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Pulsnitzer Mckendlatt Dienstag, 10. Oktober 1911. Beilage zu Nr. 121. 63. Jahrgang. OortUcdes unv Säcdslfcdss. — (Billige Briefe nach den Vereinigten Staaten.) Briefe zu 10 Pfennig für je 20 Gramm werden in nächster Zeit nach den Vereinigten Staaten von Nordamerika befördert mittels der Dampfer „Kaiser Wil helm der Große* ab Bremen 10. Oktober, „Cincinnati* ab Hamburg 12. Oktober und „Kaiser Wilhelm ll.* ab Bremen 17. Oktober. Diese Schiffe außer „Cincinnati* sind Schnelldampfer, die die schnellste Beförderung-» Gelegenheit bieten. Wir empfehlen, die Briefe mit einem Leitvermerke wie „direkter Weg" oder „über Bremen oder Hamburg" zu verfehen und machen darauf aufmerksam, daß die Portoermäßigung sich nur auf Briefe, nicht auch auf Postkarten, Drucksachen rc. erstreckt und daß sie nur für Briese nach den Vereinigten Staaten von Nord amerika gilt. Pirna. (Im Wasserstand der Elbe) ist auch seit Dienstag ejne Besserung zu verzeichnen. Von den oberen Plätzen werden heute noch 15 cm Wuchs gemel det. Da kälteres ausklärendes Wetter eingetreten ist, so muß man für die nächsten Tage wieder mit Fall rechnen. DaS Elbgeschäft bewegt sich in Aussig trotz des eingetre- tenen Wuchses noch immer in recht mäßigen Grenzen. plus aller Berlin, 9. Oktober (Ablösu ngS - Transport nach Agadir.) Für da- vor Agadir mit Verwendung findende Kanonenboot „Eber" wird zu Beginn dieser Woche ein AblösungStranSport formier., der am 11. Ok tober von der Heimat nach den westafrikantschen Gewäs. fern in See zu gehen hat. Berlin, 9. Oktober. (Mit 600000 Mark Schul den flüchtig.) Mit Hinterlassung von 600000 Mark Schulden ist der Inhaber der Papier- und Pappenfabrik OSkar Sasse, namens Max Berthold, verschwunden. Die Passiven der nunmehr in Konkurs geratenen Firma be tragen 675 000 Mark, denen etwa 80 000 Mark an Aktt- ven gegenübersteben. Berlin, 9. Oktober. (Rätselhafter Selbst, mord.) In Nixdorf hat gestern ein 17 Jahre alter Gymnasiast aus bisher vollständig unbekannten Grün- den Selbstmord verübt. ES handelt sich um den Sohn des früheren Telegraphendirektors Varola, der erst vor einigen Monaten mit seiner Familie aus Amerika nach Deutschland iLbergeftedelt war. Düsseldorf, 9. Oktober. (Neue Fahrten des Luftschiffes „Schwaben".) DaS Luftschiff „Schwa ben" trifft am 14. Oktober wieder in Düsseldorf ein und unternimmt 8 Tage lang Paffagierfahrten nach dem Niederrhein und nach Holland. Am 22. Oktober wird das Luftschiff nach Hamburg fahren. Düsseldorf, 9. Oktober. (Ahrtalbahnbau ein- gestellt) Der Weiterbau der Ahrtalbahn oberhalb Dümpelfeld ist vorläufig unterbrochen, weil fast sämt liche italienische Erdarbeiter zum Heeresdienst nach der Heimat zurückbeordert wurden. Rom, 9. Oktober. (Ein dramatischer Zwi schenfall) hat sich in Bart in der Kirche des heiligen -4 Hedwig. Kriminalroman von G. v. Stramberg. i? (Nachdruck verboten.) „Sie vttgisstn sich, mein FrSuleln l* rief Van der Loo mit zornblitztnden Augen an«, „und ich bitte Sie inständig, mich nicht zu zwingen, die einer Dame schuldig, Rücksicht außer Au s'» »u löffln. Denn ich werde «S nicht dulden, daß Fräulein Thalenhorft in mein« Gegenwart von irgend jemand beleidigt wird.* — „Ihr ritterlich« Sinn macht Ihnen alle Ehre," sagte sie spottend, „möge sich Jh« Schutzbefohlene noch recht lange Ihre» Schutze- erfreuen. Doch sw werden wohl auch mir gegenüber Ihr« ritterliche» Pflichten nicht vergessen und mich daher wenig» stenS bi» an unseren Wagen begleiten." Dieser Aufforderung konnte sich Van der Loo nicht ent» ziehen, und so führie er denn die jung« Dame nach der eleganten Equipage, in welcher der Bruder bereit» saß. Der Erste« fühlte, daß sie kräftig sein« Hand drücke, al» er ihr beim Einsteigen half, und unter einem äußerst koketten Lächeln sagt« fi« ihm als dann Lebewohl, wobei sie die Heffnung auf ein baldig,» und fröhliche» Wiedersehen ««»sprach. Van der Loo verbeugte sich kühl bei dirser Bemerkung, der Bruder lüst«te leicht den Hut zum Abschiede, und dann setzt« sich der Wag,« in Bewegung, um bald den Blicken der Zurück» gtbuebenen«ntschwinden. Da irischen beinahe halb sich» Uhr geworden war, so drängte di,Baronin, welche sich vor der Nachtlust zu fürchten «klärte, eifrig zum W»fb»uche. Zwar suchte d«r Hau»h«rr seine Gäste zum längeren Bleiben zu veranlassen, aber er tat die« mit einer Miene, au» der man entnehmen konnte, daß e» ihm mit dieser Aufforderung nicht so recht ernst war. Er fühlte sich abgespannt und gar nicht aufgelegt, zu heiterem, gesellschaftlichen Zusammensein. Nachdem man di« sttundschaftliche» Händrdrvcke mit «inan- der gewechselt hatte, trennten sich die Gäste von ihrem Wirte; sinnend schaut« Van der Loo dem Wagen nach, bi» derselbe hinter di» Bäumen verschwunden war, und dann schritt « mit Dominik abgespielt. Während einer Festgottesdienstes, wo sich zahlreiche Menschen eingefunden hatten, fing die Statue der Heiligen Jungfrau Feuer. Ehe der Priester mit Rettung herbeilen konnte, waren der JesuSknabe und die Madonna bereit» verbrannt. In der Versammlung, die sich meist auS Frauen und Kindern zusammensetzte, brach eine wilde Panik aus. Nach schweren Bemühungen gelang eS der Geistlichkeit, die Menschenmenge zu be- ruhigen. ES sollen dabei Verletzungen oorgekommen sein. DaS Feuer konnte bald gelöscht werden. St. Gallen, 9. Oktober. (Hochwasser.) Infolge des Hochwassers ist das Sarganschland überschwemmt. Der Rhein ist stark gestiegen. Paris, 9. Oktober. (Blutiges Drama.) Im Hafen von L'Orient hat sich an Bord des dänischen Drei- Masters „VexuS" ein blutiges Drama abgespielt. Der Kapitän Andersen wurde plötzlich vom VerfolgungSwahn- sinn befallen. Er verbarrikadierte sich in seiner Kajütte und begann auf Offiziere und Mannschaften mit dem Revolver zu schießen. Zwei Offiziere wurden schwer, mehrere Matrosen leichter verletzt. Endlich gelang ei, nachdem der Wahnsinnige alle Patronen verschossen hatte, in die Kajütte einzudrtngen und ihn zu entwaffnen. Er wurde gefesselt, in die Zwangsjacke gesteckt und einer Anstalt übergeben. Turin, 7. Oktober. (Ausgrabung einer alten Stadl.) Professor Movetti hat in der Nähe von No- vtliguvi eine alte Stadt entdeckt, die vor ca. 2000 Jahren bestand. Eine neue Eisenbahnlinie sollte an der betref fenden Stelle passieren und während der Erdarbeiten stieß man die versunkene Stadt. Bis jetzt sind Häuser in einer Länge von 800 Metern auSgegraben worden. Der Bautenminister hat Kredite zu der Fortsetzung der Forschungsarbeiten zur Verfügung gestellt Vermisstes. * (Woran erkennt man einenEhemann?) AuS Newyork wird der „Franks. Ztg." geschrieben: „Ge stern traf auS Chile der Musikalienhändler Alfonso Hae ring hier ein, der mit dem Zusatz „und Frau" auf der Schiffsliste verzeichnet war. Ein luchsäugiger Einwande- rungStnspektor entdeckte aber, daß daS „und Frau* zum mindesten stark verfrüht war, und so mußte das Pärchen die Bequemlichkeiten der I. Kajüte, die eS auf dem Wege genoffen hatte, mit den primitiveren Vorrichtungen für den menschlichen Komfort aus ElliS Island vertauschen. Als man die gluräugtge Begleiterin des Musikalienhänd lers inS Gebet nahm, fand sich's, das sie annoch ein Fräulein Emilia Apanzo sei. Nicht mehr lange blieb sie eS, denn man stellte die übliche Alternative: „Heiraten oder deportiert werden", und binnen wenigen Minuten hatte einer der Pastoren auf der Einwanderer-Insel wie der einmal 2 Dollar verdient. Den Einwanderungsin spektor, der die Entdeckung von der moralischen Unzu länglichkeit des erwähnten Verhältnisses gemacht hatte, befragte ein Berichterstatter darüber, wie er es wohl fer- tig gebracht habe, zu entdecken, daß es mit den beiden einem Seufz« nach feiner Wohnung zurück. Der Gedanke an da» schöne Mädchen, deren feine Hand er soeben in der seinen gehastkn und dabei deutlich ihren warmen Gegendruck verspürt halt«, wollt« ihn nicht mehr verloflen. Noch memal» zuvor hatte er r» so lebhaft empfunden wie jetzt, daß er Hedwig liebe mit einer Stärke und Innigkeit, die nur im Tode «löschen konnten, und wie iHv da» so recht klar vor der Seele trat, da stand auch schon der Entschluß in ihm f«st, keine Anstrengung zu scheue», um ihre rätselhaften Bedenken zu überwinden und den köstlichen Prei» zu «ringen. Inzwischen fuhr de« Wagen, in welchem der Baron nebst seinen Angehörige» sich befand, in schrullem Trabe zurück. Al» man in den Waldweg einbog, war e» bereit» dunkel, sodaß der Kutscher sich grzwunge» sah, di« Laternen anzuzünden. Da« Gespräch, welche» sich hauplsächlich um dir heutigen Ttschgenvfsen dreht«, verstummt« allmählig, der Baron und sein« Gemahlin ließen sich in di« Ecken de» Rücksitze» zurückfallen, und auch Sophir lehnte müde da» Köpfchen an die Schult« der Freundin. Bald waren alle drei in Schlaf versunken oder schienen e» we nigsten» zu sei». Denn sie hatte« sämtlich di« Auge» geschloffen. Nur Hedwig blieb wach. Si« dacht« zurück an de» birtrren Mann, der ihr abermals seine Liebe gestanden, und d-ffen W«, bung sie mit blutendem Herzen hatte zurückweisen müssen, ihre Augen begannen sich zu umfloren, und in schmerzliche Gedanken versunken blickte fi« empor zu dem Monde, der eben zwischen de» Wolke« hervorbrach u«d den Waldweg mit seinem silbernen Licht« «hellt«. Gespensterisch schienen die Waldriesen zu beiden Stilen de» Wege» an dem schnell dahinrollenden Wagen vorüber» zuhuschen, kein Laut außer dem Geräusch d« Räder und der Pferde sowie de» Rufen de» Kutscher« unterbrach di« düstrre Still« de» Walde,. Hedwig hatte den Blick nach den Wald gerichtet und ließ wie geiste»abwesend die gewaltige» Bäume an sich vorübergleite», al» fi« mit einem Male zusammeusuhr und nur mit Mühe einen Schrei de» Entsetzen» unterdrückte. Dort hinter einem derselben hatte sie deutlich eine menschlich« Gestalt sowie «in Gesicht ge sehen, auf welche» voll da« Mondlicht nieder fiel. Diese« Gesicht mit de» großen funkelnde» Augen war ihr bekannt, al« daß sie sich über die Identität getäuscht habe» könne, und bleich und nicht ganz stimme. „Na, ich kenne mich aus," erwiderte der biedere Moralwächrer, „so galant bemüht sich kein Ehemann um seine Frau wie dieser Chilene um seine Chilenerin!* * (Gefährliche Mädchenhändler) treiben augenblicklich in Deutschland ihr Wesen. In Danzig wurde ein junges Mädchen entführt, die Spuren weisen auf Berlin, wo dieser Tage ebenfalls ein junges Mädchen aus anständiger Familie verschwand, daS sich von einem Fremden, der sehr gewandt auftrat, hatte umgarnen las- sen. Der Fremde prahlte mit seiner Abstammung aus hohen Kreisen und gab sich für einen Schriftsteller aus, nannte aber nie seinen Namen. Wie aus einem zurück- gelassenen Briefe hervorgeht, spiegelte er dem Mädchen vor, daß er den Namen nicht preisgeben dürfe, weil er zu anarchistischen Kreisen Beziehungen unterhalte Im Laufe der Zeit gewann er großen Einfluß auf da- Mäd chen und verlobte sich schließlich mit ihm. Vie Dresdner GewerbMuiMl und das Ersetz gegen den unlauleren Wettbewerb. 82K. Ueber das Gesetz gegen den unlauteren Wett- bewerb äußert sich die Dresdner Gewerbekammer in ihrem soeben erschienenen Jahresbericht über das Jahr 1910 folgendermaßen: „DaS am 1. Oktober 1909 in Kraft ge tretene Gesetz gegen den unlauleren Wettbewerb, aus das die Handwerker und Kleinhändler große Hoffnungen ge setzt hatten, hat noch nicht die gewünschte Wirkung er- zielt. Die Bestimmungen, welche die Veranstaltung schwindelhafter Ausverkäufe verhindern sollen, wurden ebenso zu umgehen versucht wie unter dem alten G-ietze. Die verschärften Maßnahmen scheinen eher da- Gegen teil zu bewirken, als eine Gesundung für Handel und Gewerbe herbeizuführen. — Der Wettbewerb, den die Konsumvereine, Bezugs» und Absatz - Genossenschaften, Warnhäuser, Abzahlungs- und Versandgeschäfte, Basare usw. dem ehrbaren Handwerk und Kleingewerbe bereiten, tritt in derselben Schärfe hervor wie in den vergangenen Jahren. Mehrfach ist berichtet worden, daß besonders in den kleinen und mittleren Stäoten die Leiter der Kon sumvereine kein Mittel unversucht lassen, um möglichst alle Einwohner in ihren Verein zu bringen. Dadurch erleiden namentlich die Kolonial- und Materialwaren» Händler in diesen Orten bedeutende Einbußen und wer den in ihrer Steuerkraft geschwächt. Von verschiedenen Seiten ist deshalb der Wunsch geäußert worden, die Kan- , sumveretne mit einer hohen Steuer zu belegen. Des weiteren führen die Angehörigen mehrerer ErwerbSzwetge lebhaft Klage über die WirtschaftSoereinigungen der Offiziere, Lehrer, Post» und Eisenbahnbeamten, weil nicht nur die Vereinsmttglieder, sondern meist auch noch deren Verwandte, Freunde und Bekannte der Geschäftswelt als Käufer verloren gehen. Ferner suchen noch immer die großen AbzahlungS- und Versandgeschäste sowie die Warenhäuser durch die marktschreierischen Anpreisungen und billigen Angebote ihrer oft minderwertigen Erzeug, ntsse und Waren die große urteilslose Menge der Käufer «schrecken, nur da» eine Wort — Emil — vor sich hinmurmrlnd, lehnt« fie fich in d«« Wagen zurück. Wa« mochte ihn wohl hierhin zurückgeführ! haben, ihn. de» man al« einen Schwindler und Betrüger verfolgte? Eine harm lose Absicht konnte e» nicht sein, denn um ein« solche auSzufützren. würde er fich nicht mitten unter seine Feind« gewagt baden offenbar führt« « etwa« Schlimmere« im Schilde. Sollte fi- dem Baron den Vorfall mitteilen und ihn zur Vorficht mahnen? Rein, da« ging nicht, fie war gezwungen ,« schweigen, fie mußte auch gegenüber diesem ebenso ihr Geheimniß wahren, wie gegen, über jenem wackeren Manne, dem Ideale ihn« jungfräulichen Herzen«. Al« Hedwig jene« Gesicht erblickte, befand fich der Wagen bereit« in der Nähe de« Ausgange« de« Walde«, und gleich da rauf hatte er da» Ende derselben «reicht. Da» jetzt voll durch da» Fenster fallend« Licht weckt« den Baron, drr nunmehr auch Frau und Tocht«r ermunterte mit d« Bemerkung, daß fie bald zu Hause seien und aussteigen müßten. Al» man dort angelangt war, erklärte Hedwig, daß fie fich sehr angegriffen fühle und sich daher sofort zur Ruhe begeben wolle. Besorgt fragte fie di« Baronin, ob man ihr vielleicht Thee auf da» Zimmer bringen solle; doch fie lehnte dankend ab, und stieg beklommenen Herzen», mit dem bangen Vorgefühle eine» ahnenden Unheils, die Treppe hinauf. Da» erste, wa» ihr in ihrem Zimmer in die Augen fiel, war ein auf dem T sch« liegender Brief. Ihre Hände begannen zu zittern, al» fie die Aufschrift betrachtet hatte, sodaß fie «hn nur mit Mühe zu öffnen vermochte. Der Inhalt de» Briefe« lautete: Mein« süß« Hedwig! Da» Pech, welche» mich mein ganze» Leben lang verfolgt«, will mich auch jetzt nicht verlassen. Kaum hatte ich mir durch die Güte Deine» Brotherrn ei» paar hundert Taler erworben, so mußte ich dieselbe» im Spiel« wi«d«r verlier«». Mein ganze« Vermögen beträgt heute kaum noch 5 Taler, womit man, wie Du begreifen wirst, nicht viel aafangrn kann. Da ich nun Dei» gute» Herze kenne und weiß, daß Du Dir in den letzten Jahren ei» nette» Sümmchen «spart hast, so wirst Du Deinem treuen Emil in semer jetzigen Not gewiß ger» mit einem kleinen Darlrhn aushelsen. Vordrrhand genügen 300 Taler, welche Du