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puisMer Wochenblatt Sonnabend, 9. Dezember 1911. 3. Beilage zu Nr. 147. 63. Jahrgang. Kus aller >VeIt. Berlin, 7. Dezember. (Fest genommene Ein- brecherband e.) Eine Bande jugendlicher Einbrecher, die aus 15 Köpfen bestand und über hundert Einbruchs diebstähle auf dem Kerbholz hat, wurde gestern von der Kriminalpolizei hinter Schloß und Riegel gebracht. Die Burschen standen unter Führung von zwei bereits vor bestraften Arbeitern und betrieben vor allen Dingen speziell Schaufenstereinbrüche. — (Wird da »„Pilsener" wieder billiger?) Der Boykott des Pilsener Bieres in Deutschland hat den Pilsener Brauereien bereits ganz erheblichen finanziellen Schaden gebracht. GS sind daher Bestrebungen im Gange, die Bierverteuerung wieder auszuheben. Während im Oktober 1910 31185 Hektoliter Bier in Fästern aus Oesterreich-Ungarn in Deutschland eingeführt wurden, waren er im Oktober d. I. nur 22 217 Hektoliter, was einem Minus von 8968 Hektoliter entspricht. In Be tracht kommt hier fast ausschließlich Pilsener Bier, die Einfuhr anderer österreich-ungarischer Biere ist fast gleich Null. Im Monat November betrug der Minderabsatz über 15000 Hektoliter. — (In fröhlicher Tafelrunde vom Tode überrascht.) Von einem jähem Tode wurde der frühere Obermusikmeister des 2. Garde-RegimentS zu Fuß, Georg Weinberg, in Oranienburg ereilt. Weinberg wohnte in BuchardS Hotel einer kleinen Festlichkeit bei. Die Unterhaltung war recht lebhaft; es wurde auch über den Tod gesprochen. Weinberg beteiligte sich an der Unterhaltung und schloß seine Ausführung mit den Worten: „Wenn ich einmal sterbe, möchte ich gern, daß mir mein Degen aus den Sarg gelegt wird." Nach die sen Worten sank er vornüber und war tot. Ein herbei gerufener Arzt konnte nur noch seinen Tod feststellen. Erschüttert verließen die Gäste darauf das Hotel. Paris, 6 Dezember. (Schreck ensszenen auf einem Ozeansegler.) Eine grauenhaft phantastische Geschichte wird aus Belle-JSle gemeldet. Dort war ge stern der große Segler „Antoinette" mit einer Ladung Zucker aus Samarang in Java angekommen. Vor der Reede gab das Schiff durch Signale zu erkennen, daß eine heftige Epidemie an Bord wüte. Das Schiff wurde nach 8t. Nazaire geschafft und dort begab sich der Laza- rettar»t»orv. «vtn scyrecrncher«nvltck vot sich seinem Auge. Von der Besatzung von 15 Mann lagen 3 tot aus dem Verdeck, 10 waren schwer krank oder bewußtlos und nur 2 Schiffsjungen waren noch bei Kräften. Das ganze Schiff war bedeckt von einem wilden Schwarm Ratten. ES wurde gleich eine Untersuchung eingeleitet und sestgestellt, daß es sich weder um Pest, noch um Cholera, noch um da» gelbe Fieber handeln konnte. Ver mutlich liegt Beri-Beri vor. Die Kranken sind auSge- schifft und ins Lazarett gebracht worden. Das Schiff wird desinfiziert. Vermisstes. * (DerWeltverbrauch anWasser.) Wie viel Wasser die gesamte Menschheit zum Trinken, Kochen, Wa- schen usw. verbraucht, dürfte sich sehr schwer abschätzen lassen, aber ein amerikanischer Naturforscher, vr. Mac Gee, der nach Art seiner Landsleute mutiger ist, wie die Fach genoffen in anderen Ländern, hat eine solche Berechnung unternommen. Er ist zu dem sowohl durch seinen In- halt als durch die Anmaßung der Genauigkeit erstaunli- chen Ergebnis gelangt, daß jeder Mensch aus der Erde durchschnittlich in einem Jahr etwa 4400 Tonnen Was. ser verbraucht. In da» übliche Raummaß umgerechnet wären daS 4 400 000 Liter oder rund 12000 Liter täg lich. DaS scheint nun auf den ersten Blick ganz unglaub- lich, aber der Amerikaner begründet seine Zahl in etnz«'. nen Posten. Aus da» Trinkwasser entfallen dabei nur 1000 Liter. Das Gemüse, das der Mensch verzehrt, nimmt im Laufe des Jahre» 400 000 Liter in Anspruch. Wei- terhin sind zum Aufbau de» Fleische», dessen jährlichen Verbrauch der Amerikaner nach seinen verwöhnten Erfah rungen etwa» reichlich mit 200 Pfund schätzt, angeblich 4 Millionen Liter notwendig. Bleibt unser Naturforscher bi» dahin vermeintlich auf einer sicheren Grundlage, so schwingt er sich jetzt in da» Reich der Zukunft aus. Er berechnet nämlich, daß um dar Jahr 2200, wenn die Be völkerung der Vereinigten Staaten rund eine Milliarde Menschen erreicht haben wird, jeder einzelne Tropfea de» jährlichen Regensall» für den menschlichen Verbrauch er- wird. Dabei scheint er nicht bedacht zu ""ser diesen Umständen die Flüsse und Seen austrocknen mütz^n ^ie doch gleichfalls auf die Nieder- Mäge zu ihrer Erhalts angewiesen sind. Durch die Schlußfolgerung hat vr Mac Gee demnach seine ganze Berechnung in Mißkredit gebracht * (Schreckenrbllder °°^2^lt inTripo. li».) Von dem traurigen Schauspiel, das jetzt die Stra- den von Tripoli- bieten entwirrt im „Journal" der in Tripolis weilende französische Korrespondent Christian Houel Areckliche Bilder. »Ein Monat ist seit der Besetzung der Stadt Tripoli» durch die Italiener verstrichen. Man Müßte jetzt eine Bilanz de» Tode» aufstellen können. Aber die italienischen Behörden sind zweifellos angesichts der riesenhaften Hekatombe vernichteter Menschenleben vor dieser Ausgabe zurückgeschreckt. Man schätzte vor der Er- oberung die Bevölkerung der Stadt Tripoli» auf 40 000 Seelen, wovon wir heute 0 000 abziehen müssen, und vielleicht bleibe ich dabei noch hinter der Wahrheit zurück. Noch immer kehren die Totenwagen, die unausgesetzt die Stadt durchfahren, hochbeladen von ihrer traurigen Reise zurück. Zu Beginn der Okkupation vermochten sie ihrer Aufgabe nicht zu genügen, und der Letter de» Aerztewe- senS mußte eingestehen: „Ich bin Erzwungen, die Toten auf der Straße liegen zu lassen, da e» unmöglich ist, sie alle fortzuschaffen." Täglich starben 400 Menschen. Man hatIdtese furchtbaren Sterbeziffern unter der eingeborenen Bevölkerung der Cholera zur Last legen wollen. Die Wahrheit aber ist, daß die meisten der Unglücklichen nicht an der Cholera, sondern Hunger» starben. Ein großer Teil der mohammedanischen Bevölkerung von Tripolis lebte früher in den Oasen und in den Palmenwäldern. Von hier wurden sie durch die blutigen Kämpfe vom 23 und 26. Oktober vertrieben, flüchteten in die Stadt, in die Moscheen und in die Straßen. Von diesem Tage an besaßen sie keine Nahrungsmittel mehr, keine Kleider, kein Brot und das Schlimmste war, kein Wasser. Es - man les/ den Inseratenteil de» „Puir- nitzer ochenblatteS" und man ist des weitere/ Nachdenken» enthoben, denn alle einstch/gen Geschäftsleute von hier und Umgehend lasten ihre Weihnachtsinserate im „Pulsnitzer Wochenblatt" erscheinen. konnte ni ausbleiben, daß die unglücklichen Besiegten der Erschöpfung, Hunger und Krankheit erliegen mußten. Die italienischen Behörden hatten zwar eine Aufnahme- stelle für Kranke geschaffen, aber darin konnten nur 100 Menschen Unterkunft finden, Hunderte und Tausende irr- ten und wankten in den Straßen umher, in den Moscheen und auf der Gaste fielen die Menschen zu Hunderten tot zu Boden, und die zahlreichen Totenwagen vermochten nicht einmal die Sterbenden auszunehmen. Die tägliche Abgabe von Brotrationen erstreckte sich nur auf eine kleine Zahl Bevorzugter; die übrigen aber, eine gewaltige Menge, die hilf- und ziellos durch die Stadt umherirrte, suchte gie rig im Rinnstein nach Küchrnabfällen, um wenigstens einen Tag noch den unvermeidlichen Tod zurückzuscheuchen. Der Anblick von Leichen und von Sterbenden auf der Straße ist so alltäglich geworden, daß man sich kaum noch darum bekümmert; man steigt über die Leichen und Sterbenden hinweg und geht weiter, ohne sich umzusehen. Die rauchenden Ruinen von Casablanca mit ihren leichenbe säten Straßen haben niemals einen so grauenvollen Eindruck erwecken können wie dies Tripolis von heute, wo Tausende von Menschen röchelnd auf dem Pflaster verenden. Gestern bin ich einem der unheimlichen Tolenkarren auf seinem Wege gefolgt. Den ganzen Tag über ziehen sie schwer- beladen durch die Straßen. Vor dem französischen Re- staurant unter den Arkaden, in denen die Bazare sind, lagen vielleicht 100 menschliche Körper, in schmutzige Tü- cher und Lumpen gewickelt. Ein pestartiger Verwesung», hauch ging von ihnen au». Im Vorübergehen sehe ich zwischen 2 Leichen den Kopf eine» jungen hübschen Mäd chen» sich aufrichten; die großen schwarzen Augen aber liegen tief in den Höhlen, da« Gesicht scheint nur noch au» Knochen zu bestehen, ich konnte den An blick nichtertragen. Sie machte eine Anstrengung, um den gräßlich abgemagerten Arm zu einem Zei chen der Bitte emporzuheben. Hier ist e» der Hun ger, der mordet. Neben ihr, unter einem zerfetzten Leinentuch, bewegt sich» noch ganz leise: eine alte Frau, so schwach, daß man fühlt, daß das Ende naht. Und aus allen Gesichtern derselbe Ausdruck rettungsloser Ver zweiflung, in aller Augen glüht dieselbe hoffnungslose Bitte: um ein wenig Nahrung, um ein wenig Hilfe. Der Totenkarren bleibt in der Straße halten, unmittel bar vor diesen Gruppen. Ein Araber betastet flüchtig die Körper. Wer sich nicht mehr bewegt, wird auf den Karren geworfen. Schon sind drei Leichen aufgeladen. Dann entdeckt man eine junge Frau inmitten von drei Kindern. Sie ist noch nicht tot, sie liegt in den letzten Zügen, sie hat nicht mehr die Kraft ein Zeichen zu geben. Wie eine Feder nimmt sie der Araber empor und legt sie auf die Toten, wo sie mit einem klanglosen Seufzer niedersinkt, während die drei Kinder umsonst nach ihr rufen. Jetzt liegen schon sieben Sterbende über den drei Toten auf unserem Karren; am Ende der Straße wird man^noch einen Leichnam auf den Haufen werfen und dann auf der Maste einherstampfen, damit die Ladung festliegt und beim Fahren nicht herabfallt. Und diese grauenerregende, furchtbare Arbeit wird seit einem Monat Tag für Tag verrichtet, ohne daß ein Ende abzusehen ist. Man wundert sich nicht mehr, daß die Sterblichkeit»- ziffer mit der Zeit zurückzugehen beginnt: die Zahl der Ueberlebenden ist ja so zusammengeschrumpft. Und doch kann man für diese Schrecken die italienischen Behörden nicht verantwortlich machen, sie haben getan, was in ihren Kräften stand. Alle Kolonialkriege werden immer diese» Grauen und diesen Schrecken nach sich ziehen. Als man vor einigen Jahren die herrenlosen Hunde von Kon- ltantinopel auf einer wüsten Insel auSsetzte, ging durch Europa eine Woge echten Mitleids mit den armen Tie- ren. Die Tausende aber, die in Tripoli» hilflos Hunger» sterben, gehen unter der vollkommenen Gleichgültigkeit der Kulturwelt zugrunde Und so bleibt nur die Hoff- nunp, daß mit der Zeit, die alle Wunden heilt, auch auf diesem mit soviel Blut getränkten Boden die Zivilisation sich ausbreiten möge und da» künftige Geschlechter ohne Gewisten»biste im Schatten der Palmen die Segnungen de» Frieden» und die Freuden de» Leben» genießen dürfen." Nebersicht über die an den Hanptinarktorten Deutsch- lands in der letzten Woche gezahlten Lettviehpreise. Lie Preise sind in Mark für 50 kk Schlachtgewicht bezw Lebendgewicht (l bedeutet Lebendgewicht) angegeben. Die erste Zahl bedeutet den niedrigsten, die zweite den höchsten für die betr. Viehgattnng gezahlten Preis. (Unberechtigter Nachdruck verboten.) „. . . . Hammel, Rmdmeh Schafe u. Großvieh Kälber Lämmer Schweine Aachen . . - SS—85 80—116 65—82 56—61 Barmen . . 60—88 88—98 80—82 54—60 Berlin . . . 52—89 45-143 56-86 47-60 Bremen . - 59—85 60—110 60-80 44—60 Breslau . . 55-82 72-92 57-85 45-68 Chemnitz . - 53—95 71—89 48-70 46—60 Danzig. . - 27-451 38-651 .26-351 36-451 Dortmund. - 55-88 71—100 65-8^ 52-60 Dresden . . 58—98 69—115 60—87 50-62 Elberfeld . - 50-92 75—105 60—82 48—60 Essen . - - 65-91 77—123 70—86 50—59 Frankfurt a. M 46-95 69-95 60—76 60—63 Hamburg - - 50-95 91 143 61—76 43—581 Hannover . . 61-86 65-105 60—78 50-62 Husum . - - 75—82 — — 33—421 Kiel .... 50 83 70-120 55-78 34-461 Köln a. Rh. . 56—90 43-831 55—83 48—60 Leipzig - - - 55—93 34-551 30—431 51—62 Magdeburg . 27-491 32-691 28-401 46-63 Mainz . - - 54-90 95-98 — 53—62 Mannheim 50-95 70-95 50-70 54—63 Nürnberg . - 73-81 42—70 45—60 57—65 Stettin . - - — 50—901 — 53—60 Zwickau - - 50-88 36-52 28—361 56—66 Ausgestellt am 7. Dezember. Mitberücksichtigt sind noch die am 6. Dezember abgehaltenen Märkte. Ztau/'/rauLA/-o)9e/r Skis ^Voz-zzzal-V^ä/cke, /toz/ette, Z/ancl/c/ru/re, l/zz^z-tazttezz, /ta/nei/raer/'-, Kc/z/a/- u/r^ Lieppcieckezz, NMcieckezz, /Zez-z-ezzu-äMe Vez/azicl - ^bte/iuzz^. Z>z*aLez. Ltz-a/Ze XZezclez'MAs, Xozz/e/rt/ozz, G Oaz-cizzzezz, 7*e/)pzc/ze, Lc/zzze/cZez-ei L^ü/Tzp/e, H^züz°rezz, NM- u/zcZ Lettu-äMe,