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Pulsnitzer Wochenblatt Sonnabend, 8. Juki 1911. Beilage zu Yr. 81. «3. Jahrgang. Kau Nsselli-UonltznO. 8.Dresden, 7.Juli. Unser Dresdner Mitarbeiter schreibt: Die augenblicklich auf der Insel Wight zum Besuche einer Freundin weilende Gräfin Montignoso hat nach einem nach Dresden an eine ehemalige befreundete Familie adressierten Schreiben anfänglich gar nicht die Absicht gehabt ihre Memoiren zu publizieren. Dieselben seien vielmehr da zu bestimmt gewesen, erst nach ihrem Tode der Oeffent- lichkeit übergeben zu werden. Sie sei jedoch neuerdings erst zu dem Entschlusse gekommen, schon jetzt die Me moiren zu veröffentlichen, da man ihr gesagt hat, daß von Dresden aus zweifelsohne eine Widerlegung ihrer Schrift erfolge^ werde. Um nun keine falsche und un richtige Darstellung ihrer Person und ihrer Handlungen auskommen zu lassen, habe sie sich schließlich auf den Rat ihrer Freunde und ihres Londoner Verlegers ent schlossen, schon bei Lebzeiten ihre Lebensgeschichte auszu- rollen, um falsche Vorstellungen zu zerstören. Sie habe sich in ihrer Niederschrift streng an das Sachliche gehal ten, sich und ihre Person keineswegs geschont und den König von Sachsen im Interesse ihrer Kinoer in schon- endster Weise behandelt. Der sächsische Hof sei daher gar nicht berechtigt, die ihr durch Vertrag auf 40 000 M festgesetzte jährliche Apanage wieder zu entziehen. Sie habe sich derzeit dem Bevollmächtigten des Königs von Sachsen, Lem Hausminister v. Metzsch gegenüber nur verpflichtet, gegen das Sächsische Königshaus und die Mitglieder des letzteren nichts zu unternehmen und zu veröffentlichen. Das geschehe in diesem Falle auch nicht, und nichts könne sie hindern, ihre eigene Lebensgeschichte niederzuschreiben. Diese spiele nur zu einem kleinen Teile in Dresden, zum größten Teile in Oesterreich und dadurch würden auch österreichische Verhältnisse und insbesondere Angelegenheiten des österreichischen Kaiser hauses, dem sie als österreichische Erzherzogin angehöre, be sprochen. Sie spricht in ihrem Schreiben die Hoffnung aus, in nicht zu ferner Zett ihre erwachsenen Kinder Wieder sehen zu rönnen, müsse sich aber in diesem Sinne den Anordnungen des ritterl chen Königs Friedrich August, den sie noch immer schätze, fügen. Ob man den obigen Be hauptungen der Frau Toselli, daß in ihrem Buche nichts enthalten sei, was den König von Sachsen herabsetze, Glauben schenken darf, muß die Zukunft lehren. Jeden- falls legt man in den Dresdner Hofkreisen dem Erschei nen der LebenSgeschichte der Gräfin Montignoso kein allzu großes Gewicht bei und auch der Berater des Kö- nigS in dieser junerquicklichen Familienangelegenheit, der Sächsische HauSminister Exellenz v. Metzsch-Reichen bach ist der Ansicht, daß an der ganzen Geschichte nicht viel Wahres sein werde. Falls aber dennoch das ange- kündigte Buch etwas enthalten sollte, was geeignet ist, den sächsischen Hof und die Mitgliedern desselben herab- zusetzcn, so dürfte das Buch wohl in allen deutschen Bundesstaaten der Beschlagnahmung anheimfallen. Wie in Dresden erzählt wird, soll die Gräfin Montignoso für die Veröffentlichung ihrer Memoirien 2 Millionen Mark beziehen. Bemerkenswert ist noch die Tatsache, daß die Absicht der Frau Toselli, ihre Memoirien zu veröffentlichen, jetzt selbst von denjenigen verurteilt wird, die einstmals zur ihren lautesten Freunden und Ver ehrern zählten. Osrtttcdes unv SScbsiscdes. — (Mehrere drutsche Fürstlichkeiten) be- gehen Montag, am 10. Juli ihren Geburtstag. Seinen 42. Geburtstag begeht Prinz Johann Georg von Sachsen, der Bruder Königs Friedrich August III., der Gemahl der Prinzessin Immaculata Maria von Bourbon-Sizilten. — Seinen 44. Geburtstag begeht Prinz Maximilian von Baden, der mutmaßliche Erbe des badischen Thrones, der Gemahl der Prinzessin Marie Luise von Großbritannien und Irland, Herzogin von Braunschweig-Lüneburg, der Schwester der Großherzogin Alexandra von Mecklenburg- Schwerin. — Seinen 36. Geburtstag begeht Herzog Sieg fried von Bayern, der älteste Sohn des Heimgegangenen Herzogs Maximilian aus seiner Ehe mit der Prinzessin Amalie von Sachsen-Coburg und Gotha. MWAtllNW ms das 3. Larta! des Pulsnitzer Wochenblattes nehmen noch alle Zeitungsboten, sowie die Erpediton d. Pulsnitzer Wochenblattes entgegen. Verlag des Pulsnitzer Wochenblattes. Elstra. (Bienenwtrtschaftliche AuSstel - lung.) Der bienenwtrtschaftliche Verbands-Vorstand Westl. Lausitz hält vom 15. bis 17. Juli ia Elstra eine bienenwirtschaftliche Ausstellung ab. Sie soll ein an- schaulichcS Bild vom jetzigen Stande der Bienenzucht, ihrer Betriebsweise, ihrer Stockformen, ihrer Rassen, ihrer Geräte, ihrer Produkte bieten. Sie wird viel Lehrreiches bringen für Imker, aber auch für Nichtimker. — Ein Bienenzüchter lernt nie aus und benutzt daher gern jede Gelegenheit, wie solche ja Ausstellungen sein sollen, seine Kenntnisse zu bereichern. Und der Laie in der Bienen zucht, der Nicht-Jmker, kann hierbei auch einmal einen Einblick tun in das wunderbare L-ben und Treiben un serer Bienenstaaten. Es wird von manchen von großem Interesse sein, besonders auch, wenn er die Gewinnung des echten Honigs mit eigenen Augen anschauen kann. — Im Nebensaale der Ausstellung (Schützenhaus) findet Sonntag, den 16. Juli, nachmittags 3 Uhr eine Jmker- versammlung mit Vortrog statt. Elstra, 5. Juli. (Tödlich überfahren) wurde heute nachmittag der 8jährige Sohn des ZigarrenmacherS Wilhelm Groth. Er kam zu Fall unter einen 3spännig beladenen Lastwagen und das Gefährt streifte Kopf und Hände derartig, daß der Tod sofort eintrat. Der Geschirr- sührer dürfte schuldlos sein. Meißen. (Die ersten Kartoffeln) heimischer, diesjähriger Ernte kamen am Sonnabend auf den hie sigen Wochenmarkt. Ein Gutsbesitzer aus Bahra bei Hirschstein hatte eine Fuhre (etwa 12 Zentner) „rote Rosen" zur Stadt gebracht. Obwohl gerade diese Sorte dem Geschmack der Verbraucher nicht besonders zusagt sanden sie doch, weil die alten Kartoffeln immer knapper wurden, gute Abnahme und wurden mit 6 Mark der Zentner bezahlt. MpWiMM / kommen häufig durch Blutarmut, Bleich sucht sowie Nervenreiz. Weufi das Blut nicht die richtigen Bestandteil besitzt, wer den die Nerven nicht genügend gespeist und durch den mangelhaften Blutzustand wird immer die Verdauung und Assi milation gestört werden M muß die Grund ursache beseitigt werden, es muß auf das Blut und die Nerven eingewirkt werden und. wird hierfür von bedeutenden Aerz- ten mit hervorragendem Erfolge Lecifer- rin verordnet, das sehr angenehm zu neh men ist, den Körper kräftigt und frisches, gesundes Blut schafft. Lectferrin enthält Ovo-Lecithin 0.8, Eisen als Eisenorydhydratan Zucker gebunden» 0.75, aromatische Bestandteile in Cognac und Alkohol 40.0, Rest destilliertes Wasser. Preis Mk. 3 die Flasche in Apotheken zu habkn, ganz sicher von: Mohren-Apo theky Dresden. l^skIamsteN. „Durch dieBergederSächsischenSchweiz." Diese Fahrrad-Prüfungsfahrt (68,5 Km) führte über Pirna, Lohmen, Stolpen, Sebnitz, Lichtenhein, Schandau, Festung Königstein, Pirna und wurde in 2 Stunden 24 Minuten ohne Defekt auf dem bewährten Avanti- Fahrrade wiederum gewonnen. Die vorjährige Zeit ist dabei noch um 14 Minuten verbessert worden. Dabei war unter großer Konkurrenz nur dieses einzige Avanti- Dev flirre See. Roman von H. Courths-Mahler. 4 (Nachdruck verboten. Kein Zug in ihrem Gesicht verriet eine besondere Erregung, nur di« Hände legten sich fest ineinander, weil ein leise« Beben ihre innere Unruhe hätte verraten können. Ravenport beobachtete sie scharf. Etwa« wie Unwillen glitt üb«, sein Gesicht. Sein» Finger drehten wie spielend an der dünnen Uhrkette. Endlich sagt« rr ruhig und fast grschäftSmäßig: .Du bist nun in dem Alter, in dem junge Mädchen heirat«, fähig genannt werden. E« hat sich auch ein Freier für dich bei mir gemeldet, der alle Eigenschaften besitzt, di» ich von mei- »nn zukünftigen Schwiegersohn erwarte. 34 habe ihm deine Hand bereit« zugesagt. Du wirst mit der Wahl zufrieden sein, die dein Vater in weiser Fürsorge für dich getroffen hat''. Er machte eine Pause. Ruth antwortete nicht. Vie saß »och immer mit gesenkten Augen da. Nur ein unruhige« Heben und Senken der Brust verriet, daß Leben in ihr war. .Nun, du fragst mich nicht, wer dieser Freier ist?" »Nein," antwortete sie leise. Peter Ravenport war gewöhnt, daß sie sich ruhig all seinen Befehl,« und Anordnungen fügte. Daß sie aber auch bei dieser Srlegenheit k«in Wort der Erwiderung fand, verursachte ihm Einige« Unbehagen. .Du fragst «ich», «,il du wohl überzeugt bist, daß dein Bater eine gut. Wahl für dich getroffen hat. Ich hahe dich für ein vornehme« Lebm nziehen lassen, weil ich dich mit einem vornehmen Mann «erhAn,«« wollte. Jetzt ist der Zeitpunkt ge kommen. Also kurz und gut, Graf Rochsberg hat mich um deine Hand gebeten, und ich hab« sie ihm zugesagt. Morgen Mittag wird er kommt», um persönlich bei dir seine Werbung vorzubringen." , _ , . Ruth preßte die Lippen fest aneinander und über den Ang«, auf der Stirn erschien «ine kl«in, Falte. Die Hände schloss«, sich «och fester ineinander, und di« Augenlider zuckten leis'- Dies«, Zeichen deutete ihm an, daß sie nicht so ruhig wie fi« sHm. Seine BefichtSmuSkeln spannten sich an, al« ob er sich auf «inen Kampf vorberriten müßte. Ruth zwang aber schnell ihre äußere Unruhe zurück. »Es ist gut, Vater," sagte sie fest. Er richtete sich doch nun überrascht auf. Die glatte Füg samkeit, ohne eine Frage, eine Einwendung, hatte er nicht er wartet. ,Du scheinst gar nicht so überrascht zu sein?" fragte rr zögernd. .Nein," erwiderte sie kurz. Er riß etwa« ungeduldig an seiner goldene» Uhrkette. »Willst du mir dein sonderbare« Benehmen nicht erklären? Wir kommt r», daß du r» al« so etwa« Selbstverständliche» an- nimmst, daß Graf Rochrberg um dich anhält?' Ruth atmete tief auf. »Muß ich dir darauf antworten, Vater?" fragte sie ernst. »Gewiß. Dein Verhalten bei dieser Eröffnung ist so eigen tümlich, daß ich dafür eine Erklärung erwart«." Da« jung« MSdch«» schlug jetzt die dunklen Augen groß auf und sah dem Vater mit ernstem A»«druck in da« Gesicht, indem sich eine nervös« Gerri,theit spirgrltr. »Ich habt schon lang, gewußt, daß du mich dazu be stimmtest, Graf Rochsberg« Gatti« z« werd««. De«halb war ich nicht erstaunt über deine Eröffnung." Ravenport fuhr empor. »Wa« hast du gewußt? Woher?" »Muß ich auch da« noch sagen, Bate,? E« wäre mir lieber, du erließest mir dir Antwort auf diese Frage." »Ich will e« wissen!' rief er scharf und innerlich unruhig. Ruth strich mit bebenden Händen üb«r die Stirn, «in ge- quälter Auldruck lag in ihrem Gesicht. Sie blickte wieder vor sich nieder, al« bereite r« ihr Schmerz, den Vater anzusehen. Mit leiser Stimme begann sie dann i »E« ist fast zwei Jahre her — da war ich einmal, ohnr e« zu wollen, Zeuge einer Unterredung, di« du mit dem Rochs- berger Inspektor Seltmann hattest." Ravenport zuckte zusammen und verfärbt« sich. Seine Augen bohrten sich unruhig forschend in ihr Gesicht. »Wa« hast du gehört?" fragt« er heiser. Sie seufz,« tirf auf und krampft« die Lände ineinander. »Daß du mit Seltmann auf unrechtmäßig. Weis« V«rkäus. abgeschlossen hast, die «inen großen Teil Rochsberg« Grund und Boden und alle landwirtschaftlichen Produkte, auch geschlagen« Hölzer, für einen Spottprei« an dich brachten. «» handelte sich um hohe Summe», die Graf Rochtberg entzogen wurde». Ich hörte, daß du Seltmann für seine Beihilfe bezahltest, und ihm Anweisung gabst, wie rr in seine Wirtschaftsbücher die Ein tragungen zu machen hätte. Seltmann sagte dir, daß er sich Gewissensbisse machen würde, wenn du ihm nicht die Versicherung gegeben hättest, daß deine Tochter eine« Tage» Gräfin Rochs berg sein würde. Dan» käme ja doch alle» wieder in di« Hände Rochsberg» zurück. Du bestätigtest da» noch einmal ausdrücklich und sagtest ihm, er brauche keine Angst zu habe». In zwei bis drei Jahren sei deine Tochter ficher mit Graf Rochu« ver mählt. Er sollte nur weiter ganz «ach deinen Wünschen han deln, dann sei «» sein Schaden nicht. Da« ist alle«, wa« ich weiß." Si« hatte da« alle« gesagt, ohne auch nur einmal die Stimm« zu hebe«. Ganz monoton kam e« über ihre Lippe». Ravenport hatte sich vorgebeugt, al» müsse er ihr die Wort« vom Mund« adlest», ehe sie ausgesprochen waren. Sein Gesicht war fahl und schlaff geworden. Al» sie geendet hatte, bewegte er einigemal» i» krampfhaft»» Art den Unterkiefer, ohne ein Wort hervorzubringen. Endlich fand er die Sprache wieder »Wie kamst du dazu un» zu belauschen?" fließ er heiser hervor. »Ich war gegen dem Gebot in dein Zimmer gegangen, um mir etwa» Schriibpapier, da» ich brauchte, zu hole». Da hörte ich dich di« Trrpp« heraufkomm«» u»d versteckt« mich hinter dem Vorhang, Hinte« welchem du in einer Nische allerhand Bücher und Akten aufbewahrst. Weil du um diese Zeit immer unte» im Kontor warst, glaubte ich, du würdest gleich wieder hinunter« gehen. Du tratest jedoch mit Seltmann rin und gingst nicht wieder fort. Ich schämte mich, vorzukommen und mich meine» Ungehorsam» wegen vor einem Fremden auSschrlte» zu lassen. So blieb ich und hörte alle»." Ravenport hatte eine leichte Miene erzwungen. »Und hast du dir in deinem Unverstand wer weiß wa» für grau»liche Di»g« zusammenphantafiert. Von Geschäften ver siehst du nicht»," sagt« rr ironisch. »Nein — aber ich kann Recht und Unrecht unterscheiden.^