fräulein wissen wohl kaum, wa» für «inen Sir daran btsiden." . kämmt« und bürstete sie da» in.reichen Wellen hnabflutrnde tza„. ' ' Einen Augenblick betrachtete fi, prüfend Eva» Kopfform im Spiegel. Dann brgann fi, jh, Werk. Mit geschicktem Triff ordnete sie den lockigen vq,u,i, so daß sich da» Haar weich und anmutig an die schöne Stirn schwiegt,. Da» übrig, Haar gab zwei starke Flechten, die, leicht und zwanglo» j gesteckt, den ganzen Hinterkopf bedeckten. Q« sah e»t,ück«nd au», gerade, weil die Frisur sehr einfach war und nur da, Haar selbst in stiner ganze» Schönheit wirke» ließ. . , Al« Rosa fertig war, — nickte sie Eva wohlwollend im vpitgel zu. b ^^icht wahr, gnädige» Fräulein gefallen fich so auch viel Eva nickt, ganz saffungrlo«. „Wi, grschickt Si, find, Rosa. Ich hab, mich immrr so grquält m»t meinem Haar. So steht e» freilich viel schöner au»; und wi, angenehm trägt e» fich! Es tut, mir gar nicht weh und fitzt doch fest." Rosa» Wohlgefallen an Eva" steigerte fich. Sie betrachtete dieselbe gewissermaßen al» ihr Geschöpf, und al« solche« interes siert« sie fich für die bi»her mißachtet« jung« Dame. „Gnädige» Fräulein können fich auch' unmöglich selbst fri sieren. Eine Modefrisur paßt auch nicht zu diesem Haar. — Gnädige» Fräulein müsse« ganz individuell da» Haar tragen, so, wie «» jetzt ist. Gnädige» Fräulein haben kein Dutzendgr- ficht, sondern sehr feine, aparte Züge. Wundervoll kommt da« Haar jetzt zur Geltung. Dir gnädigen Herrschaften werde» staune», wenn gnädige« Fräulein zu Tisch«/kommen." So plaudirte Rosa, vergnügt über da« so gut gelungene Werk ihrer geschickten Hände. Und sie konnte auch sehr zufrieden sein. Au« dem uneleganten, strifen Mädchen war «in« sehr schön und vornehm autsehrnde jung« Dame geworden. Eva fühlte fich selber freier und ungezwungener, und ihre Bewegungen wurden anmutiger und graziöser. Si« hatt« sehr wohl empfun. d«u, wie lächerlich sie in ihrer neuen Umgebung wirkte mit dem häßlichen, plumpen Anzug. Ganz glücklich sah sie Rosa an. „Sie haben mich wirklich sehr schön gemacht, Rosa. Aber ich fürchte, diese Frisur bring« ich ni« zustande, wenn ich mir noch so viel Mühe gebe." „O, — selbstverständlich frisiere ich gnädige« Fräulein gern jeden Tag. Gnädig« Frau werden e» schon erlauben." Eva machte ein erschrockene« Gesicht. „Nein, nein, — ich darf Ihre Zeit — nicht in Anspruch nehmen. Die gnädige Fra«, — ich -Meine Mama, braucht Sie gewiß selbst. „Gnädige« Fräulein dürfen ganz unbesorgt sei», — ich brauche kaum z«hn Minuten dazu. Ich werde schon selbst mit der gnädigen Frau darüber sprechen." Rosa wußte, daß ihre Worte Geltung hatten bei Frau von Wolt«r»heim. Sir hatte inzwischrn Eva« neue Sache» in die Schränk« geordnet und aufgeräumt. Nun trug sie die leeren Karton« und Eva« alte Kleider hinau«. Eva selbst eilte zu Jutta, die in der Bibliothek saß. Sie hielt ihr die Augen zu. „Wer ist e«, Jutta?" „O, — da« »ft nicht schwer zu errate«. Bist du schon fertig?" „Ja. Nun drehe dich um und steh mich an." Jutta «hob fich, fiel ab» gleich wieder in den Sessel zurück vor Erstaunen. .Ev', bist du e« wirklich? Heilige Kümmerns«, — wo ist denn da« häßliche Entlein gebliebrn? Ein^Schwa» bist du ge worden, rin wundrrschöner, stolzrr Schwa». Jawohl, — mri» Vergleich hinkt nicht «inmal, drnn r» gibt auch schwarz« Lchwänr. Eo', Her,«n»schw«ster, ich muß dich küssen." Sir sprang auf und umarmtr dir Schwrster. Dan» drrht« fi« dirsrlb« ring«um und küßt« sie wiedrr und wieder. „N«i», wirklich, Ev'. Du bist ja rin« Schönheit! Gott lob, daß du da« schreckliche Kleid nicht mehr trägst! Nu« gib bloß acht, wa« Silvie für »in Gesicht «acht, wen» sie dich sieht. Hab ich'« nicht gesagt: Kleider mache« Leute. Und du bist nun Hl famose« „Leut" geworden." Eva wurde vor Vergnügt» ganz rot. „Bin ich nun wirklich nicht mehr so häßlich, Jutta? Bitte, sage e« mir ganz ehrlich." Jutta lachte. „Du, — auf Flunkereien — laß ich mich nicht ei»; da» solltest du doch schon wisse«. Aber ich sage nun kein Wort mehr darüber, daß du reizend bist; sonstlwirstjzdu eitel. Und schließ lich, — wer weiß, ob du allen Leuten so gut gefällst. Di« Te» schmücke find verschieden." Eva« Her« wurde wieder schwer. Sie dachte a» Götz Herrenf-lde. E« war ih, so wichtig, ob fi« ihm auch in ihrem schönen, neuen Kleide al» ein „greulich«» klein«» Monstrum" er schien. Ganz gewiß war fie nicht sei» Geschmack, — auch jetzt nicht. Aber wen» er sie nur^wenigsten» nicht mehr mit seinem spöttische» Lächeln anblicken wollte! Ach, überhaupt, am liebste» wollt« fie ihn gar nicht wiederseh«». Und doch war e» ih, von br«»»e»de« Jataluff«. ob er bald wiederkam. Sie hatte Jutta gefragt, ob er oft i» Wolterthrim sei. Darauf hatte diese geantwortet; „Manchmal kommt er wochenlang nicht, und da»» wieder ist er jeden Tag hier, — wir r» ihm einfällt." Die Schwester» gingen nun in Jutta» Zimmer. Jutta wollt« fich ebenfall« besonder» hübsch machen zum.Dinrr.