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Pulsnitzer Wochenblatt : 21.11.1911
- Erscheinungsdatum
- 1911-11-21
- Sprache
- Deutsch
- Vorlage
- Stadt Pulsnitz
- Digitalisat
- Stadt Pulsnitz
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Rechtehinweis
- Urheberrechtsschutz 1.0
- Nutzungshinweis
- Freier Zugang - Rechte vorbehalten 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id1840935979-191111216
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id1840935979-19111121
- OAI
- oai:de:slub-dresden:db:id-1840935979-19111121
- Sammlungen
- Saxonica
- LDP: Bestände der Stadt Pulsnitz
- Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
- -
-
Zeitung
Pulsnitzer Wochenblatt
-
Jahr
1911
-
Monat
1911-11
- Tag 1911-11-21
-
Monat
1911-11
-
Jahr
1911
- Titel
- Pulsnitzer Wochenblatt : 21.11.1911
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Nr. 139. Pulsnitzer Wochenblatt. — Dienstag, den 21 November 1911. Kette 2. Hand hilfreich machen gegenüber unserem hilfsbedürftigen Mitmenschen, soll unsere Herzen weich und wohlwollend erhalten, wenn auch die Hartherzigkeit sonst nur als gang bare Münze des Allrag» gilt, Un» ist der Bußtag der Tag der Einkehr in unsere Seelen, der Tag der Beschau lichkeit und der Stille. Un» ist er der Pfadweiser an einem der vielen Kreuzwege im Leben. Keinerlei Zweifel läßt er uns darüber, welchen Pfad wir einschlagen sollen. Denn so dornig und steinig auch dieser Weg auSschaut, er ist dennoch der rechte. Gekräftigt und gestärkt soll un» der Bußtag nach seinem Scheiden zurücklassen. Als neue Menschen sollen wir wieder ins Leben hinaustreten, gegen Sünde, Lockung und Versuchung gefeit. Dann haben wir die rechte Weihe empfangen, dann find wir teilhaftig geworden aller der Gnaden, die der Buß- und Bettag zu vergeben hat. Wir schließen mit den Worten: Nun wieder ist ein Jahr verronnen, Da diese Stunde vor uns trat, Da unsre Brust, erfüllt von Wonnen, Um lindernde Erlösung bat! Und wieder mahnt uns ohn' Erbarmen Der Stunde klingendes Geläut: Auf, reißt euch aus der Sünde Armen Am ernsten Buß- und Bettag heut! — (Der Dichter) des bekannten Dramas „Die Hermannschlacht", der am 18. Oktober 1777 zu Frankfurt a. O, geborene Heinrich von Kleist schied heut vor 100 Jahren, am 21. Oktober 1811 am Wansee bei Potsdam von hinnen. Die gesamte literarische Welt wird heute seiner gedenken, denn seine Dichtungen, wie das Schau spiel „Da» Kätchen von Heilbronn" und besonders das Drama „Die Hermannschlacht" und das Schauspiel „Prinz Friedrich von Homburg" gehen auch heute noch über „die Bretter, die die Welt bedeuten", gehören zu den wertvoll sten poetischen Schöpfungen der Neuzeit. — (Vom Ministerium des Innern) sind Merkblätter für Notschlachtungen herausgegeben worden, die an Fleischer und Viehbesttzer verteilt werden sollen. Jedem Viehbesttzer ist zu empfehlen, sich ein solches Merk blatt zu verschaffen, falls es ihm nicht zugehen sollte, da ein Studium der vom Besitzer bei Notschlachtungen ein zuhaltenden Vorschriften sehr geeignet ist, ihn vor finan- ziellen Nachteilen und vor Bestrafungen zu bewahren. — (Gräfe-Versammlung.) Am Sonnabend hat in Bischofswerda im Schützenhaus eine Gräfe-Ver sammlung stattgefunden, deren Besucher auf 1200—1400 geschätzt werden, und aus deren Verlauf die verbündeten nationalen Parteien mit größter Befriedigung zurück blicken können. Außer Herrn Gräfe sprach auch Herr Parteisekretär Fritzsche-Dresden, Seide ernteten lebhaften Beifall. Debatteredner waren Herr Buck (Soz) und Herr Pudor (lib.). Den Ausführungen des ersteren rühmt man angenehm berührende Sachlichkeit nach, während der letz tere etwas schlechter abgeschnitten hat. Punkt für Punkt seiner Ausführungen wurden von dem Versammlungs leiter Herrn Fabrikbesitzer Bürger prompt wiederlegt und Herr Fritsche empfahl Herrn Pudor, nach sachlicher Zer- pflückung seiner freihändlerischen Thesen, die fünf Jahre bis zur nächsten Wahl fleißig al» Lehrling in Kleinstork witz zu benützen, damit er dann al» Geselle wiederkommen könne. — Nacht» 1 Uhr erreichte die Versammlung ihr Ende. (Der Redaktion liegt der VersammlungSbericht des Bischofswerdaer Tageblattes vor.) — (Der nationalliberale Parteitag) ge nehmigte am Sonntag zu Berlin das am Tage vorher von einem Ausschuß aufgestellte Wahlprogramm. Eine außerordentliche SttmmungSfreudigkett beherrschte die Ver sammlung. Abg. Bassermann sagte in seiner Hauptrede von dem strebenden Reichstag: Viel harte Worte fielen über unsere auswärtige Politik. In den Wahlkampf ziehe die nationalliberale Parte: hoffnungsvoll und wohlgerüstet. Seit den Kämpfen um die Finanzreform sei sie erstarkt und gewachsen. Der Kampf richtet sich gegen zwei Fron- ten, gegen die Sozialdemokratie und gegen Rechts. — (Maul- und Klauenseuche.) Wegen der Gefahr der Wetterverbreitung der Maul- und Klauen seuche ist der Austrieb von Rindvieh auf den am 24. dS. MtS. stattfindenden Vtehmarkt in Hoyerswerda und den am 28. VS. MtS. stattstndenden Viehmarkt in Wittichenau von der Königlichen Amtshauptmannschaft Kamenz unter- sagt worden. Kamenz. (BeimSpielenerhängt.) Der zwölf jährige Sohn de- Glasmachermeister» Richter in Wald hof bei Straßgräbchen wurde erhängt aufgefunden. Die Tat ist allen unerklärlich. ES wird vermutet, daß er beim Spielen im Stalle sich die Schlinge einer Hunde leine scherzweise um den Hals gelegt hat, ohne jedoch zu ahnen, daß er diesen Leichtsinn mit dem Leben bezahlen mußte. Königsbrück. (Gestorben) ist hier am Sonnabend Sanitätsrat Dr. med. Hugo Pleißner, der als tüchtiger Arzt geschützt war. Arnsdorf. (Die Land eSirrenanstalt,) die in unserem Orte errichtet wird, und deren werdender Ge- bäudekomplex einen Ortsteil für sich bildet, soll bereits Mitte 1912 mit Kranken belegt werden. Für den weite ren Ausbau der Heil- und Pflegeanstalt sind in den Jah ren 1912 und 1913 noch je 1450 000 M erforderlich. 8. Dresden, 20.Noobr. („Die schöne Risette.") Leo Fall'» romantische Operette im Weihnachtsmärchenstil „Die schöne Risette" erzielte bei ihrer Aufführung am Sonnabend im Dresdener „Centtaltheater" einen großen Erfolg. Inszenierung und Spiel waren einzig. Den Darstellern, insbesondere Fräulein Hegner und Herrn Aigner wurde rauschender Beifall gezollt. — (Bet der letzten Hosjagd in Thallwitz bet Wurzen), an welcher Se. Majestät der König als Jagdgast de» Erbprinzen Reuß j. L. teilnahm, wurde folgendes Ergebnis erzielt: Am ersten Tage 4 Fasanen, 15 Rehböcke, 27 Rehe, 1473 Hasen, 19 Rebhühner, ein Bussard; am zweiten Tage 155 Fasanen, ein Rehbock, 2 Rehe, 540 Hasen, 13 Rebhühner, 2 Kaninchen 1 Wild- taube, 1 Krähe, 5 Eichelhäher; am dritten Tage 5 Fasa nen, 5 Rehböcke, 15 Rehe, 446 Hasen, 2 Rebhühner, 19 Kaninchen. Ein derartiges reiche» Jagdergebnis ist noch bei keiner Hosjagd in Thallwitz vorgekommen. Der Kö- nig selbst brachte 198 Hasen, 4 Rehe und 1 Bussard zur Strecke. Meißen, 18. November. (M ä d ch en m o rd.) Der hiesige Polizeihund „HarraS" war am Donnerstag nach Sörnewitz bet Dahlen gebracht worden, wo seit dem 14. d. M. früh ein junges Mädchen vom KirmeStanz weg verschwunden und nicht zu finden war. „HarraS" hat Witterung an einem Paar Strümpfe des Mädchens ge nommen, ist über eine Mauer, über Felder und Wiesen an eine tiefe Stelle eines Baches und in diesen hinein gegangen. Da» Wasser wurde abgelassen und die Leiche der Gesuchten lag auf dem Grunde. ES stellte sich her aus, daß um den Hals der Leiche ein Band geschlungen war, sodaß man einen Mord annimmt. Al» der Tat verdächtig wurde ein 63 Jahre alter Wirtschaftsbesitzer au» einem nahen Dorfe festgenommen, in dessen Gehöft der Hund gelaufen war und der in der fraglichen Nacht mit dem Mädchen zu tun gehabt haben soll. Das Mäd chen soll guter Hoffnung gewesen sein. Sebnitz. (Hohe Esse.) Der jetzt noch im Bau be findliche Schornstein der hiesigen Papierfabrik wird der zweitgrößte im Königreich Sachsen, zugleich der größte in der deutschen Papierindustrie werden. Das Fundament ist 13 Meter breit, die Esse wird im vollendeten Zustande eine Höhe von 91 Metern erreichen und eine Oberlicht- weite von 2^/, Metern im Durchmesser besitzen. SScksiscver Landtag. Dresden, 20. Oktober. Die zweite Kammer nahm in ihrer heutigen Sitzung zunächst die allgemeine Vorberatung vor über das König!. Dekret Nr. 13 betr. den mit den Fürstentümern Reuß ältere und jüngere Linie abgeschlossenen Staatsvertrag über den Anschluß der Fürstentümer an das Sächsische Oberverwaltungs gericht. Staatsminister Graf Vitzthum von Eckstädt empfahl die Vorlage nach einigen einführenden und erläuternden Worten zur Annahme. Abg. Zöphel (Natl.) erklärte sich im allgemeinen mit dem Dekret einverstanden und beantragte seine Ueberweisung an die Rechenschaftsdeputation im Verein mit der Finanzdeputation -1. Von einer Ueberweisung an die Gesetzgebungskommission wolle man absehen, da diese überlastet sei. Nach kurzen Bemerkungen des Abg. Roth (Fortschr Vp.) beantragte Abg. Schanz (Kons), das Dekret an die Gesetzaebungsdeputation zu überweisen, da diese noch keineswegs überlastet sei. Nach einer diese Frage erörtern den Auseinandersetzung des Vorsitzenden der Gesetzgebungsdepu tation zog Abg. Zöphel (Natl.) seinen Antrag zurück. Das Dekret wurde sodann im Einvernehmen mit der Finanzdeputation ä über wiesen. Es folgte die allgemeine Vorberatung über den Antrag des Abg. Döhlert (Natl.) und Gen. betr. die Abänderung des Ge setzes über die Feuerbestattung vom 20. Mai 1906. Diesen Antrag begründete Abg. Döhlert (Natl.) ausführlich. Redner beantragte schließlich die Verweisung seines Antrages an die Gesetzgebungs deputation. Staatsminister Graf Vitzthum von Eckstädt erkannte an, datz einzelne Bestimmungen des Gesetzes, das stch ionst gut bewährt habe, in der Praxis zu Schwierigkeiten geführt hätten. Das Ministerium des Innern habe deshalb im Einvernehmen mit dem Kultusministerium die Ausarbeitung einer weiteren Aus führungsverordnung beschlossen, nach der als beamtete Aerzte neben den Bezirks- und Kreisärzten auch Anstaltsärzte, medizinische Bei räte bei den Kreishauptmannschaften und die von Gemeinden oder Städten angestellten praktischen Aerzte anerkannt werden sollten. Das Ministerium behalte sich jedoch seine endgiltige Stellungnahme für die Deputationsberatung vor. An der weiteren Debatte be teiligten sich noch die Abg. Schwager (Fortschr. Vp.), Illge (Soz.), Langhammer (Liberal), Schanz (Kons) und Döhlert (Natl.) Der Antrag wurde sodann an die Gesetzgebungsdeputation verwiesen. Als dritter Punkt stand die allgemeine Vorberatung über den An trag der Abg. Mangler (Kons.) und Gen. auf der Tagesordnung betr. die Verschmelzung des Landesmedizinalkollegium und der Veterinärkommission. Abg. Mangler (Kons ) begründete seinen Antrag. Bei der von der Regierung beabsichtigten Verschmelzung der beiden Behörden handle es sich eigentlich um die Gründung eines neuen Amtes des Landesgesundheitsamtes. Die Verschmelzung der beiden Behörden müsse jedoch auf dem Wege des Gesetzes vor genommen werden. Staatsminister Graf Vitzthum von Eckstädt: Wenn ein dahin gehender Wunsch ausgesprochen werden sollte, so werde die Regierung dem Hause den in Vorbereitung befindlichen Entwurf zur Begutachtung vorlegen. Sollte man für das Landes gesundheitsamt keine größere Bewegungsfreiheit wünschen, so sei der Weg der Verordnung dem des Gesetzes vorzuziehen. Not wendig sei ein Akt der Gesetzgebung bei Errichtung des Landes- gesundheitsamtes nicht, weil dieses Amt nicht mit behördlichen Be fugnissen ausgezeichnet werden solle. Es sprachen noch die Abge ordneten Göpfert (Natl.) und Bär (Fortschr. Vp.) die Zustimmung ihrer Freunde zu dem Anträge aus. Der Antrag wurde schließ lich entsprechend einem Anträge des Abg. Mangler (Kons.) an die Finanzdeputation überwiesen. Den letzten Punkt der Tagesord nung bildete die allgemeine Vorberatung über den Antrag der Abg Wittig, Mangler und Gen. (Kons.) betr. die Prüfung der Films zu kinematographischen Vorführungen Abg Wittig (Kons.) begründete den Antrag. Es sei notwendig, für das ganze Land einheitliche Bestimmungen zu treffen. Die Films mußten vor ihrer Vorführung durch eine behördliche Zentralstelle geprüft und genehmigt werden. Staatsminister Graf Vitzthum von Eckstädt legte die gesetzlichen Bestimmungen zu der vorliegenden Frage dar. Das Ministerium des Innern habe durch eine Verordnung vom 6. April 1909 die Landesbehörden angewiesen, in welcher Richtung sie zu verfahren hätten. Diese Verordnung habe sich im allge- meinen bewährt. Die Errichtung einer Zentralstelle sei gegen wärtig nicht angebracht. Dadurch würden sich auch neue Beamte und neue Mehrforderungen erforderlich machen. Abg. Posern (Natl): Eine Besserung der Verhältnisse würde sofort erzielt wer- den, wenn die Kinematographentheater der Gewerbeordnung unterstellt würden. Die Prüfung der Films durch eine Zentral behörde halte er nicht für zweckmäßig, weil sie zu einer Beeinträch tigung des Gewerbes führen könnte. Abg. Held (Soz.): Seine Freunde könnten sich mit einer Verschärfung der Zensur nicht be freunden. Die Prüfung könnte höchstens durch eine aus Fach leuten und Künstlern bestehende Kommission vorgenommen werden. Abg. Roth (Fortschr. Vp.): Seine Freunde schlössen sich dem An träge auf Zulassung einer Zentralbehörde an. Als solche eigne sich freilich die Polizei nicht, gegen die er die gleiche Aversion hege wie der Vorredner. (Große Heiterkeit. Zuruf: Ein Bürgermeister!) Schließlich wurde der Antrag an die Gesetzgebungsdeputation im Einvernehmen mit der Finanzdeputation /I überwiesen. Nächste Sitzung morgen 10 Uhr. Auf der Tagesordnung steht u. a. die fortschrittliche Interpellation über das Marokkoabkommen. Schluß 5'/« Uhr. Dresden, 21. Nov. (Zweite Kammer.) Am Regierungstrsche Staatsminister Graf Vitzthum von Eckstädt. Haus und Tribünen find gut besetzt. Auf der Tagesordnung steht als erster Punkt die Interpellation Günther und Gen. (Fortschr. Vp.) 1. In welcher Weise und in welchem Umfange Hal die Kgl. Staatsregierung im Bundesratsausschusse für auswärtige Angelegenheiten beim Ma rokkovertrage milgewirkt? 2. Ist die König!. Staatsregrerung be reit, einen Antrag im Bundesrate auf Erweiterung der verfassungs rechtlichen Kompetenzen des Reichstages inbezug auf Erwerbung und Veräußerung von Kolonien einzubringen und die Einführung eines verantwortlichen Reichsministeriums zu fordern? Auf An frage des Präsidenten erklärte sich Staatsminister Graf Vitzthum von Eckstädt zur sofortigen Beantwortung der Interpellation bereit. Hierauf begründete Abg. Günther (Fortschr. Vv.) in längeren Aus führungen die Interpellation. Der Redner sprach seine Verwun derung darüber aus, daß der Reichstag nicht einmal befragt wurde, obwohl der Z ö des Abkommens große finanzielle Verbindlichkeiten dem Reiche auferlege Es frage sich, ob die Bundesregierungen im Ausschüsse für auswärtige Angelegenheiten befragt wurden. Be fremdend sei, daß im Reiche niemand für den Erwerb oder die Abgabe von Kolonien verantwortlich fei. Der schwarzblaue Block habe den Wünschen des deutschen Volkes nicht Rechnung getragen. Der Reichstag allein sei nicht imstande, die Ministerverantwort lichkeit einzuführen. Dazu bedürfe es der bundesstaatlichen Mit wirkung der Regierungen. Die sächsische Regierung müsse hierzu im Bundesrate die Initiative ergreifen. Staatsminister Graf Vitzthum von Eckstädt: Der Abgeordnete Günther fragte zunächst, wann der Ausschuß für auswärtige Ange legenheiten zusammengelreten ist und wie oft. Ich kann hm sagen, daß, seitdem ich Minister der auswärtigen Angelegenheiten bin, der Ausschuß beide Jahre einmal kurz vor Zusammentritt des Reichs tages zusammengetreten ist. Ferner erhob der Abg. Günther den Vorwurf, daß über die Absendung des Panthers nach Agadir das deutsche Volk vollkommen im Unklaren gelassen worden sei. Ich habe darauf hinzuweisen, daß nach einer Mitteilung in der „Nordd. Allgem. Zeitunq" der Staatssekretär des Auswärtigen Amtes be kannt gemacht hat, daß der französischen Regierung mitgeteilt wor den ist, daß zum Schutz deutscher Firmen und ihrer Angestellten ein Kriegsschiff nach Agadir entsandt worden ist. Die sächsische Regierung hatte keine Veranlassung, auf weitere Veröffentlichungen über diesen Schritt hinzudrängen. - Was nun die Fragen der Interpellation anbelange, fuhr der Mintsier fort, so habe ich mit dem Gesandten Frhr. v. Salza und Lichtenau an der Sitzung des Bundesratsausschusses für auswär tige Angelegenheiten, der am 11. Oktober in Berlin einberufen war, teilgenommen. Die Verhandlungen dieses Ausschußes waren in terner Art, und ich bin außer Stande, über ihren Inhalt Auskunft zu geben. Ich muß mich darauf beschränken, daß ich nach Maß gabe der Sachsen zustehenden Rechte und Pflichten und im Be wußtsein der für mich erwachsenden Verantwortung an den Ver handlungen teilgenommen habe. Nach Artikel 11 der Reichsver fassung hat der Kaiser das Reich vollberechtigt zu vertreten und verantwortlich dafür ist der Reichkanzler. Die sächsische Negierung hat hiernach in der Marrokkofrage diejenige Zurückhaltung ge wissenhaft beobachtet, die sie für geboten erachtete. Sie hat aber von Anfang an ihre volle Aufmerksamkeit den Informationen ent- gegengebracht, die ihr vom auswärtigen Amt zugegangen sind und ebenso ihre Aufmerksamkeit den Kundgebungen gewidmet, die aus unserem Vaterlande in dieser Frage laut wurden. Die Regierung hat den Eindruck gewonnen, daß die berufenen Ver treter der Reichspolitik nach bestem Wissen und Gewissen alles daran gesetzt haben, die Marokkofrage einer günstigen Lösung zu zuführen. In dieser Auffassung hat zwischen den Vertretern der einzelnen Regierungen volle Einmütigkeit geherrscht, und es 'ist dem Reichskanzler sein Vertrauen zu seiner Amtsführung ausge sprochenworden. Der Minister wies dann auf die Erklärung derReichs- regierung hin, künftig in Fragen der Veräußerung der Kolonien den Reichstag zu hören. Die Regierung stimme einer diesbezüglichen Aenderung des Schutzgebietsgesetzes zu. Was die verlangte Einführung eines verantwortlichen Reichsministeriums betrifft, so haben schon 1884 in dieser Frage Verhandlungen zwischen Bis marck und dem Minister Grafen v. Fabrice stattgesunden und die Angelegenheit ist im Bundesrat verhandelt worden. Redner ver liest hierauf eine Mitteilung des Dresdner Journals vom 7. 11. 1884 und schießt: Die Kgl. Staatsregierung hält an den: damals eingenommenen Standpunkte fest und lehnt es ab, Anträge auf Einführung eines verantwortlichen R-ichsminifteriums zu stelle,t. (Hört! Hört! links.) Die Erhaltung des bundesstaatlichen Charak ters des Reiches ist eine Grundbedingung für sein Gedeihen. — Wenn wir daran festhalten, so folgen mir dem großen Manne, dem wir die Verfassung des Deutschen Reiches verdanken und wir bewähren uns als gute Deutsche und treue Sachsen. (Bravo rechts.) Lagvssvhcvtcvls. Deutsches Reich. (Eine bemerkenswert« Wahlrede) hielt der Reichstagspräsident und konser vative Abgeordnete Graf Schwerin-Löwitz dieser Tage in Anklam. Er führte aus: Da», war Herr v. Heydebrand mit vollem Rechte hervorgehoben habe, war der Eindruck, al» ob unsre Regierung durch die Einmischung der Eng länder stch habe beeinflussen lassen. DaS könne sich da» deutsche Volk nicht gefallen lassen. Wenn e» Leute gebe, die mit Bezug auf den Rückzug der deutschen Regierung bei den Marokkoverhandlungen von einem zweiten Olmütz sprechen, so meine er, daß, wie nach der Olmützer Nieder lage eine Reorganisation de» Landheeres folgte, so jetzt die Niederlage bei den Marokko-Verhandlungen Deutsch, land veranlassen müsse, seine Flotte zu verstärken. Er glaube, daß eine Flottenvorlage bet allen bürgerlichen Parteien sympathisch ausgenommen werden würde. Im übrigen müsse man sich mit der Hoffnung abfinden, daß, wie einst auf Olmütz Königgrätz und Sedan, so auch auf unsre Nachgiebigkeit dereinst ein« gründliche Abrechnung mit unsern Gegnern folgen werde, wenn ander» diese nicht nachließen, un» in den Lebensbedürfnissen unsrer Volkes zu beschneiden. Berlin, 20. Noobr. (Die „Schwarze Gefahr".) Die Budgetkommisston des Reichstage» setzte heute die Beratung über da» deutsch-französische Abkommen be treffend Marokko und Aequatorialafrika nebst den dazu gehörigen Anträgen fort. Der Vertreter de» preußischen Kriegsministeriums, General Wandel, verbreitete stch so dann über die „Schwarze Gefahr". Diese sei nicht so groß, wie man früher vielfach geglaubt habe. In ab sehbarer Zeit werde man nicht damit rechnen müssen, daß durch Besetzung von Marokko schwarze Kräfte in er heblichem Maße dem französischen Staate für militärische Zwecke zuwachsen würden. ES wurde wohl noch lange Jahre dauern, bi» große Truppenmassen stch dort ge- winnen lassen würden, ^uf die Dauer sei nicht von der Hand zu weisen, daß eine Verstärkung der militärischen Macht Frankreich» in Marokko folgen werde. Baden-Baden, 20. November. (Zur Kaiserreise.) Der Kaiser, der heute mittag 11,35 Uhr hier eingetroffen war, wurde am Bahnhof vom Großherzog, dem preußi schen Gesandten v. Eisendecher Geheimen Oberregierung», rat Lang, Oberbürgermeister Fieser empfangen. Nach der Begrüßung fuhren die Fürstlicheiten zum Schlosse, wo der Kaiser von der Großherzogin Luise und Großherzogin Hilde empfangen wurde. Um 1 Uhr sand Gala- und Marschalltafel statt. Um 3,20 Uhr setzte der Kaiser seine Reise nach Donaueschingen fort, während sich das Groß- herzog»paar zum dauernden Aufenthalt nach Karlsruhe begab.
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