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Pulsnitzer Mchenblatt Donnerstag, 13. Juki 1911. Anlage zu Ar. 83. 83. Jahrgang. Expräfident Castro. Hu den Gerüchten von seiner Anwesenheit in Venezuela. Cyprians Castro, der Expräfident von Venezuela, gibt der Welt wieder einmal Rätsel zu raten. Als er Venezuela verlassen mutzte, drohte er, mit bewaffneter Hand zurückzukommen, und es scheint, daß er sein Wort jetzt halten will. Jeden falls ist er von Teneriffa, wo er sich ausgehalten hat, verschwunden, und aus Venezuela wird gemeldet, daß er bei Punta CastilleteS aus der Halbinsel Goajira in Ko- lumbia gelandet sei und nun mit 1000 Mann an der Grenze seines Heimatlandes stehe. Nach einer anderen Version soll der „Napoleon der Anden" sogar über 2000 Streiter verfügen. Auch das Gerücht, daß Castros Expe- diiion mit der Reise des Schiffes „Konsul Grotstück" in Verbindung brachte, will trotz aller Dementis nicht schweigen. Dieser frühere italienische Kreuzer ist aller- dingS der Regierung von Haiti überliefert und von ihr in Dienst gestellt worden, hat aber gleich bei der ersten Ausfahrt in ziemlich grotesker Weise Schiffbruch gelitten und wurde liegen gelaffen. Nun wird behauptet, daß eS sich um ein abgekarteS Spiel handelte, und daß Castro sich das „Wrack" abholen werde, um eS gegen Venezuela zu verwenden. OerMckes und Sücvsiscdes. — (Eine beachtenswerte Aufforderung!) Eine beachtenswerte Aufforderung erließen für unsere Fabrikanten und Industrielle deutsche Generalkonsulate. So ersucht da» kaiserliche Generalkonsulat in Kalkutta ihm die neuesten Kataloge zugehen zu lassen und em pfiehlt, Kataloge nach Brittsch-Jndien nur in eng ischer Sprache zu senden, ferner Preise und Gewichte in den Katalogen stets nach englischem Systeme anzugeben. Das kaiserliche Generalkonsulat in Genua ersucht ebenfalls, um Anfragen italienischer Firmen über deutsche Fabriken und deren Erzeugnisse sachgemäß beantworten zu können, deutsche Fabrikanten, um sie als Bezugsquellen namhaft machen zu können, um Etnsenden von Katalogen, aus denen Rabatte und VerkausSbedingungen indessen unbe dingt ersichtlich sein müssen. Das Generalkonsulat em pfiehlt zugleich, die Kataloge außer in deutscher Sprache, tunlichst auch in italienischer oder französischer Sprache zu verfassen. — (Neue wichtige Entscheidungen des Reicksinvalidenversicherungsamtes.) Gemäß denselben kann die Richtigkeit einer in gehöriger Form bewirkten Markenübertragung im Rentenstrettverfahren nur durch „Begründetes Bestreiten" angefochten werden, kann ein Rentenempfänger sich auf einen zurückgenom- meaen Jnvalidenrentenantrag ohne Rücksicht auf die Rechtsverbindlichkeit der Zurücknahmeerklärung dann nicht mehr berufen, wenn er während zehn Jahre auf diesen Antrag nicht zurückgekommen ist, hat ferner ein Urteil, daß vom Schiedsgerichte ohne Kenntnis von dem Tode des Rentenbewerbers erlassen ist, keine rechtliche Bedeutung. — (EineVereinigung derKonsumoereine) Eine Vereinigung der Konsumvereine von Dresden und Umgegend wird schon seit längerem angestrebt. Eine am Montag in Angermanns Gasthof zu Döhlen stattgesun- dene außerordentliche Generalversammlung des Konsum- verein- für Potschappel und Umgebung beschloß einstimmig die Auflösung des Vereins und den Anschluß mit sämt lichen Aktiven und Passiven an den Dresdner Konsum verein „Vorwärts". Damit ist der erste Schritt zu der geplanten Vereinigung der Dresdner Konsumvereine getan. Königsbrück, 12. Juli. (Das 50jährige Bürger- jubiläum.) DaS 50 jährige Bürgerjubtläum beging gestern Herr Töpfermstr. Julius Hauffe hierselbst. Seiten der Stadtvertretung wurde dem Jubilar durch eine De putation, bestehend au» den HerrenBürgermeister Leßmann, Stadtverordneten Huhle und Bachmann, eine Ehrenurkunde überreicht. Nus aller Köln, 11. Juli. (Die Begründung des Urteils im Jatho-Prozeß.) Pfarrer Jatho Hal heute durch Schreiben vom 10. Juli vom Königlichen Konsistorium der Rheinprovinz die Begründung des Urteils zugestellt erhalten. DaS umfangreiche Schriftstück begründet den Spruch mit 10 Feststellungen, die sich beziehen auf das Verhältnis von Gott und Welt, die Offenbarung Gottes, Schuld und Sünde, den geschichtlichen Jesus und das Fortleben nach dem Tode. Jatho wird auf Drängen des Arztes demnächst eine Erholungsreise antreten. Frankfurt a. M., (2 Iuli. (Leutnantvon Braun in Konstantinopel.) Leutnant von Braun von den Dan ziger Husaren ist, wie ein Telegramm der „Franks. Ztg." aus Ronstantinopel meldet, dort auf seinem Distanzritt eingetroffen. Der deutsche Militärattaches und mehrer türkischeGsfiziere wa ren ihm bis 5an Stefano entgegengeritten. Homburg v. d Höhe, (2. Juli. (Namen Änderung der Stadt Homburg v. d. Höhe.) Der Magistrat hat beschlossen, um eine Aenderung der Stadt Homburg v. d. H. in Bad Homburg beim Kaiser zu petitionieren. Jugenheim, (2. Iuli. (Lrdbebenverzeichnung.) Heute morgen von 5 Uhr Z( Minuten 37 Sek. bis 8 Uhr wurde von der Erdbebenwarte ein mittelstarkes Erdbeben aus über (0000 lcm Entfernung ausgezeichnet. Ls handelt sich um ein japanisches Beben, der Herd ist vermutlich im Meer. GeorgSwalde. (Hohe Liquidation.) Jeder der hiesigen Gastwirte, der gegen das Verbot der Kellnerinnen bedienung durch einen Prager Rechtsbeistand vergeblich Rekurs erhoben hatte, erhielt eine Liquidation des Prager Advokaten in Höhe von 20 bis 30 Kronen. — Trotz des Mißerfolges, den die erwähnte Eingabe bei den höchsten Instanzen gehabt hat, soll eine weitere Protestkundgebung an das Handelsministerium in Wien gemacht werden, worin die Schäden und Nachteile beleuchtet werden sollen, die das Kellnerinnenoerbot nicht nur für das hiesige Gast- und Schankgewerbe hat, sondern für unsere gesamte Stadt und ihre Steuerkraft im Gefolge haben wird. Der Aus nahmezustand, welcher durch die angezogene behördliche Verordnung über GeorgSwalde verhängt worden ist, zeitigt schon seine Folgen. Der Verkehr ist in den meisten der betroffenen Gasthäuser gleich Null; man hört von den Wirten die lautesten Klagen über schlechten Geschäftsgang und über sehr knappe Einnahmen. Immer schärfer und schärfer wird in allen in Mitleidenschaft gezogenen Kreisen der Erlaß der Schluckenauer Bezirkshauptmannschaft ver urteilt. Rom, 11. Juli. (Unwetter in Italien.) Ein heftiges Gewitter hat in der Gegend von Catane gewütet. Die Stadt steht zum größten Teile unter Wasser. Viele Fischerboote sind untergegangen, vier Fischer sind ertrunken. Der Gewittersturm hat auch die Küste von Sadinien schwer heimgesucht. Mehrere Erntearkeiter sind vom Blitze erschlagen worden. Neuyork, (2. Juli. (Gpfer derHitze.) Gestern gab es hier infolge der Hitze 26 Tote und abermals mehrere Fäll« von Wahnsinn. Hunderte wurden ins Krankenhaus gebracht. Das Gesundheitsamt meldet: Seit Beginn dss. Mts. sind 8000 Tierkadaver in den Straßen gefunden worden. Neuyork, (2. Huli. (U n ge h eure w ald bränd e in Amerika.) Waldbrände zerstörten die Stadt Tsooda in Mi- chigam. Au-Sabie und Alpena stehen in Flammen. Mehrere Plätze sind schwer bedroht. Di» Einwohner flüchten in größ ter Eile. Newyork, 11. Juli. (SchwereEisenbahnkata- strophe in Amerika.) Ein Schnellzug der Newhaven- Bahn entgleiste, als er auf der Fahrt von Boston nach Washington die Stadt Bridgeport (Connecticut) durchfuhr und stürzte von einer 30 Fuß hohen Böschung auf die Straße hinab. Die Pullmanwagen gerieten in Brand. Bisher wurden 20 Tote aus den Trümmern gezogen und über sechzig Verletzte, von denen eine Anzahl tötlich ver letzt ist. Die Ursache der Katastrophe war eine offene Weiche. Sechs von den neun Waggons find derart demo liert, daß noch 200 Fuß von dem Gleise Trümmer ge- funden wurden. 150 Personen waren im Zuge, von welchen, nach einer späteren Meldung, nur wenige un- versehrt gebli ben sind. London, 11. Juli (TunnelunterdemAermel- kanal.) Seit einigen Tagen, speziell seit dem Ueber- Der stiLLe See. Roman von H. Courths-Mahler. K (Nachdruck verboten. „Lassen Vie doch. Diese Prüfung führt ja doch zu »ich». Daß ich ruiniert b n, weiß ich auch ohnedies, «nd dies« Gewiß heit kann di« ausmerlsamste Prüfung nicht aus der Welt schaffen.- „Allerdings nicht." „Also sparen wir uns die nutzlose und unerfreuliche Müh«. Sie haben Vollmacht wie bisher. Da, ist freilich jetzt nur eine leer« Form.' In RavenportS Augen »uckte eS wie heimliche Befriedigung. „Wie Sie wünschen. Dann bleibt nur noch eine Kleinig keit zu regeln. Vie verlangten gestern eine Summ« Geld von mir. Wieviel benötigen Sir? Ich will gleich einen Scheck ausfüllen in der gewünschte» Höhe.' In des jungen Oifizier« Gesicht schoß jähr Röt,. vt« sagt,» mir doch grstrrn, daß eS Jhnrn unmöglich wäre, mir noch Geld vorzusch'eßeu." Ravenport macht« einen mißglückte» Versuch, jovial a«»zu- sehen, und klopfte ihm lächelnd auf die Schulter. „Jetzt liege» di« Verhältnisse doch anders. Selbstverständ lich sorg, ich für rin«» standesgemäßen Unterhalt. Sw müssen Mir schon i» dieser Beziehung gestatten, Sie von heute an al, mrinen Schwieg,Hohn ,u betrachten.' HanS Noch«, ruckt, an semem Säbelgurt und erhob sich. „So lassen Vi, uns zuvor zu Ihrem Fräulein Tochter gehen. Habt ich ihre Einwilligung, daun werd, ich von Ihrem gütige» An,»birtrn Gebrauch machen.' „W>, Si, wünichen. Also bitte.' D<« beiden Herren schritten schweigend durch einige Ge schäftsräume hinaus und dann die Trepp, rmpor. Ravenport öffnet, di« Tür zu dem Salon, i» welchem der schön« Flügrl stand, und ließ seinen Besuch eintrrten. Nachdem er di, Tür hinter sich zugezog«» hatte, ging er zu einer Seiten- H», die mm Wohnzimmer führte, und öffnet« fi«. „Rmh — bitte, komm doch herüber l rief er hinein. Da« jung« Mädchr» hatte untätig am Fenster gesessen. Si« hatte Graf RochSbrrg in da» Hau» tret«n sehen und wußte, daß sie ihm gleich gegenüber stehen würde. Zeit genug, sich zu fassen, hatte sie gehabt. Scheinbar ruhig erbob sie sich und ging in den Salon hinüber. Vie hatte wirklich da« „Traue' »«gezogen, wie Fräulein Hebenstreit gewünscht. E« war ein fein abgetönte« elegante« Kostüm, welche» in weichen Falten ihre schlank« Hoh, Grstalt umschmiegtr. Har« Roch»« sah mit brenn,ndt», unruhigen Augen drm jungen Mädchen entgegen. Ihre Erscheinung überrascht« ihn. E» lag etwa» Schwebende», Gleitende» in ihrer Haltung, wohl durch den eigenartig langfleßenden Schnitt ihre« Kleide» be stimmt. Srin Bück ruhte forschend auf dem blassen stillen Ge fixt «nd ein «leicht,ter Atemmg hob seine Brust. Ruth Ravenport sah weder unschön noch gewöhnlich au», wie er heimlich gefürchtet batte. Wenn sie auch kerne blendende Schönheit war, wt« zum Birspiil Hild« Sontheim, so hatt« fi« doch fein« angenehm« Züg«. Si« bewigte fich sich«, mit natür licher Anmut «nd sah «nlschieden srhr distinguiert au«. Wäre er ihr an einem anderen Oct begegnet, hätt« «r sie für «ine Dam« au» fein«» Krrisrn gehalten. Während Ravrnport de beiden jungen L-ut« bekannt machte, hob Ruth nur flüchtig di, Lid« «nd blick,« rhn mit ihrrn rrnstr» dunkeln Augen »inen Moment an. Dann sah sie wie der zu Bode», und ihr Gesicht bekam etwa« Starre«, Leblose«. Han« RochuS sprach ,mig« formelle Worte der Begrüßung und sie «widert, dieselben ruhig und höflich. Er bemerkte da bei, daß ihre Stimme ernen vollen weichen Klang hatte und daß fi« ihre Muttersprach« mit einem leisen fremden Beiklang ge brauchte, wie er fich bei langem Aufenthalt im Ausland heraus- bildet. Beides berührt ihn angenkhm. E« paßte zu ihrer eigenartigen Erscheinung. Al« er fich über ihre Hand neigte um sie zu küssen, sühlte er, wie dies« Hand leicht zurück,ucke. So berührte «r sie kaum mit seinem blonden, elegant gestützten L ppenbart und gab sie schnell wieder frei. Dann trat er von ihr zurück. Ravenport half beiden über die peinvolle Situation hinweg, indem er eimg« allgemeine Phrasen hervorbrachte. Erst al« er merkte, daß beide ihr« Fassung wied«rgtsund«n hatte», kam er aus den Kernpunkt der Sache. „Graf Roch«berg ist, wie du Mißt, gekommen, um dich zu fragen, ob du seinen ehrenvollen Antrag annehmen «nd ihm di« Hand »um Bunde kür da« Leben r«ich«n willst", sagt« er zu s«in«r Tochter. „Da dir und Ihnen, Herr Graf, eine ungestörte Aussprache erwünscht sein wird, werde ich inzwischen noch einig« Geschäft« rrlrdigin. Si« bl«ibr» natürlich zu Tisch, mein liebrr Graf? W.r haben später doch noch einiges zu bespreche».' Han» Rochu» verbeugt« fich zustimmend und Ravrnport ging hinaus Eine Weile standen fich die jungen Leute in prinlichem Schweigen gegenüber. Endlich raff!« fich HanS RochuS auf. Zugleich machte Ruth eine Handbewegung und sagt« höflich: „Bitte, wollen Sie Platz nihmen Herr Graf.' Sie setzten fich nieder, fast die ganz« Breite des Zimmer« zwischen fich. Han« Rochu« sah zu Ruth hinüber «nd wartete vergeblich, daß fi« dir Augen aufschlug. Sie saß do, al« ob sie gar keine Notiz von ihm nähme. Er ahnt« nicht, daß fi« qual voll um dies« äußert Ruh« ringen mußt«. „Mein gnädige« Fräulein — eigenartige Verhältnisse führe« un« zusammen — e« ist mir nicht leicht, mich Ihnen verständ lich zu machen. Ich sehe vi« heut« zum »rstrnmal. Trotz»«« wag« ich ««, Si« um Ihr« Hand zu bitt«n. Ich bi» «in rui nierter Mann — ohne Ihre« Herr» Vater« großmütige« Ang«, bot müßt« ich wi« ein Bettler von RochSburg gehen. Ihr Herr Vater bot mir nicht nur Hilfe, sondern auch di« Hand ferner einzigen Tochter an. Ich hab« nicht» in die Wagschal« zu werfen, al« etwa meinen Namen und de» ehrlichen W lle», Ihnen meine Dankbarkeit zu beweisen, wenn Sie wirklich «»- willig », meine Gattin zu werde». Daß Si« da« wollen, hat mir Ihr Herr Vater ver sichert. Er sagt mir auch, daß Si« ohn« Z-vang fr«»w>llig Ihr« Zusage gegeben haben. Aber ich muß da« von Ihnen selbst höre», m« n gnädige« Fräulri». W-nn man irgendeinen Zwang aus Ihre Entschließung auSgeübt har, wenn Sie irgendein Widerstreben gegen meine Person em» pfiaden, so sagen Si« e« mir offen. Li« dürft» auch in diesem Fall auf mein« rückhaltlos« Erged«nh«it r»chn«n. Ich wll liebe, all« Konsequenzen auf mich nehmen, al« Sie wider Ihren W ll«n an mich 6ff-ln. Habe» Sir Vetrau«» zu mir «ad sage» S wir die Wahrheit.'