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Nr. 83. Puttnitzer Wochenblatt. — Donnerstag, den 13. Juli 1S11. Seite 6. fliegen des Kanals durch die Teilnehmer am europäischen Rundfluge wird neuerdings die Frage des Ausbaues des bereits begonnenen Tunnels unter dem Aermelkanal leb haft besprochen. Verschiedene Blätter haben eine Rund frage bei politischen und sonst interessierten Persönlich keiten unternommen, um sich über die Tragweite des Planes sowie über die militärische Stellung zu vergewissern. Alle bisher eingelaufenen Antworten stimmen darin überein, daß der Ausbau des Tunnels eine wirtschaftliche Not wendigkeit geworden und daß das Bedenken, welches bis her militärischerseits erhoben wurde, hinfällig sei, da jetzt eine infolge der großen Fortschritte der Luftschiffahrt von einer Isolierung Englands nicht mehr die Rede sein könne. Es seien Garantien vorhanden, im Falle einer nationalen Gefahr den Tunnel abzusperren oder einen Umbau zu machen. Vom wirtschaftlichen Standpunkte aus sei der Tunnel durchaus notwendig, da er sowohl für England und Frankreich sowie für die übrigen europäischen Staaten unberechenbare Vorteile bringt Professor Reinhold Begas. Zur Feier seines 80. Geburtstages. Professor Reinhold Begas, der berühmte Berliner Bildhauer, feiert am 15. Juli seinen 80. Geburtstag. Der greise Meister ist bekanntlich ein geborener Berliner. In Berlin besuchte er in den Jahren 1848 —1851 die Akademie, und nachdem er dann noch einige Jahre in Rom und Weimar gelebt hatte, kehrte er im Jahre 1866 für immer in die Heimat zurück. Hier hat er vom Jahre 1876 bis zum Jahre 1903 das Metsteratelier geleitet, und in Berlin stehen auch seine berühmtesten Werke, so die Fafsadengruppe an der neuen Börse, sein Schillerstand. bild, die Mamorgruppen in der SiegeSallee, das Bronze standbild Bismarcks vor dem Reichstagsgebäude. Auch die Berliner Museen enthalten sehr viele bedeutende Schöpfungen dieses populären Bildhauers der bekanntlich die besondere Gunst Wilhelms II. genießt und vom Kaiser stets Aufträge erhalten hat, wenn es galt, ein öffentliches Gebäude oder eine Anlage würdig auszu- schmücken. Als Lehrer seiner Kunst hat Professor BegaS mehrere Generationen tüchtiger Bildhauer herangebildet, die ihrem Meister innigste Dankbarkeit bewahren. verttner provuktsnbörss. Die teilweise Einstellung der Schiffahrt und größeres Angebot führten trotz festerer Newyorker Meldungen zu einer Schwäche des Marktes. Weizen und Roggen per Lieferung notierten infolgedessen niedriger, während Hafer infolge der BezuaSschwierigketten höhere Preise erzielte. Mais war stramm, Gerste behauptet. Rüböl war auf Erwartung einer guten RapSernte schwächer, Mehl schlepp-nd. WsimlesW! / nach erschöpfenden Krankheiten soMe nach schweren: Blutverlust/ Nach schwerer erschöpfeud^'Kraukheit ist die Sorge des behandelnden Arztes vornehmlich darauf gericlM, die Körper kräfte zu hebeil, nm so de^Kranken wider standsfähiger zu machM. Es ist der medizinischen Wissenschaft in dem Leci- ferrin ein Mittel Meführr worden, das die Körperkcäfte Mßerordentlich schnell hebt und den Appetit befördert. (209) Daher wird^Leciferrin jetzt mit Vor liebe angewaM um die Körperkräfte zu heben, das Mut zu ergänzen, neue Le- benslust M schaffen und das Nervensy stem zu erfrischen. Preisler großen Flasche Mk. 3. Leciferrbn enthält Ovo-Lecithin 0.5, Eisen als Eisenoxydhydrat an Zucker gebunden 0.75, aromatische Bestandteile in Cognac und Alkohol 40.(1 Rest destilliertes Wasser. In/Apotheken erhältlich, ganz sicher von:/Wohren-Apotheke, Dresden. ttus Sem (ZsrlÄttssaals. § Leipzig, 12. Juli. (DieTragödieeinerMutter) Vor kurzem starben kurz hintereinander einer Beamten frau in Leipzig zwei Kinder. Angeblich aus Gram über deren Tod verschied kurz darauf auch die Frau selbst. Nachdem festgestellt wurde, daß die Todesursache der Frau Vergiftung war, wurde von oer Staatsanwaltschaft durch Untersuchung der Kinderleichen das Gerücht bestätigt, daß die Kinder vorher von der Mutter ebenfalls vergiftet worden sind. § Zwickau i. Sa., 12. Juli. (Versehentlich ver giftet.) In Wildenfels bei Zwickau hat sich der 40 Jahre alte verheiratete Stadtarzt vr. Schreiter versehentlich ver giftet. Er hat in seinem Sprechzimmer, während ihm die Patienten konsultierten, aus einer Flasche gekostet, die eine Zyankalilösung enthielt. Der Arzt starb auf der Stelle. 8 Essen (Ruhr), 12. Juli. (Entschädigung). Die Witwe des Fuhrmanns Robert Imberg aus Herne, der im Meineidsprozeß Schröder zu drei Jahren Zuchthaus verurteilt worden war, bewilligte der Justizminister für die von ihrem verstorbenen Manne unschuldig verbüßte Strafe 2400 Mark Entschädigung. 8 Petersburg, 12. Juli. (Hochverrats-Prozeß). Wegen Hochverrates wurde der Artilleriehauptmann Postni kow, Präsident der russischen Esperanttstenliga, angeklagt. Als solcher besuchte er öfters Kongresse der Esperanto sprache im Auslande, für die er auch in Rußland Pro ¬ paganda machte. Auf dem letzten Kongreß in Stockholm soll er österreichischen Offizieren geheime militärische Do kumente zugestellt haben, die er seinem Schwager^ dem Generalleutnant Alexandrow, Inspektor des ArtillertedepotS entwendete, Postnikow wurde Ende April festgenommen und in der Peter Pauls-Festung interniert. Er hatte die Artillerie-Akademie besucht und war in der letzten Zeit Verweser der militärmedizinischen Akademie. Der Prozeß wird nächsten Monat vor dem Petersburger Militärgericht zum AuStrag kommen. Freitag, den 14. Juli. Nordwestwinde, wolkig, etwas kälter, zeitweise Niederschlag. Magdeburger Wettervorhersage. Freitag, den 14. Juli. Heiter, trocken, noch etwas wärmer, krrcden-rracdrliDlen. Pulsnitz Sonnabend, den 15. Juli, 1 Uhr Betstunde Pastor Sonntag, den 16. Juli, 5. nach Trinitatis: (Resch. 8 Uhr Beichte. , r/,9 „ Predigt (Apvstelgesch 5, 34—42)jda>torResch. 8 „ Männer- und Jünglingsoerein. AmtSwoche: Pastor Resch. ZuNzelt Es reift das Korn. In goldner Fülle Wogt rings der hohen Halme Meer. In sonnenheller Sommerstille Steht nun die Welt froh um dich her. Noch prangt voll Blumen jede Halde, Und flügge ward der Vögel Brut; Ihr Loblied jubiliert im Walde, Wenn dich umflirrt die Juliglut. Die Höhe hat schon überschritten Das raschbeschwingte, flinke Jahr. Wir stehen an der Zeiten Mitten: Von dem, was wird, von dem, was war! Aus grünbehangnem Blattgeäste Winkt dir der Kirsche rotes Blut Als erste Frucht zum Erntefeste, Die dir beschert die Juliglut. Noch dehnen leuchtend sich die Tage, Doch langsam schwindet ihre Nacht, — Schon naht die Zeit, da sich die Wage Streng halten wieder Tag und Nacht. So koste jede kurze Stunde: Noch meines der Sommer warm und gut, Da Licht und Wärme treu im Bunde Zusammenstehn in Juliglut! Er hatte mit ehrlicher Wärme zu ihr gesprochen und sah fi« erwartungsvoll an. Ruth schlug jetzt die Augen auf zu ihm. Sie waren matt und ausdruckslos, wie verschleiert, al» wohne leine fühlende Seele dahinter. »Ich habe ohne jeden Zwang meine Einwilligung gegeben, Herr Graf,- sagte sie ruhig und tonlos, scheinbar ohne jede Erregung. „Sie erweisen mir damit ein großes Vertrauen, mein gnädige» Fräulein, und ich kann Ihr« Güte kaum begreifen.« Sie zog di« Schultern rin wenig zusammen. „Mein Nater wünscht die Verbindung. Ich bin gewohnt, ihm zu gehorchen. Er wird Sie besser kennen al» ich, und ich füge mich willig ohne Widerstreben,« sagte sie wieder ohne alle Erregung. Er sah auf seine Hände herab. „Ein unbedeutende», indolente» Geschöpf, sanftmütig, an Gehorsam gewöhnt und scheinbar zu brqaem und passiv, für sich selbst zu denken,« dachte er im stillen. Laut aber sagte er, in« d«m er ausstand und an sie herantrat: „Ich danke Ihnen sür ihre Güte, die mich vor Schlimmem bewahrt. Bitte reichen Sie mir Ihre Hand zur Bekräftigung unsere» Verlöbnisse».« Sie «rhob sich ebenfalls und legte ihre Hand in die seine. „Danken Sie mir nicht — Sie find mir keinerlei Dank schuldig,« sagte fi« leise. Er zog ihre Hand an seine Lippen. »Ich hoffe, Ihnen durch mein V-rhalten dennoch meinen Dank zu beweisen. Möge Sie Ihr« Güt« niemals gereuen.« „DaS wird gewiß niemals der Fall sein,« erwiderte fi« fest. Er sah fi« an mit forschenden Bl ck«n. „Viele Ehen werden ohne die himmelstürmende Li«b« g«. schloffen, und oft finden sich di« Gatten doch im gegenseitigen freundlichen V-rständni«. An meinem ehrlichen Willen dazu soll «» gewiß nicht fehlen.« „Wenn der gut« W lle auf beiden Seiten da ist, über« nomm«n« Pflichten ehrlich zu erfüllen, ist so viel gewonnen,« er« widerte sie. „Und haben Sie diesen guten Willen, Rath r« fragte er dringend. Die Röte schoß ihr ins Gesicht, als er sie beim Vornamen nannte. Sie sühlt« e« und wandt« sich von ihm ab. „Ich habe ihn,« sagte sie sehr kühl, im Bestreben, ihre Unruh« zu verbergen. Er sah ihr Erröten nicht, hörte nur den kühlen, fast ab weisenden Ton. „Anscheinend liegt ihr an^meiner Person sehr wenig— sie will Gräfin Rochtbrrg werden — das erscheint mir ai» Trieb feder ihrer Handlung. Si« wird auch al, solch« sehr gut ihren Platz aussüllen mit ihrer kühlen Gelassenheit. Wäre sie lebhaf ter, leidenschaftlicher, würde diese Verbindung bedeutend unan- genehmer für mich sein. Ein« geli«bte Frau zu hüten ist leicht, «ine ungeliebt« dagegen ist sehr schwer. Ich kann zufrieden srin mit ihr. Es hätte viel schlimmer kommen können.« So dachte HanS Rochus, während er eine Unterhaltung begann, wir fit zwischen Personen geführt wird, die sich eben «rst kennen grlernt hiben. Ruch ging äußerlich ruhig darauf «in. Sie wünschte aber sehnlichst da» End« diese» Alleinsein» hrrbri und atmete auf, a!» ihr Vater nach einer Weile wieder eintrat. Bei Tisch wurden einig, Einzelheiten, di« auf di« V-rlo« bung Bezug hatten., besprochen. Fräulein Hebenstreik, dir sonst da» Mittagessen mit Ruth und ihrem Vater gemeinsam einnahm, war nicht zu bewegen gewesen, sich mit Graf RochSberg zu T.sch zu sitzen. Sir sorgte nur etwa« aufgeregt und übereifrig, daß di« «machen Speisen möglichst dekorativ ausgetragen wurden. Ruth stellte fi« ab«r doch d«m O fixier vor, al» fi« den Nachtisch selbst hereinbrachte. Da» alte Fräulein war ganz außer fich vor Aufregung. E nem wirklichen, leibhaftigen Grafen vorgrstellt und von ihm mit einer liebenswürdigen Ansprache beehrt zu werden — daS war sür Ernestine Hkbenstreit ein überwältigen de» Ereigni». Si« war froh, al« fie wi«der draußen war und fich von dem erschütternden Vorgang erholen konnte. »Mir ist ganz wirbelig zumut«,« sagte fie seufzend vor Stolz zu dem Hausmädchen ^>anS Rochus wundert« fich im stillen über die bescheidende Häuslichkeit RaoenportS. Ruch überstrahlt« mit ihrer eleganten Toilette und ihrer vornehm lässigen Art ihre Umgebung. In Schloß RochSberg würde fie ganz au ihrem Platze sein und manche hochgeboren« Dame an äußerer Distinktion Übertreffen. Und da fick ihm rin. daß r« ihr vielleicht darum zu tun sei, beim H°f« präsentiert zu werden. „Nach unserer Verheiratung muß ich Si, auch den aller höchsten Herrschaften vorstellen, Ruth,« sagte er, fie scharf be obachtend, In ihrem Gesicht regt« fich bei seinen Worten nicht». »Ich hoff«, daß e» mir gelingen wird, den Anforderungen gerecht zu werden, di« Sie an Ihr« künftige Gartln zu stellen berechtigt sind,' erwiderte si« ruhig. .Entweder ist si« wirklich so gleichgültig und nur in blindem Gehorsam erzogen, oder aber — sie spielt Komödi«, we>ß fich zu beherrschen und will tatsächlich nicht» al» Gräfin RochSberg werden. Jedenfalls hat ihr Vater Rrcht, fi« wird eine bequeme Frau sein und mich nicht sehr g«ni«r«n. Und da» ist alle», wa» ich unter den obwaltenden Umständen verlange« kann,' dacht« Han» Rochu». Dabei entging ihm da» stolz« Aufleuchten m Ravenport» Augen, Diesen hatte die Andeutung, daß seine Tochter beim Hof« vorgestellt werde» würde, mit großer Genugtuung erfüllt. Er war jedenfall» der Befriedigste bei dieser Verlobung. Han» Rochu» wünschte da» End« diese» Besuch» so sehn lichst herbei wie Ruth. Diese konnte nur mit Ausbietung all ihrer Willensstärke ihre Ruhe und Gleichmäßigkeit festhalten. Etwa« in ihr lehnte sich auf gegen den furchtbaren Zwang, dem ihre Seele unterworfen war. E« war ihr in all der Zeit so natürlich und einfach erschienen, daß st« durch eine Heirat mit Han» Rochu» diesem da» zurückgab, wa« ihm ihr Vater genom men. Nun aber empfand fi« di« übernommene Pflicht al« furchtbar und kaum erträglich. Nutz', daß ihr Han« Rochu« unsympathisch gewesen wäre. Im Gegenteil, sein« ritterliche Art gefiel ihr, und sein« ehrliche Besorgni«, daß man ihr Zwang angrtan haben könnte, zeigte ihr, daß er sein« Rettung nur ihrem sr«>en Willen verdanken wollte. Aber gerade, daß er ihr Achtung abvöiigt«, machte ihr da« Opfer, welche» fie bringen mußte, tchwrrer, al» fie gedacht. Lie erkannt« «rst jetzt klar, wa» fi« auf fich grnommen hatte, und ihr Verlangen, allein sein zu dürfen, um zur Ruhe und Klarheit zu kommen, wurde immer größer. (Fortsetzung folgt!)