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Nr. 115. Pul»nitzer Wochenblatt. — Dienstag, ten 26. September 191'. Seite 2. ingehen zu lassen, da sich das Bestehen dieser Schule sür die Stadt nicht rentiert. Groß-Olbersdorf. (Ps arr er w o h l.) Der Kirchen- vorstand wählte in seiner letzten Sitzung den bisherigen Pastor Gerhard Kanig in Glauchau einstimmig zum Pfarrer von Groß-OlberSdorf im Erzgebirge. Pastor Kanig, der seit dem Dezember 1907 als Geistlicher in Glauchau wirkt, war vorher von 1889 ab als Missionar unserer Leipziger Mission in Ukamba in Ostafrika tätig, wo er die Missionsstation Minunkoni gründete und neben einem Gesangbuche in der Kikambasprache auch eine Uebersetzung deS LukaS-EvangeliumS schuf. Lagssgelcmcvte. Deutsches Reich. Berlin, 25. September. (Tele grammwechsel zwischen Kaiser Wilhelm und Präsident Falliere S.) Anläßlich des Unglücks der „Liberte" hat der Kaiser an den Präsidenten der Repu- blik folgendes Telegramm gerichtet: ES fehlen mir die Worte, um einen Ausdruck für mein tiefes Mitgefühl mit der nationalen Trauer Frankreichs zu finden. Die so furchtbar geprüften Familien werden sich mit dem Be wußtsein trösten können, daß die unglückliche Besatzung der „Liberte" in Erfüllung ihrer Pflicht gegen das Vater land gestorben ist. — Präsident Fallieres: Ich bin tief ergriffen von den bewegten Worten, mit denen Eure Majestät sich der Trauer anschließen, die ganz Frankreich betroffen hat, und dem Zeichen tiefschmerzlichen Nitze- fühls, daß Eure Majestät die Güte haben, an die un glücklichen Familien zu richten, die durch da» Unglück der „Liberte" so furchtbar geprüft sind. Ich bitte Eure Majestät, den Ausdruck meines lebhaften Dankes ent- gegenzunehmen. — (Unsere Finanz- und Wirtschaftslage ist nicht erschüttert) Die „Norddeutsche Allgemeine Zeitung" betont gegenüber den in letzter Zeit im Aus lande verbreiteten Nachrichten über die finanziellen Ver hältnisse und den Stand der Banken in Deutschland, daß diese durchweg der Begründung entbehren und zumeist auf direktes Uebelwollen gegen Deutschland zurückzuführen sind. Sie führt u. a. aus: Die finanzielle Lage Deutsch lands hat ihre Widerstandskraft in letzter Zeit zur Ge nüge darin erwiesen, daß die hierhergegebenen auSlän- dischen Guthaben, welche Anfang dieses Jahres auf fast 800 Millionen Mark geschätzt wurden, bis aus einen ge- ringen Bestand zurückgezahlt worden sind, ohne daß der hiesige Geldmarkt irgendwelche Erschütterung erlitten hätte. Im übrigen hat e» sich dabei, wiederum im Ge gensatz zu den hierüber verbreiteten Meldungen, keines wegs um Kündigungen der Auslandes, sondern lediglich um ohnehin fällige Verbindlichkeiten gehandelt. Es ist damit zu rechnen, daß der diesmalige Quartalstermin sich für uns vielleicht schwieriger gestaltet als sonst, aber Besorgnisse außergewöhnlicher Art brauchen wir nicht zu hegen. E» muß daher mit aller Entschiedenheit gegen Nachrichten Front gemacht werden, welche den Stempel der Böswilligkeit an der Stirn tragen und nur dazu bestimmt find, gegen unsere Finanz- und Wirtschaftslage im Aus- lande Stimmung zu machen. — (Die nächstjährigen Kaisermanöver) sollen aller Wahrscheinlichkeit nach zwischen dem 3. und 12. Armeekorps einerseits, dem 4. und 19. Armeekorps andererseits stattfinden. — Das 3. Armeekorps steht in Brandenburg, das 4. in der Provinz Sachsen; das 12. und 19. Armeekorps sind die beiden Kgl. Sachs. Armee korps. DaS letzte Kaisermanöver haben gehabt: das 3. Korp» im Jahre 1906, das 4., 12. und 19. Korps im Jahre 1903. — (D ie Ko llekten innerhalb der ev.-lu- therischen Landeskirche) ergaben im Jahre 1910 13 000 Mk. mehr als 1909. Der Gesamtbetrag belief sich auf 202 754 Mk., das find 4,8 Pfg. auf den Kopf der evang. Bevölkerung, gegen 4,5 Pfg. im Jahre 1909. Zur Konfirmation in der Landeskirche kamen im Jahre 1910 98 898 Kinder gegen 92012 im Jahre 1909, von denen 3083 (im Vorjahre 2869) aus gemischten Ehen stammten. Eine Verweigerung der Konfirmation kam in 2 Fällen vor. Die Zahl der Eheschließungen in Sachsen ist von 34 618 im Jahre 1909 auf 35 405 im Jahre 1910 gestiegen; darunter 2608 sich (im Vorjahre) gemischte Paare. — (Die Futternot) Der Zweck neuester Ver- ordnungen der preußischen Regierung über den Betrieb in landwirtschaftlichen Brennereien ist der, daß mehr Schlempe hergestellt und so ein besonders geeigneter Futter für das Vieh gewonnen wird, außerdem soll er- reicht werden, daß ein Teil der Kartoffelernte, der sonst in den Brennereien verarbeitet würde, für Speisezwecke frei wird. Eine außergewöhnliche Inanspruchnahme des öffentlichen Kredit» durch die Landwirtschaft ist bi» jetzt noch nicht zu verzeichnen gewesen. So sind beispielsweise die Ansprüche an die Preußische Zentral-GenossenschaftS- kaffe, die den mit ihnen in Verbindung stehenden land- wirtschaftlichen Genossenschaften 10 Millionen Mark Not- standsgelder zu mäßigem Zinsfuß zur Verfügung gestellt hat, bisher nur unbedeutend gewesen. Man rechnet aber zum Ultimo auf eine stärkere Inanspruchnahme des In- stitut». — In zahlreichen Städten haben dieser Tage Protest-Versammlungen gegen die Teuerung stattgefunden. Meist wurden Entschließungen angenommen, in denen gesagt wird, daß die Spannung zwischen EngroS- und Kleinhandelspreisen unverhältnismäßig groß sei. Die Regierung wird ersucht, diesem Zustand zugunsten der kleinen Bevölkerung abzuhelfen. — Die Frankfurter Stadt- verordneten stimmten einer von Magistrat vorgelegten Eingabe an den Landwirtschaftsminister zu, worin dieser um Oeffnung der Grenzen für die Vteheinfuhr und Auf- Hebung der Lebensmittelzölle, Verbilligung des Viehtrans. Port» auf den deutschen Eisenbahnen und um Reform der System» der Getreide-Einsuhrscheine ersucht wird. Köln, 25. September. (Zur TripoliSaffäre.-) D.e „Kölnische Zeitung" schreibt über die Tripolisaffäre: Die Lage hat sich verschärft und ist recht ernst geworden. Bei der in Konstantinopel und Rom herrschenden Auf- regung braucht man jedoch nicht allen Alarmnachrichten Glauben zu schenken. Zu diesen Nachrichten rechnen wir vor allem jene, die von der Wegnahme türkischer Schiffe durch italienische und von umgekehrten Vorgängen er zählen. Wir glauben nicht, daß Italien die Absicht hat, Tripoli» zu besetzen. In Rom wird man wissen, welche Verantwortung man auf sich nimmt, wenn man gleich einem Blitz au» heilerem Himmel eine militärische Expe- ditton nach Tripolis unternimmt. Eine solche Expedition ist eine Sache, von der man wohl ungefähr weiß, wo sie anfängt, nicht aber, wo sie endet. — Wie verlautet, hat die deutsche Regierung in Konstantinopel Schritte unter nommen, dahingehend, daß die deutschen Instrukteure, die in der türkischen Armee dienen, in keinem Falle an kriegerischen Operationen tetlnehmen sollen. Breslau, 25. September. (Für die Syndikate!) Bei dem der gestrigen Hauptversammlung der Eisenhütten folgenden Festmahl hielt der Oberpräsident von Schlesien, o. Günther, eine Rede, in der bemerkenswerte Aeußerun- gen über die Syndikate fielen. Er sagte u. a.: Man möge über den Wert der Syndikate streiten, aber der Zusammenschluß und die Syndikate ermöglichen e», Funk- tionen auszuführen, die einem Einzelnen nicht möglich find. Wenn die Industrie gefährdet würde, würde da durch auch das Gemeindewohl geschädigt werden. Die Schwierigkeiten seien bedeutende, mit denen die Industrie arbeitet, daher dürfe man ihren Kampf durch Entgegen- arbeiten nicht noch erschweren. Italien. (Zur TripoliSaffäre.) Aus Rom wird gemeldet: Die militärische Expedition nach Tripolis ist beschlossen. In leitenden Kreisen ist man entschlossen, mit großer Energie vorzugehen. Die Flotte, die sich vor Syrakus konzentrierte, ist bereit. Dar erste Geschwader ist von der Reede von Spezia bereits abgelausen, er steht unter dem Kommando des Admirals Augry. Das zweite Geschwader unter Admiral Faraoelli ist bereit abzu dampfen. Da» Ministerium hat außerdem 40 Privat- dumpfer al» Hilfskreuzer, Munitionsschiffe usw. requiriert. Weitere Privatdampfer sollen noch requiriert werden, und find dieserhalb die Direktoren der Schiffahrtsgesellschaften zu einer Konferenz nach Rom berufen worden. Frankreich. Pans, 25. September. (Die Pariser Presse und die TripoliSaffäre.) Die Haltung der Presse zeigt Wohlwollen gegenüber dem Vorgehen Italien- in Tripolis und macht der Türkei klar, daß sie nicht auf Unterstützung seitens Frankreichs rechnen kann. Ironisch wird der Türkei geraten, nach Berlin zu gehen. In maßgebenden politischen Kreisen ist man der Mei nung, daß e» keineswegs zu einem ernsten Konflikt zwi schen Italien und der Türkei zu kommen brauche. Gleich, zeitig mit den Verhandlungen zwischen Deutschland und Frankreich sind Verhandlungen gepflogen worden zwischen den übrigen in Afrika interessierten Mächten, besonders auch mit England, daS seine Interessensphäre in Zentral afrika genau abgrenzen will. Es ist nicht ausgeschlossen, daß die Verhandlungen der Asrikamächte auch eine Lösung der Tripolisfrage herbeiführen. Paris, 25. September. (Die Tripolis-Urage.) Wie aus Turin gemeldet wird, versichert man in gutin- formierten Kreisen, daß die italienische Flotte nach den tri- politanischen Gewässern abgekämpft ist.. Der Krieg», und Marinemintster haben denKabinettSchef Giolitti informiert, daß alle Vorbereitungen getroffen seien, um für alle Eoentuellitäten gewappnet zu sein. — Weiter meldet der „Matin" aus Rom: Man glaubt zu wissen, daß äugen- blicklich Besprechungen zwischen Italien und der Pforte angeknüpft werden, zu dem Zwecke, die Anerkennung von Privilegien zu erhalten, welche die übrigen Mächte Jta- lten in Tripolis bereits zuerkannt haben. Italien ist zu einer militärischen Operation bereit. Beim ersten Signal würde die Flotte in der Lage sein, Italien» Rechte Achtung zu verschaffen. Vorher aber wünsche die Con- sulta aus versöhnliche Mittel zurückzukommen, die auf ein Abkommen mit der Türkei Hinzielen. V W. N. Kokowzew, Ger neue russische Ministerpräsident. Seitdem der bisherige Leiter der russischen Staat». Politik Stolypin von Mörderhand gefallen ist, waren als Persönlichkeit sein?» Amtsnachfolger» die verschiedensten Kandidaten genannt worden. Jetzt ist vom Zaren der Ftnanzminister Kokowzew al» russischer Ministerpräsident bestätigt worden. Kokowzew ist ein Schüler Wittes. Man bezeichnet den neuen Premier als den einzigen geeigneten Mann für den verantwortlichen Posten. Kokowzew stand. nie auf Seiten der Reaktionäre. Im ReichSrat kam er häufig zwischen ihm und Stolypin zu MeinungSverschre- denheiten in ausgesprochen prinzipiellen Fragen, speziell betreffend die nationale Politik und die Nationalisierung des Kredits. Auch die Ftnnlandspolitik Stolypins fand nicht Kokowzews Beifall. Obgleich unter Kokowzew der politische Kurs im großen und ganzen sich nicht ändern dürfte, so wird die allgemeine Tendenz Kokowzews sich von derjenigen Stolypin» sicherlich unterscheiden. Nus aNer Well. Paris, 25 Sept. (Eine schwere Explosions katastrophe in der französischen Kriegs marine.) Heute morgen entstand auf dem Panzerschiff „Liberte" bei einer UebungSfahrt vor Toulon infolge einer Kesselexplosion Feuer an Bord. Das Schiff sank innerhalb einer Viertelstunde. Ueber die Katastrophe wird berichtet: Infolge der Explosion ist das Linienschiff in zwei Teile zerborsten. Die Ueberreste des Schiffes stellen ein unbeschreibliches Bild der Verwüstung dar. Alles ist zerstört, die Batterien sind gesprengt und die Brücke weggefegt. Wie mitgeteilt wird, beläuft sich die Zahl der Opfer auf 468. Die Besatzung des Panzer- schiffeS belief sich auf durchschnittlich 700 Mann, die Offiziere mit einbegriffen. Hiervon befanden sich 140 auf Landurlaub, 274 sind gerettet, unter ihnen befinden sich 40 Verletzte. Viele Matrosen der übrigen Kriegsschiffe, die sich auf der Reede befanden, sind verletzt worden. Jedes der anwesenden Kriegsschiffe hatte eine Anzahl Matrosen nach dem brennenden Schiffe entsandt, um an der Löschung des Brandes sich zu beteiligen. Granaten sind in der Umgebung eingeschlagen und verursachten großen Schaden an den im Hafen liegenden Schiffen. Die „Liberte" ist vollständig verloren und man glaubt nicht, daß daS Schiff wieder gebrauchsfähig werden kann. Eine eingehende Untersuchung über die Ursache der Ka tastrophe ist angeordnet worden. Als Ursache der Kata- strophe wird Kurzschluß angegeben, der in der Hinteren Kammer eingetreten sei. Die erste Explosion erfolgte 5'/, Uhr, die zweite eine Viertelstunde später und die dritte, dst daS Schiff vernichtete, um 5 Uhr 55 Min. Diese hüllte den Panzer so stark in Rauch ein, daß vom Ufer aus nichts mehr von ihm zu sehen war. Als sich nach langer Zeit der Rauch etwas verzogen hatte, war der Panzer bereits gesunken. Der Kommandant deS Schiffes, Admiral Jame», war nicht anwesend. Er war fett zehn Tagen beurlaubt. Der Marineminister Delcasse ist sofort nach Toulon abgeretst. Der deutsche Botschafter hat dem Minister deS AuSwä tigen einen Beileidsbesuch abgestattet, ebenso der deutsche Marineattachee Searle dem Marinemintster. Pans, 25. September. (Zur Katastrophe auf der „Liberte".) Die Abendblätter bringen Trauer- artikel. Sie erklären jedoch, daß die französische Marine sich durch daS Unglück der „Liberte" nicht zu entmutigen lassen brauche. Aus aller Welt lausen Kondolenztele gramme beim Marineministerium ein. Paris, 23. September. (Schneefälle und Sturm in Frankreich.) Aus verschiedenen Teilen Frankreich» laufen Nachrichten über plötzlich eingetreiene Kälte und sogar starke Schneefälle ein. Die Landwirte klagen bitter über Zerstörungen, die die Kälte hervorgerufen hat. Starke Stürme herrschen auch noch im Mittelmeer, sodaß die Geschwader der K-iegSmarine ihre Ankerketten verdoppeln mußten, um nicht loSgerissen zu werden. Dennoch kamen kleinere Unfälle vor. Viele Telegraphenstangen wurden vom Sturm entwurzelt Prag. (Zu Teuerungsexzessen) kam es auch im benachbarten Kuttenber. Mehrere Tausend Arbeiter bombardierten das Getreidemagazin. Sie schlugen die Fensterscheiben einer Zuckerfabrik ein und demolierten das Tor einer anderen Fabrik. Militär und Gendarmerie mußten ausrücken. ES kam wiederholt zu heftigen Zu- sammenstößen mit der Menge, welche nachts in die be nachbarte Stadt Sedletz zog. Ein Gendarm wurde ver- letzt. ES wurden strenge Ausnahmeverfügungen erlassen. Prag. (Boykott gegen da» Pilsner Bier.) In zahlreichen Provinzstädten Böhmen» sowie in Prag selbst wird wegen der erfolgten Erhöhung der Bierpreise durch die Pilsener Brauereien eine lebhafte Boykottbe- wegung gegen die Produkte der Pilsener Brauereien ein geleitet. Ganze Gesellschaften haben sich gebildet, die sich verpflichteten, so lange kein Pilsener Bier zu trinken, bis die Bierpreise wieder herabgesetzt würden. Rochod. (Reicher Kindersegen.) Die Frau der Bahnmeisters Weiß hierselbst schenkte dieser Tage Zwil lingen daS Leben. Damit steigt die Zahl ihrer während einer fast 30 jährigen Ehe geborenen Kinder auf achtund- zwanzig! WW- für alle ErmdMstiMmn in Andi md Lind. Die Grunddienstbarkeiten (z. B. Wegerechte, Wasser- leitung-rechte usw), die vor dem 1. Januar 1900 entstanden sind (durch Vertrag, Ersitzung, letztwtllige Be stellung), bedürfen zur Erhaltung ihrer Wirksamkeit nicht der Eintragung im Grund buche. Ihre Eintragung steht aber vielfach im Interesse der Berechtigten, nament lich im Falle der Ersitzung. Dem seit dem 1. Januar 1900 geltenden Deutschen Bürgerlichen Gesetzbuch fft die Ersitzung bet Grunddienstbarkeiten fremd; daher kann auch eine unter der Herrschaft de» Sächsischen Bürger lichen Gesetzbuchs begonnene Ersitzung vom 1. Januar 1900 ab nicht fortgesetzt und vollendet werden. Wer also